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Vier Monate keine Hausaufgaben – die Wittmann-Studie aus den 1960er Jahren

Der Versuch war revolutionär, die tiefe Skepsis zu erwarten. Vier Monate lang ließ der Mülheimer Erziehungswissenschaftler Bernhard Wittmann Schüler aus dritten und sechsten Klassen in Duisburg in zwei Fächern keine Hausaufgaben machen. Die eine Hälfte bekam das Hausaufgabenverbot in Mathematik, die andere im Fach Deutsch bei Aufgaben zur Rechtschreibung. Kein Wunder, dass sich während des Versuchs immer mal wieder besorgte Eltern bei den Klassenlehrern meldeten: Ob es denn wirklich sein könne, dass die Kinder schon seit Wochen keine Matheaufgaben mehr bekommen hätten?

Wittmann wollte mit seinem Versuch und den sich anschließenden Leistungstests überprüfen, wie viele Fortschritte Hausaufgaben beim Lernen tatsächlich bringen. Und er kam, nach Auswertung der Testaufgaben, zu einem eindeutigen Resultat: „Hausaufgaben besitzen keinen materialen Bildungswert“, stellte der Pädagoge fest, „Hausaufgaben bewirken keinen Zuwachs an Kenntnissen und Fertigkeiten bei den Schülern.”

Bernhard Wittmann konnte belegen, dass nach dem viermonatigen Versuch die Drittklässler ohne Rechtschreibaufgaben im Rechtschreiben nicht schlechter waren als die Schüler, die Deutschaufgaben erhalten hatte. Auch im Fach Mathematik gab es keine Leistungsunterschiede zwischen Klassen mit und ohne Rechenaufgaben.

Die Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse ohne Matheaufgaben zeigten sogar durchgängig bessere Leistungen als die Schüler, die Hausaufgaben im Rechnen hatten erledigen müssen; bei den Hausaufgaben zur Rechtschreibung jedoch waren zwei von drei Schulklassen mit Hausaufgaben besser als die Klassen ohne Hausaufgaben.

Dabei handelt es sich bei der Duisburger Schulstudie mitnichten um eine aktuelle Untersuchung. Bernhard Wittmann hatte seine Versuche zur Leistungssteigerung durch Hausaufgaben bereits 1958 durchgeführt und ein paar Jahre später als Buch veröffentlicht1, 1965 berichtete der „Spiegel“ unter dem Titel „Spielerische Entleerung“2 darüber. Aus heutiger Sicht, mit dem Abstand von mittlerweile 50 Jahren, klingen die seinerzeit vorgebrachten Argumente zum Sinn und Unsinn von Hausaufgaben beklemmend aktuell: Von Förderung und Stärkung der Schüler reden die Befürworter und preisen die Hausaufgaben gar als probates Mittel gegen Lehrermangel und zu viel Stoff im Curriculum; vor nervlicher und zeitlicher Überbeanspruchung der Schülerinnen und Schüler warnen dagegen die Hausaufgaben-Skeptiker, verweisen auf überforderte Eltern und kommen aus juristischer Sicht gar zu dem Schluss, dass Hausaufgaben den Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllen, weil sie außerhalb der Schule stattfinden und nicht unter den gesetzlichen Schulzwang fallen. Knapp fünf Jahrzehnte später – zur Bildungsmesse „didacta“ im Jahr 2013 – wird Elternvertreter Hans-Peter Vogeler vom Bundeselternrat feststellen: „Hausaufgaben sind Hausfriedensbruch. Überlegen Sie mal, wie viel Streit in eine Familie kommt durch Hausaufgaben, und wie das Zusammenleben beschädigt wird – dann wissen Sie, warum ich es pointiert Hausfriedensbruch nenne.“ Vogeler kommt allerdings zu einer insgesamt differenzierten Bewertung: „Wenn Hausaufgaben in einem Kontext sind, wenn sie eingebettet sind in Zusammenhänge und damit auch umgegangen wird und die Kinder auch erkennen, welchen Sinn es machen kann und wozu sie dienen können, dann kann man darüber reden.“

Doch zurück in die 1960er Jahre und zu Bernhard Wittmanns Studie mit Ruhrgebietsschülern. Zu der Untersuchung gehörten damals nämlich nicht nur die Leistungstests in Deutsch und Mathematik nach vier Monaten ohne Hausaufgaben, sondern auch eine Umfrage unter Eltern, Lehrern und Schülern zum Thema. Dabei bewerteten 96 Prozent der insgesamt 1567 befragten Schülerinnen und Schüler Hausaufgaben als „nötig“ und „nützlich“. Der Pädagoge allerdings hielt das für keine ehrliche Aussage: „Vater oder Mutter, aber auch die Lehrperson oder größere Geschwister sagen, Hausaufgaben seien notwendig“, so Wittmann, und dadurch würden die Kinder massiv beeinflusst, denn sie übernähmen „fast ausschließlich die Einstellung und Motivierung der Umgebung“. Doch den klaren wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz sollte es noch lange – sehr lange – dauern, bis die Debatte über den Sinn und Unsinn von Hausaufgaben wieder aufgenommen wurde.

Hausaufgaben ? Nein Danke!

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