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Warum investiert China astronomische Summen in die »Neue Seidenstraße«?

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Was ist dieses »Belt & Road Project«19 genauer? Welche Rolle spielt es bei der Entwicklung des chinesischen Kapitalismus?

Die Vorstellung von China als kostengünstiger Werkbank der Welt für die ausländischen Konzerne ist längst überholt. Nach dem »Center for China and Globalization« hat bereits 2015 der chinesische Kapital­export das in China vorhandene Auslandskapital übertroffen: Die direkten chinesischen Auslandsinvestitionen (OFDI) betrugen 145,6 Milliarden Dollar, das ausländische Kapital in China nur 135,6 Milliarden Dollar.20 Massiver Kapitalexport als Ausweg aus einer wirtschaftlichen Krise am Horizont?

Folgende Punkte dürften die wichtigsten wirtschaftlichen Ziele Chinas bei Belt & Road sein:

Lösung für zu große Produktionskapazitäten. Die chinesische Inlandsnachfrage steigt nicht, wie man es erhofft hatte, denn dazu wären massive Lohnerhöhungen nötig. Sie kann es nicht geben, wenn man China konkurrenzfähig halten will. Der Bevölkerungsanteil des konsumfreudigen, kaufkräftigen Mittelstands stagniert, zudem tendiert bei ihm die Nachfrage mehr zu Dienstleistungen, nicht zu Konsumprodukten. Betroffen sind besonders grundlegende Industriezweige: Stahl, Aluminium, Maschinen. »Belt & Road« kann über einen längeren Zeitraum ein Ausweg aus der sich abzeichnenden Überproduktion sein.

Direkte Auslandsinvestitionen. Die enormen, lang angesammelten Geldreserven Chinas müssen investiert werden. Eine besondere Rolle spielen die großen Staatsunternehmen als natürlich finanziell völlig abgesicherte Basis für spekulative Unternehmungen und die Staatsbanken mit überaus günstigen Zinsen für Privatunternehmen.21

Absicherung der Energieversorgung. China verfügt über zu wenige kostengünstige Ressourcen in diesem Bereich. Erdöl und Erdgas müssen aus Russland, dem Nahen Osten und Nordafrika importiert werden. Alternativ dazu wurden im Großraum Zentralasien eine Pipeline nach Kasachstan gebaut (Beineu–Bozoy–Shymkent), Anteile an Energieunternehmen erworben (Kashagan) und ein Abkommen mit Turkmenistan zur jährlichen Lieferung von 25 Milliarden Kubikmeter Erdgas getroffen.

Größerer Einfluss auf die Länder entlang der Seidenstraße. Bereits 2014 wurden 77 Freihandelsabkommen mit Staaten entlang der Route abgeschlossen. China wurde der wichtigste Handelspartner für Kasachstan und Turkmenistan, der zweitwichtigste für Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan. In allen ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens hat längst nicht mehr Russland das Sagen, sondern China. Als Währung für die internationalen Geschäftsabkommen wurde schon der chinesische Renminbi eingeführt.

Dazu kommen weitere politische und strategische Überlegungen verschiedenster Art, etwa die amerikanische Dominanz auf den Weltmeeren definitiv zu beenden, eine Achse Beijing–Moskau–Berlin gegen die USA zu bilden, usw.

Die Schaffung einer adäquaten Infrastruktur zur Verwirklichung dieser gigantischen chinesischen Wirtschaftsoffensive bedeutet die Überbrückung der Strecke zwischen Asien und Europa von rund 6000 Kilometern.

»The belt« umfasst drei Bahnstrecken in Richtung Europa, Route 1 verläuft über Russland nach Berlin, Route 2 über Zentralasien und den Mittleren Osten und Route 3 nach Südostasien.

»The road« ist der lange Weg durch das Südchinesische Meer, an Vietnam vorbei nach Singapur, durch den Indischen Ozean und den Suezkanal zum Mittelmeer.

Ein paar Zahlen vom »Center for Strategic & International Studies« (CSIS) in Washington zu diesem Projekt: Über 60 Länder werden davon erfasst, in ihnen leben 4,4 Milliarden Menschen – 62 % der Weltbevölkerung. Der Handel zwischen diesen Ländern erreichte auch ohne »Belt & Road« in den Jahren von 2014 bis 2016 die astronomische Summe von 3000 Milliarden Dollar.

Da lohnen sich die rund 1000 Milliarden Dollar, die China bereits investiert hat. 26.000 Milliarden Dollar sind laut CSIS insgesamt notwendig. Zum Vergleich – vorstellbar sind diese Summen alle nicht –: die italienische Staatsverschuldung betrug im Februar 2018 genau 2363 Milliarden Euro.22

Der eigentliche Anstoß für diese astronomischen Investitionen, für dieses Jahrhundertprojekt, für dieses Weltwunder, ist in erster Linie ein banaler Überschuss an Produktionskapazitäten.

Nehmen wir den Stahl als klassisches Beispiel für Überproduktion – wir kennen das Problem aus Deutschland. Von der Stahlkrise aktuell betroffen ist der frühere chinesische »Ruhrpott«: Nordostchina, die Mandschurei.

Chinas neuer Imperialismus

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