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Herz-Feuerwerk

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Aber es lief alles anders. Anders als erhofft und anders als befürchtet. Es hätte so schön werden können, aber es hätte auch so viel schlimmer kommen können. Als Charlotte die Einfahrt zum Garten entlang lief, erkannte Lena sie schon von weitem, riss ihre Arme in die Höhe und rief für alle hörbar laut: »Charlooootte!«

Daniel stand in ihrer unmittelbaren Nähe, aber sie konnte ihn weder ansehen, noch mit ihm reden. Stattdessen lief sie mit erhobenem Kinn, Sonnenbrille auf der Nase und Blick geradeaus an ihm vorbei und ließ ihn stehen. Sie wollte nicht unsicher oder traurig wirken. Sie wollte auch nicht verliebt wirken. Sie wollte eigentlich gar nicht mehr da sein. Ihre Angst etwas von ihm zu hören, was sie nicht hören wollte, aber schon längst wusste, war plötzlich viel zu groß. Sie hatte Angst, dass er sie wieder verletzen könnte und dazu hätte nur ein falsches Wort oder eine falsche Geste von ihm gereicht. Lena meinte nur, er hätte etwas entgeistert „und jetzt läuft sie einfach vorbei…“ gesagt. Charlotte hatte nichts gehört, aber es schien ihn getroffen zu haben. Sie sowieso schon lange. Das Eis zwischen ihnen fror schlagartig wieder zu und taute, trotz des 30°C heißen Sommertags, nicht mehr auf. Dieser Moment war emotional shockfrosting!

Daniel kam kurz darauf noch einmal an den Weinstand, um mit Clemens die Verkaufspreise zu besprechen. Charlotte versuchte mit ihm Blickkontakt herzustellen, aber er schaute sie nur kurz an und redete gleichzeitig eisern und geschäftlich mit Clemens weiter. Sie war enttäuscht, aber diesmal zu 90 Prozent von sich selbst, weil sie ihn stehen gelassen hatte. Was für ein kindischer Auftritt, dachte sie enttäuscht. Deshalb machte er den ganzen Tag einen großen Bogen um sie und um Clemens Weinstand. Sie versuchte trotzdem einen schönen Tag zu haben. Es war Sommer, es war warm, Lena, Clemens und Julius waren da und sie war immerhin in Daniels Nähe. Er sah so gut aus in seinem dunklen Anzug. Charlotte freute sich, wenn sie ihn vom Weinstand aus immer mal irgendwo entdeckte und ihn beobachten konnte, wie er Gäste, Freunde und Familie begrüßte und Blumen und Geschenke in Empfang nahm. Es war sein Tag und sie freute sich für ihn.

Wie gerne wäre sie an diesem Tag seine First Lady gewesen. Wie gerne hätte sie die Blumensträuße ins Wasser gestellt und die Geschenke in Sicherheit gebracht oder irgendetwas für ihn getan. Seine Eltern, die Clemens schon lange kannten, kamen an den Weinstand, stellten sich ihr vor und fragten woher sie Clemens kenne oder ob sie eine Schwester von Lena sei. Sie waren so furchtbar liebenswürdig und nett. Also, von einer schlechten Erziehung konnte Daniels Verhalten nicht herrühren, dachte sich Charlotte hoffnungsvoll.

Später musste sie auf die Toilette und auf dem Weg dorthin entdeckte sie ihn, wie er gerade mit seinem Vater sprach. Er sah sie an und lächelte.

»Es tut mir leid, aber ich habe dich vorhin wirklich nicht gehört«, sagte sie zu ihm, um die Situation etwas zu entspannen.

Daniel grinste, kniff ihr in den Arm, zwinkerte mit einem Auge, streckte ihr die Zunge raus und unterhielt sich weiter mit seinem Vater. Was war das? Egal, es war hoffnungslos.

Gegen 19.00 Uhr begann Charlotte alle Weinsorten von Clemens durchzuprobieren, um ihren Geschmack zu trainieren. Um 20.00 Uhr hatte sie heimlich eine ganze Flasche geleert und ein paar Gläschen Likör getrunken. Auf der Feier war eigentlich kaum noch etwas los. Alle noch anwesenden Gäste warteten nur noch darauf, dass es dunkel wurde und das große Feuerwerk beginnen konnte. Das Feuerwerk wurde ein paar Meter hinter dem Weinstand aufgebaut und in der Mitte war ein großes Herz aus Metall, welches dann sicher auch in allen Farben explodieren würde. Charlotte wollte sich das nicht antun. Nicht auch noch ein Herz-Feuerwerk. Es reichte, dass ihr Herz kurz vor dem explodieren war. Sie lief runter an das Seeufer, um Jenni zu anzurufen.

»Ich bin schon seit neun Stunden hier und Daniel hat nicht ein einziges Wort mit mir gesprochen!«

»Warum gehst du dann nicht einfach? Was machst du noch da?«, fragte Jenni.

»Ich kann nicht gehen, ich habe Clemens versprochen nachher noch beim Abbau zu helfen.«

»Habt ihr einen Vertrag? Bezahlt er dich?«

»Nein, das sind meine Freunde!«, rechtfertigte sie sich zunächst.

»Okay, warte, du hast Recht! Ich gehe! Aber wenn ich gehe dann jetzt direkt. Ich muss nur noch mal an den Weinstand meine Tasche holen und du bleibst bitte am Telefon, bis ich an der Bushaltestelle bin, sonst überlege ich es mir wahrscheinlich noch anders.«

»Kein Problem! Ich bleibe gerne dran.«

Mit dem Handy am Ohr lief sie zurück zur Feier an den Weinstand, griff ihre Tasche und sagte Lena und Clemens, dass sie nur schnell auf die Toilette gehe, um sich die Haare zu kämmen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen und es tat ihr auch unendlich leid, aber wenn sie jetzt nicht gehen würde, dann konnte es nur noch peinlich werden. Vor allem, weil der Alkohol immer stärker zu wirken begann. Mit ihrer Tasche in der Hand und immer noch dem Handy am Ohr lief sie rasch über das Gelände zur Auffahrt und versuchte alles um sie herum auszublenden und nicht zurückzuschauen. Charlotte wollte einfach unauffällig verschwinden und Lena im Bus dann eine Nachricht schreiben.

»So, Jenni! Ich habe meine Tasche und bin jetzt am Gehen. Gleich habe ich es geschafft... Mist! Wo kommt der denn jetzt her?«

»Was ist denn los?«, fragte Jenni, bekam aber keine Antwort mehr.

Kaum war Charlotte am Café vorbei, sah sie ihn aus dem Augenwinkel auf sie zukommen. Daniel kam mit einem Freund gerade um die Ecke gebogen, ungefähr zehn Meter von ihr entfernt. Sie hatte ihn bestimmt schon seit einer dreiviertel Stunde nicht mehr gesehen.

Sie sahen sich für eine lange Sekunde in die Augen. Aber schon in der nächsten Sekunde schaute Charlotte erschrocken weg und lief weiter, immer schneller und schneller, ohne sich umzudrehen. Schließlich rannte sie die letzten Meter der Auffahrt durch den Garten hoch, bis ein gerade ankommendes Auto vor ihr stark bremste.

»Ich kann mich nicht mal vor ein Auto schmeißen, Jenni! Die halten einfach an!«, lallte sie scherzhaft und geschockt ins Telefon.

Als sie die Bushaltestelle erreichte, kam zum Glück auch gleich der Bus. Sie schrieb Lena eine Nachricht, dass sie auf dem Heimweg sei und sie ihr den heimlichen Abgang verzeihen möge.

Zu Hause telefonierte sie noch die ganze Nacht mit Jenni und heulte ihr vor, wie bescheuert Daniel ist und wie bescheuert sie war.

»Der interessiert sich doch gar nicht für dich! Du existiert für ihn nicht einmal!«, versuchte sie ihr bewusst zu machen.

»Das stimmt leider und hoffentlich kann ich das irgendwann auch akzeptieren. Ab jetzt heißt er für mich nicht mehr Daniel Depenbrock, sondern nur noch Doofy Deppenbock!«

»Wenn er auch nur etwas für dich empfunden hätte, dann hätte er heute ja mal auf dich zugehen können.«

»Na ja, nicht nachdem ich ihn zuerst nicht begrüßt hatte und dann auch noch vor ihm weggelaufen bin.«

Jenni lachte sie aus: »Ha ha! Ich weiß nicht, was ich peinlicher finde: Dass du „blind“ an ihm vorbeigelaufen bist oder dass du am Ende vor ihm weggerannt bist!«

»Danke, du bist echt eine hilfsbereite Freundin. Das baut mich wirklich wieder auf! All das war immerhin besser als ihm eine Szene zu machen. Es hätte durchaus peinlicher für mich werden können!«

»Sorry, und er hat wirklich gar nichts zu dir gesagt?«

»Nein, kein Wort.«

»Er hat bestimmt eine feste Freundin!«

»Ach ja? Und wo war sie dann heute? Die hätte ich doch gesehen!«

»Vielleicht ist er ja schwul?«

»Nein, das glaube ich nicht! Sonst hätte er sich doch damals, als ich ihm am Wannsee überrascht hatte, nicht so verhalten!«

»Vergiss ihn einfach! Er ist es nicht wert! Du hast was weitaus Besseres verdient!«

»Aber ich bin nun mal verliebt in ihn! Die anderen Männer interessieren mich nicht.«

»Noch nicht, Süße! Kopf hoch!«

Nach dem Telefonat löschte Charlotte (mal wieder) seine Handynummer und ihre Nachrichten, damit ihr Handy nicht mehr fähig war, ihn zu kontaktieren. Sie versuchte zu schlafen und beschloss, ab dem nächsten Tag alles hinter sich zu lassen. Das erste halbe Jahr war vorbei, ein nasser Juli begann und ab jetzt konnte es nur noch bergauf gehen. Charlotte entschied sich, alles dafür zu tun, dass das zweite Halbjahr für sie besser laufen würde – ohne Doofy Deppenbock!

Café oder Liebe

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