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Partyspiele

Harald ruft laut: »Petra, ich weiß, wo du dich versteckt hast. Du kannst rauskommen.« Ich glaube, er blufft nur, und Petra scheint das auch zu denken, denn ich kann Harald noch immer über mir hören, wie er Möbelstücke zur Seite räumt, sich an irgend etwas stößt und laut flucht. Er muß im Dunkeln suchen, denn Fred hat die Sicherungen herausgedreht, damit auch keiner mogeln kann und vielleicht kurz das Licht anschaltet, um im Vorteil zu sein. Wir verstecken uns im dunklen Haus, und Harald, der uns jetzt sucht, muß wie wir im Dunkeln tasten und stolpern.

Ich habe mir einen ungewöhnlichen Platz gesucht. Ich liege im Gästezimmer. Perfekt versteckt auf dem Rücken unter dem Bett, das früher im Schlafzimmer meiner Großeltern stand. Das Bett ist hochbeinig, und ich konnte einigermaßen bequem drunterkriechen. Allerdings läßt die Bequemlichkeit der Lage mit der Zeit zu wünschen übrig. Mein rechtes Bein schläft ein, und ich darf gar nicht daran denken, daß sich hier außer mir vielleicht auch noch Spinnen verkrochen haben. Mich schüttelt’s, und der Matratzenrost über mir schwingt leise. Hoffentlich hat’s keiner gehört.

Die Tür wird geöffnet, mir war doch schon so, als wären da Schritte auf dem Flur gewesen. Nun macht sich Harald also im Gästezimmer auf die Suche. Die Schranktür wird geöffnet, sie knarrt ein wenig, dann werden Bügel beiseite geschoben. Im Schrank habe ich den Sommer über unsere Wintermäntel hängen.

Harald schaut auch noch hinter die Vorhänge, die, wie das jetzt modern ist, auf dem Boden aufliegen und immer schön drapiert sein wollen. Nix, mein Lieber, dahinter steh ich nicht. Weitersuchen. Er legt sich auf die Knie und schaut wohl unter dem runden Tisch nach. Ich kann jetzt sein Atmen ganz deutlich hören. Auf Knien kriecht er zum Bett heran, und seine Hand tastet darunter. Es ist hier in der Ecke zu dunkel, um auch nur das Geringste erkennen zu können. Er muß riechen und tasten, will er Erfolg haben. Mir steigt sein Rasierwasser, Etruscan, in die Nase. Ich mag diesen Duft. Früher hat Fred ihn auch benutzt.

Da! Seine Fingerspitzen haben, in Höhe der linken Brust, meine Bluse berührt. Ob er es bemerkt hat? Vielleicht denkt er, daß unter dem Bett Koffer oder alte Klamotten gelagert werden? Meine Brust reagiert sofort, ein Kribbeln läuft mir über den Nacken, und ich wünsche, er würde noch einmal nach mir tasten. Ob die anderen auch solch prickelnde Erlebnisse beim Versteckspiel haben? Wo Fred sich wohl versteckt hat? Ob er auch gerade so berührt wird?

Harald scheint die Luft anzuhalten, jedenfalls kann ich sein Atmen nicht mehr hören. Draußen werden Schritte laut, und die Zimmertür wird abermals geöffnet. »Harald? Brigitte? Klaus, seid ihr hier?« Rolf sucht uns. Ob sie unten das Spiel abgebrochen haben? »Seid ihr hier?« fragt Rolf wieder, aber er bekommt keine Antwort und geht. Warum hat Harald nichts gesagt?

Darum: Seine Hand tastet sich langsam unter dem Bett voran und berührt jetzt vorsätzlich meine Brust. Spielerisch streicht er erst über die linke, dann, mit ein wenig Anstrengung, er muß sich weiter vorrecken, über die rechte. Mir wird ganz warm, unwillkürlich schließe ich die Augen. Seine Hand sucht sich den Weg zu meinem Gesicht und streicht über Mund und Nase, über die Augenbraue hin zu meinem linken Ohr, das sein Finger zärtlich umkreist. Dann streift er weiter, den Nacken entlang über meine Schulter, so gut es eben geht, den nackten Arm hinab. Meine Härchen sind elektrisiert, richten sich auf. Ich möchte aufstöhnen, als seine Finger über meinen Rock fahren, meine Scham berühren, als wäre ich nackt. Ich möchte reden, stöhnen, wenigstens laut atmen können. Ich möchte ihn auch berühren, aber ich bin eingeengt in meinem Versteck und kann mich fast nicht rühren. Ich bin ausgeliefert.

Er kommt zu mir unter das Bett und hat dabei mehr Mühe als ich. Er legt sich ganz flach auf den Boden. So liegen wir eine Weile, Seite an Seite, halten uns an den Händen, wie Hänsel und Gretel im dunklen Wald, wie Bruder und Schwester. Keiner spricht. Ich rätsle ständig, ob er noch weitergeht oder ob das jetzt schon alles war. Mein Gott, warum ist dies verdammte Versteck nicht ein wenig größer und bequemer?

Seine rechte Hand schiebt langsam ganz allmählich meinen Rock hoch. Ich trage Strümpfe, weil Fred es so wollte. Er mag es, wenn nur er weiß, was ich unter meinen teuren Kleidern trage oder, besser, nicht trage. Manchmal gehen wir spazieren, ich habe einen Regenmantel an und darunter – nichts. Er liebt das, und jetzt ist es für Harald von Vorteil, sein Finger findet rasch sein Ziel zwischen meinen Beinen, und ich lasse es geschehen; nur seine Geschicklichkeit, Fingerfertigkeit, überrascht mich. Dann fällt mir ein, daß Harald Linkshänder ist, und ich bin beunruhigt.

Wir hören laute Stimmen auf dem Flur, sie suchen uns, aber wir spielen mucksmäuschenstill unser Spiel. Irgendwann, ich weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist, wimmere ich unterdrückt vor Lust und genieße es sogar, daß ich nicht laut schreien darf.

Später schiebt Harald sich unter dem Bett hervor. Noch immer hat keiner ein Wort gesagt, es ist wie ein Traum, und vielleicht ist gar nichts passiert? Er klopft sich die Hose ab, die sicher völlig staubig ist, und geht leise aus dem Zimmer. Ich brauche noch einen Moment, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, dann erscheine auch ich im Wohnzimmer, wo mittlerweile wieder das Licht brennt. Die komplette Partygesellschaft steht dort und unterhält sich. Jeder erzählt eine Gruselgeschichte, wie es im dunklen Keller zwischen Kartoffelkiste und Weinregal war, oder auf dem Dachboden.

Ich schlendere zu Harald hinüber, gebe ihm einen Kuß auf die Wange und frage: »Und welche Schauergeschichten kannst du berichten?« Mir fällt auf, daß er gar nicht mehr nach Etruscan riecht. Die ganze Zeit unter dem Bett habe ich doch zweifellos Etruscan gerochen. Also war gar nicht Harald bei mir? Wer war es aber dann? Ich muß logisch denken, einfach nur überlegen, dann fällt mir schon ein, wer es gewesen sein könnte. Nur die Ruhe bewahren.

Einmal war Rolf im Zimmer gewesen und hatte nach Harald, Brigitte und Klaus gerufen, also schied Rolf aus. Blieben Harald – der es aber wohl doch nicht war –, Klaus, der mit seinem dicken Bauch wahrscheinlich nicht unter das Bett gekrochen wäre und Fred, aber ich würde doch wohl meinen eigenen Mann erkennen, und zudem nahm Fred schon lange nicht mehr Etruscan, er stand jetzt auf Giorgio und schied somit auch aus. Wer blieb dann noch? Bruno, Wolfgang und Siegmar. liih, Siegmar, wenn ich mir vorstelle, daß Siegmar... also nein, das konnte und durfte gar nicht sein. Na dann also Bruno oder Wolfgang, welcher wär mir denn lieber von den beiden?

Bevor ich lange darüber nachdenke, sollte ich einfach zu ihnen gehen und unauffällig an ihnen schnuppern.

»Möchtest du noch einen Drink? Dein Glas ist ja leer.« Wolfgang steht vor mir und lächelt mich so merkwürdig an. Ob er es war und mir mit seinem Lächeln ein Zeichen geben will? Ich schaue zu Bruno, der sich in eine Sofaecke gefläzt hat und mich versunken zu betrachten scheint, während Petra, seine Frau, eifrig auf ihn einredet. Dann war es vielleicht Bruno?

»Regina, Schätzchen, komm doch mal zu uns rüber.« Fred winkt mich zu sich. »Siegmar will uns erzählen, was er im Dunkeln eben erlebt hat.« Fred feixt und grinst. »Na, Sigi, hat dich eine schöne Unbekannte geküßt«, lästert Brigitte, und mir bleibt fast das Herz stehen. Ich lehne mich Halt suchend an Fred und heuchle Interesse.

Hoffentlich kommt jetzt nicht das, was ich befürchte. Siegmar nippt an seinem Glas und sagt dann: »Ich hatte mich gerade im Keller zwischen zwei Schränken eingeklemmt, als ich...« Mehr verstehe ich nicht, ich bin so erleichtert und glücklich, daß ich nicht mehr hinhöre.

Schwer lehne ich mich an Fred. Seine Hand fährt meinen nackten Arm entlang, dann zum Hals, zum Mund, zur Nase und streichelt anschließend sacht mein Ohr.

Ich höre nur noch mein Blut rauschen.

Haut für sechs Hände

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