Читать книгу Flupp! - Annette Kautt - Страница 8
Der Torwart
ОглавлениеAls Betrüger-Schorschi zu sich kam, fand er sich in einem dunklen Raum wieder. Es brauchte einige Zeit, bis er heraus gefunden hatte, dass der Raum eine Höhle war und er auf einer Holzpritsche lag.
Er richtete sich langsam auf und machte in dem dämmrigen Licht einen Tisch, mehrere Stühle, zwei Regale mit Töpfen, Geschirr, Büchern, Kleidern, einen Holzofen und ein Spülbecken aus.
Wenn er sich richtig erinnerte, waren er und die Flupppuppe im Blauen Gebirge in einen Wirbelsturm geraten und abgestürzt.
Aber was war dann passiert?
Offensichtlich hatte ihn jemand gefunden und in Sicherheit gebracht.
Oder war er gar nicht in Sicherheit, sondern hier in der Speisekammer der Höhlenbewohner?
Einen Topf, der groß genug war, einen Menschen darin zu kochen, konnte er zwar nicht entdecken, aber vielleicht bevorzugten diese Höhlenbewohner ‚Mensch auf Spieß’?
Wo überhaupt war die Flupppuppe? Und wo war sein Ballonkorb?
Betrüger-Schorschi fröstelte.
Egal, ob die Höhlenbewohner Freund oder Feind waren, ohne die Flupppuppe war er aufgeschmissen! Denn wie sollte er ohne sie die Stadt der Kinder, den jungen Hubel oder einen geeigneten Weg aus dem Gebirge zurück finden? Wie sollte er ohne die Flupppuppe im Blauen Gebirge überhaupt irgend etwas unternehmen können?
Aber vielleicht war er auch gar nicht mehr im Blauen Gebirge und der Sturm hatte ihn ganz woanders hingeschleudert?
Betrüger-Schorschis Herz klopfte laut. Obwohl er Angst hatte, wollte er sich unbedingt Klarheit über seine Situation verschaffen.
So leise wie möglich stand er auf und schlich zum Höhleneingang. Vorsichtig spähte er hinaus:
Ah!
Oh!
Wow!
Welch erfreuliche Überraschung!
Keine fünf Meter von ihm entfernt stand auf einem Felsvorsprung sein Ballonkorb! Neben ihm stand ein völlig harmlos aussehender dünner Mann, der ihm sicher nichts anhaben konnte. Und das beste an dem Bild, das ihm draußen geboten wurde, war, dass neben dem Mann ein große, schlanke Frau mit sagenhaften Beinen stand! Komisch, dass es eine so attraktive Frau nötig hatte, sich mit einem solch schwächlichen Männchen abzugeben!
Die Frau aber war wirklich eine Wucht! Sie hatte nur einen schwarzen Bikini, schwarze hochhackige Schuhe und eine schwarze Fliegermütze an! Die langen Bänder der Fliegermütze fielen neckisch über ihre runden Schultern.
Betrüger-Schorschi hatte sich noch nicht völlig an der atemberaubenden Frau satt gesehen, als ihm plötzlich auffiel, dass die Flupppuppe fehlte!
Entsetzt stöhnte er auf: Wo war die Flupppuppe?
Hatte der Sturm ihre Beine tatsächlich geknickt und war sie ohne ihn in die Tiefe gestürzt? Oder hatte sie sich ohne den Korb an den Beinen retten können? Oder waren die beiden da draußen weit gefährlicher als es auf den ersten Blick aussah? Hatten sie die Flupppuppe vielleicht verschwinden lassen?
Ohne lange zu überlegen, trat Betrüger-Schorschi aus der Höhle und herrschte die beiden an:
„Sie da! Haben Sie mir die Flupppuppe gestohlen? Geben Sie mir sofort meine Flupppuppe wieder!“
„Der frühe Vogel fängt den Wurm“, sagte die Bikini-Dame.
Betrüger-Schorschi zuckte zusammen.
Die Stimme der Frau kam ihm bekannt vor! Aber woher?
Der schmächtige Mann schüttelte missbilligend den Kopf und sagte zu der Frau: „Gute Manieren scheint er nicht zu haben!“
„Das Gleiche kann ich von Ihnen behaupten“ antwortete Betrüger-Schorschi. „Sie haben mir offensichtlich die Flupppuppe gestohlen!“
„Wohl kaum“, sagte der Mann. „Ich weiß nicht, warum, aber die Flupppuppe scheint einen Narren an Ihnen gefressen zu haben. Sonst hätte sie Sie nie hier her gebracht.“
„Aha!“ sagte Betrüger-Schorschi. „Und warum haben Sie sie mir dann weggenommen?“
Der Mann sah Betrüger-Schorschi erstaunt an und sagte zur Bikini-Dame: „Ich sehe nach, ob die Suppe warm ist.“
Die Bikini-Dame nickte, zeigte auf ihre schlanken, prallen Beine und sagte: „Ich komme gleich. Suppe am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen!“
Betrüger-Schorschi erschrak.
Jetzt wusste er, woran ihn die Stimme der Bikini-Frau erinnerte: An die Flupppuppenstimme im Radio!
Wie konnte das sein?
War die Bikini-Dame etwa die Flupppuppe?
Unvorstellbar!
Er war sich sicher, dass die Flupppuppe nur aus Beinen bestand. Mehr gab es bei ihr nicht zu sehen!
Aber wie konnte sie dann jetzt und hier als ganze Person vor ihm stehen?
Das Ganze war einfach ein Irrtum. Die Stimme der Frau hörte sich einfach nur nach der Flupppuppe an. Aber sie war nicht die Flupppuppe!
„Endlich gibt es wieder Suppe, Flupppuppe!“ rief der Mann aus dem Höhleneingang heraus. „Seit zwei Jahren warte ich darauf!“
Betrüger-Schorschi schwindelte.
Die Frau war also doch die Flupppuppe!
Es war zu verrückt, um wahr zu sein!
„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, sagte die Flupppuppe zu Betrüger-Schorschi und ging mit federnden Schritten in die Höhle.
Betrüger-Schorschi schluckte: Egal wie verrückt die ganze Sache war. Die Frau war trotzdem ein Traum! Ihre Stimme klang wie Samt, die Fliegermütze betonte ihr süßes Stupsnäschen und der Bikini gab ihr ein verwegenes Aussehen. Und ihre Beine waren einfach unbeschreiblich: schlank, prall, zart, stark, weich, hart ... alles in einem!
Kaum zu glauben, dass es eine so tolle Frau gab! Und unfassbar, dass diese Frau mit ihm, ausgerechnet mit ihm, auf Abenteuerreise gehen wollte!
Er pfiff das Flupppuppenlied und bemerkte erst jetzt, dass man von dem Felsvorsprung aus eine herrliche Aussicht hatte:
Direkt ihm gegenüber, nur durch eine kleine Schlucht von dem Felsvorsprung, auf dem er stand, getrennt, glitzerte ein Berg wie ein riesiger, blauer Turmalin!
‚Das Blaue Gebirge!’ dachte Betrüger-Schorschi. ‚Wir sind tatsächlich im Blauen Gebirge!’
Er streckte die Hand nach dem Edelstein-Berg aus und sagte leise: „Mit diesen Steinen werde ich reich! Mit dem gefährlichen Auftrag des jungen Hubels berühmt und mit der Flupppuppe glücklich!“
„Die Suppe ist fertig!“ rief sein Gastgeber aus dem Höhleneingang.
Betrüger-Schorschi riss sich von dem glitzernden Schein des Berges los und ging in die Höhle.
Als alle um den Tisch saßen und ihre Suppe schlürften, sagte der Gastgeber zu Betrüger-Schorschi: „Ich bin hier übrigens der Torwart! Ich bewache das Tor zwischen dem Blauen Gebirge und deiner Welt.“
„Aha“, sagte Betrüger-Schorschi. Mehr fiel ihm dazu nicht ein.
„Übrigens haben wir mit Leuten aus deiner Gegend bisher nur schlechte Erfahrungen gemacht“, fuhr der Torwart fort. „Ihr versteht unsere Gesetze nicht und wollt uns statt dessen immer eure Gesetze aufpressen.“
„Sehr angenehm“, sagte Betrüger-Schorschi und dachte an den blauen Edelsteinberg. Der Tag heute ließ sich prächtig an: Erst die Überraschung mit der Flupppuppe und jetzt der Turmalin.
„Was ist daran angenehm?“ fragte der Torwart aufgebracht. „Tatsache ist, dass wir eigentlich niemanden mehr von euch durch das Sturmauge lassen. Sie durften nur durch, weil Sie die Flupppuppe mitgebracht hat. Ich hoffe, Sie machen uns keinen Ärger! - Wer sind Sie überhaupt?“
„Ich?“ schreckte Betrüger-Schorschi aus seinen schönen Gedanken auf.
Er räusperte sich, setzte sich aufrecht hin und sagte: „Ich bin Betrüger-Schorschi! Anerkannter Arzt, offizieller Flugbegleiter der Flupppuppe und jugendliche Geheimwaffe von Tante Pim!“
„Tante Pim?“ fragte der Torwart und zog seine Schultern fragend nach oben. „Nie gehört. Wohnt sie im Blauen Gebirge?“
„Das nicht“, sagte Betrüger-Schorschi. „Aber sie hat mich hier her geschickt, um einen wichtigen Auftrag zu erledigen.“
„Ein wichtiger Auftrag?!“ fragte der Torwart misstrauisch. „Das muss ich wissen. Als Wärter des Tors bin ich für alle wichtigen Aufträge zuständig, die von Drüben kommen!“
Betrüger-Schorschi wand sich auf seinem Stuhl. Er war in geheimer Mission unterwegs. Sicher durfte er niemandem erzählen, worum es bei dem Auftrag ging. Und schon gar nicht jemandem aus dem Blauen Gebirge! Offensichtlich konnte der Torwart die Menschen jenseits des Gebirges sowieso nicht leiden. Wie viel weniger würde es ihm gefallen, wenn er erfahren würde, dass sich die Menschen aus seinem Land entschlossen hatten, die Steine aus dem Blauen Gebirge auszuführen?!
„Es hat etwas mit der Stadt der Kinder zu tun“, sagte er deshalb ausweichend.
„Stadt der Kinder?“ sagte der Torwart erstaunt. „Die gibt’s hier nicht!“
„Doch, doch“, beharrte Betrüger-Schorschi.
Es konnte nicht sein, dass es die Stadt hier nicht gab! Schließlich hatte der junge Hubel in seinem Brief davon berichtet!
„Glauben Sie mir“, sagte der Torwart. „Ich kenne das Blaue Gebirge wie meine Westentasche und bin mir sicher, dass es hier keine Stadt der Kinder gibt!“
„Es muss diese Stadt aber geben!“ sagte Betrüger-Schorschi aufgebracht. „Vielleicht kennen Sie die Stadt nicht, weil sich deren Bewohner so gut wie möglich von der Außenwelt abschotten. In der Stadt wohnen lauter Kinder oder kindische Personen. Niemand, der erwachsen geworden ist.“
„Ach!“ sagte der Torwart. „Sie meinen Entenhausen?“
Betrüger-Schorschi zuckte unsicher mit den Achseln.
„Gibt es dort ein Großes Huhn?“ fragte er.
„Eigentlich nicht“, meinte der Torwart. „Aber vielleicht meinen Sie Henriette Huhn, diese alberne Freundin von Minnie Maus und Klarabella Kuh? - Warum, was ist mit ihr?“
„Sie hat dem jungen Hubel die Haare abgefressen!“ erwiderte Betrüger-Schorschi.
„Das hört sich ja schrecklich an“, sagte der Torwart und sah belustigt zur Flupppuppe. „Wahrscheinlich hat er ihren Hut verrutscht. Wer ist der junge Hubel überhaupt?“
Betrüger-Schorschi schaute irritiert zur Flupppuppe. Warum kannte der Torwart weder die Stadt der Kinder noch den jungen Hubel? Schließlich musste der junge Hubel doch auch durch das Sturmauge ins Blaue Gebirge gekommen sein. Oder etwa nicht?
Und warum hörte sich beim Torwart alles so anders an als bei Tante Pim?
Die Flupppuppe bemerkte seine Verwirrung und fragte den Torwart: „Vielleicht liegt die Stadt der Kinder auf der anderen Seite des Gebirges?“
„Gut möglich“, sagte der Torwart. „Aber warum seid ihr dann zu mir gekommen?“
„Weil es wieder Zeit für Suppe bei euch ist“, antwortete die Flupppuppe.
„Wie wahr!“ sagte der Torwart und schenkte der Flupppuppe Suppe nach. „Tatsächlich brauchen wir dringend deine Hilfe!“
„Was gibt es denn?“ fragte die Flupppuppe.
„Das Baby will nicht mehr essen!“
„Oh!“ machte die Flupppuppe und legte ihren Suppenlöffel zur Seite. „Habt ihr es schon mit Pudding probiert?“
Der Torwart nickte.
„Mit gezuckerter Milch und Keksen?“
Wieder nickte der Torwart.
„Dann probiert es mal mit Leberpastete“, sagte die Flupppuppe zuversichtlich. „Das hat bis jetzt immer geholfen!“
„Dieses Mal eben nicht!“ rief der Torwart aus. „Selbst die Leberpastete hat es dieses Mal verschmäht!“
Die Flupppuppe schüttelte ungläubig den Kopf. Es konnte nicht sein, dass das Baby nicht einmal mehr Leberpastete essen wollte!
„Halt! Stopp!“ rief Betrüger-Schorschi. „Ich verstehe überhaupt nichts mehr! Auf welcher Seite vom Blauen Gebirge sind wir denn hier?“
„Auf der richtigen!“ sagte der Torwart knapp. „Wir sind hier, aber Sie sind von drüben!“
„Aber was machen wir denn dann hier?“ fragte Betrüger-Schorschi die Flupppuppe.
„Suppe essen!“, wiederholte die Flupppuppe und unterhielt sich weiter mit dem Torwart über das Baby.
„Um welches Baby geht es eigentlich?“ fragte Betrüger-Schorschi irgendwann dazwischen. „Was fehlt ihm denn?“
Eigentlich hatte er für Babys nichts übrig. Aber er konnte es nicht leiden, in einem Gespräch links liegen gelassen zu werden. Immerhin war er neben seiner momentanen Agenten-Tätigkeit auch Arzt und er konnte den Torwart sicher durch ein paar schlaue Bemerkungen beeindrucken.
„Von dem Baby natürlich“, sagte der Torwart ungeduldig. „Jeder kennt das Baby!“
„Baby ist einfach Baby“, erklärte die Flupppuppe. „Es hat keinen Namen, denn niemand weiß, zu wem es gehört und woher es gekommen ist. Eines Morgens saß es plötzlich oben auf dem Kessel-Berg. Und seitdem sitzt es da und schreit, wenn es Hunger hat.“
„Warum holt es denn keiner vom Berg runter?“ fragte Betrüger-Schorschi verwundert.
„Weil es dafür viel zu groß ist!“ sagte die Flupppuppe. „Das Baby ist dreißig Meter hoch, fünfzehn Meter breit und wiegt 200 Tonnen.“
„220 Tonnen“ korrigierte der Torwart. „In den letzten beiden Jahren hat es noch mal zugelegt!“
Betrüger-Schorschi schluckte. „Und wer füttert das Baby?“
„Warum sind Sie eigentlich hier?“ knurrte der Torwart, „Warum sind Sie überhaupt mit der Flupppuppe mitgekommen, wenn Sie von uns offensichtlich keine Ahnung haben?“
„Weil er mir mit Rat und Tat zu Seite stehen kann!“ sagte die Flupppuppe überzeugt.
Betrüger-Schorschi wuchs ein paar Zentimeter. Ein Kompliment aus dem Mund dieser Frau war mehr als er verlangen konnte!
„Der?“ fragte der Torwart skeptisch. „Wie denn?“
„Er ist Arzt!“ erinnerte ihn die Flupppuppe. „Sicher weiß er, wie man das Baby wieder zum Essen kriegt.“
Die Flupppuppe lächelte den Torwart bezaubernd an und erklärte Betrüger-Schorschi: „Alle aus dem Blauen Gebirge müssen das Baby füttern. Weil das Baby so viel isst, wird es langsam knapp mit den Lebensmitteln. Vor allem Milch, Kekse und Puddingpulver gibt es fast nirgends mehr zu kaufen.“
„Schokolade gibt’s auch fast keine mehr!“ sagte der Torwart.
„Warum wird es dann noch gefüttert?“ meinte Betrüger-Schorschi. „Wenn es so schwer ist, würde ihm eine Diät sicher nicht schaden!“
Der Torwart sah Betrüger-Schorschi vernichtend an.
„Andere Länder, andere Sitten“, meinte die Flupppuppe vermittelnd.
„Weil das Baby sonst wütend wird!“ knirschte der Torwart zwischen den Zähnen. „Und wenn das Baby wütend wird, reißt es riesige Steine vom Berg, schmeißt sie ins Tal und zerstört dabei unsere Häuser!“
„Aber dann könnt ihr doch froh sein, wenn es zur Zeit gar nichts essen will!“ sagte Betrüger-Schorschi.
„Im Gegenteil!“ rief der Torwart. „Dann ist es noch unausstehlicher! Wahrscheinlich hat es vom vielen Essen Bauchweh und ärgert sich jetzt, dass es nichts mehr essen kann. Auf jeden Fall schmeißt es zur Zeit mit noch mehr Steinen um sich als sonst!“
„Nicht sehr sympathisch, dieses Baby“, fasste Betrüger-Schorschi die Fakten zusammen.
Die Flupppuppe und der Torwart nickten.
„So aus der Ferne kann ich natürlich nicht sagen, wie man das Baby wieder zum Essen kriegt“, sagte Betrüger-Schorschi. „Ich müsste es mir schon mal aus der Nähe ansehen.“
„Das ist nicht möglich“, sagte der Torwart. „Wenn das Baby so schlecht gelaunt ist wie zur Zeit, ist es lebensgefährlich, in seine Nähe zu kommen.“
„Ach was!“ sagte die Flupppuppe. „Wenn Betrüger-Schorschi Lust auf ein kleines Abenteuer hat, können wir dem Baby ruhig einen Besuch abstatten. Ohne den Ballonkorb an den Beinen fliege ich zehnmal höher und schneller. Selbst wenn Betrüger-Schorschi auf meinem Rücken sitzt.“
Betrüger-Schorschi schluckte.
Auf dem Rücken der Flupppuppe einem gigantischen Baby entgegenzufliegen, das mit riesigen Felsbrocken um sich schmiss, war sicher nicht ungefährlich!
Aber hatte er nicht gefährliche Abenteuer gesucht, als er mit der Flupppuppe seine Reise begonnen hatte?
Das Baby war vor diesem Hintergrund ein Abenteuer, das er sich nicht entgehen lassen durfte! Und wenn er damit vielleicht auch nicht die Flupppuppe würde beeindrucken können, so dann sicher doch den Torwart und vielleicht noch manch andere Leute hier im Blauen Gebirge.
Tante Pims Auftrag musste warten. Das umso mehr, als Entenhausen wahrscheinlich gar nicht die Stadt der Kinder und der junge Hubel sowieso nicht hier war. Denn da der Torwart den jungen Hubel nicht kannte, war er offensichtlich auch nicht auf diese Seite des Blauen Gebirges gelangt.
Überhaupt, wenn er es richtig bedachte: Was ging ihn der junge Hubel an? War es nicht viel spannender und wahrscheinlich auch einträglicher, die Bewohner des Blauen Gebirges von diesem monströsen Baby zu befreien? Und konnte es ihm persönlich nicht ganz egal sein, ob ihm die Bewohner hier oder auf der anderen Seite der Berge wegen seiner heldenhaften Taten zujubelten?
„Wann fliegen wir los?“ fragte er voller Tatendrang.
„Du fliegst ihn also wirklich zum Baby?“ fragte der Torwart erstaunt.
„Bist du einmal in Not / ich bring es dir ins Lot“ erinnerte die Flupppuppe den Torwart an ihre Pflichten.
„Ich hätte es wissen müssen, als ich dich gestern auf mich zufliegen sah!“ rief der Torwart erfreut. „Auf die Flupppuppe ist immer Verlass!“
Eine halbe Stunde später standen alle drei auf dem Felsvorsprung und verabschiedeten sich voneinander.
„Kann ich den Korb hier lassen, bis wir wieder kommen?“ fragte Betrüger-Schorschi.
„Aber gerne“, sagte der Torwart und dachte an die Schokolade, die er vorhin im Korb gesehen hatte.
„Nichts für ungut“, sagte die Puppe ins Blaue hinein. „Lasst uns jetzt losfliegen. Meine Beine brauchen Bewegung.“
Sie flog einen Meter in die Höhe, drehte sich in Bauchlage und forderte Betrüger-Schorschi auf, sich auf ihren Rücken zu schwingen.
„Haltet die Ohren steif!“ sagte der Torwart.
„Wird schon schief gehen“, sagte Betrüger-Schorschi.
„Alle Mann an Bord?“ fragte die Flupppuppe.
„Alle Mann an Bord!“ bestätigte Betrüger-Schorschi.
Er hielt die Hand zum Gruß und der Torwart winkte zurück.
„Festhalten!“ rief die Puppe. „Es geht los!“
Betrüger-Schorschi hielt sich an den Schultern fest und die Puppe schraubte sich in die Höhe.
Wow!
Das war weitaus besser als unter den Ballonbeinen im Korb zu sitzen! Jetzt war er mitten im Himmel! Wolkenfetzen kitzelten seine Nase, der Wind riss an seinen Haaren und jede Abwärtsbewegung fuhr ihm in den Bauch.
Er bekam die kleinsten Bewegungen der Flupppuppe mit, und so bildete er sich bald ein, selbst fliegen zu können.
„Wo ist denn der Kesselberg?“ rief Betrüger-Schorschi.
„Ungefähr 50 Meilen südlich von hier“, antwortete die Flupppuppe. „Siehst du den einzeln stehenden, grauen Berg am Horizont?“
„Ja“, sagte Betrüger-Schorschi. „Ist er das?“
Die Flupppuppe nickte und Betrüger-Schorschi kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können: Der Berg war beinahe so breit wie hoch und hatte eine kegelförmige Spitze.
Das Baby konnte Betrüger-Schorschi allerdings noch nicht erkennen. Aber er würde es ja noch früh genug zu Gesicht bekommen! Bis dahin wollte er die Zeit mit der Flupppuppe genießen:
Zick, zack, zong. Das Leben ist schön. Mit und ohne Gong. Hahahaha. Flupppuppe. Du und ich. Wir bringen es ins Lot. Hahaha.
Hast du den blauen Fels gesehen? Bestimmt eine Billion wert!
Hahaha. Flupppuppe. Das ist Glück!
Hui, das ging aber nach unten.
Hahahaha. Zick, zack, zong.
Oh, das ist aber ein schönes grünes Tal unter uns, sieht sehr saftig aus. Und da eine Stadt, wie mit Aquarellfarben gemalt.
Zack, fuhr das gerade in den Bauch.
Vorsicht, Flupppuppe, vor dir fliegt so eine merkwürdige Suppentasse!
Wo sind denn jetzt die Berge?
Ich sehe nur noch eine riesige Steppe unter uns.
Und da hinten steht plötzlich so ein merkwürdiges Schloss aus dem ein eklige, braune Masse rauswabert.
Zum Glück sind wir hier oben, was Flupppuppe?!
Auf deinen tollen Pranken fühlt sich das Leben gleich grenzenlos an!
Hahaha!
Ein lautes Krachen riss Betrüger-Schorschi aus seinen Betrachtungen.
Verblüfft schaute er sich um. Aber er konnte nur kleine, unschuldige weiße Wölkchen entdecken. Keine Spur von einem aufkommendem Sturm.
Wieder krachte es.
„Warum donnert es denn?“ fragte Betrüger-Schorschi.
„Das ist kein Donner“, sagte die Flupppuppe. „Das sind Felsbrocken.“
Es krachte zwei Mal hintereinander.
Das mussten aber riesige Felsbrocken sein!
„Zum Glück sind wir hier oben“, meinte Betrüger-Schorschi.
Die Flupppuppe lachte.
Das Krachen und Poltern wurde lauter und Betrüger-Schorschi konnte inzwischen hören, wie die Brocken den Berg hinabkollerten und hüpften.
KROLL, KRANG, KRAWUMM.
“Ist das ein Erdbeben?” fragte Betrüger-Schorschi begriffsstutzig.
Die Flupppuppe lachte wieder und sagte: „Erdbeben? Nein! Das ist das Baby!“
Betrüger-Schorschi wäre vor Schreck beinahe vom Rücken der Puppe gefallen!
Mit solch riesigen Felsbrocken schmiss das Baby um sich?
Sicher, er hatte gewusst, was auf ihn zukommen würde. Aber irgendwie hatte er sich die Felsbrocken doch eher wie große Kiesel vorgestellt.
„Wir haben Glück“, sagte die Flupppuppe nach einer Weile. „Das Baby hat eine Pause eingelegt!“
Tatsächlich, jetzt war es still!
Die Flupppuppe legte einen Zahn zu und bald konnten sie die Umrisse des Babys erkennen.
Betrüger-Schorschi schauderte:
Das, was er vorhin für die kegelförmige Kuppe des grauen Bergs gehalten hatte, war in Wirklichkeit das Baby! Wie auf einem Topf saß es auf dem Berg und nuckelte an den Fingern!
„Es nuckelt an den Fingern!“ sagte die Flupppuppe erfreut.
Betrüger-Schorschi nickte mit aufgerissenen Augen, zeigte mit dem Finger auf den Berg und sagte: „Baby!“