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ОглавлениеKAPITEL 2
Trainer
WAS macht einen guten Trainer aus? Ich habe für ein paar großartige Trainer gespielt, aber auch für den einen oder anderen, der so mies war, dass ich mit Freude meinen eigenen Tod vorgetäuscht hätte, um keine Minute länger mit ihm arbeiten zu müssen. Die besten Trainer haben das uneingeschränkte Vertrauen der Spieler und erhalten ungeteilte Aufmerksamkeit, sobald sie den Raum betreten. Sie vertreten eine Spielphilosophie, die von allen begeistert angenommen und mit Einsatz und Leidenschaft auf dem Platz umgesetzt wird. Vor allem aber muss ein Trainer von jedem im Klub respektiert werden.
Bestimmte Charaktereigenschaften sind Gold wert. Spieler wünschen sich einen Trainer, der konsequent und ehrlich ist. Niemand sitzt gerne auf der Bank, aber eine kurze Erklärung kann schon reichen, einer eventuell aufkommenden Unzufriedenheit vorzubeugen. Auch wenn sie mit seiner Entscheidung vielleicht nicht einverstanden sind, respektieren die Spieler den Trainer dafür, sie zur Seite genommen zu haben. Gute Menschenführung signalisiert den Spielern, dass sie ernst genommen werden. Das fördert den Zusammenhalt und äußert sich letztlich in geschlossenen Mannschaftsleistungen auf dem Platz.
Ist dies nicht gegeben, macht sich Unmut breit, und früher oder später liest man in der Zeitung, der Trainer habe „den Draht zu den Spielern verloren”. So etwas passiert tatsächlich – vielleicht nicht so oft, wie einen die Medien glauben machen wollen, aber es kommt durchaus vor, dass eine ganze Mannschaft den Respekt vor dem Trainer verliert. Ich habe es selbst erlebt. Wir waren damals der Meinung, dass wir taktisch falsch eingestellt waren und deswegen auch kein besonders gutes Bild abgaben und Spiele verloren. Sicherlich müssen Trainer manchmal zu Unrecht den Kopf für das Versagen ihrer Mannschaft hinhalten, aber in diesem Fall war unsere Unzufriedenheit absolut gerechtfertigt.
Anders als die Spieler haben Trainer keine disziplinarischen Maßnahmen oder Geldstrafen zu befürchten. Stattdessen geben die Spieler nicht mehr alles im Training und im Spiel oder verlieren den Mut. Ein Freund von mir erlebte vor nicht allzu langer Zeit eine solche Situation bei seinem Klub. Es war so schlimm, dass die Spieler darüber spekulierten, ob der Trainer es absichtlich auf seine Entlassung anlegte. Denn wo sonst, außer im Bankwesen, wird man für totales Versagen auch noch mit einer Abfindung in Millionenhöhe belohnt? Gut möglich, dass so etwas häufiger vorkommt. Mir würden jedenfalls ein paar Kandidaten einfallen.
Trainer müssen nicht geliebt werden. Ich kenne einige Spieler, die ihren Boss verachten, aber dennoch sehr erfolgreich mit ihm sind. Andererseits gibt es auch den einen oder anderen Trainer, der bestimmten Spielern eine Menge Blödsinn durchgehen lässt, weil sie enorm wichtig sind für das Team. Letztendlich geht es nicht um gegenseitige Zuneigung, sondern gegenseitigen Respekt.
Manche Spieler wären gerne Trainer. Und manche Trainer wären gerne immer noch Spieler. Ich habe mir einmal eine Strafe eingehandelt, weil ich mit ein paar Kumpels abends ausgegangen bin, als ich verletzt war. Es war ein Dienstagabend, ich verstieß also keineswegs gegen die Vorschrift, mich in den letzten 48 Stunden vor einem Match nicht in einer Kneipe aufzuhalten. Aber der Trainer meinte, jedweder Alkohol wäre meiner Genesung abträglich, also brummte er mir eine Geldstrafe von zwei Wochengehältern auf. Ich beklagte mich nicht, aber als ich gehen wollte, wandelte er sich vom Trainer zum Spieler und fragte mit einem blöden Grinsen: „Und: Hast du eine abgeschleppt?” Dabei wusste er ganz genau, dass ich seit Jahren liiert war. Letztlich war er wohl enttäuschter darüber, dass ich nichts zu erzählen hatte, als über meinen vermeintlichen Fehltritt. Damals verloren wir den Respekt voreinander, wenn auch aus jeweils ganz unterschiedlichen Gründen.
Geldstrafen sind ein beliebtes Thema. Manche Leute scheinen sich vor allem dafür zu interessieren, wie viel Profis verdienen, und ich schätze, Geldstrafen gehören da irgendwie dazu. Ich weiß nicht mehr genau, wie oft ich offiziell zur Kasse gebeten wurde, aber sicher nicht mehr als ein halbes Dutzend Mal. Ganz anders sieht es bei den Kleinigkeiten aus, für die man in die Mannschaftskasse einzahlen muss (irgendwie müssen die wilden Weihnachtsfeiern schließlich finanziert werden). Dabei geht es um Summen zwischen 10 und 200 Pfund, die für alle möglichen Vergehen fällig werden wie z. B. Verspätungen oder irgendwelchen Kram, den man auf dem Trainingsplatz herumliegen hat lassen.
Bei ernsthaften Verfehlungen können es aber auch durchaus bis zu 2.000 Pfund werden. Letztlich liegt es im Ermessen der Spieler, die über die Höhe der Strafen entscheiden. Ich hatte mal einen Kollegen, der grundsätzlich zu spät zum Training kam, also legte der Rest der Mannschaft eine Sonderabgabe von 500 Pfund für dieses Vergehen fest. Natürlich kam er weiterhin zu spät, so dass ein hübsches Sümmchen zusammenkam, mit dem wir für die Weihnachtsfeier einen Privatjet anmieten konnten. Die Strafe mag hoch erscheinen, aber meiner Meinung nach – und der vieler meiner Kollegen – sind solche Verspätungen unnötig und respektlos den anderen gegenüber.
Ich habe mich lange geweigert, überhaupt irgendwelche Strafen zu bezahlen. Ich sah nicht ein, für etwas belangt zu werden, das nicht in rechtsverbindlicher Form festgelegt worden war. Bei einem meiner Klubs schafften wir Geldstrafen zu meiner großen Freude zeitweise ab, was leider zu einem Zusammenbruch jeglicher gesellschaftlicher Konventionen führte. Viele Spieler nutzten die neuen Freiheiten schamlos aus. Sie kamen und gingen, wann sie wollten, ließen überall ihren Kram herumliegen und parkten, wo es ihnen gerade einfiel. Manche schwänzten sogar die gemeinschaftsfördernden Besäufnisse, die, ob man’s glaubt oder nicht, für die Integration neuer Spieler sehr wichtig sein können. Nach einer Weile wünschte ich mir die Strafen zurück, um den Jungs eine Lektion zu erteilen. Das System scheint also zu funktionieren.
Offizielle, von der Klubleitung verhängte Strafen sind eher die Ausnahme und werden nur bei wirklich schweren Vergehen gegen die Vorschriften ausgesprochen. Ich kenne ein paar Spieler, denen ein Wochengehalt abgeknöpft wurde, weil sie den jährlichen Weihnachtsbesuch der Kinderstation im Krankenhaus verweigert haben. Traurigerweise haben sie sogar gerne gezahlt, solange sie nur nicht mitgehen mussten.
Als ich bei einem meiner Klubs noch nicht lange dabei war, konnte ich das Schwimmbad nicht finden, an dem wir verabredet waren. Navis gab es damals noch nicht, also fuhr ich einfach nach Hause. Am nächsten Morgen fragte mich der Trainer, welche Strafe ich für angemessen hielte. „Mein Gehalt für den verpassten Tag, würde ich sagen.” Versuchen kann man’s ja mal. „Netter Versuch”, antwortete er. „Wenn du mir so kommst, einigen wir uns einfach auf fünf Tagessätze.” Ich hatte meine Lektion gelernt, und sie kostete 12.000 Pfund.
Die unfairste Strafe aller Zeiten (das ist natürlich nur meine Meinung, eine offizielle Rangliste für so etwas gibt es nicht) habe ich mir vor ein paar Jahren eingehandelt, als ich mich mit meinem damaligen Trainer überworfen hatte und zwischen uns komplette Funkstille herrschte. Er ließ keine Gelegenheit aus, mich zu bestrafen, was die übliche Vorgehensweise ist, wenn man einen Spieler loswerden will. Ist dieser Punkt erst einmal erreicht, kann es durchaus vorkommen, dass Spieler hin und wieder blaumachen. Mir ging es in diesem Fall aber wirklich nicht gut. Ich musste mich ständig in der Nähe einer Toilette aufhalten und hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Kurz: Mir war sterbenselend zumute.
Morgens rief ich den Physio an und meldete mich vom Training ab. Fünf Minuten später rief er zurück und meinte: „Tut mir leid, Alter. Der Boss besteht darauf, dass du zum Doc gehst.” Wie ich später erfuhr, wurde unser Teamarzt extra aus seiner Praxis herbestellt. Der Trainer hoffte insgeheim, ich würde nicht auftauchen, damit er mich dafür bestrafen könnte, eine Krankheit simuliert und die Zeit des Arztes verschwendet zu haben. „Ich kann nicht kommen”, stöhnte ich. „Ich habe Dünnpfiff und kann keine halbe Stunde im Auto sitzen.” Der Physio gab das pflichtgemäß an den Trainer weiter, der davon nichts hören wollte und mir bis zehn Uhr Zeit gab, beim Doc vorstellig zu werden. Andernfalls würde er mir ein Wochengehalt abziehen. Dass einem Angestellten Sanktionen fürs Kranksein angedroht werden können, gibt es wohl auch nur im Fußball.
Ich schleppte mich zum Wagen, packte ein paar Extrahosen und ein Handtuch zum Sitzen ein (wäre ja schade um das schöne Leder gewesen) und machte mich auf den Weg. Nach rund zehn Minuten legte ich sehr zur Erheiterung der übrigen Verkehrsteilnehmer den ersten von vier Zwischenstopps auf dem Seitenstreifen ein, bevor ich schließlich um 10:40 Uhr am Trainingsgelände eintraf.
Ich ging hinein und machte mich auf den Weg zum Physio. „Allmächtiger, du siehst echt schlimm aus”, meinte er, als ich hineinschlurfte und auf einer der Massagebänke zusammensackte. Der Doc kam rein, schaute mich kurz an, und nachdem er noch ein wenig auf meinem Unterleib herumgedrückt hatte, diagnostizierte er eine Gastro-Dingsbums. In dem Moment steckte der Trainer den Kopf zur Tür rein. „Ist er krank?”, fragte er und schaute den Doc erwartungsvoll an. „Ja, Boss, er ist definitiv krank”, entgegnete der Doc. „Okay”, sagte der Trainer und fuhr zu mir gewandt fort: „Dann sieh mal zu, dass du ins Bett kommst, statt hier alle anzustecken. Und übrigens: Du zahlst einen Tausender fürs Zuspätkommen.” Ich sagte gar nichts.
Ich war damals noch recht jung, aber wenn man älter und erfahrener wird, ändern sich die Dinge allmählich. Heute werde ich vom Trainer ab und zu nach meiner Meinung gefragt, aber offen gesagt, fällt es mir nach wie vor schwer, meinem Boss zu sagen, was ich wirklich denke.
Als einer meiner Klubs auf Trainersuche war, bat mich die Vereinsführung, an der Diskussion über mögliche Kandidaten teilzunehmen. Das ist relativ ungewöhnlich und für einen Spieler, wie ich damals auch anmerkte, etwas heikel. Stellen Sie sich mal vor, mit der gesamten Geschäftsführung in einem Raum zu sitzen, wo Sie Ihre Meinung über Ihren möglichen neuen Chef äußern sollen. Das kann eigentlich nur in die Hose gehen. Ich befürchtete, dass alles, was ich sagte, früher oder später nicht nur bis zu unserem neuen Boss, sondern auch zu allen anderen Kandidaten vordringen würde. Also ging ich lieber auf Nummer sicher und lobte selbst die Trainer, mit denen ich auf gar keinen Fall zu tun haben wollte, über den grünen Klee.
Ganz ehrlich: Ich kann mir für einen neuen Trainer keine schlechteren Voraussetzungen vorstellen, als dass die Spieler bei seiner Einstellung mitentschieden haben. Das ist der sichere Weg ins Verderben. Andererseits möchte er auch nicht von Vornherein die Mannschaft gegen sich haben. In den ersten Tagen agieren neue Trainer deshalb in der Regel relativ zurückhaltend. Es werden Hände geschüttelt und Freundlichkeiten ausgetauscht, während er aus der Ferne das Training beobachtet und sich im Kopf Notizen über die spielerischen Qualitäten und das Verhalten seiner neuen Schützlinge macht.
Manche Spieler geben sich die allergrößte Mühe, ihrem neuen Boss in den Arsch zu kriechen, aber das bringe ich auch im fortgeschrittenen Alter und wohl wissend, dass dieser Mann über meine Bezüge bestimmt, nicht fertig. Gleichwohl nehme ich mir die Zeit, mit ihm über Fußball zu plaudern, wobei ich obskure Namen und Daten ausländischer Ligen einstreue, um meine umfassenden Fachkenntnisse zur Schau zu stellen. Insgeheim spekuliere ich nämlich auf eine zweite Karriere als Scout oder Trainer.
Was die Leistungen angeht, kann ein Trainerwechsel bisweilen Wunder wirken. Ich sage nicht, dass Taktik dabei keine Rolle spielt, aber wenn ich selbsternannte Experten darüber schwadronieren höre, dass die Mannschaft unter ihrem neuen Trainer „besser organisiert” sei, zucke ich innerlich zusammen. Meistens hat eine Leistungssteigerung weniger damit zu tun, was auf dem Trainingsplatz passiert, als mit dem wieder entfachten Einsatzwillen der Spieler.
Manchmal hängt die zuvor gezeigte Formschwäche nur damit zusammen, dass sich die Spieler zu sehr an ihren Trainer gewöhnt haben und die letzte Spannkraft fehlt. Man kann davon ausgehen, dass genau das der Fall ist, wenn ein Trainer sagt, dass er die Mannschaft an ihr Limit geführt habe. Frei übersetzt heißt das nämlich: „Die Spieler fürchten oder respektieren mich nicht mehr und lassen sich letztlich nicht mehr von mir motivieren.”
Der größte Fehler, den ein neuer Trainer machen kann, ist, die Nähe der Spieler zu suchen, um sie auf seine Seite zu ziehen. Ich hatte einen Trainer, der vor dem Spiel kumpelhaft mit uns Witze riss, nur um uns dann zur Halbzeit, als wir zurücklagen, nach allen Regeln der Kunst den Arsch aufzureißen. Das roch ein wenig nach Doppelmoral, weswegen er nie den Respekt genoss, den ein Trainer im Umgang mit Spielern braucht, die riesige Gehälter beziehen und noch größere Egos haben. Da gibt es bessere Möglichkeiten, sich bei den Spielern beliebt zu machen.
Ein neuer Trainer muss der Mannschaft frühzeitig klarmachen, wer das Sagen hat. Um das zu erreichen, wird manchmal ein Spieler geopfert. Ich habe so etwas auch einmal erlebt, und es spielt dabei überhaupt keine Rolle, wie gut oder populär der Spieler ist (tatsächlich werden gerade namhafte Leistungsträger am liebsten ins Visier genommen). Hat der Trainer sein Opfer gefunden, macht er ihn bei jeder Gelegenheit und vor versammelter Mannschaft zur Schnecke, bis er ihn schließlich aus dem Kader streicht und dazu verdonnert, sich mit dem Nachwuchs fit zu halten. Damit signalisiert er dem Rest der Mannschaft unmissverständlich, wer der Boss ist.
Ich bin kein Fan dieser Methode. Ich halte sie für vollkommen überflüssig und finde, dass sie von mangelnder Führungsqualität zeugt. Ein Freund musste in der Saison 2011/12 eine solche Prozedur über sich ergehen lassen, und Sie können mir glauben, dass damals nicht gut Kirschen mit ihm essen war.
Trainer wie Arsène Wenger, José Mourinho, André Villas-Boas und Brendan Rodgers haben mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass ein Trainer nur dann etwas taugt, wenn er auch als Spieler ein paar Titel gewonnen hat. Die meisten Trainer haben mit dem eigentlichen Training ohnehin nur sehr wenig zu tun und überlassen die Leitung der Einheiten ihren Assistenten. Über einen ehemaligen Spieler von Manchester United, der heute als Trainer tätig ist, heißt es, er lasse sich grundsätzlich nur am Spieltag bei der Mannschaft blicken.
Vor nicht allzu langer Zeit traf ich an einem Strand in der Karibik zufällig einen alten Bekannten, der für ein Altherren-Turnier dorthin eingeladen worden war. Normalerweise handelt es sich dabei um nichts anderes als ein zünftiges Gelage auf Kosten eines Sponsors, der seine Helden kennenlernen möchte. Abends lud mein Kumpel mich auf einen Drink in die Hotelbar ein und schüttete mir zu meiner Überraschung sein Herz darüber aus, wie ernüchternd sich sein neues Dasein als Trainer gestaltete. Dabei hatte er sich schon seit Jahren darauf gefreut, ins Traineramt zu wechseln, nachdem er als Spieler wahrlich nicht die Welt aus den Angeln gehoben hatte. Er liebte den Fußball und war überzeugt davon, alle Voraussetzungen mitzubringen, um als Trainer bestehen zu können. Er hatte sämtliche Scheine in der Tasche, inklusive der A-Lizenz, für die allein er rund 5.000 Pfund hingeblättert hatte.
Nach nicht einmal einem Jahr als Trainer war ihm nun klar, dass er einen Fehler gemacht hatte. „Ich hatte ja keine Ahnung, was alles zu tun ist”, stöhnte er. „Ich wusste wohl, dass es eine Menge Arbeit ist und ich wenig Zeit für die Familie haben würde. Aber tatsächlich bekomme ich sie überhaupt nicht mehr zu Gesicht, denn wenn ich abends um zehn endlich alle Telefonate erledigt habe, muss ich mir in irgendeinem dunklen Kämmerlein noch Elfsborg gegen Malmö anschauen, um vielleicht einen interessanten Spieler zu entdecken.”
Es ist wohl kein Geheimnis, dass man als Cheftrainer tagtäglich mit einer solchen Menge an Problemen, Aufgaben und Erwartungen konfrontiert wird, dass man an sich niemals Feierabend hat. Als ich die Vermutung äußerte, dass er vielleicht nicht besonders versiert darin sei, Dinge zu delegieren (klar, immer noch drauftreten, wenn der andere schon am Boden liegt, ganz so, wie ich es gelernt habe), räumte er ein, dass dies möglich sei. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass ich noch nie als Trainer gearbeitet hätte.
Guter Einwand. Vielleicht wird es mir genauso wie ihm ergehen, sollte ich einmal Trainer werden. Mir fällt es auch nicht leicht, Verantwortung an andere Leute abzugeben, weil sie die Dinge in der Regel auf ihre Weise erledigen und nicht so, wie ich es an ihrer Stelle getan hätte. Wenn man also die Kontrolle über jede einzelne Entscheidung behalten will, muss man sich wohl oder übel damit abfinden, seine Familie – und Tageslicht – nur selten zu sehen.
Ich hatte auch mal einen Trainer, der ein totaler Kontrollfreak war. Er hatte Mitarbeiter, von denen andere Trainer nur träumen können, war aber nicht in der Lage, sie einfach ihre Arbeit machen zu lassen. Wohlgemerkt, das waren alles sehr fähige Leute. Mir tat vor allem unser sportwissenschaftlicher Berater leid, der ein hochkomplexes Programm ausgetüftelt hatte, nur um dann von einem Kerl abgelöst zu werden, der von der Materie keine Ahnung hatte. Oder auch unser Koch, der irgendwann kein Salz mehr verwenden durfte. Halbwissen wird nicht von ungefähr als gefährlich eingestuft.
Aber es gibt auch durchaus Trainer, die ihre Besessenheit zum Wohl der Mannschaft einzusetzen wissen. Ein Freund von mir spielte unter José Mourinho beim FC Chelsea und erzählte mir von einer PR-Tour durch die USA, bei der unter anderem ein Fotoshooting für Samsung geplant war. Als Mourinho zu Ohren kam, dass der Sponsor nicht einmal eine kleine Aufmerksamkeit für seine Spieler vorbereitet hatte, schickte er sie sofort wieder in den Mannschaftsbus. Die in helle Panik versetzte PR-Abteilung von Samsung beeilte sich, den Schaden zu korrigieren und stellte jedem Spieler bei seiner Rückkehr nach England einen ganzen Sack voller unterhaltungselektronischer Geräte in Aussicht. Ich habe keine Ahnung, ob diese Geschichte wahr ist, wüsste aber nicht, warum mein Freund lügen sollte. Ich möchte sie glauben, weil ich Mourinho ohnehin gut leiden kann. Wenn ein Trainer so etwas für mich tut, gibt er mir das Gefühl, dass wir alle zusammengehören und ich mich auf ihn verlassen kann. Für so einen Mann reiße ich mir auf dem Platz gerne den Arsch auf. Außerdem mag ich Unterhaltungselektronik.
Das soll aber nicht heißen, dass nicht auch die Spieler ihrem Klub gegenüber eine gewisse Verantwortung hätten. Unternehmen wie Samsung zahlen ein Vermögen dafür, sich mit dem Namen englischer Erstligisten schmücken zu dürfen, weswegen sie sich vertraglich zusichern lassen, dass sie die Dienste der Spieler in Anspruch nehmen können. Als Spieler ist man allerdings nicht immer im Bilde darüber, was wirklich vor sich geht.
Ich erinnere mich an einen Kurztrip in südliche Gefilde, der, wie uns irgendwann klar wurde, in erster Linie der Kontaktpflege unseres Trainers diente. Ersten Verdacht schöpften wir, als wir an unserem brandneuen Eventhotel in Strandnähe eintrafen und uns zunächst mit jedem einzelnen der gefühlt ungefähr 1.500 Angestellten ablichten lassen mussten, bevor wir uns endlich in die Fluten stürzen durften. Später aßen wir mit ein paar stinkreichen Vögeln zu Abend. Wie sich herausstellte, gehörte diesen Typen das Restaurant, und sie waren es auch, die das gesamte Team in der Business Class hatten einfliegen lassen.
Während unseres Aufenthalts bekamen wir es immer wieder mit diesen Typen zu tun, die großen Wert darauf legten, dass wir uns in ihren zahlreichen Restaurants, Hotels, Einkaufszentren und Nightclubs ablichten ließen. Für die örtlichen Unternehmer hat es sich mit Sicherheit bezahlt gemacht, rund um die Uhr die Dienste eines englischen Premier-League-Klubs in Anspruch nehmen zu können. Unser damaliger Trainer ist bestimmt heute noch jedes Jahr in diesem Hotel zu Gast und wird das auch so beibehalten, bis er eines Tages den Löffel abgibt. Ich gehe außerdem jede Wette ein, dass er da unten noch nie auch nur einen einzigen Cent für irgendwas bezahlt hat. Aber ich schätze, so läuft das Geschäft eben.
Ich bin in meiner Karriere zu unzähligen Veranstaltungen gezerrt worden, um mich wie ein grinsender Idiot in meinem Trainingsanzug ablichten zu lassen, ohne überhaupt zu wissen, warum ich eigentlich dort war. Einmal verbrachten wir einen ganzen Tag in einem Einrichtungshaus und schrieben Autogramme für die komplette Belegschaft. Mobiliar hat aber, soweit ich weiß, keiner der Spieler dafür bekommen – nicht dass wir es gebraucht hätten. Unser Trainer hatte wohl auch keinen Bedarf, aber falls er sich in Zukunft neu einrichten möchte, sollte das kein Problem sein. Solche Dinge passieren bis zu einem gewissen Grad wohl in jeder Spielklasse. Ob die Mannschaft es klaglos mit sich machen lässt oder es dem Trainer verübelt, hängt vielleicht nur davon ab, wie es in sportlicher Hinsicht gerade läuft.
Letztlich geht es darum, sich das Vertrauen der Spieler zu bewahren, indem man sie auf faire Art und Weise behandelt. Ein Bekannter von mir wurde bei Manchester United auch dann noch respektvoll behandelt, als sein Abgang bereits feststand. Auch wenn solche Umgangsformen sicher keine Ausnahme sind, lässt sich das keineswegs über jeden Trainer sagen, für den mein Bekannter und ich gespielt haben. Mein Bekannter rechnet es Sir Alex nach wie vor hoch an, sich damals so anständig verhalten zu haben. „Ich kann ihn jederzeit anrufen, und er nimmt sich Zeit für mich. Und auch wenn wir eine Weile nicht miteinander gesprochen haben, erinnert er sich an die Namen meiner Kinder und erkundigt sich nach ihnen.” Andererseits kenne ich jemanden, der bei Manchester United spielt und sich beharrlich weigert, über Sir Alex zu reden. Er macht keinen Hehl daraus, dass die Gründe dafür Loyalität, Respekt und Furcht sind, und zwar in beliebiger Reihenfolge.
Eine Mannschaft auf Trab zu halten, ist ein sensibler Drahtseilakt, der vor allem Vertrauen und Respekt erfordert und nicht, wie einer meiner früheren Trainer glaubte, möglichst viele gemeinsame Abende, um unabhängig vom sportlichen Erfolg gemocht zu werden. Viele Spieler nutzen jede noch so kleine Schwäche eines Trainers aus, um von ihrem eigenen Versagen abzulenken, wenn es sportlich nicht läuft. Genau das ist vor nicht allzu langer Zeit bei einem recht namhaften Klub passiert – er hat 2012 die Champions League gewonnen.
Als Trainer ist man auf ein paar Dinge angewiesen, die nicht auf dem Transfermarkt zu haben sind, zum Beispiel Ressourcen, Timing und Glück, um nur drei zu nennen. Aber jeder Trainer hinterlässt auf die eine oder andere Weise Spuren. Vor ein paar Jahren saßen wir nach einem ziemlich desolaten Auswärtsspiel in der Kabine, und einer meiner Mitspieler erlaubte sich einen Kommentar, der unserem Trainer gegen den Strich ging. Wir waren ziemlich vorgeführt worden, und das von einer Mannschaft, die einen Haufen Mitläufer verpflichtet zu haben schien.
Traditionell stellt der Gastgeber nach dem Schlusspfiff belegte Brote in der Kabine bereit. Es hat einen gewissen Charme, dass man im Old Trafford so ziemlich die gleichen Schnittchen serviert bekommt wie im Community Stadium von Colchester (Arsenal dagegen scheut weder Kosten noch Mühen und fährt Hähnchen-Nuggets auf). Mein Kollege, der es gewagt hatte, eine Erklärung für unsere jämmerliche Vorstellung abzugeben, hatte das Pech, dass die Brote an diesem Tag auf einem Metalltablett serviert wurden. Zu allem Überfluss befand es sich in Reichweite des Trainers. Er schnappte sich das Tablett und feuerte es wie einen Frisbee quer durch den Raum. Die Platte verfehlte den Kopf meines Kollegen nur um Haaresbreite und hinterließ in der Wand einen beachtlichen Krater. Wäre ich das Ziel gewesen, hätte ich das Teil umgehend zurückgeschleudert, aber mein Kollege war einfach erleichtert, dass ihm nicht der Schädel gespalten worden war. Es war nicht nur der auf ihn herabrieselnde Putz, der ihn kreidebleich erscheinen ließ.
Welche Auswirkungen der Erfolgsdruck haben kann, lässt sich an jedem Wochenende in fast jeder Kabine im ganzen Land beobachten. Die Anspannung ist manchmal kaum zu ertragen, denn wie jeder weiß, kann niemand so einfach gefeuert werden wie ein Trainer. Der frühere Boss von Leeds United, Howard Wilkinson, hat mal gesagt: „Es gibt nur zwei Arten von Trainern: diejenigen, die schon entlassen worden sind, und diejenigen, die noch entlassen werden.”
Für einen Trainer, der ständig im Mittelpunkt des Interesses steht, ist ein guter Assistent von unschätzbarem Wert. Leider bekommen Assistenten nur selten die Anerkennung, die sie verdienen. Viele leisten jahrelang bei mehreren Klubs hervorragende Arbeit und verschwinden dann ohne ersichtlichen Grund für immer von der Bildfläche. In dieser Hinsicht ist Fußball ziemlich inzestuös. Die meisten Trainer neigen dazu, mit dem immer gleichen Stab zusammenzuarbeiten. Scheiden sie aus dem Geschäft aus, kann es dem Assistenten ohne Weiteres genauso ergehen. Schön und gut, dass die Football Association immer mehr Trainer ausbildet, um den englischen Fußball voranzubringen. Aber ohne Beziehungen haben sie es auf jedem Level schwer, einen Einstieg zu finden.
Ein guter Trainer genießt das Vertrauen der Spieler und hat ein offenes Ohr für ihre Anliegen. Ich hatte Trainer, die fachlich über jeden Zweifel erhaben waren, aber ihre Kenntnisse einfach nicht vermitteln konnten. Manche übertreiben es mit dem Coaching, so dass die Spieler irgendwann auf Durchzug schalten und im Training nicht mehr mit der gleichen Begeisterung bei der Sache sind. Andersherum gibt es Trainer, bei denen die Mannschaft auf Anhieb mitzieht. Ich habe für ein paar fantastische Kerle gespielt, die genau wussten, was sie taten, und es schafften, sämtliche Gegensätze innerhalb einer Mannschaft zu überwinden. Als Spieler spürt man das, und dementsprechend enthusiastisch hängt man sich im Training rein.
Ich werde häufig gefragt, was genau wir in den zwei Stunden Training so machen. Meine ehrliche Antwort lautet: Hängt vom Trainer und seinem Stab ab. Nach einem ausgiebigen, rund 40-minütigen Aufwärmprogramm inklusive Pendel-, Slalom- und Hürdenlauf begnügen sich die meisten Trainer damit, die Mannschaft aufzuteilen und 5 gegen 3 spielen zu lassen. Nach einer Weile wird das ziemlich öde. Ich hatte einen Trainer, der eine Stunde lang 11 gegen 11 One Touch über das gesamte Feld spielen ließ. Da fragt man sich hinterher schon, was der ganze Zirkus soll. Deswegen ist man als Spieler manchmal doch erleichtert, wenn der Trainer mitsamt seinem Stab gefeuert wird. Wenn das passiert, sollte man ihn allerdings unbedingt in seinem Büro aufsuchen, ihm für seine Mühe danken und alles Gute für die Zukunft wünschen. Man weiß ja nie, wann und wo man sich wieder über den Weg läuft.
Ehrlicherweise muss man sagen, dass die Spieler ihrem Trainer das Leben bisweilen unnötig schwer machen. Vor ein paar Jahren machte ich mit meinem Team einen Abstecher in den Süden, um vor der entscheidenden Saisonphase noch einmal Kraft zu tanken. Als wir um neun Uhr abends am Hotel eintrafen, legte der Trainer die Regeln für unseren Aufenthalt fest: „Ihr dürft einen Abend ausgehen, aber nicht heute. Heute gehen alle sofort ins Bett. Training ist jeden Morgen von neun bis elf Uhr, danach wird es zu heiß. Und jetzt ab in die Falle. Ach ja, Frühstück ist für alle obligatorisch.” (Das sagen sie immer.) Kaum hatte das Hotel seine Pforten geschlossen, liefen die Handys heiß. „Wo gehen wir hin?” „Wir treffen uns in 15 Minuten am Pool. Wir kommen schon irgendwie raus.” „Wer ruft die Taxis?” „Kann mir jemand ein Ladegerät für mein iPhone leihen? Ich hab meins vergessen.” (Das Letzte kam von mir, dafür bin ich berüchtigt.)
Eine Viertelstunde später versammelten wir uns auf dem Hotelgelände und stahlen uns durch ein Loch in der Hecke einer nach dem anderen davon. Draußen versuchten wir so leise wie möglich und dementsprechend gestenreich die vorbeifahrenden Taxis auf uns aufmerksam zu machen. Schließlich düsten wir alle Richtung Stadt, aber was danach passierte, kann ich beim besten Willen nicht mehr rekonstruieren. Wie es heißt, hat unser Co-Trainer uns alle gegen drei Uhr morgens in einer Karaoke-Bar ausfindig gemacht und in einem Minivan zum Hotel zurückgebracht, der eigentlich für den Transfer zum Trainingsgelände vorgesehen war.
Hätte er uns persönlich die Leviten gelesen oder gar beim Boss angeschwärzt, was vermutlich die größte Kollektivstrafe in der Geschichte des Fußballs nach sich gezogen hätte, wir hätten uns nicht beschweren dürfen. Stattdessen unternahm er nichts dergleichen, weswegen er bei uns allen einen Riesenstein im Brett hatte und wir uns im Training mächtig reinhängten. Er hätte uns das ewig vorhalten und irgendwann eine Gegenleistung einfordern können, aber das Thema kam nie wieder auf den Tisch. Wahrscheinlich war er einfach ein feiner Kerl. Ansonsten wären wir alle ganz schön am Arsch gewesen.
Es macht sich bezahlt, wenn alle am gleichen Strang ziehen. Das heißt aber nicht, dass sich untereinander alle mögen müssen. Entscheidend ist, dass sich alle vertragen und auf dem Platz füreinander reinhängen. Daran lässt sich auch ermessen, ob der Kapitän seine Binde wirklich verdient hat. Ich hatte in meiner gesamten Karriere nur einen Kapitän, mit dem ich nicht einverstanden war, was daran lag, dass er nie für seine Kollegen da war, wenn sie ihn brauchten.
Vor ein paar Jahren hieß es in der Presse, dass in der englischen Nationalelf niemand den Mumm hätte, die Kapitänsbinde zu tragen. Auch mir wurde bei einem meiner Klubs die Ehre zuteil, zum Spielführer ernannt zu werden, und ich kann nur sagen, dass es mich unheimlich stolz und glücklich machte, die Binde anlegen zu dürfen (blöderweise meistens verkehrt herum). So sehr manche Spieler auch beteuern, sich nichts daraus zu machen, tief im Inneren wäre fast jeder gerne Kapitän. Wenn Sie mich fragen, wie wichtig der Kapitän für eine Mannschaft ist, würde ich sagen: Er kann durchaus den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen.
Ein Trainer wählt einen Kapitän aus, der als Bindeglied zwischen ihm und der Mannschaft fungiert. Wenn es aber zu Spannungen zwischen dem Team und den Kluboberen kommt, sollte der Kapitän stets im Interesse seiner Kollegen handeln. Außerdem kümmert er sich um sämtliche Belange der Spieler, die nicht in den sportlichen Bereich fallen.
Als Kapitän achte ich darauf, am Spieltag als Erster einzutreffen. Bevor beide Mannschaften zum Aufwärmen rausgehen, werden beide Spielführer zu einer kurzen Unterredung in die Schiedsrichterkabine bestellt. Früher ging es dabei nur darum, den Mannschaftsbogen einzureichen (Verspätungen werden mit einer empfindlichen Strafe geahndet). Heutzutage nutzt der Schiedsrichter die Gelegenheit, um ein paar Verhaltensregeln aufzustellen. Nachdem sich alle die Hand gegeben haben, läuft das dann ungefähr so ab: „Okay, Jungs, ihr seid beide alt genug und hässlich obendrein. Versucht nicht, mich zu verarschen. Wenn es ein Problem gibt, kommt damit zu mir. Sollte einer eurer Kollegen mir oder meinen Assistenten oder einem anderen Spieler gegenüber pampig werden, erwarte ich, dass ihr das regelt, bevor ich es tun muss. Alles klar? Viel Glück.” Woraufhin sich wieder alle die Hand geben.
Ich hatte einen Kapitän, der nur zu dieser Ehre kam, weil unsere eigentliche erste Wahl sich verletzte. Nachdem er das Amt scheinbar widerwillig angenommen hatte, wies er den Zeugwart an, eine personalisierte Binde anzufertigen. Er lief schließlich mit einem manschettenartigen Teil herum, auf das ein riesiges C gemalt war und das seinen gesamten Oberarm bedeckte. Manche Spieler sind einfach so: Sie tun so, als wäre es nichts Besonderes, aber trotzdem soll alle Welt wissen, dass sie der Kapitän sind. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass der Typ mit dieser Aktion nicht nur bei mir eine Menge Respekt eingebüßt hat.
Kurioserweise hatte das erfolgreichste Team, für das ich gespielt habe, den wohl unbeliebtesten Kapitän. Er verkörperte so ziemlich alles, was Spieler verachten: Er war eigensinnig und ein ziemlicher Jammerlappen, wenn es darauf ankam. Der Klub weigerte sich damals, über unsere Prämien zu verhandeln. Der Ligaverband muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt über die Prämienregelungen in Kenntnis gesetzt werden, und nachdem wir bis zum Stichtag fast alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatten, blieb uns nur noch eins: der Boykott des Mannschaftsfotos. Das klingt nach einer ziemlich leeren Drohung, aber ich kann versichern, dass der Sponsor das ganz anders sieht.
Am Morgen des Fototermins weigerten wir uns also, unsere neuen Trikots anzuziehen. Der Vorstandschef flehte uns an, einzulenken, aber wir blieben standhaft – alle bis auf einen. Am Spielfeldrand stand unser Kapitän, in voller Montur und allzeit bereit. Als wir ihn als unseren Anführer gebraucht hätten, ließ er uns im Regen stehen. Das haben wir ihm nie verziehen, und von da an wurde er vom Rest der Mannschaft gemieden wie die Pest. Alle seine Vorschläge wurden abgeschmettert, und keiner tat ihm mehr einen Gefallen.
Ein guter Kapitän genießt uneingeschränkten Respekt und kann sowohl seine Mitspieler anschnauzen als auch dem Trainer widersprechen, ohne an Wertschätzung einzubüßen. Mein Bekannter, der unter Roy Keane bei Manchester United spielte, erzählte mir die folgende Geschichte: „Als junger Profi hatte ich einen Vertrag, mit dem ich ziemlich unglücklich war. Ich hatte keinen Berater und wusste nicht so recht, was ich tun sollte. Keane ging mit mir zu Ferguson und klärte die Sache, weil er sich als Kapitän dazu verpflichtet fühlte. Am nächsten Tag hat er mich im Training wegen eines verhunzten Passes zusammengefaltet.”
Ich bin stolz darauf, Kapitän einer Profimannschaft gewesen zu sein. Aber das Amt bringt es mit sich, dass man bisweilen mehr Dinge für andere geregelt kriegt als für sich selbst, und danach habe ich kein Verlangen mehr. Zwar finde ich, dass es auf dem Platz keinen wichtigeren Job als den des Kapitäns gibt, aber abseits davon gibt es Dinge, die noch weitaus wichtiger sind.