Читать книгу Hau ab, sagt Mathilda : eine Freundschaftsgeschichte - Annika Holm - Страница 5
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Оглавление»Telefon! Marie ist dran!«
»Marie?!?!?!?«
Mathilda stellt die Dusche ab, schnappt sich ein Handtuch und stürzt zum Telefon in der Diele.
»Hallo! Du? Ihr wolltet doch erst ... Wahnsinn! Super! Mm. Also wie üblich. Wie unüblich. Bis dann! Gute Nacht! Mama! Sie ist wieder da!«
Mama liegt auf dem Sofa vorm Fernseher, hebt die Fernbedienung vom Fußboden auf und schaltet das Gerät ab.
»Sie sollte doch erst nächste Woche kommen!«
»Morgen kommt sie wieder in die Schule. Ihre Stimme klingt wie immer. Ganz genau wie immer.«
Mathilda setzt sich auf die Sofakante, aber Mama schiebt sie beiseite.
»Du hast noch Schaum im Haar. Das tropft. Pass auf, das Sofa.«
»Macht doch nichts.«
»Dein Haar glänzt aber mehr, wenn du den Schaum ausspülst.«
»Du nervst!«
Aber irgendwie hat Mama ja Recht, also geht Mathilda ins Bad und stellt sich wieder unter die Dusche. Wasser und Shampoo rinnen ihr über Augen, Mund, Brust, Bauch, Knie und Füße. Es ist glitschig, weich und warm, und in ein paar Stunden trifft sie Marie.
Ob sie sich überhaupt wieder erkennen? Vielleicht hat sie sich die Haare abgeschnitten? Oder gefärbt? Aber das hätte sie ihr bestimmt geschrieben.
Während Mathilda sich abtrocknet, hört sie, wie die Wohnungstür geöffnet und zugeschlagen wird. Papas Stimme brüllt hallo. Mamas Stimme ruft, dass Marie wieder da ist und dass Mathilda ganz durchgedreht ist vor Glück.
»Na und?«, sagt Mathilda streitlustig. Sie kommt aus dem Bad. »Wärst du das nicht auch, wenn Papa vier Monate in einem anderen Land gewesen wäre und plötzlich nach Hause kommen würde, eine ganze Woche früher.«
»Klar wär sie das.« Papa nickt. »Sie wär nicht bloß durchgedreht, sie würde Purzelbäume schlagen vor Glück.«
»Genau.« Mathilda nickt auch und macht, was Papa gesagt hat. Sie macht einen Überschlag im Durchgang zwischen Diele und Wohnzimmer, und Mama und Papa schreien.
»Seit wann kannst du das denn?«, schreit Papa.
»Das ist gefährlich!«, schreit Mama.
Es ist nicht die Bohne gefährlich, wenn man weiß, wie es geht, und das weiß Mathilda. Sie hat es nämlich im Fußballlager im Sommer gelernt. Die Frau von einem der Trainer hat es ihnen gezeigt. Aber das kann sie im Augenblick nicht erklären, es gibt so viel anderes Wichtigeres zu bedenken.
»Bah«, sagt sie deswegen und wirft sich der Länge nach aufs Sofa, »das ist überhaupt nicht gefährlich.«
Mama hat sich beruhigt. »Jetzt fällt mir ein, dass ich es auch mal gekonnt hab. Das hatte ich ganz vergessen. Aber so elegant wie du konnte ich es nicht. Wollen wir Tee trinken?«
Während Mama und Papa in der Küche herumwirtschaften, bleibt Mathilda auf dem Sofa liegen und denkt an Marie. Und sehnt sich nach Marie. Vielleicht liegt Marie in diesem Augenblick zu Hause bei sich auf dem Sofa und fühlt sich genauso gut. Und sehnt sich nach Mathilda.
Zwischen ihnen sind nur ein paar Häuser und ein Fußweg. Warum geht sie nicht sofort hin, statt hier rumzuliegen und sich zu sehnen?
»Ich geh zu ihr«, teilt sie mit und ist draußen in der Diele, ehe jemand reagieren kann. Aber da packt Papa sie am Arm.
»Halt, stopp! Weißt du, wie spät es ist?«
Das weiß sie nicht, und sie muss es auch nicht wissen. Marie ist ja noch wach, sonst hätte sie nicht angerufen.
Papa zieht sie ins Wohnzimmer.
»Elf Uhr. Nicht die Zeit für Neunjährige, um rauszugehen.«
»Zehn!«, protestiert Mathilda.
»Sogar schon fünf Minuten drüber«, stellt Papa fest.
»Aber ich bin nicht neun, ich bin zehn.«
»Soviel ich weiß, wirst du erst am 13. Dezember zehn, und bis dahin sind es noch einige Monate. Übrigens dürfen Zehnjährige nachts auch nicht rausgehen.«
»Dann komm doch mit!«, bettelt Mathilda. Aber sie weiß, dass sie verloren hat. Also wartet sie die Antwort gar nicht ab und geht in ihr Zimmer.
»Dann geh ich eben schlafen. Weckt mich um halb sieben. Spätestens!«
Plötzlich ist das Gefühl wieder da. Sie ist so voller Glück, dass sie lachen muss, damit sie nicht platzt. Mama und Papa kriegen ihr Küsschen und noch einmal die Ermahnung:
»Halb sieben! Vergesst das nicht.«