Читать книгу Eine Ahnung von der Ewigkeit - Anne Woeller - Страница 9
Leere, die gefüllt werden möchte
ОглавлениеKris spürte, wie sie bleich wurde. Rick starrte wie immer an die Decke. Seine Augen waren leer. Sie stand auf und ging wieder, ohne etwas gesagt zu haben zügig aus dem Zimmer. Fast ohne es zu merken, griff Rick nach der Fernbedienung und vollführte das Gewohnte. Auf dem Bildschirm flackerten bunte Bilder. Doch Rick sah sie nicht. Er war leer. Kris war wiedergekommen, aber hatte nichts gesagt. Es wurde nichts gesprochen. Sie war einfach auf dem Stuhl gesessen, bis sie wieder aufstand und abermals verschwand. Rick starrte nun teilnahmslos auf den Bildschirm und fühlte sich elend. Warum hatte er nichts sagen können? Er wollte sie um sich haben, genauso wie er sie zum Teufel jagen wollte.
Kris lief ohne Umwege aus dem Krankenhaus hinaus. Ihr Herz tat weh, aber sie ließ den Schmerz nicht zu. Bis die frische Luft kam. Die Ausgangstüre öffnete sich und die Kühle der Nacht öffnete ihr Herz. Sie füllte ihre Lungen mit Sauerstoff und ihr ganzer Körper reagierte. Schluchzend lief sie zum Auto, setzte sich hinein und weinte.
Die Worte der Ärzte waren immer noch wie Donnerschläge zu hören. Kris zündete sich zitternd eine Zigarette an. Im Rückspiegel sah sie ihre roten Augen und das verschmierte Makeup. Jemand klopfte an die Fensterscheibe. Es war Henrik.
»Seit wann rauchst du?«
»Seit der Diagnose.«
Henrik blickte betroffen zu Boden. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»In ihm ist nicht nur das Knie kaputt, Krisi. Er war ein Held. Und jetzt ist es fünf Minuten später und es ist nichts weiter übrig als Staub. Es ist alles wie ein Spiel. Nur, dass es hier keine zweite Chance gibt. Es gibt kein Replay. Es wird nichts wieder auf Anfang gesetzt. Es ist wie es ist.«
»Er lässt mich nicht mehr an sich heran.«
»Es schmerzt ihn noch zu sehr. Wir erinnern ihn an etwas Vergangenes. Baseball war sein Leben. Du warst sein Leben.«
»Sein Leben ist aber nicht vorbei.«
»Weiß er das, Kris? Er kann sich so nicht mehr annehmen, wie er jetzt ist. Er verleumdet sich und die gegenwärtige Situation. Er sucht Schutz in der Einsamkeit.«
»Und wer denkt an mich?«
»Gib ihm Zeit und vor allem Dingen, gib ihn nicht auf.«
Es war jetzt schon die dritte Zigarette. Henrik war wieder gegangen und Kris saß immer noch im Auto auf dem Parkplatz.
»Ich gebe ihn nicht auf. Aber vielleicht gebe ich mich auf«,
sagte sie traurig zu sich selbst. Auf dem Beifahrersitz hatte sie die Testergebnisse der Blutspendeuntersuchung, zusammen mit den Krankenakten. Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. Sie ließ ihren Gefühlen freien Lauf und weinte bitterlich.
»Was mache ich nur?«, rief sie laut.
‚Annehmen was ist‘, flüsterte der Wind durch das Fenster zurück,
‚was bleibt dir gerade anderes übrig?‘
»Es wurden schlimme Dinge gesagt!«
‚Worte! Was sind schon Worte? Flüchtige Schatten eurer Realitätsgestaltung.‘
Aber diese Worte erhellten wie ein Blitz ihre ganze Welt für immerwährende, tausendstel Sekunden. Sie konnte die Situation nicht mehr verändern. Aber sie musste etwas unternehmen. Es musste etwas geschehen! Bewegung war gefordert.