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Wie funktioniert eine Weltreise in Teilzeit?

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Meine Weltreise, die über mehrere Jahre und Stationen läuft, habe ich liebevoll „Weltreise in Teilzeit“ genannt. Als mich die Reiselust so richtig packte, war ich gerade mit dem Abitur fertig und begann eine Ausbildung als Medienkauffrau Digital und Print (Generation: „Irgendwas mit Medien“). Zu dieser Zeit eine Auszeit zu nehmen, um die Welt zu bereisen – unmöglich. Zumindest dann, wenn man einen genauen beruflichen Plan hat wie ich.

Es gibt auch die Typen Mensch, die dann alles abbrechen würden, sich ein Flugticket um die Welt buchen und neu anfangen. Der Typ bin ich garantiert nicht. Immer auf Sicherheit aus, das Leben schon mit 16 Jahren quasi durchgeplant, das bin definitiv ich. Vielleicht ist vieles von der Gesellschaft vorgegeben. Bloß keine Lücke im Lebenslauf hinterlassen. Das könnte ja schlecht ankommen. Manchmal stehe ich mir durch mein durchstrukturiertes Leben selbst im Weg. Mein Mann ist ein sehr spontaner Mensch, sodass es hier oft Meinungsverschiedenheiten gibt. Aber so ist das nun einmal. Spontan sein muss auch gelernt sein, zumindest für mich.

Obwohl ich ein relativ konservativer und festgefahrener Mensch bin, breche ich manchmal daraus aus. Ich liebe Herausforderungen. Früher dachte ich, dass Veränderungen einfach nichts für mich sind. Alles sollte so bleiben wie es war, da es ja schließlich gut funktionierte. Mittlerweile weiß ich, dass ich Veränderungen in meinem Leben brauche. Neue Gewohnheiten erlernen machen meinen Kopf frei und offen für das Neue. Ich kann trotzdem konservativ sein, aber gleichzeitig Veränderungen annehmen und sogar einfordern.

Die spontane Weltreise nach dem Abitur trotz festem Ausbildungsplatz fiel also aufgrund meines festen beruflichen Plans raus. Trotzdem nutzte ich die Zeit während und nach meinem Abitur für diverse kleine Projekte. So gewann ich bei einer Verlosung eine Reise nach Sölden, um an einem Snowboardcamp teilzunehmen. Niemals hätte ich damit gerechnet, mit meinen gerade 18 Jahren und ein paar Jahren Snowboarderfahrung mit einer Olympia-Silbermedaillengewinnerin Snowboard zu fahren. Dazu kam die erste kurze Reise alleine mit der Bahn nach Sölden. Dafür, dass ich ansonsten bei Verlosungen und Gewinnspielen immer Pech habe, hatte ich hier wirklich Glück gehabt und neben der Reise ein unvergessliches Erlebnis gewonnen.

Zudem folgte nach meinem Abitur eine Reise nach Ungarn zu einer Austauschschülerin, die ich fünf Jahre zuvor während eines Schüleraustausches kennengelernt hatte. Noch immer sind wir regelmäßig in Kontakt. Die Zeit während, beziehungsweise nach meinem Abitur war eine Zeit zum Genießen und Träumen. Nach dieser Zeit wurde mir immer stärker bewusst, dass der Drang nach Freiheit in mir schlummert und mir die Welt offensteht. Leider war die Freizeit irgendwann auch wieder vorbei und der Ausbildungsstart rückte näher.

Ich begann meine Ausbildung in einem Zeitungsverlag in Essen, las nebenbei dutzende Reisebücher und schrieb mir eine To-Do-Liste mit den Reisezielen, die ich unbedingt sehen möchte. Fernweh pur. Nach ersten kleineren Alleinreisen und dem Beenden der Ausbildung Anfang 2016, stürzte ich mich auch noch in ein berufsbegleitendes Studium „Medienwirtschaft und Medienmanagement“ neben dem Beruf als „Ad Manager“ im Medienunternehmen. Also hieß es ab jetzt fast jeden Samstag den ganzen Tag in der Uni sitzen und studieren. Zudem spiele ich seit meinem vierten Lebensjahr Fußball und war somit jeden Sonntag und dreimal die Woche zum Training ausgebucht. Dazu kommen noch Hobbys, wie Klavierspielen, Motorrad fahren oder Snowboarden. Ob ich meinen Freund damals oft gesehen habe? Beantwortet sich von allein.

Wie soll man mit diesem Terminplan und trotz 40-Stunden-Job um die Welt reisen? Funktioniert, kann ich euch sagen. Mit gutem Zeitmanagement, Disziplin und Ehrgeiz kann man auch mit dem engen Zeitplan eine Menge Reisen. Alle Feiertage bestmöglich ausnutzen, möglichst abends und nachts fliegen, um einen Urlaubstag zu sparen und jegliche Wochenenden ausnutzen, damit gewinnt man schon einmal einige potenzielle Reisetage mehr. Aus 30 Urlaubstagen werden dann vielleicht 40, wenn man gut und effizient plant.

Als frische Vollzeitbeschäftigte machte ich meine erste große Reise im August 2016 nach Australien. Na klar, gleich bis ans Ende der Welt! Wenn Weltreise dann richtig, dachte ich mir und machte mich allein auf in die große weite Welt. Die einzelnen Beschreibungen meiner Reisen findet ihr in den folgenden Kapiteln.

Warum ich meist allein durch die Welt reise? Na ja, ganz allein bin ich ja nicht. Immer an meiner Seite ist mein Kuscheltier Kängi, das mich seit meiner Geburt begleitet, mir Beistand gibt und immer mit auf Reisen geht. Spaß beiseite. Ich würde sagen, es hat sich einfach so ergeben. Mein Freund steckte damals noch im Studium, meinen Eltern waren meine Reisen meist zu verrückt und zu weit und eine/n Freund/in habe ich auch nicht für meine Reisevorhaben gewinnen können. Also allein raus in die Welt.

Alleinreisend gibt es so manche Vorteile. Man muss nicht auf andere Rücksicht nehmen, kann sich seinen Plan ganz allein machen und sucht sich seine Restaurants selbst aus. Es gibt keinen Streit, außer manchmal mit seinem eigenen Ich. Dafür muss man sich natürlich um alles selber kümmern, hat keine andere Meinung bei schwierigen Entscheidungen und muss sich auf sich selbst verlassen.

Auf meinen Reisen in ferne Länder habe ich meinen Freund und jetzigen Ehemann natürlich sehr vermisst. Insbesondere wenn man Abenteuer für die Ewigkeit erlebt, die schönste Natur vor sich hat oder sich einfach nur kurz austauschen will, aber keinen Handyempfang hat. Wie schön wäre es, diese Momente mit jemandem zu teilen? So gut es geht, habe ich natürlich meine Familie und Freunde über SMS oder die sozialen Medien auf dem Laufenden gehalten. Auf einigen meiner Reisen gab es aber eben für einige Tage keinerlei Handyempfang, sodass ich mit meinen Gedanken und Erlebnissen allein klarkommen musste. Für mich sind die Reisen, die ich allein unternommen hat, eine kleine Reise zu mir selbst. Ich muss mich allein in der Welt zurechtfinden, auch mal fremde Leute ansprechen, die mich nicht verstehen oder Entscheidungen ganz allein treffen.

Keineswegs einfach, aber auch Überwindung. Ich würde jedem raten, auch mal allein zu verreisen. Es ist doch etwas Anderes, als wenn man seinen Partner oder Vertrauten an seiner Seite hat und sich jederzeit austauschen kann über das Erlebte. Außerdem war ich auf meinen Reisen nie ganz allein. Ich konnte auf die Einheimischen vertrauen, mich mit anderen Reisenden austauschen und wenn ich doch mal Hilfe benötigte, hatte ich meist keine Probleme jemanden für mein Problem zu finden. Oft habe ich sogar mehr Hilfe erhalten, als ich gedacht hätte.

Nach der Australien-Reise war mein Reisefieber vollends gepackt! Jede freie Stunde wurde mit der Reiseplanung verbracht, um möglichst viele Urlaubstage in meinen Terminkalender und zwischen Semesterferien, Weihnachtsfeiern und der Fußball-Sommerpause zu packen. Im Januar 2017 folgte dann eine weitere Fernreise mit meinen Eltern nach Curacao. Einmal nicht Alleinreisende, aber trotzdem ein super Abenteuer!

2017 war ohnehin mein absolutes Reisejahr. Neben Curacao und einer Wohnmobilreise durch Österreich und Italien stand im November das Highlight Nepal an: Meine erste Wanderexpedition zum höchsten Berg der Welt! Spätestens nach dieser Reise war trotz aller Strapazen die sprichwörtliche „Wanderlust“ gepackt. Fernweh gepaart mit Wanderfreude, eine gute Mischung für viele weitere spannende Expeditionen. Kaum wieder daheim plante ich schon die nächste Wandertour. Im folgenden Jahr sollte es zum Kilimanjaro nach Tansania gehen! Jedes Jahr eine andere Fernreise, wie ist das trotz meines eng getakteten Zeitplans möglich?

Die Antwort liegt in guter Organisation, optimaler Ausnutzung der klausur- und studienfreien Zeit und Sparen. Denn dadurch, dass ich mehrmals im Jahr Urlaub in fernen Ländern machte, wurde natürlich auch mein Sparkonto etwas beansprucht. Aber da ich Vollzeit berufstätig war und keine anderen großen Ausgaben hatte, war das auch kein Problem. Zudem bin ich ein Sparfuchs und suche auch mal ein paar Tage lang nach dem besten Preis für einen Flug oder ein Hotel. Die Tricks der Fluganbieter sind mir schon längst bekannt, sodass ich bei diesen Buchungen immer ein paar Euro sparen kann.

Für mich ist dieser Lebensabschnitt perfekt für Fernreisen. Ich bin jung und sportlich, will die Welt entdecken, verdiene Geld und kann meine Reisen selbst planen, da mein Mann ohnehin die meisten Fernreisen nicht mitgemacht hätte. Er begeistert sich nicht für die Wandertouren, von denen ich träume, akzeptiert aber, dass ich auch alleine reise. Das rechne ich ihm hoch an.

Im November 2018 flog ich also allein nach Tansania, ehe es im folgenden Jahr etwa zur gleichen Zeit nach Südamerika ging, genauer nach Patagonien, Argentinien, Chile und Brasilien. 2019 sollte ein gutes Reisejahr werden, da ich mir gemeinsam mit meiner Mutter einen Traum erfüllte und im April nach Kanada reiste, natürlich zum Skifahren! Im April ist es in den kanadischen Skigebieten noch sehr schneesicher, sodass es für uns die perfekte Zeit für eine Skireise nach Kanada war.

Dank meiner vielen Reisen in den letzten Jahren habe ich mir meinen Traum erfüllt und bereiste sechs Kontinente vor meinem 25. Geburtstag, insgesamt 31 Länder und dutzende Kulturen. In Nordamerika bereiste ich Kanada und die USA, in Südamerika Argentinien, Brasilien und Chile, in Afrika Tansania, in Asien Nepal, in Europa dutzende Länder und natürlich Australien. Selbstverständlich habe ich nicht alle Kontinente von Norden nach Süden und von Westen nach Osten bereist. Doch ich habe einen Einblick in die dortige Kultur erhalten, die auf den verschiedenen Kontinenten teilweise doch sehr unterschiedlich sind.

Nordamerika, Südamerika, Afrika, Asien, Australien, Europa - Check! Ihr wisst vielleicht, was noch mein absoluter Traum wäre: Eine Antarktis Expedition! Um auch noch den siebten und letzten Kontinent „abzuhaken“. Aber das wird erstmal hinten angestellt.

Begleite mich auf meiner Reise über sechs Kontinente durch die verschiedenen Länder, begegne den Menschen, die mir auf meinen Reisen ans Herz gewachsen sind und fühle die Reiselust, die mich auch im Alltag stets begleitet.

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