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Anregungen für das Bibellesen heute

Wie uns die historisch-kritische Methode helfen kann, einen Text zu verstehen, möchte ich am Beispiel des Gleichnisses vom klugen Verwalter aufzeigen. Es geht mir jedoch nicht darum, das Gleichnis auszulegen, sondern nur den letzten Satz: »Der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes« (Lukas 16,8). Die Klugheit des unehrlichen Verwalters bestand darin, dass er einsah: Ich kann meine Schuld weder durch Leistung noch durch Betteln abtragen. Das würde mich entweder überfordern oder mir alle Selbstachtung rauben. Die einzige Möglichkeit, mit meiner Schuld umzugehen, ist, vom Thron meiner Selbstgerechtigkeit herabzusteigen und Mensch unter Menschen zu werden. Ich kann meine Schuld dazu nutzen, mich mit den Menschen auf die gleiche Ebene zu stellen. Der Verwalter denkt sich in seiner Beziehung zu den anderen: »Du bist schuldig, ich bin schuldig, teilen wir uns die Schuld. Klagen wir uns gegenseitig nicht an, sondern gehen wir menschlich miteinander um.« Der kluge Verwalter rechnet damit, dass er auf diese Weise in die Häuser der Leute aufgenommen wird.

Im Schlusssatz – so sagt uns die historisch-kritische Exegese – bezieht sich Jesus mit dem Bild von den »Kindern des Lichtes« auf eine jüdische Gruppierung, die Essener. Das waren sehr fromme Juden, die in kleinen Gruppen miteinander in einem liebevollen Umgang lebten. Aber zugleich waren sie sehr streng, wenn jemand die Normen der Gruppe übertrat. Dann wurde er unbarmherzig aus der Gruppe ausgestoßen. Im Vergleich zwischen den »Kindern der Welt« und den »Kindern des Lichtes« grenzt sich Jesus also vom Verhalten der Essener ab. Die Jünger Jesu sollen niemanden ausschließen, selbst wenn er die Norm übertreten hat, sondern sie sollen einander in ihre Häuser aufnehmen. Kurz vor dieser Stelle steht im Lukasevangelium das Gleichnis vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Sohn. Beide zeigen in die gleiche Richtung: Die Christen sollen die, die sich selbst verloren haben, die die Norm übertreten und sich selbst isoliert haben, nicht ausschließen, sondern aufnehmen in ihre Gemeinschaft. Die Gemeinschaft der Christen soll von Barmherzigkeit geprägt sein und nicht von Rigorosität. Hier wird deutlich, dass die historisch-kritische Exegese uns helfen kann, biblische Aussagen besser zu verstehen. Denn sie klärt uns auf, wie manche Begriffe auf dem Hintergrund der damaligen Situation zu verstehen sind. Daher ist es für mich immer wichtig, zuerst einmal die Kommentare der historisch-kritischen Exegese zu Rate zu ziehen. Sie erhellen mir manche Begriffe, die ich dann, wenn ich sie besser verstehe, in meine persönliche Situation hinein auslegen kann.

Der kleine Bibelcoach

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