Читать книгу Eine Ahnung von der Ewigkeit - Anne Woeller - Страница 6
Nach dem Spiel
ОглавлениеDie Euphorie war auch noch auf der Siegesfeier ungebremst. Fremde Leute, die Rick nie zuvor gesehen hatte, schüttelten ihm die Hand und beglückwünschten ihn. Der Schampus floss in Strömen. Die Glückwünsche hörten nicht auf. Ricks Karriere als Profispieler stand in diesem Augenblick nichts mehr im Wege.
»Du hast es mal wieder spannend gemacht.«
Rick lächelte und nickte,
»den ersten lass‘ ich immer durch.«
»Rick!«, rief einer von der Seite ihn an, »hier meine Karte, ich bin Marketingexperte und würde sie gerne für ihre zukünftigen
Werbeauftritte beraten.«
Ein kurzer Handschlag, mit Übergabe der Visitenkarte und der Mann war auch schon wieder in der Menschenmenge verschwunden, da er von den anderen um Rick herum, weiter geschoben wurde.
»Um dich herum wird es bald ziemlich eng werden.«
»War es das nicht schon immer?«
Rick flüchtete auf einen der Barhocker und versuchte dort Platz zu nehmen. Der Barkeeper klopfte ihn, von hinten auf die Schulter und beglückwünschte ihn.
»Toller Schlag. Genießen sie den Augenblick? Hier reißen sich die Leute um sie.«
Rick ließ sich diese Aufmerksamkeiten wohl gefallen. Dennoch zog es ihn zu seinen Spielkameraden, die an der Bar saßen und Talisker Whiskey tranken.
»Die Saison ist vorbei, jetzt endlich können wir wieder die guten Sachen trinken.«
»Ich habe schon genug. Ich werde mich langsam auf den Heimweg machen.«
»Ach, komm schon. Das ist dein Abend heute. Freu dich doch, wenn sich jeder um dich schlägt.«
»Das tue ich ja.«
»Denke dran, wie schnell können sich Augenblicke verändern. Darum genieße jeden Moment in vollen Zügen.«
Rick sah seinen Spielkameraden schräg von der Seite an:
»So poetisch, Bradey? Und das schon vor Mitternacht?«
»Ich mein‘ ja nur, Rick. Sportler haben eine steile und oftmals kurze Karriere.«
»Ich weiß.«
Zu später Stunde hatte Rick von den Feierlichkeiten genug. Er wollte nach Hause zu seiner Verlobten.
»Halt! Warte!«, rief einer seiner Spielkameraden. Henrik trat auf Rick zu, der schon in der Türe stand. Er zog einen Baseball aus der Tasche. Bedächtig hielt er ihn Rick entgegen. Während ihn beide ehrfürchtig betrachteten, sagte er:
»Das ist dein Homerunball! Der hat dich nach ganz oben
katapultiert, mein Freund. Herzlichen Glückwunsch! Tolles Spiel.«
Mit einem gekonnten Wurf und einem ebensolchen Fang wechselte der Ball seine Besitzer. Rick hielt ihn lächelnd in der Hand. Dann steckte er ihn schnell in seine Jackentasche, um sich gleich weiter an ihm festzuhalten.
»Und?«, fragte Henrik, »hat sich etwas in eurer Beziehung verändert, seit dem du und Kris verlobt seid?«
Rick schüttelte den Kopf.
»Wir kennen uns schon mehr als 11 Jahre. Da gibt es meistens auch nach der Verlobung keine bösen Überraschungen mehr.«
Sie lächelten einander an und Rick verabschiedete sich.
Das Taxi fuhr rasant über die Brooklyn Bridge. Der Taxifahrer blickte immer wieder verlegen in den Rückspiegel, bis er schließlich doch noch schüchtern nach einem Autogramm fragte. Rick unterschrieb gerne auf dem alten Pappbecher, der ihm entgegen gehalten wurde.
»Darf ich den Stift behalten?«
»Sie dürfen alles, Mr. Tylor.«
Vor einem bescheidenen Reihenhaus hielt das Taxi an und Rick ging hinein. Kris kniete gerade über einer weißgrundierten Leinwand und führte gekonnt erste Pinselstriche darüber. Als sie Rick bemerkte, ließ sie alles fallen und sprang ihm in die Arme.
»Dein Homerun war klasse!«, strahlte sie.
Liebevoll schaute er sie an und sie erwiderte seinen Blick. Wie sehr er dieses Lächeln liebte.
»Warum bist du nach dem Spiel gleich nach Hause gefahren?«
»Damit du ungestört mit deinen Kameraden feiern kannst. War es denn lustig im Clubhouse?«
»Ach, früher war es irgendwie spaßiger. Heutzutage sind viel zu viele andere Leute mit dabei und man kann nicht mehr ausgelassen feiern.«
»Warum nicht?«
»Weil du deinen zukünftigen Managern nicht gerade zeigen willst, wie du in Feierlaune aussiehst.«
Sie strahlte ihn mit ihren blauen Augen an.
»Du siehst immer noch so aus wie damals.«
Kurz verlor er sich in ihren Augen und dachte daran, wie sie sich kennenlernten. Als er vor elf Jahren in einem Sportladen arbeitete, kam sie eines Tages schüchtern auf ihn zu, um ihn nach bequemer Radbekleidung zu fragen. Sie hatte damals genau wie heute, ihre langen braunen Haare streng nach hinten, zu einem hohen Pferdezopf gebunden. Ihre blauen Augen strahlten ein Bewusstsein aus, in das sich Rick sofort verliebt hatte. Kris wusste zu der Zeit nicht, dass sie mit einem Stern am Baseballhimmel sprach. Sie verliebte sich in seine lockere Art, die Dinge mit einer Zielsicherheit anzugehen und den Spaß des Lebens in jeden Tag mit einfließen zu lassen.
»Wir schauen in eine goldene Zukunft«, lächelte er, »mit dem Profivertrag können wir uns alles leisten, das mit Geld zu kaufen ist.«
Sie wussten in diesem Augenblick noch nicht, was ihnen bevorstand. Wie konnten sie auch.