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KAPITEL 1

Erste Schritte

ALS ich Profi wurde, habe ich mir geschworen, niemals wie die verbitterten alten Säcke zu enden, die mein neuer Klub so gerne zu verpflichten schien. Keiner von denen hielt es für nötig, mir ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg zu geben. Stattdessen ließen sie keine Gelegenheit aus, mir jedes kleine Missgeschick unter die Nase zu reiben. Ich hatte keine Ahnung, dass Profis um zehn Uhr morgens mit dem Training anfangen und mittags Feierabend machen. Also saß ich nach meiner ersten Einheit brav in der Kabine und wartete darauf, nach Hause geschickt zu werden. So etwas wie ein Handbuch für angehende Fußballprofis gibt es leider nicht. Man hat entweder ein Näschen dafür, wie der Hase läuft, oder eben nicht. Ich jedenfalls war so unbedarft wie meine Spielweise.

Ich kann von Glück sagen, dass mir eine klassische Ausbildung im Jugendbereich erspart geblieben ist. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen hatte ich schon immer ein Problem mit Autorität, vor allem dann, wenn sie nur dazu dient, der Autoritätsperson ein gesteigertes Selbstwertgefühl zu vermitteln. Zum anderen bin ich eher das, was man gemeinhin als Straßenfußballer bezeichnet. Einen durch das System geformten Spieler erkennt man sofort, aber was die Leute wirklich sehen wollen, sind doch die Naturtalente, denen man nicht viel beibringen kann oder muss.

Lionel Messi und Wayne Rooney zum Beispiel brauchen keinen Trainer. Sie spielen so, wie sie schon als Zehnjährige auf der Straße gespielt haben. Natürlich müssen sie sich einer bestimmten Spielweise oder einem System unterordnen, aber im Großen und Ganzen spielen sie einfach drauflos. Ich bin weit davon entfernt, ein Messi oder Rooney zu sein, aber ich habe in meiner Karriere immer so gespielt, als hätte ich nichts zu verlieren. Für mich gab es nichts Schöneres, als gegen Spieler anzutreten, denen alles in die Wiege gelegt worden war, und mir hinterher die Flasche Schampus als „Man of the Match” abzuholen. Nicht weil ich so gerne Champagner trinke, sondern weil es sich jedes Mal wie ein kleiner Sieg für all diejenigen anfühlte, die es nicht so weit gebracht hatten wie ich.

Als Frischling verdrückte ich mich sofort in eine Ecke der Kabine, wo ich den Platzhirschen nicht in die Quere kam, vom Trainer aber noch gesehen werden konnte. Leider bekam ich es gleich am ersten Tag mit einem skandinavischen Spieler zu tun, der zu den verbitterten alten Säcken gehörte und um sein Revier fürchtete. Als ich beim Mittagessen war, verteilte er meine Klamotten in der Kabine, auf dem Flur und in der Dusche. Das war ein ziemlicher Schock für mich. Ich war davon ausgegangen, dass wir ein Team sind, eine Gruppe von Gleichgesinnten mit einem gemeinsamen Ziel, die sich gegenseitig helfen und unterstützen. So kann man sich täuschen. Wenn ich in meiner Karriere etwas gelernt habe, dann die bittere Lektion, dass jeder Spieler ausschließlich seine eigenen Interessen verfolgt. Egal ob Freund oder Feind, jeder ist sich selbst der Nächste. Dass manche meiner Kollegen nur wegen des Geldes spielten und das zum Teil auch noch ziemlich schlecht, hat mich damals wirklich erschüttert. Gleichzeitig bedeutete es einen enormen Schub für mein Selbstvertrauen.

Als ich klein war, kickte ich rund um die Uhr. Ich nahm sogar einen Ball mit ins Bett, um gleich nach dem Aufstehen Ballhochhalten üben zu können. Nach der Schule schaute ich mir jeden Tag das Video 101 Great Goals an (das mit Bobby Charlton auf dem Cover) und versuchte, sämtliche Tore nachzustellen. Entweder im Park, wo ein Schaukelgestell als Torgehäuse diente, oder direkt hinterm Haus, wo zwei perfekt proportionierte Kastanien standen und ich genug Platz für Distanzschüsse hatte, wie den Kracher von Emlyn Hughes für Liverpool (ich weiß nicht mehr, welchen Platz es belegte, aber das Tor habe ich besonders gemocht, weil man Hughes beim Jubeln wie einen Irren schreien hört).

Deswegen wollte ich Fußball spielen: Es versprach Ruhm und Glück und bot einen Ausweg aus dem Alltagstrott, den das Leben in einer Kleinstadt unweigerlich mit sich brachte. Mein Ziel war es, Weltmeister zu werden. Von meinem Vater hatte ich das Panini-Album zur WM ’86 geschenkt bekommen, und es gab für mich nichts Spannenderes, als darin herumzublättern und mir die Spieler aus aller Herren Länder in ihren unterschiedlichen Trikots anzuschauen – Spieler wie Socrates, Platini, Rummenigge und natürlich Maradona. Das Album war wie ein Fenster in eine andere Welt, und ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Viele Jahre später wurde ein Teamkollege zur Nationalmannschaft berufen. Er war der erste Spieler, den ich persönlich kannte, dem diese Ehre zuteilwurde. Die ganze Mannschaft war total aus dem Häuschen, und ich konnte kaum erwarten, ihn zu fragen, wie es war. „Überragend, Alter”, antwortete er. „Die geben dir 50 Riesen nur für die Bildrechte.”

Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich mich das Fußballspielen als kleiner Junge machte. Es gab nichts Schöneres, als stundenlang zu bolzen und so zu tun, als wäre man Ian Rush oder Glenn Hoddle. Zum Glück achtete mein Vater darauf, dass ich mehr als nur Fußball im Kopf hatte. Die wenigen Menschen, die meine wahre Identität kennen, haben mich alle gefragt, woher ich die bisweilen etwas abseitigen Aufhänger für meine Guardian-Kolumnen nehme. Die Antwort lautet: aus der umfangreichen Bibliothek meines Vaters, in der u. a. Shakespeare, Dickens und Joyce stehen, sowie aus seiner nicht minder ergiebigen Plattensammlung mit Aufnahmen der Beatles und der Stones, von Bob Dylan, Pink Floyd und vielen mehr. Während die meisten meiner Freunde klassischen Strandurlaub machten, fuhren wir für zwei Wochen auf einen Bauernhof in Dänemark. Während Dad vorne psychedelische Rockmusik hörte, sollten wir Kinder uns auf der Rückbank mit Klassikern der Weltliteratur beschäftigen. Das ist für einen Zehnjährigen wohl nicht unbedingt normal, aber ich möchte diese Zeit um nichts in der Welt missen.

Nicht dass ich besonders gelehrig gewesen wäre. In einem meiner alten Zeugnisse heißt es: „***** hört im Unterricht nicht zu und versäumt deshalb wichtige Inhalte, so dass er mit dem Stoff zurückfällt.” Danach passte ich besser auf, wodurch mir erst recht klar wurde, wie wenig mich der Unterricht interessierte. Alles, was ich wollte, war, Fußball zu spielen, und zwar rund um die Uhr. Ich war überzeugt davon, es zu schaffen. Meine Eltern unterstützten mich nach Kräften und fuhren mich jedes Wochenende zu den Spielen. Ich wurde in verschiedene Auswahlmannschaften berufen und gehörte zu einer Handvoll hoffnungsvoller Talente aus meiner Region. Manche von ihnen wurden schließlich Profis, andere gingen anständigen Berufen nach, und ein paar hatten so wie ich keine Ahnung, was sie mit sich anfangen sollten, falls es mit der Fußballkarriere nicht klappen sollte. Mit der Zeit erschien mir eine Profilaufbahn in etwa so wahrscheinlich wie die Hoffnung, im Biologieunterricht endlich die spannenderen Regionen von Kate Brookes Schenkelinnenseite erkunden zu dürfen.

Als wir um die 15, 16 Jahre alt waren, erhielten ein paar meiner Mitspieler Angebote von Profivereinen, einer sogar von Tottenham (das ihn zwei Jahre später aber wieder ziehen ließ). Auch ich wurde zu ein paar Probetrainings eingeladen, bei denen ich mich ganz ordentlich schlug. Das Problem hierzulande ist, dass die meisten Talentscouts keinerlei Erfahrung als Trainer haben. Also stellen sie kleinere Spieler grundsätzlich auf den Flügeln auf, während sie die langen Kerle in die Innenverteidigung beordern. Es ist ihnen vollkommen schnuppe, wenn man ihnen vorher erklärt, dass man eigentlich eher im zentralen Mittelfeld oder in der Sturmspitze zu Hause ist. Das kotzte mich damals ziemlich an, vor allem aber kotzte es meinen Vater an, der durchs halbe Land fuhr, um seinen Sohn dann eine Stunde lang als Rechtsverteidiger dilettieren zu sehen und schließlich noch ein paar Minuten als Linksaußen.

Viel verändert hat sich seither nicht. Die Spitzenklubs werfen einfach immer größere Netze aus und ziehen die dicken Fische an Land. Ein Bekannter, der seit zehn Jahren als Scout bei einem Topverein arbeitet, hat mir verraten, dass er sein Büro theoretisch niemals verlassen müsste, um seinen Job zu machen. Die kleineren Klubs rufen regelmäßig bei ihm an, um ihre größten Talente feilzubieten. „Die Anrufe kommen jedes Jahr ein bisschen eher, und die Spieler werden immer jünger”, sagt er. Und er muss schließlich wissen, wovon er spricht.

Der FC Chelsea zahlte Anfang 2012 eine Million Pfund für den 18-jährigen Stürmer Patrick Bamford, der bis dahin ganze zwölf Minuten für die erste Mannschaft von Nottingham Forest absolviert hatte. Frank Clark, der Vorsitzende von Forest, fasste damals zusammen, wie sich die Zeiten geändert haben: „Früher konnten wir unsere Talente ein paar Jahre lang halten, aber heutzutage zahlen die Spitzenklubs selbst für 13- oder 14-Jährige ein kleines Vermögen.” Und stellt sich der Nachwuchs als Blindgänger heraus, fällt das keineswegs auf die Scouts zurück. „Wenn ich schneller bin als die Konkurrenz, habe ich meinen Job erledigt”, sagt mein Bekannter. „Sollte sich der Spieler nicht durchsetzen, ist das nicht meine Schuld, sondern die des Trainers.”

Sobald größere Namen im Spiel sind, wird es sogar noch einfacher. Vor ein paar Jahren sprach ich mit einem anderen Bekannten, der damals Chefscout bei einem der Topvereine der Premier League war. Bei einem Kaffee fragte ich beiläufig, wie es ihm so ging. Sein Team war gerade Meister geworden, ich ging also davon aus, dass alles eitel Sonnenschein war. Auf seine Antwort war ich dennoch überhaupt nicht gefasst. „Ach, jedes Jahr das Gleiche, Alter”, stöhnte er. „Sobald der Etat für die neue Saison abgenickt ist, setzen wir uns zusammen und sprechen über mögliche Neuverpflichtungen. ,Wir brauchen einen Mann fürs offensive Mittelfeld‘, heißt es dann, und alle gucken mich an. Also sage ich: ,Okay, wie wäre es mit Totti, Kaká oder Ronaldinho?‘“ Ich habe keine Erfahrung als Chefscout, aber sollte mir einer der großen Klubs eines Tages diesen Job anbieten, würde ich wohl nicht Nein sagen. Scheint ja nicht allzu schwierig zu sein.

Was meine eigenen Ambitionen angeht, hat es mich damals schon gewurmt, manche meiner Teamkollegen bei Profiklubs unterkommen zu sehen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie begabter waren als ich. Kräftiger vielleicht und mit 15 körperlich zweifellos weiter als ich, aber bestimmt nicht besser am Ball. Leider achteten die Vereine zu der Zeit mehr auf die physischen Voraussetzungen als auf technische Fähigkeiten.

Während viele meiner Freunde in den späten 1990er Jahren mit Drogen „experimentierten”, wollte ich auf andere Weise ausbrechen. Was auch immer ich mit meinem Leben anstellen würde, ich war wild entschlossen, so wenig wie möglich davon in meiner sterbenslangweiligen Heimatstadt zu verschwenden. Eine Woche vor meiner Abreise nach Kalifornien nahm meine Mutter den Anruf eines Scouts entgegen, der mich zu einem Testspiel seines Klubs einladen wollte. Ich kickte damals im Amateurbereich und verdiente 30 Pfund die Woche. Wie ich später erfuhr, war ich dem Scout von einem meiner früheren Trainer empfohlen worden. Dieser hatte ihm versichert, dass ich genug Potenzial besaß, um eine Chance zu verdienen, allerdings müsste der Klub bereit sein, ein paar zusätzliche Trainingseinheiten in mich zu investieren, um aus mir einen richtigen Profi zu formen.

An das Testspiel kann ich mich kaum erinnern. Innerlich war ich darauf eingestellt, demnächst die Biege zu machen und meine Freiheit zu genießen. Meine Freude fiel dementsprechend etwas verhalten aus, als der Trainer mich in der Halbzeitpause packte und sagte, dass er mich unter Vertrag nehmen wolle. Immerhin hatte ich einen Haufen Geld für ein einfaches Ticket nach San Francisco bezahlt und dachte in dem Moment nur daran, was ich noch für die Reise in der Drogerie besorgen müsste.

Seitdem denke ich fast jeden Tag an diesen Moment zurück. Was wäre wohl geschehen, hätte ich die Kraft gehabt, das Angebot auszuschlagen? Ich wollte zwar Profi werden, seitdem ich laufen konnte. Andererseits wusste ich aber auch, dass ich damit unweigerlich meine Freiheit aufgeben würde. Ich frage mich, was aus mir geworden wäre. Hätte ich Titel gewonnen und meine 15 Minuten des Ruhms gehabt? Hätte ich diese unbeschreiblichen Glücksgefühle nach einem Tor oder Derbysieg erlebt? Oder hätte ich heute mehr „echte Freunde”, wenn ich in den letzten zwölf Jahren nicht an jedem Wochenende beschäftigt gewesen wäre? Hätte ich es zur Hochzeit meines besten Freundes geschafft, um sein Trauzeuge zu sein, statt bei Arsenal unter die Räder zu kommen? Wäre ich bei all den Beerdigungen dabei gewesen, zu denen ich es nicht geschafft habe und bei denen zu fehlen mir teilweise bis heute nicht verziehen worden ist? Würde ich trotzdem Antidepressiva nehmen müssen? Hätte ich genauso viele Leute vergrätzt, weil ich einfach nicht so sein will wie sie? Und würde ich mein Leben nach vernünftigen Maßstäben bewerten statt nach Geld und fußballerischem Erfolg? Wer weiß.

Aber ich habe unterschrieben, für 500 Pfund die Woche, was damals ein Vermögen für mich war. Mir kam es so vor, als wäre ich in einen Kreis von Auserwählten aufgenommen worden, in den ich eigentlich nicht gehörte. Aber jetzt, da ich drin war, würden sie mich nicht mehr loswerden. Dieses Gefühl hat mich seitdem nie verlassen.

Wenn ich ehrlich bin, war mein erster Eindruck, einen gewaltigen Fehler gemacht zu haben. Die Anforderungen waren gering, manche meiner Kollegen widerliche Typen und die ganze Lebensweise überhaupt nicht mein Fall. Nachmittags saß ich stundenlang herum und wusste nichts mit mir anzufangen. Beim Training wurde ich angemacht, weil ich „anders” war, was auch immer das heißen mag. Der unter Spielern übliche Flachs war mir fremd, weswegen sich ein paar Deppen einen Spaß daraus machten, mich jeden Tag aufzuziehen. Zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehörte, wann immer ich etwas sagen wollte, „pssst” zu zischen, bis ich schließlich aufgab, oder mich beim Mittagessen dazu zu bringen, meine Mütze abzunehmen, weil es angeblich gegen die Bestimmungen verstieß. Und einmal klauten sie mein Handy und bedankten sich beim Trainer per SMS für „letzte Nacht”.

Ich weiß noch, wie ich einmal in der Kabine saß und einige Routiniers sich über eine bestimmte Freistoßvariante unterhielten. Weil ich noch nie davon gehört hatte, erkundigte ich mich arglos danach. Sie schauten mich fassungslos an, bis einer der ganz besonders verbitterten alten Säcke meinte: „Und da wundern wir uns, dass wir kaum Spiele gewinnen, wenn wir solche Penner verpflichten.”

Das war noch längst nicht alles. Im Training wurde ich manchmal so hart angespielt, dass ich den Ball kaum kontrollieren konnte. Ziemlich erbärmlich, aber leider sind solche Sperenzchen auf jedem Level gang und gäbe. Dwight Yorke zum Beispiel wurde an seinem ersten Tag in Manchester von Roy Keane auf die gleiche Weise begrüßt. Keane spielte ihm den Ball so hart zu, dass Yorke ihn nicht richtig annehmen konnte. „Willkommen bei United”, sagte Keane. „Cantona hätte den locker runtergenommen.” So sehr ich das Verhalten der älteren Spieler auch verabscheute, in gewisser Hinsicht erfüllte es seinen Zweck: Ich war immer als Erster beim Training und ging als Letzter. Ich wollte unbedingt besser sein als die anderen und sie hinter mir zurücklassen.

Nach etwa einem halben Jahr hatte ich bewiesen, dass ich ohne Weiteres in der Lage war, auf diesem Niveau mitzuhalten. Ich brachte konstant gute Leistungen und wurde regelmäßig als Spieler des Spiels ausgezeichnet (Champagner konnte sich der Klub nicht leisten, deswegen gab es nur ein Foto mit dem Sponsor und eine freundliche Erwähnung im Stadionheft). Ich war dabei, mir einen Namen zu machen, was den schönen Nebeneffekt hatte, dass die Nervensägen mich allmählich in Ruhe ließen. Gleichzeitig gelang es dem Trainer, ein paar der alten Säcke loszuwerden, wodurch sich mein Standing innerhalb der Mannschaft weiter verbesserte. Auf jeden Fall war ich nicht mehr so naiv wie noch bei meinem Debüt, als ich einen Auswärtsfan meinen Namen rufen hörte und ich idiotischerweise dachte, ein alter Bekannter aus der Heimat wäre angereist, um mich spielen zu sehen. Also drehte ich mich um, und in dem Moment rief die komplette Tribüne „Wiiiiiiiiiiichser!”, bevor alle herzlich lachten. Ich hatte schlichtweg vergessen, dass ich meinen Namen in großen Lettern auf dem Rücken trug.

Der Profialltag war nach wie vor nicht mein Fall. Die Spiele genoss ich, auch wenn wir alles andere als unschlagbar waren. Aber unter der Woche tat ich nichts, außer rumzusitzen und zu lesen oder fernzusehen. Oft blieb ich so lange wie möglich im Klubhaus, nur um irgendwas zu tun zu haben. Ich verbrachte etliche Stunden damit, den Ball gegen eine Wand zu schießen, auf die nummerierte Quadrate gemalt waren. Manchmal machten wir einen Wettbewerb daraus: Wer es als Erster schaffte, sämtliche Quadrate in der richtigen Reihenfolge zu treffen, bekam von den anderen einen Fünfer. Ansonsten hatte das Trainingsgelände nicht viel zu bieten. Die Ausstattung beschränkte sich auf das Wesentliche. Es gab einen Platz für Fußballtennis, der wegen des ringsum gespannten Stacheldrahts einer Todesfalle glich, außerdem einen Parkplatz, auf dem wir lange Pässe übten, bis irgendein Trottel die Autoscheibe des Trainers zerdepperte. Mein Passspiel hat sich seitdem verbessert, aber 180 Pfund für ein bisschen Glas finde ich nach wie vor übertrieben.

In der Regel trafen wir uns am Stadion, bevor wir gemeinsam zum Trainingsgelände aufbrachen. Weil ich keinen Wagen hatte, fuhr ich bei einem Kollegen und seinen Kumpels mit. Sie waren ein verschworener Haufen schwarzer Spieler und hörten während der Fahrt ziemlich furchtbaren R&B, aber aus irgendeinem Grund schlossen sie mich ins Herz und erkoren mich quasi ehrenhalber zu ihrem „Bruder”. Das bedeutete auch, dass sie sich um mich kümmerten. Wenn ich Probleme hatte, waren sie für mich da, und wenn ich etwas falsch machte, sagten sie es mir. Als es an der Zeit war, mich nach einem neuen Verein umzusehen, hörten sie sich bei ihren Exklubs um. Ich habe diesen Jungs eine Menge zu verdanken.

Wie diese Spieler miteinander umgingen, veranschaulicht sehr schön den Unterschied zwischen harmlosem Spaß und Schikane. Einmal die Woche erschien einer von ihnen etwas früher am Trainingsgelände und richtete in der Kabine eine Art provisorischen Friseursalon ein. Nach und nach trafen die anderen schwarzen Spieler ein, schnappten sich eine Zeitschrift und ließen sich die Haare schneiden. Ich fühlte mich von der Gruppe ausreichend akzeptiert, um meinerseits ein wenig flachsen zu dürfen. Also sagte ich Sachen wie: „Leck mich fett, Desmond is schon wieder da.” Oder ich stibitzte eine Schere und tat so, als würde ich dem Nächstbesten die Haare schneiden, während ich den Friseur aus Der Prinz aus Zamunda imitierte. „Jedes Mal, wenn wir über ’nen vernünftigen Boxkampf reden wollen, kommt ein Weißer daher und holt Rocky Marciano aus der Mottenkiste. Verpiss dich, verpiss dich, und du verpiss dich auch. Wer ist der Nächste?” Wahrscheinlich haben sie eher aus Mitleid gelacht, denn meine Darbietung war allenfalls durchschnittlich. Dafür trug sie eine Menge zur Entspannung der Rassenbeziehungen bei. Eines Tages allerdings spazierte ich nichtsahnend durch die Tür und wurde umgehend von fünf schwarzen Männern mit gezückten Schermaschinen überwältigt, die mir kurzerhand sämtliche Haare abrasierten. Und ich meine sämtliche Haare.

Als ich bekannter wurde, begann ich, von den Vorteilen zu profitieren, die eine Karriere als Fußballprofi so mit sich bringt. Ich war von zu Hause ausgezogen und wohnte nicht weit entfernt von einem Kollegen, mit dem ich eine Fahrgemeinschaft bildete. Weil unser Verein knapp bei Kasse war, reisten wir zu Auswärtsspielen immer erst am Spieltag an, was in höheren Ligen völlig undenkbar wäre. Zurück kamen wir meistens mitten in der Nacht. Je nachdem, wo wir gespielt hatten, trafen wir manchmal erst gegen zwei oder drei Uhr morgens wieder am Vereinsgelände ein, von wo wir noch 30 Kilometer nach Hause fahren mussten. Um die Uhrzeit sind die Straßen normalerweise verwaist, weswegen wir uns weder um rote Ampeln noch um Geschwindigkeitsbegrenzungen scherten. Als wir deshalb eines Tages von einem Motorradpolizisten rausgewunken wurden, befürchteten wir das Schlimmste und legten uns allerhand Ausreden zurecht. Die brauchten wir aber nicht, denn als der Polizist unsere Trainingsanzüge sah, gratulierte er uns zum Sieg und eskortierte uns aus der Stadt.

Danach begleitete uns der Polizist nach fast jedem Auswärtsspiel bis zur nächsten Autobahnauffahrt. Nach jedem Match wartete er am Stadion auf uns, und nach einem kurzen Schwatz über das Resultat, den Verein und Fußball im Allgemeinen geleitete er uns sicher aus der Stadt. Das war vermutlich das absolute Highlight seiner Nachtschicht, und wir waren natürlich sehr dankbar. Wir überlegten, wie wir uns außer mit dem Kebab, den wir hin und wieder unterwegs an einem Imbiss erstanden, erkenntlich zeigen könnten. Schließlich schenkten wir ihm eine Anstecknadel mit Vereinslogo (wir hatten es damals nicht so dick). Zu unserer Freude trug er sie stolz an seiner Polizeijacke, solange wir beim Klub waren. Wahrscheinlich trägt er sie heute noch.

Wenn ich an damals zurückdenke, fallen mir einige Gründe dafür ein, warum das Fußballspielen so viel schöner war, als mich noch niemand kannte. Es gab keinen Erfolgsdruck, trotzdem war ich hochmotiviert: eine wunderbare Kombination. Ich würde einiges dafür geben, das noch einmal erleben zu dürfen. Trainer und Fans waren nachsichtig, aber ich versuchte immer, möglichst perfekt zu sein. Solange ich halbwegs ordentlich spielte, war alles in Butter. Oftmals waren meine Leistungen aber herausragend, so dass ich bald ein großer Fisch in einem kleinen Teich war. Dass ich heute der alte Sack bin, der um seinen Platz fürchten muss, macht mich weder unglücklich noch neidisch oder verbittert. Stattdessen versuche ich, jüngeren Spielern zu helfen, so gut es geht, auch wenn es manchmal frustrierend ist, wenn sie etwas nicht hinbekommen, was für Routiniers selbstverständlich ist.

Vor ein paar Jahren habe ich ernsthaft überlegt, meine Schuhe an den Nagel zu hängen, um mich anderen Interessen zu widmen. Dann aber hatte ich einen Moment der Klarheit, der mich zu einem erneuten Umdenken zwang. Manchmal, wenn Spiel auf Spiel folgt und man seine Familie kaum zu Gesicht bekommt oder wenn man in einer Formkrise steckt und es Niederlagen hagelt, können einem die Dinge über den Kopf wachsen. Im Nachhinein ist mir klargeworden, dass damals eine Depression im Anflug war und meine Reaktion darauf war, mir einzureden, dass ich viel glücklicher damit wäre, etwas anderes zu tun. Doch dann bin ich im Spielertunnel an der Anfield dem Phänomen begegnet, das Marcel Proust einst als „wiedergefundene Zeit” bezeichnet hat. Unser Trainer drückte jedem Spieler einen Ball in die Hand. Ich hob meinen an die Nase und schnupperte daran. Keine Ahnung, warum – so etwas habe ich in meiner Profilaufbahn weder davor noch danach jemals getan. Der Ball war brandneu und sah so verlockend aus. Der Geruch brachte mich zurück in meine Wohnsiedlung und zu dem herrlichen Tag, als Mum und Dad mir meinen ersten richtigen Fußball kauften: einen Adidas Tango. Jeder kennt den Geruch eines ganz neuen Fußballs, und in dem Moment wusste ich wieder, warum ich nie etwas anderes machen wollte, als Fußball zu spielen. Der Ball duftete vertraut nach glücklichen Kindertagen. Während es draußen immer lauter wurde und die bekannten ersten Akkorde von „You’ll Never Walk Alone” erklangen, schwor ich mir, diesen Moment nicht mehr so schnell zu vergessen.

Es heißt ja oft, dass 95 Prozent von dem, was im Fußball passiert, hinter verschlossenen Türen stattfindet. Glauben Sie mir: Sie machen sich kein Bild davon, wie es wirklich zugeht. Vielleicht sehen Sie samstags ein Spiel und bilden sich anhand dieser flüchtigen Eindrücke Ihre Ansichten über den Fußball. Oder Sie hören dem sinnlosen Geschwafel sogenannter Experten zu, ohne sich klarzumachen, dass die leeren Phrasen nur dazu dienen, eine vorgegebene Geschichte zu erzählen, die mit der Realität kaum etwas zu tun hat. Oder Sie haben in der Zeitung über unsere berüchtigten Weihnachtsfeiern gelesen und fragen sich, ob es dabei wirklich so wild zugeht, wie immer behauptet wird. Oder Sie begreifen einfach nicht, warum junge, scheinbar kerngesunde Sportler, die alles haben, unglücklich und depressiv sein können. Oder Sie haben im Fernsehen einen Bericht über Spielerfrauen gesehen und fragen sich, wie deren Leben wirklich ist. Oder Sie wollten schon immer mal wissen, warum ein Spieler bei einem Verein grottenschlecht ist und nach einem Wechsel plötzlich aufblüht. Gibt es unterschwelligen Rassismus im modernen Fußball? Wie wichtig ist der Trainer oder der Kapitän? Pfeifen die Schiedsrichter zugunsten der großen Klubs? Was denken die Spieler wirklich über TV-Experten, die Funktionäre und die FIFA? Wie läuft das mit den Spielervermittlern und der Wechselbörse? Wie funktioniert das mit den Prämien? Was ist wichtiger: Kohle oder Titel? Und wie denken die Spieler wirklich über die Fans?

Wenn Sie die Antworten auf die meisten dieser Fragen wissen möchten, dann sollten Sie dieses Buch lesen, das völlig anonym von einem Spieler geschrieben wurde, der das Geschäft auf höchstem Niveau kennengelernt hat. Anhand meiner eigenen Erfahrungen versuche ich, zu beschreiben, wie es hinter den Kulissen im Fußball wirklich läuft. Viele der folgenden Geschichten sollte ich Ihnen besser nicht erzählen. Ich mache es aber trotzdem.

The Secret Footballer

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