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PROLOG

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Der Vorhang öffnet sich. Auf dem Sessel in Weihrauch gehüllt thront der Bischof. Auf der untersten Stufe vor seinen Füßen sitzt Anna, ein junges Mädchen, mit einem Baby in den Armen.

DER BISCHOF

(zu Gott) Glotz mich nicht so an

Du sollst mich nicht anglotzen

Nicht anglotzen

Ich brauche Ruhe jetzt

Lass mich in Ruhe

Wie spät ist es

Die sind so lang

Diese feierlichen Messen

Ich ertrage so viel Musik nicht

Einen ganzen Chor haben sie bestellt

Diese Musik

Dieser Gestank

Die Leute schwitzen so wahnsinnig

Kein intelligentes Gesicht dabei

Alles Stumpfsinnige

Gesichtslose

Ein fürchterliches Gefühl

Schluss jetzt

Dienstag schreibe ich dem Papst

wegen Anna

(Der Bischof schaut von seinem Thron auf Anna mit dem Baby in den Armen herab. Sie senkt ihr Haupt. Er bekreuzt sie. Sie bekreuzigt sich auch. Dann hebt sie das Baby zu ihm hoch. Er malt ihm ein Kreuz auf die Stirn und flüstert ihr zu)

Dienstag

(Anna geht in die Knie. Der Bischof wiegt in einer Hand den Klingelbeutel, die andere legt er unbewusst an seinen Sack.)

Schwer

richtig schwer für eine Messe

(zu Gott) Hör auf zu glotzen

Du hast mir das eingeredet

Du

Ich habe nie dein Diener werden wollen

Du

hast mich gezwungen

Du hast es dir oben gemütlich eingerichtet

Und ich muss hier

(schüttelt den Klingelbeutel) dieses Gestinke hier

mit meinen eigenen Fingern

mit meinen Händen

mit meiner Haut

berühren

anfassen

nachzählen muss ich das

Jedes Mal

nachzählen

Bis zum Erbrechen

nachzählen

In diesem Gewand hier

sitzen

und nachzählen

Glotz mich nicht an

Du hast dir deine Gestalt selbst ausgesucht

Die Wahrheit ist, dass du dir deine Gestalt

selbst ausgesucht hast

während ich gezwungen worden bin

dieses Gewand

dieses Geld

dieses fruchtlose Sublimieren

Gezittert vor Ekel mein Lieber

Gezittert

(Pause)

Die ganze Zeit überlege ich mir

Soll ich das Ganze hinschmeißen oder

soll ich es nicht

Sie quälen mich diese Gedanken

ich bin schwach

schwach

gequält

unfähig

Handlungsunfähig

(zu Gott) Du hast mich ausgenutzt

Erlöser

Die ganze Zeit hast du mich ausgenutzt

Ich bin erschöpft

(Pause. Der Bischof schaut auf Anna mit dem Baby in den Armen herab.)

Was macht die Vernachlässigte

Sie betet

(zu Gott) Betet sie

Die ganze Zeit

hat sie gebetet

nur gebetet

Ich werde dem Papst schreiben

Dienstag

(zu Gott) Sie gehört mir

(Pause)

Du hast sie hierher zu mir geführt

aus ihrem Elternhaus, das sie verfluchte

durchnässt

erfroren

weinend

Ich habe sie

in meiner warmen Stube aufgenommen

sie gehört

Mir

die Anna

Hat sie geweint

laut

geschrien

Sie sollte

schreien

laut

Herr hilf mir

schreien

laut

Ich helfe ihr

so wie ich kann

(zu Gott) Ich kann nicht anders helfen als ich kann

Ich werd ihr helfen

So

Mich friert’s

ANNA

Gott

DER BISCHOF

Sie soll schreien

ANNA

Goott Allmächtiger

Gooott

DER BISCHOF

Sie klingt verängstigt

fürchtet sich

Das Kind ist noch so klein

sie zittert um das Kind

mein Kind

ANNA

Gooooooott

DER BISCHOF

Sie ruft nach dir

Dich ruft sie an

Mich hat sie nicht gerufen

Nicht einmal

ANNA

Gooooooooooooott

Der Bischof streckt seine Arme nach unten, nimmt das Kind an sich.

DER BISCHOF

Schön ist das Kind

ANNA

(nickt)

DER BISCHOF

Hast dich gefürchtet

um das Kind

ANNA

(schaut ihn erschrocken an, nickt)

DER BISCHOF

(zu Anna) Ich schreibe dem Papst

wegen dir

Am Dienstag

ANNA

(nickt)

DER BISCHOF

ob du hier bleiben darfst

bei mir

(wiegt den Klingelbeutel in der Hand)

Schön ist das Kind

ANNA

(nickt)

DER BISCHOF

Wie ekelt mich das an

das Geld

der Beutel

eklig

(schaut sie lange an)

Schön ist das Kind

(Eine tote Taube fällt von oben in Annas Schoß. Sie erschrickt, starrt die Taube an, ohne sich zu bewegen.)

Erkennst du ihn wieder

(Anna schüttelt den Kopf)

Das ist der Heilige Geist

(Anna schüttelt den Kopf)

Gott ist tot

(Anna schüttelt den Kopf)

Zieh dich aus

Los zieh dich aus

ANNA

(schüttelt den Kopf)

DER BISCHOF

(zu Anna) Ich will, dass du dich ausziehst

ANNA

(schüttelt heftig den Kopf)

DER BISCHOF

Ich kann keinen Widerstand ertragen

(greift Anna am Hals, dreht ihr Gesicht nach oben)

Da oben ist nichts

(für sich) Ich bin so aufgeregt

(nach einer Pause, zu Anna) War ich derjenige

der –

(zeigt auf das Kind) mit dem Geschenk

ANNA

(nickt)

DER BISCHOF

ist das von mir

ANNA

(nickt)

DER BISCHOF

bist nicht die Einzige

alle sündigen

Alle

Los

zieh dich aus

ausziehen

(Anna lässt ihren Überwurf runterfallen.)

Sie ist eine Hexe

Verführerin

Eine Hexe

Das Hexenkind

(Der Bischof wirft das Baby von sich.)

Der Teufel

Der Bischof steht umständlich vom Sessel auf, steigt mühsam die Treppen herunter, nimmt die Mitra ab, schleudert sie zur Seite, verlässt schnaufend den Raum. Anna stopft sich das Baby zurück in den „Bauch“ und setzt sich eine Krone mit zwölf Sternen auf den Kopf.

Das neue Jerusalem

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