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Crispin

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Mei­ne Ar­me schlie­ßen sich fes­ter um Ali­ce‘ zier­li­chen Körper. Es fühlt sich be­frie­di­gend an, wie sie sich nä­her an mich drückt, wäh­rend ich Triel nicht aus den Augen las­se. Die­se mus­tert Ali­ce ein­dring­lich, ehe sie sich mir zu­wen­det. Sie leckt sich über die spit­zen Zäh­ne, mus­tert mei­nen Körper un­ge­niert von Kopf bis Fuß. Mich lässt dies zwar kalt, aber Ali­ce ver­spannt sich merk­lich. »Oh, was für ein schö­ner Mann du bist. Nackt noch schö­ner als in Rüs­tung ver­hüllt. All die­se har­ten Mus­kel­strän­ge … Äu­ßerst ap­pe­tit­lich und viel­ver­spre­chend. Da hat sich das War­ten ge­lohnt, du Le­cker­bis­sen. Dein Glück, dass dei­ne Ge­fähr­tin da­bei ist, denn wir Ni­xen kön­nen im Lie­bes­spiel sehr über­zeu­gend sein. Das ver­gisst kein Mann so schnell. Was müss­te ich tun, da­mit ich den Rest von dir se­hen darf? Die läs­ti­ge Ho­se ist oh­ne­hin nur noch ein Lum­pen. Fort da­mit, Prinz, amü­sie­re mich. Mir steht der Sinn nach ei­ner Un­ter­hal­tung der an­de­ren Art.«

»Wie kann sie es wagen?«, murrt Ali­ce lei­se, mehr zu sich selbst als zu mir. Was mich eben­falls be­ru­higt: Sie wi­der­spricht Triel nicht. Auch wenn in den letz­ten Stun­den viele ih­rer Er­in­ne­run­gen zurück­ge­kom­men sind, weiß ich nicht ge­nau, wo wir ste­hen oder was sie fühlt. Gib nie et­was vor den Ni­xen preis, sie wür­den es ge­gen dich ver­wen­den, den­ke ich. Mir ge­fällt es, dass Ali­ce be­dacht han­delt, da­zu­ge­lernt hat – an­ders als vor Mo­na­ten. Sie schaut die Ni­xe vor sich so fins­ter an, als wür­de sie mit dem Ge­dan­ken spie­len, ihr für ih­re Wor­te die Haut ab­zu­zie­hen. Mitt­ler­wei­le wür­de ich ihr dies so­gar zu­trauen. Die­se Welt hat sie ver­än­dert. Das Wis­sen, dass sie eifer­süch­tig ist, im­po­niert mir, schmei­chelt mei­nem Her­zen und mei­nem Selbst­wert­ge­fühl. Dass Ali­ce sich er­in­nert und auf­ge­hört hat, ge­gen mich an­zu­kämp­fen, lin­dert den Schmerz in mir. Ich klam­me­re mich an das Wis­sen, dass alles so wird wie vor­her. Ich spü­re, wie sie sich mir wie­der öff­net, mei­ne Nä­he sucht und ih­re Bli­cke vol­ler Lie­be, aber auch vol­ler Trau­er und Scham sind. Der Trank lässt nach. Ich ver­mu­te, die Ver­let­zun­gen tra­gen ih­ren Teil da­zu bei, der Blut­ver­lust spült es fort – ihr Körper muss sich schnel­ler re­ge­ne­rie­ren, da­durch wird zu­dem der Trank zü­gi­ger ab­ge­baut.

»Sprich dich aus, Schwes­ter des Meeres.« Durch­aus in­te­res­siert hebt Triel die Augen­brau­en. Sie ist ge­fähr­lich, man darf sie nicht un­ter­schät­zen. Mein gan­zer Körper ist wach­sam und an­ge­spannt.

»Lass dei­ne Spiel­chen, Triel. Sie ist ge­ra­de nicht sie selbst und ge­schwächt. Sie ist durch ei­nen Trank ge­blen­det, ein fau­ler Zau­ber. Sie ist die mei­ne, ich der ih­re. Es be­steht kei­ne Hoff­nung für dich, sich mit uns zu paa­ren. Heu­te nicht und an kei­nem an­de­ren Tag.«

»Lang­wei­li­ger Elb!« Sie schmollt, je­doch nicht lan­ge. »Be­schrei­be den Trank!«

Ich schie­be Ali­ce hin­ter mich, schüt­ze sie mit mei­nem Körper. Auch wenn ich Triel ken­ne, Ni­xen sind nie harm­los und ihr neu­gie­ri­ger Blick be­hagt mir nicht. Ich bin vor ge­rau­mer Zeit da­bei ge­we­sen, als sie ih­ren Opfern die Haut vom Körper ge­ris­sen ha­ben, mit ih­ren Zäh­nen bei le­ben­di­gem Leib. An ih­ren Fin­gern klebt mehr Blut als an mei­nem Schwert. Sie tö­tet aus pu­rem Ver­gnü­gen, das un­ter­schei­det uns. »Er blo­ckier­te Tei­le ih­rer Er­in­ne­rung, lässt hin­ge­gen be­reits nach. Wie du siehst, es gibt nichts für dich zu ho­len«, er­läu­te­re ich sach­lich. »Was machst du hier, Triel, außer dich an un­se­rem Leid zu la­ben?«

»So un­freund­lich? Tsss … Spitz­ohr­prinz … Ler­ne, dich zu be­herr­schen, oder ich las­se dich zurück und ret­te nur sie. Es wä­re zwar ei­ne Ver­schwen­dung, aber … Ich zie­he es in Er­wä­gung.«

»Du willst uns ret­ten? Zu wel­chem Preis?« Ich bin äu­ßerst acht­sam, Ni­xen leis­ten kei­ne Ge­fäl­lig­kei­ten. Nie­mals! Sie sind ein­zig auf ihr ei­ge­nes Wohl aus.

»Wir ha­ben Ali­ce ein An­ge­bot zu ma­chen, es wür­de selbst dich aus die­ser miss­li­chen La­ge be­frei­en.«

»Wie lau­tet das An­ge­bot?« Oh­ne zu er­fah­ren, wie hoch der Preis für die­se Ret­tung ist, wer­den wir dem Han­del nicht zu­stim­men. Ich be­ob­ach­te mein Ge­gen­über ge­nau, je­de noch so klei­ne Re­gung ih­res Ge­sich­tes.

»Das, mein lie­ber Prinz, wird euch Ja­de er­klä­ren, denn sie war­tet auf dich und dei­ne klei­ne Halb­ni­xe.« Wie­der lä­chelt sie Ali­ce an. Aller­dings wirkt die­ses Lä­cheln nicht echt, son­dern auf­ge­setzt. Es ver­ur­sacht mir ei­ne Gän­se­haut. Nein, Triel hat Plä­ne und hier läuft et­was im Hin­ter­grund. Wir dürf­ten die­sem Han­del nicht ak­zep­tie­ren, das weiß ich ganz si­cher. »Aber vor­her will ich dir hel­fen, statt mich an dei­nem Leid zu er­freu­en, Prinz der El­ben. Ich ha­be heu­te ei­nen groß­zü­gi­gen Tag.«

Ali­ce greift nach mei­ner Hand, als Triel sich aus dem Was­ser hebt, die lan­ge Flos­se wird da­bei zu zwei lan­gen schlan­ken Bei­nen. Das Was­ser perlt an ih­nen ab, tropft vor ih­ren Bei­nen auf den Stein. Ich ste­he eben­falls auf, über­ra­ge da­bei die Ni­xe um mehr als ei­nen gu­ten Kopf, wie ich be­frie­di­gend fests­tel­le und ei­sig auf sie hin­ab­bli­cke. »Du kannst die Flos­sen ein­fach ge­gen Bei­ne tau­schen und lau­fen? Ich ha­be immer ge­dacht, es nimmt ei­ne ge­wis­se Zeit in An­spruch, um dies zu kön­nen.« Ich bin bei­lei­be über­rascht. Das zeigt aber­mals, wie lis­tig sie sind.

Sie legt den Fin­ger auf ih­ren Lip­pen. »Psst … Es gibt Din­ge, über die soll­te man nicht spre­chen. Ge­heim­nis­se gibt man nicht preis. Tar­nung, Täu­schung – auch du kennst das, Ho­heit. Al­so schwei­ge, sonst muss ich dich tö­ten. Es bie­tet uns Schutz. Wir wer­den oft un­ter­schätzt, da man denkt, wir sind nur im Was­ser ge­fähr­lich. Da­bei kön­nen wir oh­ne Pro­ble­me des Nachts euch die Keh­le durch­schnei­den, wenn uns da­nach be­liebt. Ver­giss das nie, wenn du an ei­nem Ge­wäs­ser ra­stest. Ich of­fen­ba­re mich auch nicht dir, Prinz, son­dern ihr, mei­ner Schwes­ter. Sie ist ein Teil von uns. Ihr steht es zu, dies zu wis­sen, ehe sie ei­ne Wahl trifft.« Ei­ne Wahl? Wo­von re­det sie? Mei­ne Augen ver­en­gen sich zu Schlit­zen. Sie schrei­tet auf Ali­ce zu, reicht ihr die Hand. »Ste­he auf, Tochter des Meeres! Ich wer­de dir hel­fen.«

»Ich …«, zö­gert Ali­ce, schaut mich an. Sie traut Triel eben­so we­nig wie ich. Un­si­cher­heit blitzt in ih­ren Augen auf.

»Was hast du vor Triel? Was wird es uns kos­ten?«, ver­lan­ge ich noch­mals, zu er­fah­ren. Ali­ce steht mit zit­tri­gen Bei­nen auf, ich stüt­ze sie acht­sam. Sie muss sich aus­ru­hen, hei­len. Das alles ist zu viel für ih­ren ge­schwäch­ten Körper.

»Schweig, Elb! Dies geht nur uns Schwes­tern et­was an.« Sie legt den Kopf schief. In ih­ren nas­sen Haaren klim­pern Mu­scheln, die dort ein­ge­ar­bei­tet sind.

»Hü­te dei­ne Zun­ge, Ni­xe«, mah­ne ich sie, wo­rauf­hin sie er­bost in mei­ne Rich­tung faucht, ehe sie den Blick zu Ali­ce rich­tet. Ali­ce streicht sich ihr Haar aus dem Ge­sicht, wäh­rend ich mich hin­ter sie stel­le und mei­ne Hand auf ihr Kreuz le­ge, da­mit sie weiß, dass ich da bin. Und nicht nur das, ich bin be­reit, je­der­zeit ein­zu­schrei­ten.

»Ich wer­de ih­ren Körper rei­ni­gen. Sie muss bei vol­lem Ver­stand sein, wenn sie sich für uns ent­schei­det«, teilt Triel mir kryp­tisch mit, was mir nicht ge­fällt, da­her runz­le ich Stirn pro­vo­ka­tiv.

»Kei­ne fal­schen Spiel­chen, mein Schwert funk­tio­niert ein­wand­frei«, las­se ich Triel tro­cken wis­sen, was sie mit ei­nem Zi­schen und ge­fletsch­ten Zäh­nen kom­men­tiert. Soll mir dies Angst ma­chen? Wenn ja, hat sie kei­nen Er­folg. Ihr Kopf wür­de schnel­ler auf dem Grund des Meeres lan­den, als sie bis drei zäh­len kann.

»Du wagst es, Elb?«, knurrt sie auf­ge­bracht. Das hin­ter­fragt sie noch? Ich wä­re durch­aus ge­willt, wei­taus mehr zu ris­kie­ren, um Ali­ce zu schüt­zen, da­her um­grei­fe ich mein Schwert­knauf her­aus­for­dernd und wei­che Ali­ce nicht von der Sei­te.

»Es ist okay, Cri­spin«, haucht Ali­ce, strafft da­bei ih­re Schul­tern. Sie hat ei­ne Ent­schei­dung ge­trof­fen, die mir ver­mut­lich nicht ge­fal­len wird. »Mei­ne Mutter, sie ist wie du ge­we­sen, oder? Ei­ne Ni­xe. Je­den­falls ha­be ich das ge­hört.«

Triel nickt. »Lass mich die Res­te des Gif­tes, wel­ches dich ver­wirrt, ent­fer­nen, Schwes­ter. Da­nach of­fen­ba­re ich dir, wes­halb ich hier bin. Öff­ne dei­nen Mund.«

»Was …«, set­ze ich an, um et­was zu fra­gen, doch Triel hält die Hand hoch und ver­langt of­fen­sicht­lich, dass ich schwei­ge. Sie beugt sich vor, bis ihr Mund ge­nau vor Ali­ce‘ Lip­pen ver­weilt.

Triel mus­tert sie. »Mund auf!« Zö­gernd kommt Ali­ce ih­rer Auf­for­de­rung nach. Triel legt ih­re schlan­ken Hän­de, mit Schwimm­häu­ten zwi­schen den Fin­gern, an ih­re Wan­gen an und schließt die Augen. Das Meer um uns he­rum scheint kurz still zu ste­hen, ehe die Ni­xe tief ein­at­met. Ali­ce ver­krampft sich, um­greift ih­ren Hals, wäh­rend ich sie stüt­ze.

»Auf­hö­ren!«, fah­re ich Triel an, wäh­rend das Meer um uns he­rum zu stür­men be­ginnt. Mit aller Kraft stem­me ich mich ge­gen die wil­de Gischt. Triel ig­no­riert mich, ihr Blick ist starr auf Ali­ce ge­rich­tet. Blaue Trop­fen tre­ten aus ih­rem Mund her­vor, wie klei­ne Per­len schwe­ben sie um uns he­rum, ver­meh­ren sich zu­se­hend. Ein be­acht­li­cher Wir­bel, der sich mit der Gischt ver­mischt und ei­nen wil­den Tanz auf­führt, ent­steht in­ner­halb we­ni­ger Se­kun­den. Als Triel den Mund schließt, fällt alles mit ei­nem lau­ten Platsch zu Boden. Das Meer spült den Rest des Zau­bers fort. Mein Herz pocht eigen­ar­tig schnell. Ich wa­ge es kaum, Ali­ce an­zu­se­hen. Ist sie wie­der ganz die Al­te? Er­in­nert sie sich an alles? Dies wür­de so vieles er­leich­tern.

»Der Zau­ber ist schon fast aus ih­rem Körper her­aus ge­we­sen. Die Res­te sind nun voll­kom­men fort. Gib mir dein Schwert, Prinz!« Triel hält die Hand auf, schaut mich for­dernd an.

»Nie­mals.« Mei­ne Kno­chen kna­cken, so fest um­klam­me­re ich den Griff. Auch wenn ich ihr dank­bar bin, lebens­mü­de bin ich nicht.

»Prinz?« Sie schaut fins­ter drein. Ih­re ge­öff­ne­te Hand ver­langt weiter­hin stumm mein Schwert.

Alles in mir kämpft da­ge­gen an. Ich ken­ne Triel, aber ver­traue ich ihr? Nein, die Ant­wort ist klar. Kann ich ihr ei­nen kur­zen Mo­ment trauen? Wo­mög­lich. Wer sagt mir, dass sie das Schwert nicht ge­gen uns rich­ten wird? An­der­seits, bräuch­te sie es? Sie kann uns hier so oder so ver­rot­ten las­sen. Ich bin im Zwie­spalt. Mir ist be­wusst, dass un­se­re Chan­cen ge­ra­de schlecht ste­hen, doch ich wer­de ei­nen Aus­weg fin­den, den fin­de ich immer. Ich ha­be schon un­ter schlech­te­ren Um­stän­den über­lebt, wenn auch nur um mein ei­ge­nes Le­ben und nicht das mei­ner Ge­fähr­tin.

Ali­ce wen­det sich mir zu, legt ih­re schlan­ke Hand zärt­lich auf mei­ne Wan­ge. Alles in mir zieht sich vor Sehn­sucht zu­sam­men. Zu lan­ge sind wir ge­trennt ge­we­sen. »Viel­leicht müs­sen wir ihr ver­trauen, Cri­spin. Ich füh­le mich … bes­ser. Wirk­lich. Es ist, als wür­de sich in mei­nem Kopf ei­ne gro­ße Ne­bel­wand lich­ten. Stück für Stück se­he ich mehr Bil­der, die sich lang­sam zu­sam­men­setz­ten. Ich se­he … dich. Uns. Ich se­he und füh­le so vieles …« Sie un­ter­bricht sich selbst, schluckt hör­bar. »Sie hat recht. Der rest­li­che Zau­ber ver­flüch­tigt sich. Ich er­in­ne­re mich an un­se­re er­sten Tref­fen, glas­klar. Vor ei­ner Mi­nu­te ist es noch ver­schwom­men ge­we­sen, sche­men­haft.«

All das über­for­dert sie emo­tio­nal. Das er­ken­ne an ih­rem un­glü­ckli­chen Ge­sichts­aus­druck. Und wenn ich ehr­lich bin, mich auch. Ich drü­cke sie an mich, schlie­ße ei­ne Se­kun­de die Augen, ehe ich mein Wort an die Ni­xe rich­te. »Ich ver­traue nie­man­den mehr«, tei­le ich ihr mit, wa­ge es, auf mein Ge­fühl zu hö­ren, wel­ches mich zur Vor­sicht er­mahnt. »Sprich, was du von uns willst oder ver­schwin­de.«

Triels Lä­cheln ist plötz­lich kalt wie Eis. Wis­send blit­zen ih­re Augen auf. »Du bist schlau­er, als gut für dich ist, Prinz. Oder soll ich sa­gen: Kö­nig, der sich er­he­ben möch­te? Oh ja, wir sind nicht un­wis­send. Auch uns kommt zu Oh­ren, dass du ei­ne Ar­mee ver­sam­melst und dich von dei­nem Vater los­ge­sahnt hast. Nur wa­rum? Was planst du?« Sie schaut von mir zu Ali­ce. »Mein Blut, ist dein Blut, Schwes­ter. Ich kann euch ret­ten, wenn du mein An­ge­bot an­nimmst. Du bist wie ich, ei­ne Ni­xe. Du soll­test nicht an Land bei ei­nem El­ben le­ben, das ist dei­ner un­wür­dig. Lass dein Er­be er­wachen, mö­gest du ei­ne Tochter des Meeres wer­den und die Göt­ter dir dei­ne Flos­sen schen­ken. Lass dich nicht durch et­was wie Lie­be be­herr­schen, denn sie macht schwach. Ent­schei­de dich für uns, für Macht. Je­des We­sen wird vor dir er­zit­tern. Du brauchst die­sen Mann nicht.« Ich pres­se die Zäh­ne auf­ein­an­der, knur­re lei­se. Es ist rich­tig ge­we­sen, ihr das ver­fluch­te Schwert zu ver­wei­gern. Ver­mut­lich hät­te sie es mir in den Leib ge­rammt. Triel be­ach­tet mich nicht. Wie kann sie es wagen? Statt un­ser Band zu wür­di­gen, ver­sucht die hal­be Welt, es zu zers­tö­ren. Se­hen sie nicht, wel­che Chan­ce sich uns auf­tut? Sind sie des Wahn­sinns, es so mit Fü­ßen zu tre­ten? Was glau­ben sie, wie viele Chan­cen die Göt­ter uns noch ge­wäh­ren? »Gibt mir dei­ne Hand!« Triels Augen fun­keln, wäh­rend die Wel­len immer stär­ker peit­schen, als wür­de das Meer sie an­feu­ern. Ich be­reue kei­ne Se­kun­de, auf mein Ge­fühl ge­hört zu ha­ben. Hin­ter­lis­tig. Bös­ar­tig. Ich ha­be es ge­ahnt. Ich he­be den Blick, mus­te­re Triel, die raub­tier­haft lä­chelt. »Still, Spitz­ohr!« Sie legt ih­ren Fin­ger auf die Lip­pen.« Ich wer­de mein Blut mit mei­ner Schwes­ter tei­len, so­mit den Teil des Meeres in ihr er­we­cken. Nie­mand lehnt die­ses groß­ar­ti­ge Ge­schenk ab. Sie hat das Recht, zu wäh­len, und sich ge­gen dich und die­ses ver­fluch­te Band zu ent­schei­den. Wir Ni­xen wol­len kei­ne Ge­fähr­ten, wir wol­len Macht. Es liegt uns im Blut, wir lie­ben die Furcht und das Tö­ten. Lie­be? Lä­cher­li­che, wi­der­wär­ti­ge Schwäche.«

Ich schüt­ze Ali­ce mit mei­nem Körper, tre­te ent­schlos­sen vor. »Nie­mals.«

»Nur so wer­de ich auch dich ret­ten. Lass sie ge­hen, keh­re in dein al­tes Le­ben zurück und gib mir, was uns ge­hört. Sie ge­hört zu mei­nem Volk, du zu dei­nem.«

»Sie ge­hört zu mir«, fau­che ich.

Triel rich­tet ih­ren Blick auf Ali­ce. »Das Was­ser er­kennt dich als sei­ne Tochter an. Je­de Ni­xe muss von ei­ner an­de­ren ge­seg­net wer­den, um in die Schwes­tern­schaft auf­ge­nom­men zu wer­den. Du wirst dein Blut mit mei­nem ver­ei­nen. Un­ter Was­ser wirst du nie wie­der Angst ha­ben müs­sen, zu er­trin­ken. Du wirst ewig le­ben, mäch­tig und stark sein. Aller­dings ist die Ent­schei­dung end­gül­tig. Wählst du uns und dei­ne Flos­se, ist es dir un­ter­sagt, weiter an Land zu le­ben. Es ist dir auch un­ter­sagt, dich mit ihm ab­zu­ge­ben. Wir sind dann dein Le­ben. Du bist so­mit ein Teil von et­was Grö­ße­rem. Wäh­le uns und ver­las­se die­ses Spitz­ohr, der oh­ne­hin un­ter dei­ner Wür­de ist.«

Plötz­lich däm­mert es in mei­nem Kopf. »Ihr Ni­xen wollt euch ei­nen Trumpf si­chern! Mei­ne Ge­fähr­tin in eu­ren Rei­hen wür­de euch mehr Si­cher­heit ver­schaf­fen als je­des Bünd­nis, wel­ches ihr aus­han­deln könn­tet. Ja­de weiß, dass ich Ali­ce nicht ver­let­zen wür­de, es nie könn­te.« Ich la­che hart auf. Sie hal­ten sich für so cle­ver. Triel zischt er­bost. Ich ha­be sie durch­schaut. Es geht ihr nicht um Ali­ce, nein, sie wol­len ein­zig Schutz. Ali­ce wirkt leicht pa­nisch, gar ver­wirrt. Sie hat Angst vor den Kon­se­quen­zen die­ses Er­bes. Sie ist wie er­starrt, bringt kein Ton her­vor, da­bei se­he ich, wie es in ihr ar­bei­tet.

»Es obliegt ihr allei­ne, ob sie sich uns an­schließt, oder sich von uns ab­wen­det. Lasst es mich so sa­gen: Die meis­ten von uns wäh­len wei­se oder ster­ben. Was soll sie an Land, an der Sei­te ei­nes Prin­zen oh­ne Heimat, wo sie eins der ge­fürch­tets­ten We­sen der Mee­re wer­den könn­te und das mit mehr Lieb­ha­bern, als sie zäh­len kann?«

»Wa­ge es nicht, uns zu dro­hen!«

»Ich will das nicht.« Ali­ce un­ter­bricht uns und wir bei­de schau­en sie über­rascht an.

»Sei nicht tö­richt, Misch­ling. Nie­mand von uns paart sich mit an­de­ren Ras­sen. Schon gar nicht mit dem Ziel, ein Kind zu zeugen. Dei­ne Mutter ist naiv und ein­fäl­tig ge­we­sen, ge­blen­det durch die­ses Ge­schwätz ei­nes Ge­fähr­ten. Du bist nur zur Hälf­te ei­ne Ni­xe. Statt dich zu tö­ten, bie­ten wir dir Macht. Es ist ei­ne Eh­re, dass wir dir die­ses An­ge­bot un­ter­brei­ten. Hin­ge­gen ei­ne Schand­tat, sich mit ei­nem Alb fort­zu­pflan­zen, denn es ver­wäs­sert un­ser Er­be. Doch bist du hier, an der Sei­te ei­nes Spitz­oh­res, ver­wäs­serst un­ser Er­be noch mehr. Wir blei­ben stets un­ter un­se­res­glei­chen. Wir wol­len kei­ne Ge­fähr­ten. Sie sind hin­der­lich und schwä­chen uns. Es ist gut, dass die­ses Band aus­ge­löscht wor­den ist. Wir ver­ab­scheu­en Schwäche. Wir ver­ab­scheu­en Ge­fähr­ten. Un­se­re Män­ner sind uns un­ter­le­gen. Fin­det ei­ner von uns ei­nen Ge­fähr­ten, so zö­gern wir nicht, ihn zu tö­ten, mit Freu­de. Ich wür­de ihm die Keh­le aus­rei­ßen und ver­spei­sen.«

»Nun, das klingt … nicht be­son­ders roman­tisch.« Ali­ce rückt noch nä­her an mich he­ran. Ihr Zit­tern be­schert selbst mir ei­ne Gän­se­haut. Be­sitz­ergrei­fend le­ge ich mei­ne Hand auf ih­ren Bauch, spü­re ih­ren nas­sen Körper an mei­ner nack­ten Brust. Sie wirkt ent­schlos­sen und strafft die Schul­tern.

Triel lacht auf. Of­fen­bar amü­siert es sie. »Glau­be mir, We­sen, die wil­lig sind und sich mit uns ver­gnü­gen, an de­nen man­gelt es uns nicht. Soll­test du dich ent­schei­den, bei uns zu blei­ben, wirst du es se­hen. Du wirst viele fügs­ame Opfer fin­den, die sich dir be­din­gungs­los hin­ge­ben. Du wirst frei wäh­len kön­nen. Hor­che in dich hin­ein. Spürst du die Sehn­sucht nach Macht?«

Ich ver­stei­fe mich augen­bli­cklich. Allei­ne der Ge­dan­ke, dass je­mand Hand an Ali­ce le­gen könn­te, lässt mich rot­se­hen. »Ei­nen Troll­mist wird sie, das weißt du, Triel. Sie ist nicht wie du, seelen­los. Hier­mit darfst du un­ser Bünd­nis als be­en­det an­se­hen. Wie kannst du es wagen, mich so hin­ter­ge­hen zu wol­len? Soll Cas­tiell euch doch aus­rot­ten, um kei­ne von euch wä­re es scha­de.« Ich spu­cke vor ihr auf die Er­de.

Ali­ce legt ih­re Hand auf mei­ne, dreht sich um und schaut zu mir auf. Ihr Blick ist fest, ziel­be­wusst. Sie nickt mir zu, lä­chelt schwach. »Ich weiß, wer und was ich bin, Cri­spin, und wo mein Platz ist. Ich se­he so klar, wie lan­ge nicht mehr. Viel­leicht ver­ste­he ich zum er­sten Mal wirk­lich, was wir sind und was uns ver­bin­det. Wo­mög­lich bin ich an­fangs wie du ge­we­sen, ha­be es nicht glau­ben wol­len oder kön­nen, doch jetzt weiß ich es. Sie könn­te nichts sa­gen, was mei­ne Mei­nung oder Ge­füh­le zu dir be­ein­flus­sen oder än­dern wür­de.« Sanft legt sie ih­re Hand auf mei­ne Wan­ge, mein Kie­fer mahlt an­ge­spannt. »Es tut mir so leid, dass du we­gen mir lei­den musst. Ver­zeih mir! Ich ha­be dir so weh­ge­tan … Ver­flucht, ich ha­be dich so­gar um­brin­gen wol­len. Ehr­lich, ich er­in­ne­re mich an die Wut, die ich auf dich ge­habt ha­be, doch trotz al­lem bist du ge­kom­men und hast mich ge­fun­den. Du bist alles, was ich will. Ich wür­de immer wie­der dich wäh­len.« Ehe ich ant­wor­ten kann, oder mei­ne Spra­che wie­der­fin­de, rich­tet sie ihr Wort an Triel. »Ich ha­be mei­ne Ent­schei­dung be­reits ge­trof­fen, mei­ne Be­stim­mung ist Cri­spin. Ich wäh­le ihn. Jetzt, mor­gen und für alle Zeit. Immer. Dein An­ge­bot be­schämt mich, wo du un­se­re Ge­schich­te zu ken­nen scheinst. Dei­ne Über­he­blich­keit wi­dert mich an. Ich wei­se dein Ge­schenk dan­kend zurück. Wenn ich so ein Le­ben wol­len wür­de, hät­te ich auch bei den Al­ben blei­ben kön­nen. Du ahnst nicht, was dir ent­geht, in­dem du dich ge­gen ei­nen Ge­fähr­ten wehrst.«

»Willst du mich be­lei­di­gen? Ich wür­de ihn auf der Stel­le tö­ten, wenn ich ihn fin­de«, zischt Triel auf­ge­bracht. Ih­re Augen fun­keln vol­ler Zorn. Sie kann of­fen­bar nicht glau­ben, dass Ali­ce mich statt ih­rer wählt.

Ich hin­ge­gen at­me er­leich­tert auf. Ali­ce‘ Wor­te ha­ben et­was in mir ge­löst. Ei­ne Last fällt mir von den Schul­tern, zent­ner­schwer. Ein klei­ner Teil von mir hat die Furcht ver­spürt, sie könn­te sich von mir ab­wen­den, und nach al­lem, was sie an mei­ner Sei­te er­lebt hat, ei­nen an­de­ren Weg ein­schla­gen. Ich hät­te es ihr nicht ver­den­ken kön­nen. Der ego­is­ti­sche Teil in mir hät­te nie auf­ge­hört, um sie zu kämp­fen. Zum er­sten Mal hat sie sich vol­lends zu mir be­kannt, zu un­se­rer Ver­bin­dung. Das macht mit mei­nem Herz ganz ver­rück­te Din­ge … Es pocht wild und die an­ima­li­sche Sei­te in mir möch­te sie an mich rei­ßen und in die Welt hin­aus­schrei­en, dass sie nur mir ge­hört. Ali­ce stellt sich auf die Ze­hen­spit­zen, un­se­re Lip­pen tref­fen sich. Es fühlt sich an, als wür­de auch ich nach Hau­se kom­men. End­lich. Oh, bei den Göt­tern, sie hat mir so sehr ge­fehlt. Sie hat mir nie ge­glaubt, dass die­se Ver­bin­dung be­steht, doch jetzt, nach all dem, be­greift sie es, ob­wohl ich mir ge­wünscht hät­te, dass sie da­für nicht sol­che Qua­len er­le­ben muss.

In mir pul­siert un­se­re Ver­bin­dung vor wil­der Freu­de. Ali­ce‘ war­men Lip­pen auf den mei­nen, weich und un­nach­gie­big. Ich weiß, dass sie nicht lügt, sie wie­der die ist, die ich an die­sem furcht­ba­ren Tag, an dem man sie ent­führt hat, ver­las­sen ha­be. Fe­go­ria ist nicht sanft, das weiß ich. Fe­go­ria ist ei­ne Welt, in der nur die Stärk­sten über­le­ben. Dies hat mich bis­her nie ge­stört, da ich mich zu den Stär­ke­ren zäh­le. Ge­nau das ist der Punkt: Ich bin ro­bust und wer­de mein Glück selbst su­chen. Mei­ne Geg­ner sol­len sich fürch­ten, denn ab so­fort wird mich nichts mehr auf­hal­ten, mein Schi­cksal zu er­fül­len – mit Ali­ce an mei­ner Sei­te.

Jetzt ver­ste­he ich, was das Ran­ken­we­sen da­mit ge­meint hat, dass dies mei­ne Mis­sion wä­re, Ali­ce allei­ne zu be­frei­en. Es ist mei­ne Auf­ga­be, mein Test, mich wür­dig zu er­wei­sen. Wür­dig, sie zu lie­ben, und qua­li­fi­ziert, für all das zu kämp­fen, was wir an­stre­ben. Ich bin da­ran ge­wach­sen und se­he vieles kla­rer als zu­vor. Ich be­trach­te die Al­ben durch die Be­geg­nung mit Elil voll­kom­men an­ders. Ali­ce be­hält eben­falls recht, ich ha­be das Gan­ze zu schwarz-weiß ge­se­hen. Al­be sind für mich mein Ge­burts­feind. Zu­vor ha­be ich nie mit ei­nem ge­spro­chen oder ih­nen die Chan­ce ge­ge­ben, sich mir zu er­klä­ren. Nicht, dass sie es ge­wollt hät­ten, doch mit Ali­ce‘ An­kunft scheint ein Stein ins Rol­len ge­bracht wor­den zu sein, der nicht mehr zu brem­sen ist. Fe­go­ria ist im Wan­del. Mir ist ein­ge­trich­tert wor­den, dass Al­be von Grund auf ver­dor­ben und bö­se sind, je­nes ha­be ich ge­glaubt. Wie oft ist mir die­ses Bild auf den Schlacht­fel­dern be­stä­tigt wor­den … Es gibt nicht nur schwarz und weiß, auch Grau­tö­ne, wie Ali­ce so schön sagt. Die­se ha­be ich ge­se­hen und ver­ste­he ih­re Denk­wei­se nun. Ich ha­be mei­nen Stolz her­un­ter­schlu­cken, Hil­fe an­neh­men und mein Wis­sen er­weitern, mei­ne Per­sön­lich­keit ent­fal­ten und mich fin­den müs­sen. Der Mann, der ich sein will, nicht der, den mein Vater ge­formt hat. Ich den­ke, ich ha­be jetzt ein Bild da­von, wer ich bin und wer ich sein möch­te, nicht wer ich sein muss. Ja, ich bin der Kö­nig, wi­der­wil­lig, aber ich wer­de mei­nen Platz ak­zep­tie­ren, weil es mein Schi­cksal ist. Fe­go­ria hat ei­ne Zeit des Frie­dens ver­dient. Ali­ce hat eben­falls ei­ne wei­trei­chen­de Ent­schei­dung ge­trof­fen und das Er­be ih­rer Mutter ab­ge­lehnt. Nun müs­sen wir in die Zu­kunft bli­cken, die die Göt­ter für uns vor­her­ge­se­hen ha­ben – ge­mein­sam.

Fegoria - Dunkle Stunden

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