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Tante Pim

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Als Betrüger-Schorschi sicher gelandet war, öffnete er endlich die Klappe in den Plastikbeinen. Zu viel Luft wollte er allerdings nicht entweichen lassen, denn, wie er wusste, legte die Puppe großen Wert auf ihre Beine.

Dann sprang er aus dem Ballonkorb und umarmte seine Tante. Sie roch nach Pfefferminz. Seit er zurück denken konnte, roch seine Tante nach Pfefferminz!

Tante Pim löste sich aus der Umarmung, zeigte auf die Puppenbeine und fragte Betrüger-Schorschi: „Na, mein lieber Junge, wen hast du denn da mitgebracht?“

‚Sag’ nicht Junge zu mir’, dachte Betrüger-Schorschi verärgert. Doch er wehrte sich nicht laut dagegen, denn er wollte seinen Schlafplatz und den Proviant nicht aufs Spiel setzen.

„Das ist die Flupppuppe!“ sagte er deshalb laut. „Darf ich euch vorstellen: Die Flupppuppe, Tante Pim. Tante Pim, die Flupppuppe.“

„Sie sieht nett aus“, stellte Tante Pim fest. „Ich kann allerdings nur ihre Beine sehen!“

„Mehr gibt es bei ihr auch nicht zu sehen“, knurrte Betrüger-Schorschi. „Die Flupppuppe kommt jeden Sonntag und streckt ihre Beine durchs Fenster. Dann gibt es Suppe und alles ist gut.“

„Aha!“ sagte Tante Pim und zog ihre Augenbrauen nach oben. „Deshalb habe ich heute Abend also Suppe gekocht! Ich hatte mich schon gewundert. Hoffentlich stimmt, was du sagst! Erst heute habe ich einen Brief vom jungen Hubel bekommen. Aber leider nicht mit guten, sondern mit sehr schlechten Neuigkeiten.“

„Was schreibt er denn?“ fragte Betrüger-Schorschi neugierig.

Er kannte den jungen Hubel nicht persönlich. Aber er wusste von Tante Pim, dass er eine wichtige Persönlichkeit war. Er wurde oft in den Zeitschriften, die seine Tante las, abgebildet. In Betrüger-Schorschis Augen sah er aber wie ein gelackter Affe aus.

„Fährt der Flupppuppen-Ballon gut?“ lenkte Tante Pim vom Thema ab.

„Sicher!“ antwortete Betrüger-Schorschi stolz. „Über 3000 Meter Höhe!“

„Das scheint mir ein bisschen viel zu sein“, meinte Tante Pim skeptisch.

„Du darfst nicht vergessen, dass das kein gewöhnlicher Ballon ist, sondern die Flupppuppe!“

„Glaubst du, sie könnte es bis ins Blaue Gebirge schaffen?“

„Sicher“, sagte Betrüger-Schorschi. „Ich hatte sogar vor, mit ihr morgen zum Blauen Gebirge zu fliegen. - Aber was ist denn jetzt mit dem Brief vom jungen Hubel?“

„Das erzähle ich dir lieber in der Küche bei einem Löffel Suppe“, sagte Tante Pim. „Was sollen wir mit deiner Freundin so lange machen?“

“Wir öffnen das Küchenfenster, und lassen sie ihre Beine hindurch strecken“, sagte Betrüger-Schorschi. „Etwas anderes ist sie nicht gewöhnt.“

Als alle drei in der Küche waren und genüsslich ihre Suppe schlürften, kam Tante Pim wieder auf den jungen Hubel zu sprechen:

„Also, Junge. Eigentlich geht es dich natürlich nichts an, was mir der junge Hubel schreibt. Aber ich hoffe, dass die Sache unter uns bleibt?!“

„Klar“, antwortete Betrüger-Schorschi und sah seine Tante betont treuherzig an. Insgeheim hoffte er allerdings, dass er aus dem Brief irgendeinen Nutzen schlagen konnte. „Du kannst mir das Geheimnis des jungen Hubel ohne Sorge anvertrauen“, sagte er mit einschmeichelnder Stimme. „Ich werde schweigen wie ein Grab!“

„Der junge Hubel steckt in Schwierigkeiten!“ sagte Tante Pim.

Betrüger-Schorschi nickte ernst, aber eigentlich war ihm eher zum Lachen zumute. Welches großartige Problem konnte der junge Hubel, das geschniegelte Vorzeigesöhnchen seiner Region, schon haben? Hatte er vielleicht Haarfresser oder kaute er heimlich an den Nägeln?

Tante Pim sah Betrüger-Schorschi fest in die Augen und sagte: „Junge, dir wird das Lachen schon noch vergehen. Wenn ich nicht glauben würde, dass du und die Flupppuppe dem jungen Hubel helfen könnt, würde ich dich einfach weiterhin einen Kindskopf sein lassen ...“

Betrüger-Schorschi hasste es, wenn seine Tante so zu ihm sprach! Sie nahm ihn offensichtlich nicht ernst! Ihn, Betrüger-Schorschi, Spezialist unwahrscheinlicher Krankheiten, Koch nie da gewesener Speisen und Weltentdecker unverhoffter Gegenden! Er würde seiner Tante schon noch zeigen, was aus ihrem Neffen inzwischen geworden war! Er richtete sich hoch über seinem Suppenteller auf und schaute seiner Tante herausfordernd in die Augen.

„Na endlich!“ seufzte Tante Pim. Sie wusste nur zu gut, dass Betrüger-Schorschi oft etwas anders behauptete als er dachte. In ihren Augen war ihr Neffe einfach nur ein kleiner, hochstaplerischer Betrüger. Aber immerhin war jetzt sein Ehrgeiz geweckt. Deshalb sagte sie: „Gut, dann höre zu, was der junge Hubel schreibt:

Liebe Tante Pim,

gleich zu Beginn: Es ist noch nicht zu spät. Als ich heute im Restaurant ‚Zwick mich’ saß, kam das große Huhn und blähte sich gewaltig auf und rupfte mir ein paar Haare vom Kopf. Sie sehen jetzt wirklich zerfressen aus. Auch meine Nägel werden immer abgenagter, ich kann mich bald nicht mehr in der Öffentlichkeit sehen lassen. Was das bedeutet, liebe Tante, weißt du nur zu gut. Deshalb bitte ich dich, nein, ich flehe dich an, sende mir sofort einen Luftboten ins Blaue Gebirge in die Stadt der Kinder. Dort bin ich noch relativ sicher. Ich werde bis dahin überlegen, welche weiteren Schritte eingeleitet werden müssen. Wie geht es dem alten Hubel? Sag ihm, dass ich ihn vermisse und richte auch Luisa Schönkopf einen Gruß von mir aus!

Ich grüße dich herzlich,

dein junger Hubel“

„Wer ist Luisa Schönkopf?“ fragte Betrüger-Schorschi.

„Luisa Schönkopf?!“ sagte Tante Pim, „Warum interessierst du dich ausgerechnet für sie? Luisa Schönkopf spielt in der Sache keine Rolle.“

„Immerhin lässt der junge Hubel sie schön grüßen.“

„Pah, Luisa“, machte seine Tante, „Ich habe noch nie etwas von ihr gehört. Wahrscheinlich hat der junge Hubel den Namen nur erfunden, um von den eigentlich wichtigen Dingen abzulenken.“

„Und was sind die eigentlich wichtigen Dinge?“ fragte Betrüger-Schorschi. „Die abgenagten Fingernägel?“

„Keine Ahnung“, platzte Tante Pim unerwartet heraus. „Ich weiß wirklich nicht, was mit dem jungen Hubel los ist. Aber seine Nachrichten, die er mir aus dem Blauen Gebirge schickt, werden immer rätselhafter und wirrer! Und das, obwohl der junge Hubel eine so seriöse Person ist!“

Tante Pim sah Betrüger-Schorschi besorgt an.

„Vielleicht hat er tatsächlich nur ein Problem mit zerrupften Haaren oder abgenagten Fingernägeln“, fuhr sie fort. „Aber vielleicht ist er auch das Opfer eines schlimmen Verbrechens und seine Briefe sind verschlüsselte Hilferufe!“

„Wie das?“ horchte Betrüger-Schorschi auf.

„Hast du noch nie etwas vom Blauen Gebirge gehört?“ fragte Tante Pim. „Dort drohen einem viele Gefahren!“

Betrüger-Schorschi nickte und dachte an die merkwürdigen Geschichten, die er darüber gehört hatte.

„Und warum ist der junge Hubel dann dort hingegangen?

„Weil er ein tapferer junger Mann ist!“ sagte Tante Pim überzeugt. „Vielleicht wollte er Luisa Schönkopf imponieren! Bisher sind nur sehr wenige aus dem Blauen Gebirge wieder gekommen.“

„Also ist Luisa doch keine Erfindung!“

Tante Pim machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte:

„Das ist doch nur die offizielle Version.“

Sie schlug sich erschrocken mit der Handfläche auf den Mund. Offensichtlich hatte sie sich verplappert.

„Und die inoffizielle?“ fragte Betrüger-Schorschi neugierig.

„Inoffiziell ist der junge Hubel in geheimer Mission unterwegs“, sagte Tante Pim gedehnt. „Natürlich darfst du das gar nicht wissen. Und natürlich darfst du das auch niemandem verraten!“

„Natürlich“, sagte Betrüger-Schorschi und setzte sein Ich-bin-ein-spitzenmäßiger-Geheimnishüter-Gesicht auf. „In welcher Mission ist der junge Hubel denn unterwegs?“

„Ich weiß es nicht genau“, sagte Tante Pim. „Ich weiß auch nur das, was der junge Hubel mir in seinen Briefen schreibt. Aber anscheinend soll er herausbekommen, warum fast niemand aus dem Blauen Gebirge zurück kommt.“

„Warum ist das denn wichtig?“ fragte Betrüger-Schorschi überrascht. „Es wird doch niemand gezwungen, dort hin zu gehen.“

Tante Pim beugte sich zu Betrüger-Schorschi vor und flüsterte ihm ins Ohr: „Man nimmt an, dass im Blauen Gebirge riesige Diamanten- und Edelsteinvorkommen sind! Das will man sich hier natürlich nicht entgehen lassen.“

Betrüger-Schorschi pfiff durch die Zähne.

„Du kannst dir sicher vorstellen, dass derjenige, der einen ungefährlichen Zugang zwischen hier und dem Blauen Gebirge schafft, mit Ruhm und Ehre überschüttet wird!“ fuhr Tante Pim fort. „Ich bin deshalb unheimlich stolz auf den jungen Hubel. Und erst sein Vater, der alte Hubel! Aber leider ist die Mission unwahrscheinlich gefährlich! Ich mache mir schreckliche Sorgen um ihn!“

Betrüger-Schorschi starrte Tante Pim an. Der junge Hubel interessierte ihn kein Bisschen. Und es war ihm egal, wenn seine Nägel bis zum Fleisch abgefressen oder er zehnmal in eine Felsspalte gestoßen werden würde, aber – war diese Mission nicht eine einmalige Gelegenheit für ihn selbst?

Die Entdeckung des Blauen Gebirges war genau das, was er brauchte, um reich und berühmt zu werden! Er hatte sich also intuitiv richtig entschieden, als er sein Glück im Blauen Gebirge suchen wollte. Im Geist sah er sich schon mit mehreren Säcken voller Edelsteinen auf einem roten Teppich zum Präsidenten eilen. Die Masse hinter der Absperrung jubelte ihm zu. Und mit dem Wissen, sich selbst einige Säcke davon abgezweigt zu haben, würde er diese Ehrbezeugung ohne Abstriche genießen können.

„Der junge Hubel ist auf jeden Fall die am besten geeignete Person für diese Mission!“ riss ihn Tante Pim aus seinen Träumereien.

„Warum denn der junge Hubel?“ fragte Betrüger-Schorschi irritiert. Hatte er gerade nicht sich selbst auf dem roten Teppich gesehen?

„Weil niemand sonst so gewandt, klug und unschlagbar wie er ist!“ sagte Tante Pim. „Deshalb ist der Gedanke auch unerträglich, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte! Aber jetzt bin ich froh, dass du morgen mit deiner Puppe ins Gebirge fliegst und dort die Lage sondierst!“

„Halt, halt!“ sagte Betrüger-Schorschi. „Wer sagt denn, dass ich dem jungen Hubel helfen möchte? Ich habe ganz andere Pläne!“

„Aber du hast deinen Ballonkorb und die Flupppuppe!“ sagte Tante Pim. „Und hast du vorher nicht gesagt, dass du sowieso ins Blaue Gebirge fliegen willst?! Dann kannst du mir doch wirklich den Gefallen tun und einen kleinen Abstecher in die Stadt der Kinder zum jungen Hubel machen!“

„Ach, um mich sorgst du dich gar nicht“, sagte Betrüger-Schorschi. „Aber um den jungen Hubel!“

„Ich ahne Schlimmes für den jungen Hubel!“ sagte Tante Pim. „Aber was dich angeht, ahne ich nichts“

„Für mich empfindest du nichts!“ interpretierte Betrüger-Schorschi Tante Pims Worte. „Und trotzdem soll ich deinen Held retten? Wer bin ich denn? Ein Babysitter? Ich habe keine Zeit für aufgeblähte Hühner und abgenagte Fingernägel! Ich muss selbst reich und berühmt werden.“

„Und ich habe keine Zeit für Leute wie dich, die nur herkommen, um ihren Ballon abzustellen und Proviant einzuheimsen“, sagte Tante Pim wütend. „Pack deine Flupppuppe und verschwinde!“

Betrüger-Schorschi rührte sich nicht vom Fleck. Draußen war es schon dunkel. Bei Nacht konnte er unmöglich mit der Flupppuppe weiter fliegen. Er musste für diese eine Nacht bei Tante Pim bleiben.

„Liebe Tante Pim“, sagte er deshalb mit einschmeichelnder Stimme. „So war es doch nicht gemeint! Natürlich fahre ich zur Stadt der Kinder und sehe nach, ob ich den jungen Hubel retten kann. Aber versprechen kann ich es nicht!“

„Schön“, sagte die Tante und tat so, als ob sie die plötzliche Stimmungsschwankung ihres Neffen nicht bemerkt hätte. „Es wird auch wirklich höchste Zeit. Wer weiß, wer das große Huhn wirklich ist. Und wer weiß, was die abgenagten Fingernägel wirklich zu bedeuten haben.“

Während Tante Pim redete, kam Betrüger-Schorschi plötzlich ein glänzender Gedanke: Er würde den jungen Hubel tatsächlich im Blauen Gebirge suchen gehen. Aber sicher nicht, um ihm zu helfen, sondern ganz im Gegenteil, um ihn zu verstecken! Er selbst würde die Mission des jungen Hubels zu Ende bringen und seine eigenen Taschen mit den Diamanten des Blauen Gebirges füllen!

„Also gut!“ sagte Betrüger-Schorschi mit falscher Ergebenheit. „Ich werde den jungen Hubel finden und ihn in seiner abenteuerlichen Mission unterstützen!“

„Endlich begreifst du, dass die Sache auch dich etwas angeht“, sagte Tante Pim zufrieden. „Und wenn du deine Sache gut machst, wirst du sicher auch ein bisschen berühmt. Das willst du doch, oder?“

Betrüger-Schorschi nickte wie Tantes lieber Junge.

„Dann ist ja alles geklärt“, sagte Tante Pim lächelnd und stand auf.

Seltsamerweise ließ sie sich dieses Mal von Betrüger-Schorschis Falschheit täuschen und ahnte nicht seine wirklichen Absichten. Vielleicht war sie in Gedanken zu sehr mit dem Wohl des jungen Hubels beschäftigt, um das listige Funkeln in Betrüger-Schorschis Augen zu bemerken?

„Ich mache dir jetzt dein Bett zurecht“, sagte Tante Pim fürsorglich. „Für deine Reise musst du gut ausgeruht sein.“

Während sie in der Küche eine Pritsche aufstellte und ein paar Decken brachte, schaute Betrüger-Schorschi neben den Flupppuppenbeinen grinsend zum Fenster hinaus.

Außer der Flupppuppe war er niemandem gegenüber Rechenschaft schuldig. Und die Flupppuppe hatte sicher nichts gegen ein kleines Versteckspiel mit dem jungen Hubel. Er war frei und konnte tun und lassen, was er wollte. Vor diesem Hintergrund war es sicher nur eine Frage der Zeit, bis er im Blauen Gebirge alle wichtigen Fäden in der Hand hielt und reich und berühmt sein würde!

Als Tante Pim ihm „Gute Nacht“ gewünscht und in ihr Zimmer gegangen war, streckte er sich wohlig auf seiner Pritsche aus und sang das Flupppuppenlied. „Bist du in großer Not / ich bring’ es dir ins Lot“.

Ja, lieber junger Hubel. Die Flupppuppe und ich, wir bringen es dir ins Lot!

Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und betrachtete die Beine, die sanft auf und ab schaukelten. Auf und ab und auf und ab.

Nach wenigen Minuten war er eingeschlafen.

Flupp!

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