Читать книгу Die große Reise - Annika Helbig / Mark Löschner - Страница 7
Gedanken
Оглавление„Also, bis später. 12 Uhr? Wie jeden Mittwoch?“ fragte Nele schon halb auf dem Weg zu ihrer Vorlesung über soziologische Theorien.
Paul und Tom nickten.
,Wie schnell doch die Zeit vergeht‘, dachte Nele.
Es war die letzte Semesterwoche vor den Sommersemesterferien. Nele musste unwillkürlich daran denken, wie sie ihre beiden engsten Freunde kennengelernt hatte und sie gemeinsam bis hier zum Studium gekommen sind.
Nele, Paul und Tom lernten sich in der 5. Klasse kennen. Aber nur, weil Nele am ersten Schultag den dicken, fuchshaarigen Sören verprügelt hatte, der sich gerade an Tom zu schaffen machte und Paul nur verängstigt zuschaute. Dies war der Beginn einer unzertrennlichen Freundschaft. Sie sind 8 Jahre lang zusammen auf das Hainberg-Gymnasium in Göttingen gegangen, haben zusammen viel erlebt und durchgemacht. Obwohl sie durchaus unterschiedliche Interessen hatten, konnten doch alle drei an ihrem Heimatort studieren.
Nele begann ihren Bachelor-Studiengang in Soziologie, um ihrem Interesse an sozialen Strukturen in modernen Gesellschaften, die das Handeln des Einzelnen und das menschliche Zusammenleben prägen, nachzugehen. Bereits in der Grundschule fing sie an, die Strukturen, ja sogar die Hierarchie in ihrer Klasse durch ihr eigenes Handeln durcheinander zu bringen, um somit das Klassenleben zu prägen. Noch ein Semester. Dann will sie in ihrer Bachelor-Arbeit unter Nutzung empirischer Methoden moderne Formen sozialer Ungleichheit und die mit ihr einhergehenden Konflikte untersuchen.
Paul strebt einen Bachelor-Anschluss in Biologie an. Er hatte schon früh ein großes Interesse daran, Frösche oder andere Kleintiere zu sezieren. Während seines Studiums lernte er bereits Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen zu bestimmen, sich mit molekularen und genetischen Fragestellungen zu beschäftigen und sich mit chemischen Bausteinen sowie ihrem biochemischen Zusammenwirken auseinanderzusetzen. Pauls Freude an kleinen blutigen Experimenten konnte er nun auf ganz legalem Wege ausleben. Als Nebeneffekt verstummten die Stimmen in seiner Umgebung, die seine psychische Gesundheit in Frage stellten. In den bevorstehenden Sommerferien will er sich auf seine Forschungsarbeit vorbereiten. Mit seinem Bachelor-Abschluss kann er dann endlich seinen Master in Biodiversität, Ökologie und Evolution beginnen.
Für Tom kam ein Studium, das sich mit Menschen oder Tieren beschäftigt, nicht mal als Plan B in Frage. Er fand es als Kind schon viel angenehmer, sich mit Materialien zu befassen. Diese hatten keine Gefühlsregungen, konnten ihn nicht ärgern und hielten den Mund. Bereits sehr früh wurde er als Nerd beschimpft. Manche bezeichneten ihn als sozialinkompetent. Nele hatte ihn immer liebevoll als inkompatibel mit seiner lebendigen Umwelt bezeichnet. So begann er einen Bachelor-Studiengang für Materialwissenschaften an der Universität Göttingen. Schließlich sind moderne Materialien die Basis jeglichen technologischen Fortschritts. Tom lernte die chemischen und physikalischen Grundlagen rund um Materialien - von Metallen und Halbleitern über Gläser und Keramiken bis hin zu biologischen Materialien - kennen. Neben Chemie und Physik beinhaltet das Studium auch geo- und forstwissenschaftliche Anteile. Mit der anstehenden Bachelorarbeit hofft Tom, zu einem anschließenden Master-Studiengang zugelassen zu werden, damit er möglichst früh Zugang zu materialwissenschaftlicher Forschung bekommt. Für ihn ist es ein Traum, in einem Forschungsraum stundenlang alleine die Zusammensetzung von neuen Werkstoffen zu erforschen.