Читать книгу Das Alte Testament - Arik Brauer - Страница 6
VORWORT
ОглавлениеEines Tages stand meine 10-jährige Enkelin vor mir und verkündete feierlich: »Ich habe eine wichtige Frage! Was war eigentlich vor dem Urknall?«
Ich geriet natürlich in Panik, denn mir wurde klar, dass sich jetzt endgültig herausstellt, dass ich keineswegs allwissend bin. Mein Einwand, dass diese Frage niemand beantworten kann, wurde von der kleinen Philosophin in sachlichem Ton hinweggewischt, mit der Feststellung, dass Erwachsene eben auch dumm sind.
Bleiben wir also bei den bekannten alten Schilderungen, die zwar nur falsch sein können, da wir ja, wenn es sich um den Urknall handelt, tatsächlich dumm sind, aber die Bibel ist auf jeden Fall ein Jahrtausendkunstwerk von grandioser Poesie und zeitloser Weisheit.
Nehmen wir an, drei Menschen lesen das Alte Testament, ein Agnostiker, ein Religiöser und ein Tiefgläubiger. Der Agnostiker ist tief beeindruckt von der sprachlichen Gewalt und Poesie der Schrift. Ist er zufällig auch Künstler, verwendet er Figuren und Erzählungen, die ihn besonders beeindrucken, für sein Schaffen. Die moralischen Forderungen des Alten Testaments sind zum Teil Grundlage seiner Sozialisierung, aber zum Teil inakzeptabel für den Agnostiker der westlichen Kultur des 21. Jahrhunderts.
Der Religiöse glaubt prinzipiell an eine Gottheit, wie sie in der Schrift geschildert ist, kann aber mit der Schöpfungsgeschichte nichts anfangen. Er geht davon aus, dass die Bibel von Menschen geschrieben wurde, die von Gott inspiriert waren, aber vieles missverstanden, manches hinzugelogen haben. Die zahlreichen Widersprüche und Absurditäten in der Bibel werden von ihm als Ausschmückungen und Symbole für den Wissensstand der Menschen jener Zeit verstanden und nicht weiter hinterfragt. Wahrheiten, die für heute Gültigkeit haben, hält der Religiöse für die Worte einer überirdischen Schöpferkraft.
Für den Gläubigen gilt jedes Wort, das in der Bibel steht, als Gottes Wort. Absolute, unveränderliche, ewige Wahrheit. Daraus ergibt sich natürlich, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, die in Widerspruch zur Bibel stehen, nur falsch und das Werk eines Satans sein können. Konsequenterweise ist es dann die Pflicht des Gläubigen, diese totale und beglückende Wahrheit der gesamten Menschheit mitzuteilen und den Glauben an sie durchzusetzen, sei es durch gutes Beispiel und Überzeugungskraft, sei es durch den Scheiterhaufen und die Zwangsislamisierung mit dem Schwert.
Das Judentum hat die Basis für den Glauben an eine einzige und absolute Wahrheit geliefert, unterscheidet sich aber von den beiden anderen monotheistischen Religionen. Die Menschheit braucht nicht mosaisch zu werden. Zehn gerechte Juden genügen, um die Welt am Leben und Existieren zu erhalten. Und wenn alle Juden die göttlichen Gesetze (Mitzwot) wirklich erfüllen würden, wäre die Welt gerettet. Es gibt in der jüdischen Tradition das Talmud-Studium. Es ist eine gewaltige Wissenschaft, die jedes dieser »Worte Gottes« seit Jahrhunderten auf unterschiedliche Weise auslegt und versteht. Es ist dies ein äußerst kompliziertes Denksystem und wird von Gelehrten betrieben, die sich ihr Leben lang mit nichts anderem beschäftigen. Der durchschnittliche religiöse Jude braucht daher, um seiner Religion gerecht zu werden, einen Interpreten, der ihm für jedwede seiner Handlungen eine Verhaltensweise vorgibt. Es versteht sich, dass dieses System den Rabbinern Einfluss und Macht über die Gemeinde sichert.
Der Verfasser dieser Zusammenfassung des Alten Testaments versteht sich selbst als Agnostiker. Für mich ist die Bibel ein Jahrtausendkunstwerk, ein grandioses Zeugnis menschlicher Weisheit und menschlicher Irrtümer. Ich habe weder die Möglichkeit noch die Absicht, mich in die religionswissenschaftlichen Auslegungen der Bibel einzubringen. Diese Kurzfassung erzählt den Text so, wie er in der Bibel steht und von jedermann verstanden werden kann. Meine Kommentare und Reflexionen gehen von dem Allgemeinwissen und den moralischen Vorstellungen unserer Zeit aus.
Einen Gott, der außerhalb des Kosmos existiert und diesen erschafft, bin ich nicht imstande mir vorzustellen. Es ist auch nicht leicht sich vorzustellen, dass der Kosmos mit all seinen Erscheinungen ununterbrochen daran ist, sich selber zu erschaffen, nicht weil er das will, sondern weil er gar nicht anders kann. Aber nachdenken und träumen schadet nie. Der Urknall schafft Physik und Chemie. Diese schaffen aus Kristallen und Säuren Leben, dieses schafft Intelligenz und diese schafft Götter. Bis zu einem wirklichen Monotheismus hat es die Intelligenz offensichtlich noch nicht gebracht, denn es wimmelt ja in allen Religionen überall von Engeln, Cherubim und Heerscharen, lauter unsterbliche Wesen, also Nebengötter.
In der Bibel werden oft Wunder geschildert, Ereignisse, die im Widerspruch zu den uns bekannten Naturgesetzen stehen. Als Wunder kann man aber auch verstehen, dass ebendiese Naturgesetze Lebewesen hervorgebracht haben, die imstande sind, Wunder zu erfinden. Die oft krampfhaften Versuche, diese Wunder naturwissenschaftlich zu erklären, beschädigen die Wunder ebenso wie die Naturwissenschaft. Ich selbst habe mich manchmal ebenfalls dieser Sünde schuldig gemacht.