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- auch in der Liebe

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Viele glauben an die große Liebe, obschon sich heute eine zunehmend kritische Einstellung breit macht und vielen schon klar ist, dass es diese große Liebe vielleicht gar nicht gibt und sie bei der Hochzeit schon Vorbereitungen treffen, wie die Angelegenheiten bei einer Scheidung geregelt werden sollen. Es hat sich doch langsam herum gesprochen, dass die große Liebe nur eine Vorgaukelung der Natur ist, um zu einem ganz banalen Zweck beizutragen, nämlich dass das Leben weiter gegeben wird. Trotz der kritischen Distanz vieler modernen jungen Menschen trägt wohl dennoch jeder die Sehnsucht nach der großen Liebe in sich. Was der Verstand weiß, interessiert das Herz nicht, das wird nirgendwo deutlicher sichtbar als in der Sehnsucht nach Liebe. Vom Verstand her kann man sehr wohl sehen, dass es nur in ganz seltenen Fällen Menschen gelingt, die große Liebe zu leben, und wenn man sich realistisch einschätzt, bleibt wenig Wahrscheinlichkeit, dass man zu den wenigen Glücklichen gehören wird. Aber das Herz glaubt ganz anders und die Sehnsucht richtet sich auf die große erfüllende Liebe, wie sie in vielen Romanen beschrieben wird, auch wenn so bedeutende Leute wie eine Brigit Bardot behaupten, dass spätestens nach drei Jahren die erotische Anziehung verblasst, weshalb sie einen so großen Verschleiß an Männern gehabt hat. Die große Liebe ist es, von der sich jeder Mensch die absolute Erfüllung erhofft, auch wenn er rings um sich das Zerbrechen der Beziehungen miterlebt oder selbst ein Kind ist, das die Trennung seiner Eltern schmerzlich erleben musste. Die Kraft, die einen zur Liebe treibt, ist genau so groß wie die Kraft, die Kinder an ihren Eltern hangen lässt, selbst wenn sie von ihnen misshandelt werden. Es ist die Kraft der Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit, Erfüllung, die sich auch durch die gegenteilige Erfahrung des konkreten Lebens lange Zeit nicht austilgen lässt. Erst wenn mit zuneh- mendem Lebensalter die Enttäuschungen überhand nehmen, dann verliert der Mensch allmählich den Glauben an die große Erfüllung.

Nirgends kommt in der Literatur die unerfüllte Sehnsucht besser zum Ausdruck als in S. Plaths Darstellung ihres Weihnachtserlebnisses: „Es war der Tag nach Weihnachten, und über uns hing ein grauer Himmel voller Schnee. Ich hatte mich überfressen und war benommen und enttäuscht, wie immer am Tag nach Weihnachten, weil all das, was die Tannenzweige und die Kerzen und die mit Silber- und Goldbändern verschnürten Päckchen und das Birkenholzfeuer und der Weihnachtstruthahn und die Lieder am Klavier versprachen, niemals wirklich eintraf.“ Sie erkennt ganz richtig, dass Weihnachten wie jedes große Fest, sei es Hochzeit, Geburtstag oder der erste Diskobesuch etwas versprechen, was sie nicht halten. Der Mensch verknüpft eine Erwartung daran, die immer enttäuscht wird.

Dreh- und Angelpunkt des Problems, das der Mensch mit sich selber hat, ist sein unendliches Verlangen, das nie zufrieden gestellt wird. Das macht ihn wütend und verzweifelt. Und diese innere Unzufriedenheit äußert sich in vielen Situationen; sie spielt in sein konkretes Leben und in seine Beziehungen hinein. Da kann es das beste Essen geben und er findet etwas daran auszusetzen, eine nette Gesellschaft kann beisammen sitzen und er findet Gründe, warum ihm viele der Anwesenden unangenehm sind. Er findet immer Ansatzpunkte in den äußeren Gegebenheiten, um seine innere Unzufriedenheit damit rechtfertigen zu können. Und kaum einer kommt auf die Idee, bei sich nachzusehen, ob nicht die Ursache in ihm liegt. Davor schützt ihn seine ichbezogene Überzeugung, dass es an ihm nicht liegen kann.

geSUCHT und NICHT GEFUNDEN

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