Читать книгу Wirren um Liebe - Anny von Panhuys - Страница 8

5.

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Frau Gerhard befand sich bei Fräulein Marrholz und unterhielt sich mit ihr, der besten und teuersten Schneiderin der Stadt, über eine kleine Änderung an einem erst vor kurzem angefertigten Kleid.

Fräulein Marrholz, sehr schlank und elegant, versprach, die gewünschte Änderung ausführen zu lassen. Dann erzählte sie von einem Kleid, das sie für eine Dame der Stadt gearbeitet, die gerade Trauer bekommen hatte, als es abgeliefert werden sollte, und die es nun durch ihre Vermittlung verhältnismäßig billig abgeben würde. Sie sagte geschäftstüchtig:

„Ich schlage Ihnen vor, das Kleid einmal anzuprobieren. Die Maße stimmen nämlich gerade mit den Ihren überein, Frau Gerhard. Man findet das selten! Und das Kleid ist bildschön und billig. Die Dame behielt es gern selbst, aber sie fürchtet, bis ihre Trauerzeit herum ist, wechselt inzwischen die Mode. Der Stoff war schon viel teurer, als sich jetzt für die Käuferin das fertige Kleid stellen würde.“

Sie öffnete einen Schrank und entnahm ihm ein über einen Bügel hängendes wirklich schönes Kleid, bei dessen Anblick Else Gerhards eitles Herz sofort rasch schlug. In ihren Augen irrlichterten Flämmchen auf.

Es handelte sich um ein Jackenkleid aus moosgrüner dünner Seide mit schmalen, weißen Samtaufschlägen. Gar nicht rasch genug ging es Frau Gerhard mit dem Anziehen.

Dann stand sie vor dem Spiegel, und die Schneiderin schritt um sie herum und bewunderte:

„Ganz großartig sitzt die Jacke! Und das Kleid erst! Wie für Sie geschaffen. Oh, wie die Farbe den Goldglanz Ihres Haares hebt. Einfach fabelhaft! Ein Kleid wie für Ihren Typ von Haller-Tann entworfen. Haben Sie schon von dem gehört? Natürlich, welche Dame kennt den Namen nicht!“

Frau Gerhard hatte keine Ahnung, wer Haller-Tann war, der Kleider entwerfen sollte.

Fräulein Marrholz lächelte süßlich: „Ich hatte das große Glück, Hans Haller-Tann in Berlin kennenzulernen. Bei Steenkopp, wo ich mich um ein Modellkleid bemühte. Er ist ein noch junger Mensch mit gebräuntem Gesicht und natürlichen Wellen im dunklen Haar. Er guckt eine Dame nur an und dann zeichnet er auf, was sie tragen soll, was sie kleidet. Und so einfach und nett ist er, trotz seiner Berühmtheit! Das Jackenkleid hier würde ihm gefallen, er würde sofort zu Ihnen sagen: ,Gnädige Frau, das müssen Sie nehmen. Wenn Sie es nicht tun, wäre es eine grobe Unterlassungssünde gegen Ihren nicht alltäglichen Reiz.‘“

Fräulein Marrholz kannte ihre Kundinnen und daher auch Else Gerhard.

Zu gern hätte die eitle Frau sofort das Kleid gekauft, aber sie war gerade äußerst knapp bei Gelde und ihr Mann hatte in letzter Zeit mehrmals schon gesagt, sie gäbe zu viel aus für Modenfirlefanz. Ja, wenn nicht morgen die Miete fällig gewesen wäre! Die hätte eben gereicht für das Kleid, das ihr über die Maßen gefiel. Am Mittwoch hätte sie dann damit nach dem Tanneneck gehen können, wo während des Sommers die Damen der Stadt ihren Nachmittagskaffee tranken, während die ausgezeichnete Kapelle des beliebten Geigers Udo Bering dazu weichwogende Walzer und feurige Tangos spielte. Fein wäre es, wenn sie den vielen aufmerksamen Frauenaugen das geschmackvolle und kleidsame Kostüm vorführen könnte. Sie zitterte bei dem Gedanken an den Triumph.

Ihr eng umgrenztes Hirn malte sich ihren Einzug im Tanneneck aus, wie sich ein großer Künstler vielleicht nicht einmal seinen schönsten Erfolgstag vor großem Publikum vorzustellen wagt.

Aber das Geld für den Einkauf würde sie nicht aufbringen. Ihr Mann genehmigte ihr sicher vorläufig kein Kleid mehr, und Kredit wollte sie nicht in Anspruch nehmen. Sie hatte da ein paarmal Erfahrungen gemacht, die jetzt als Warnungen vor ihr standen. Wenn dann die Mahnungen kamen und man sich nicht mehr an den Geschäften vorbeiwagte — —

Nein, wenn sie das Kleid nähme, wollte sie es auch sofort bezahlen.

Fräulein Marrholz blinzelte schlau.

„Eine Dame wie Sie sollte sich doch nicht erst den Kopf zu zerbrechen brauchen eines Kleides wegen, das ihr hinreißend steht. Kein junges Mädchen könnte neben Ihnen bestehen, wenn Sie das Kleid tragen. Ein weißer Hut, Seidenfilz mit ein paar weichen, wie zufällig wirkenden Kniffen paßt dazu. Die Pritzack hat ein paar derartige Modelle im Fenster. Wenn es Ihnen recht ist, lasse ich sie holen, und Sie überzeugen sich gleich, wie ausgezeichnet ich Sie beraten habe.“

Sie klingelte. Ein Lehrmädchen mußte fortgehen, die weißen Filzhüte mit den „Zufallskniffen“ holen. Nach einer Stunde verließ Else Gerhard mit „hochgeschwellter Brust“ über den Erwerb des schicken Kostüms mit passendem Hut Fräulein Marrholz, die Bezahlung hatte sie für die nächsten Tage versprochen.

Als Kleid und Hut geschickt wurden, war gerade ihr Mann im Wohnzimmer. Er schalt:

„Hast du dir vielleicht schon wieder solchen Modeplunder für eine dreistellige Zahl zugelegt? Ich wiederhole, ich bezahle nichts mehr.“

Sie lachte etwas gezwungen.

„Reg’ dich nicht auf, verehrter Otto, dein Körperumfang könnte darunter leiden, und das möchte ich nicht auf mein Gewissen laden. Ich habe mir das Geld für das neue Kleid zusammengespart, mein Lieber. Nicht wahr, da guckst du? Aber ich habe krampfhaft die Groschen zusammengehalten, weil ich wußte, im Sommer brauche ich noch ein Extrakleid.“

Sie packte es aus.

„Es muß dir ja gefallen. Ich werde jedenfalls viel darum beneidet werden.“

Er beguckte das moosgrüne Kleid und schüttelte den Kopf.

„Wie eine Spinatwachtel wirst du darin aussehen!“ sagte er nicht gerade höflich.

Sie warf ihm einen Blick voller Empörung zu. „So kannst nur du dich ausdrücken. Jetzt hast du mir die ganze Freude verdorben! Aber daran liegt dir natürlich nichts.“

Er zuckte die Achseln. „Du hast schon so viele Kleider, und ich finde, eins sieht aus wie das andere. Kümmere dich lieber mehr um Hansis Kleider. Sie ist ein junges Mädel und normale Eitelkeit schadet ihr nichts. Sie ist leider zu gleichgültig in den Dingen, die du zu wichtig nimmst. Du aber willst nicht, daß sie besonders hübsch wirkt, weil du Angst hast, dann abzufallen. Jedes Mädel und jede Frau mag sich so hübsch wie möglich machen, deshalb braucht sie noch kein Modeaffe zu sein.“

Er wandte sich ab. „Ich habe einen wichtigen Gang vor und keine Zeit mehr.“

Schon war er zur Tür hinaus, und sie lächelte ärgerlich hinter ihm her. Ihr war mit einemmal gar nicht mehr so froh zumute wie vorhin, als sie Fräulein Marrholz verlassen hatte.

Sie ging in ihr Schlafzimmer und zog das neue Kleid an, drehte sich darin langsam vor dem Spiegel hin und her. Abermals stellte sie fest, daß en wirklich äußerst schick und eigenartig war. Auch den Hut setzte sie auf und rückte ihn etwar ver wegen zur Seite.

Ihre Tochter war nicht zu Hause, da rief sie nach dem Mädchen.

Ursel erschien sofort, und Frau Gerhard fragte:

„Ist das nicht ein ganz wundervolles Kleid? Es ist ein Modell und steht mir besonders gut, nicht wahr?“

Ursel war ein einfaches und natürliches Geschöpf. Sie lobte nichts, was ihr nicht gefiel. Deshalb stand sie äußerst befangen da und bekam einen roten Kopf, aber sie blieb stumm.

„Frau Gerhard fragte scharf: „Gefällt Ihnen das Kleid vielleicht nicht?“

Da murmelte das Mädel verlegen: „Gefallen tut mir’s schon. Fräulein Hansi müßte sehr hübsch darin aussehen!“

Kleines, dummes Mädelchen, das aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, eben hast du eine sehr eitle Frau tief verwundet!

Else Gerhard befahl hart: „Gehen Sie an Ihre Arbeit. Was wissen Sie von Schick und Mode!“

Ursel verschwand eilig und dachte: in dem grünen Kleid hatte Frau Gerhard viel zu alt ausgesehen, die Farbe paßte nicht zu ihr. Hansis helles Blond und das Grün aber hätten sich wahrscheinlich bestens vertragen.

Hansi kam gerade heim. Sie lernte tanzen bei Fräulein Ritsch-Ratsch. Das war der Spitzname für die bewegliche kleine Tanz- und Gymnastiklehrerin. In Wirklichkeit hieß sie Antonie Nowotny. Ihre Vorfahren stammten aus Böhmen, und Großtante Nowotny war ein sehr bekannter Wiener Tanzstern gewesen. Das „Tonerl“ hatte man sie nur genannt. Sie war lange tot, aber wenn ein Bekannter der Tanzlehrerin, die das Geschick in eine märkische Stadt verschlagen hatte, eine Freude machen wollte, nannte er sie „Tonerl“.

Das tat ihr gut, dann dachte sie an die gefeierte Wiener Vorfahrin, und ihr war, als schwänden hundert Jahre, und sie wäre selbst das „Tonerl“, dem einst die Wiener Stadt gehuldigt hatte.

Den Spitznamen Ritsch-Ratsch hatte man ihr beigelegt, weil sie, wenn ihr etwas nicht schnell genug schien, zu sagen pflegte: Das muß ritschratsch gehen!

Hansi Gerhard, beinahe weißblond, mit blaugrauen Augen, hatte Ähnlichkeit mit ihrem Vater, mit dem sie durch dick und dünn zusammenhielt. Sie sah gutmütig aus und war es auch.

Staunend sah sie die Mutter an.

„Schon wieder ein neues Kleid? Na, ist denn Vati damit einverstanden?“

Ihre Mutter verwies sie ärgerlich: „Man könnte meinen, ich stände unter Kuratel, Hansi! Ich werde mir doch gelegentlich ein Kleid kaufen können ohne Genehmigung von Vati.“

Hansis großer, aber schön geschnittener Mund zeigte die glänzenden Zähne.

„Natürlich, Mutti, bloß ich meine, Vati verdient doch das Geld für uns, er arbeitet den ganzen Tag; wir aber geben nur aus. Du hast doch auch schon so viele Kleider.“

Es klang nicht dreist und unverschämt, war nur eine Feststellung. Aber die Frau war empört. Erst stellte der Mann sie des Kleides wegen zur Rede, dann wagte die rotbäckige Ursel zu tun, als hätte sie ein allzu jugendliches Kleid gewählt, und nun erinnerte sie noch das Kiekindiewelt daran, daß sie Kleider genug besäße. Gut, daß übermorgen Mittwoch war. Draußen unter den Bäumen von Tanneneck, wo die Springbrunnen die einförmige Begleitung zu Udo Berings singender Geige rauschten, würde sie schon Erfolg einheimsen. Sie antwortete spöttisch:

„Das Talent, Blech zu reden, hast du von deinem Vater geerbt.“

Hansi lächelte. „Und die hübsche, schlanke Linie habe ich von meiner Mutti. Du, ich glaube, das Kleid paßt mir auch. Es könnte mir gefallen.“

Ihre Mutter schnippte wegwerfend mit den Fingern.

„Wie ein Laubfrosch, dem man Futter zu geben vergessen hat, würdest du darin aussehen.“

Hansi zog leicht die Schulter hoch.

„Könnte schon möglich sein, daher will ich es lieber nicht anproben.“ Etwas lebhafter sagte sie: „Ritsch-Ratsch möchte dich bald mal sprechen. Ich soll fragen, wann sie kommen darf.“

„Was will sie denn?“ kam es in einem Gemisch von Unfreundlichkeit und Neugier zurück.

„Keine Ahnung, Mutti“, war die Antwort.

Frau Gerhard zuckte stumm die Achseln, und es war, als hätte sie laut geäußert: Mir ist im Grunde riesig gleichgültig, was sie will. Dann aber sagte sie: „Ich stehe Fräulein Nowotny jederzeit zur Verfügung, wenn sie sich vorher fernmündlich anmeldet.“

Das klang ganz nebensächlich, und schon betrachtete sie sich wieder ausgiebig im Spiegel. Hansi dachte, was sie — leider — schon so oft hatte denken müssen: Ihre Mutter tat manchmal, als gingen die Dinge, die sie nicht persönlich berührten, sie gar nichts an. Und das schmerzte.

Sie verließ das Schlafzimmer der Mutter, die das kaum bemerkte, weil sie unaufhörlich darüber nachgrübelte, ob sie den Plan ausführen sollte, den sie ersonnen hatte, um sich zunächst das Geld für das Kleid zu verschaffen.

Ja! entschied sie. Irgendwie mußte sie sich doch Geld beschaffen, und so, wie sie es sich ausgedacht hatte, war es verhältnismäßig einfach.

Sie zog das Kleid aus und sann nach, wie sie Regina Ißberg wohl am besten und ungestört sprechen könne.

Zufällig ans Fenster tretend, sah sie das junge Mädchen über den Damm kommen. Sie war noch ein Stückchen vom Haus entfernt und schaute eben zu ihr herauf.

Else Gerhard winkte lebhaft hinunter und erreichte ein Kopfneigen Reginas.

Das junge Mädchen war verblüfft. Was wollte die unsympathische Frau von ihr? In Verbindung mit dem Geschehnis von letzthin war es ihr unangenehm, die Wohnung im zweiten Stock zu betreten. Aber sie mußte es tun in einem Gefühl von Abhängigkeit, von dem sie sich vergebens freizumachen suchte.

Ein paar Minuten später — sie wollte eben oben an der Wohnungstür klingeln — öffnete sich die Tür bereits lautlos vor ihr, und Frau Gerhard bat sehr freundlich:

„Treten Sie ein, Fräulein Regina. Ich möchte nur eine Kleinigkeit mit Ihnen besprechen.“ Sie zeigte auf ihr Schlafzimmer und trat mit dort ein. Liebenswürdig lächelnd meinte sie: „Mein Mann und meine Tochter brauchen nicht zu wissen, um was ich Sie bitten möchte, Fräulein Regina.“

„Wenn ich Ihnen einen Wunsch erfüllen kann, werde ich es natürlich gern tun“, war Reginas Antwort.

„Bitte, setzen Sie sich“, forderte sie die Herrin des zweiten Stockwerkes auf.

Nur widerwillig nahm Regina Platz. Ihr war sehr unbehaglich zumute. Was wollte Frau Gerhard von ihr?

Diese behielt den gedämpften Ton bei, als sie sagte:

„Wir Frauen müssen, wenn es nötig ist, gegen die Männer zusammenhalten, nicht wahr?“

Sie erwartete keine Antwort darauf und lächelte nur betont. „Ich habe mir etwas gekauft, und denken Sie, mein Mann verweigert mir einfach das Geld dafür. Ich habe ihm nun erzählt, ich hätte mir das Geld bereits zusammengespart.“

Sie schob eine kleine Pause ein, ehe sie fortfuhr:

„Wenn nicht gerade die Miete fällig wäre, hätte ich natürlich keine Schwierigkeiten.“

Regina begriff nicht, worauf die andere hinsteuerte. Sie sollte aber darüber nicht lange im Zweifel bleiben.

Frau Gerhard redete schon weiter: „Mir fiel nun ein, ich könnte mich wohl an Sie wenden, Sie würden mir sicher gefällig sein. So etwas fühlt man. Also, Fräulein Regina, ich bitte Sie, auf irgendeine Weise Ihren Herrn Vater zu überreden, daß er mir die diesmalige Miete stundet und ich sie gelegentlich — sagen wir — vielleicht erst im Oktober — nachzuzahlen brauche. Bis dahin werde ich den Betrag zusammengespart haben, hoffe ich. Es wird Ihnen ja leicht möglich sein, mir den Gefallen zu erweisen.“

Regina erwiderte befangen: „Ich will’s versuchen, aber versprechen kann ich nichts. Vater wird mir antworten: Herr Gerhard verdient doch gut, und erst muß man seinen Verpflichtungen nachkommen, ehe man sich Überflüssiges anschafft. Sie wissen, Vater und Mutter sind selbst sehr anspruchslos.“

Von Else Gerhards Gesicht verschwand das Lächeln.

„Besonders entgegenkommend sind Sie gerade nicht. Ich bedaure das sehr, weil ich es nicht von Ihnen erwartet habe. Ich stehe nämlich auf dem Standpunkt, daß eine Hand die andere wäscht!“ Das war deutlich.

Unangenehm starkes Herzklopfen setzte Regina plötzlich zu; sie spürte es bis zum Hals hinauf.

Frau Gerhard lächelte schon wieder.

„Ich befinde mich in einer Notlage, aus der Sie mir helfen können, wenn Sie wollen, und ich rechne bestimmt mit Ihrem Wollen. Bestimmt!“ wiederholte sie noch einmal, und es klang trotz leisen Sprechens, als sei das Wort dick unterstrichen worden.

Regina war vollkommen im Bilde. Frau Gerhard dachte, sie hätte Regina einen Gefallen getan, weil sie ihren Eltern nichts von dem Vorkommnis mit dem Studenten erzählt hatte. Sollte sie doch den Eltern erzählen, was sie neulich morgens gesehen hatte. Dann brauchte sie wegen dieser Frau nicht mit dem Vater zu reden. Mochte die ihre Eitelkeit eindämmen und ihren Verpflichtungen pünktlich nachkommen.

Dann aber dachte Regina an Dieter Lindner.

In welchem Licht würde er ihren Eltern erscheinen? Nein, das durfte nicht sein! Es gab keinen Ausweg, sie konnte die Gefälligkeit nicht verweigern.

Deshalb erklärte sie:

„Ich will ja mit meinem Vater sprechen, aber ich habe wirklich keinen Einfluß auf seine Entscheidung.“

„Den Einfluß müssen Sie sich eben sichern“, kam es zurück. „Zugleich mache ich Sie darauf aufmerksam, daß ich nicht wünsche, Ihr Vater oder Ihre Eltern erfahren durch Sie, aus welchem Grund ich die fällige Miete jetzt nicht zahlen möchte. Das teile ich Ihnen nur ganz im Vertrauen mit.“

Da faßte Regina einen Entschluß. Sie besaß ein paar hundert Mark Erspartes von Geburtstagsund Weihnachtsgeschenken der Eltern. Gut, sie würde sich soviel holen, wie die Gerhardsche Monatsmiete betrug, und das Geld der Frau aushändigen.

Sie machte den Vorschlag.

Frau Gerhard nickte. „Ein guter Gedanke, Fräulein Regina, ein sehr guter Gedanke! Ich werde zum Herbst das Geld an Sie zurückzahlen.“

Regina erhob sich. Ein Gefühl von Widerwillen gegen diese eitle Frau überkam sie. Hastig sagte sie:

„Ich muß gehen. Das Geld werde ich Ihnen morgen vormittag bringen.“

Frau Gerhard geleitete sie bis zur Tür. Niemand in der Wohnung hatte etwas von dem Besuch gemerkt. Das war angenehm, da wurden überflüssige Fragen vermieden.

Else Gerhard kehrte sehr vergnügt in ihr Schlafzimmer zurück und betrachtete noch einmal das grüne Jackenkleid. Wie glatt alles gegangen war! Viel glatter, als sie erwartet hatte.

Am nächsten Vormittag löste Regina ihr Versprechen ein. Eine Stunde später brachte Frau Gerhard die Miete zu Doktor Ißberg hinunter.

„Ich bin immer froh, wenn ich das Geld los bin, damit ich nicht in Versuchung gerate, etwas davon auszugeben“, meinte sie.

Regina hörte es nebenan und schämte sich für die Heuchlerin.

Dieter Lindner traf sie gar nicht mehr; er ging ihr sichtlich aus dem Weg. Sie begriff das, aber es tat ihr weh. Sie teilte doch nun ein Geheimnis mit ihm — ach nein, auch Frau Gerhard wußte darum — aber die kannte das Geheimnis nicht richtig, sie sah alles, was sie davon wußte, entstellt und falsch.

Und Regina durfte ihr nicht die Wahrheit sagen, damit hätte sie nicht nur Dieter Lindner geschadet, sie würde wohl auch kaum Glauben gefunden haben. Dazu kam noch ihr Schweigeversprechen.

Die junge, bisher so lebensfreudige Regina Ißberg konnte nicht mehr so harmlos froh sein wie bisher, ein Schatten lag nun über ihrem Weg, der kurz zuvor noch heiter und besonnt gewesen war.

Wirren um Liebe

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