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Ziele werden hinausgeschoben

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Wenn ich Schülern dieses Streben nach sportlichem Erfolg aufgezeigt und gefragt habe, was darin der Sinn ist, kam meistens die Antwort: um viel Geld zu verdienen und gut zu leben. Das glaube ich nicht. Natürlich geht es um Geld, denn man muss ja seinen Lebensunterhalt verdienen, was bei Profisportlern durch ihren Sport erfolgt. Aber das macht nicht den ungeheueren Einsatz, den unbedingten Willen verständlich, der bei vielen dahinter steht. Der Siegeswille geht ja so weit, dass viele zu unlauteren Mitteln greifen, wie Doping oder Bestechung von Schiedsrichtern. Ich kann nicht glauben, dass der wahre und einzige Grund dieses unbedingten Verlangens und Strebens nach dem Sieg dieser Sieg als solcher oder das Geld ist. Weil in vielen Sportarten heute so viel Geld zu verdienen ist, glauben viele Menschen, dass dies der Anreiz für die Sportler ist. Aber es gibt viele andere Sportarten, wo die Sportler zum Teil sogar selbst finanzielle Beiträge leisten müssen, sei es für die Ausrüstung oder Unterkunft und Verpflegung an den jeweiligen Wettkampfstätten, zu denen sie fahren. Und dennoch liegt ihnen genau so viel daran, Erster, Sieger zu werden wie in allen anderen Sportarten. Ich möchte nur Bergsteigen als Beispiel anführen. Gerade in dieser Sportart wird deutlich, dass es um mehr gehen muss als nur ums Geld, denn der Bergsteiger riskiert wie kein anderer Sportler sein Leben. Was ist es, was ihm diesen hohen Einsatz wert macht, wofür nimmt er die ungeheuere und gefahrvolle Anstrengung auf sich? Gut, man kann dann sagen, es geht darum, berühmt zu werden, als erster Mensch alle 14 Achttaussender bestiegen zu haben. Aber auch das scheint mir nicht den tiefsten Grund zu treffen. Es muss etwas im Menschen sein, was ihn vorantreibt, was ihn ein Ziel anstreben lässt, von dessen Erreichen für ihn alles abhängt, wo er überzeugt ist, dass, wenn er das erreicht hat, sein Glück vollkommen sein wird. Und das ist das Ziel jedes Menschen, und jeder sieht einen anderen Weg zu diesem Ziel. Aber darüber, worin dieses vollkommene Glück besteht, glaube ich, dass sich die wenigsten Gedanken machen bzw. dass die meisten glauben, dass sich mit Erreichen des gesteckten Zieles dieses vollkommene Glück einstellt. Und genau hier müsste man ansetzen. Jeder erlebt zwar Glück, wenn er ein gestecktes Ziel erreicht hat, aber es ist nicht dieses vollkommene Glück. Es ist nur ein Abglanz davon und verblasst nach einiger Zeit. Der Elan, mit dem das Ziel angestrebt wird, zielt auf das absolute Glück, was aber erreicht wird, ist nur ein relatives Glück. Das absolute Glück stellt sich nicht ein.

Deshalb werden die Ziele ständig hinausgeschoben: Zu Beginn einer Bergsteigerkarriere ist es das höchste Ziel, den ersten Achttausender zu bezwingen. Hat er das nach vielen Mühen erreicht, ist der Mensch glücklich. Aber schon greift er nach dem nächsten Ziel, den nächsten Achttausender zu besteigen. Ist das nicht ein deutlicher Hinweis darauf, dass er das vollkommene Glück nicht erreicht hat? Und was kommt, wenn er alle 14 Achttaussender bestiegen hat? Kommt dann die große Leere? Bei vielen Menschen kommt es tatsächlich zu dieser großen Leere, wenn alles, was ein durchschnittlicher Mensch so erstrebt wie Beruf, Familie, Auto, Haus erreicht ist. Da das so um die 40 herum der Fall ist, stellt sich bei vielen die große Krise in der Lebensmitte ein, die Midlife-Crisis. Zeigt das nicht, dass die Menschen sich viel zu wenig Gedanken darüber machen, was der eigentliche Grund ihres Strebens ist?

Um beim Bergsteigen zu bleiben: Es gibt so viele Berge, dass es immer wieder neue Ziele gibt. Gerade das Stecken von immer neuen Zielen zeigt aber, dass die vollkommene Erfüllung ausgeblieben ist.

Wenn eine Frau, die sich jahrelang damit herumgeschlagen hat, abzunehmen, nun tatsächlich es schafft, 40 kg abzunehmen, dann ist sie zwar kurz zufrieden, aber schon meldet sich der Wunsch, noch weiter abzunehmen, es wird ein neues Ziel gesteckt, und anstatt glücklich und zufrieden mit dem Erreichten zu sein, ist man erneut unzufrieden und leidet unter dem Zuviel an Gewicht, das man nun wieder durch die neu hinausgeschobene Grenze hat.

Oder ein Mensch strebt danach, finanziell abgesichert zu sein, was sich die meisten wohl wünschen und was ja durchaus vernünftig ist. Wie viel Geld einer glaubt, dazu zu brauchen, ist aber sehr verschieden. Für alle aber gilt, dass diese Grenze immer weiter hinausgeschoben wird. Hat einer das, was er ursprünglich erstrebt hat, erreicht, so steckt er sich weitere Ziele, die Ansprüche werden immer größer. Er ist nie mit dem Erreichten zufrieden. Hat er kein Auto, so sehnt er sich danach, ein kleines Auto zu haben und ist, wenn er es sich leisten kann, glücklich. Aber nach nicht allzu langer Zeit genügt ihm das kleine Auto nicht mehr, er sieht, wie andere Leute viel größere haben und möchte auch ein so großes Auto haben. So geht es mit den meisten Dingen: Hat er ein kleines Zimmer, so strebt er nach einer größeren Wohnung; hat er eine größere Wohnung, meldet sich nach einiger Zeit der Wunsch nach einem kleinen Häuschen. Und immer verspricht er sich davon, nun glücklicher zu sein als vorher.

Und ganz im hintersten Winkel seiner Seele nistet sich die Erkenntnis ein, dass das so sehr ersehnte Glück immer wieder zurückweicht. Er streckt sich danach aus, und glaubt er es in Händen zu halten, entwischt es ihm wieder. Irgendwo passiert es ganz heimlich und leise, dass man es aufgibt, diese ganz große Erfüllung zu erreichen, es tritt eine stille Verzweiflung ein.

Und kaum einer hält inne und überprüft sein Verhalten, vergleicht seine ursprüngliche Absicht mit dem neuen Streben, kaum einer fragt sich, worin der Sinn dieses Strebens liegt, sei es im Sport oder im Erwerb von Besitz.

geSUCHT und NICHT GEFUNDEN

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