Читать книгу Autoreisen durch Russland und damalige Sowjetrepubliken - Armin Hirsekorn - Страница 2
Vorwort
ОглавлениеWas hat uns wohl veranlasst, dieses Buch zu schreiben, 35 Jahre nach unseren Erlebnissen in der Sowjetunion und 25 Jahre nach der Wende? Es entstand vorwiegend aus unseren Notizen während der Autoreisen durch die Sowjetrepubliken, in den Jahren 1978 bis 1989. Wir haben knapp 40000 Kilometer, meist mit dem eigenen Auto, auf nahezu allen in diesen Jahren freigegebenen Touristenstrecken der Sowjetunion, zurückgelegt.
Viele Jahre waren wir unsicher, ob es sich lohnen würde, uns mit der späten Durchsicht der Notizen, Manuskripte und Bilder zu befassen, im Zweifel, ob diese Arbeit auch wirklich einen Sinn machen würde und wir im Alter den Antrieb aufbringen könnten, ein solches Vorhaben zu vollenden. Vor dem Aufwand scheuten wir fast ein halbes Jahrhundert. Wir wussten, ein E-Book mit dem Titel „Reisen in Russland, als Autotouristen in den damaligen Sowjetrepubliken“ würde nicht sehr viele Leser finden. Doch Renate und ich hatten während unserer Fahrten mit dem LADA so viele wunderbare Erlebnisse, so einmalige Begegnungen mit den Menschen, dass es uns reizte, sie aufzuschreiben und als E-Book herauszugeben.
Sehr viele DDR-Bürger besuchten die Sowjetunion als Gruppenreisende über Intourist oder im Freundschaftsaustausch der Betriebe. Doch wir erinnern uns gerne an die Fahrten durch die Weite des Landes, allein, ohne jede Begleitung, an die Exkursionen als Individualreisende, mit dem Reiseleiter von Intourist als Beifahrer im eigenen Fahrzeug.
Der ständige Konflikt von Unendlichkeit und Nähe begleitet uns ein Leben lang, die Sehnsucht nach der unbekannten Ferne, der bedrohenden Endlosigkeit und der gleichzeitige Wunsch nach Berührung, Wärme und Geborgenheit. Viele Menschen sind an diesem Konflikt zugrunde gegangen und ganze Staaten. Die DDR zerbrach an der Enge und den Mauern, die sie ihren Bürgern errichtete. Eine durch die Machthaber erzwungene Abschottung über Jahrhunderte, wie in China, über Jahrzehnte, wie in der Sowjetunion, ließ sich nie auf die Dauer halten. Das Fernweh und der Entdeckerdrang, eine dem menschlichen Wesen immanente Eigenschaft, ließ ihn die Mauern durchbrechen.
Immer wieder waren auch wir bei unseren Fahrten durch die unendliche Weite Russlands und der damaligen Sowjetrepubliken diesem Konflikt ausgesetzt. Unendliche Strecken legten wir zurück, die aneinandergereiht eine Erdumrundung ergeben würden, doch am Ende trieb es uns mit aller Macht nach Hause. Wir erinnern uns an einen Augenblick der Rückkehr, als wir im Oktober 1980 die Union über die Waldkarpaten verließen und Renate nachdenklich feststellte: „Gulliver mag sich so gefühlt haben, als er aus dem Land der Riesen ins Land der Zwerge kam!“
„Ja, du hast Recht! Die Berge werden kleiner, die Hügel verkümmern, die Steppen und Wälder verlieren ihre unendliche Ausdehnung, schmaler werden die Straßen und enger die Gassen, Felder schrumpfen wie Leinentücher nach einer heißen Wäsche!“
Etwas nachdenklich setzte Renate ihren Gedankengang fort: „Wie schwierig muss es doch sein, dieses riesige Land zu regieren und eine gehörige Ordnung darin durchzusetzen?“
Inzwischen sind unsere Erlebnisse - nach rund vierzig Jahren! - schon von historischer Bedeutung. Es war uns möglich, unbehindert die Grenzen der Sowjetrepubliken zu überschreiten, mit einer Ausnahme – beim Übergang von Georgien nach Armenien – ohne jeden Schlagbaum, ohne kriegerische Unruhen und Spannungen. In den Jahrzehnten seitdem wäre das nicht möglich gewesen und ist es immer noch nicht.
Was das Buch interessant macht, wäre in der DDR sicher nicht veröffentlicht worden. Es gab dafür mehrere Gründe: Die Reisen waren kontingentiert, nur möglich mit Antrag und Genehmigung der Betriebsgewerkschaftsleitung, - bei langwieriger und umständlicher Überprüfung der Personalien. Und es gab nur ein eng begrenztes Limit für Reisen der Autotouristik. Man war in der Sowjetunion sicher mehr an Besucher aus den Ländern des Westens und aus Japan interessiert. Auch war die Möglichkeit solcher Fahrten in der DDR fast unbekannt, da keine Werbung auf sie aufmerksam machte. Nicht zu vergessen sei auch eine gewisse Voreingenommenheit der breiten Bevölkerung gegen die unbequemen und mit einigem Risiko behafteten Fahrten als Individualtourist. Es gab die allgemein verbreitete - richtige, doch stark negativ interpretierte - Auffassung: „Da muss man ja nur vorgegebene Strecken fahren!“ Sicher führte auch die formale Übertreibung des Freundschaftsgedankens zur Sowjetunion zu einer gewissen Skepsis.
Heute jedoch erscheint es uns interessant, auf die alten Notizen zurückzugreifen. Das Interesse für Russland ist gewachsen. Es gibt viele Journalisten, die das Land bereisen und in den verschiedenen Medien über Russland berichten. So mag sich in der öffentlichen Wahrnehmung des russischen Volkes und seiner Geschichte einiges verändert haben.
Deshalb haben auch wir uns entschlossen, unsere Notizen und Bilder aufzubereiten und über unsere Autotouristikreisen in der ehemaligen Sowjetunion zu berichten. Wir überspannen mit unserem Buch, wenn auch nicht chronologisch, einen großen historischen Bogen von eineinhalb Jahrtausenden: von Rjurik, dem sagenhaften Begründer Nowgorods, über Iwan den Schrecklichen, der die Tartaren besiegte, bis zu Peter dem Ersten, Katharina der Großen, Napoleons Russlandfeldzug, und die Zeit vor und nach der Oktoberrevolution.
Die Fotos sind während unserer Fahrten als Diapositive aufgenommen worden, später wurden sie eingescannt und einer digitalen Bearbeitung unterzogen. Das macht ihre geringe Qualität im Vergleich zum Stand der heutigen Fotografie verständlich. Wegen ihres jeweils typischen Inhaltes haben wir uns entschlossen, auch einige weniger gute Aufnahmen in das Buch aufzunehmen.
Renate ist mit ihren Tagebuchnotizen, ihren Erinnerungen, Ideen, und mit der abschließenden Korrektur an diesem Buch beteiligt. So ist die Fassung des Buches vorwiegend aus der Sicht des Ich-Erzählers zu verstehen.