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4. Bei Matthys Zuhause
ОглавлениеMATTHYS
Hast du in letzter Zeit etwas beobachtet, was anders war als sonst?
DIVARA
(unsicher) Nein.
MATTHYS
Ist dir nichts Außergewöhnliches aufgefallen?
DIVARA
Was meinst du damit?
MATTHYS
Sind die Tage nicht deutlich kürzer geworden?
DIVARA
Wir gehen auf die Sommersonnenwende zu, die Tage werden länger.
Matthys atmet schwer aus.
MATTHYS
Hat sich die Sonne in letzter Zeit nicht deutlich verfinstert?
DIVARA
Die Sonne ist wie immer. Sogar etwas strahlender. Seit van Leidens Ankunft.
MATTHYS
Ja, der Mann hat Charisma.
(Divara lacht laut auf.)
Nicht so laut!
DIVARA
Was ist mit dir? Holt dich deine Melancholie wieder ein?
MATTHYS
Wenn es nur das wäre.
(Matthys atmet schwer aus. Divara ist ungeduldig.)
Hast du heute Nacht den Himmel beobachtet?
DIVARA
Ja.
MATTHYS
Fielen übermäßig viele Sterne herunter?
DIVARA
Nein, sie waren kaum sichtbar, der Mond leuchtete zu grell.
MATTHYS
Er war also nicht unsichtbar?
DIVARA
Es ist Vollmond! Morgen ist Ostern.
MATTHYS
Das ist es, was mich zum Wahnsinn treibt! Ich habe das Wiederkommen Christi für Ostern vorausgesagt. Davor müssen aber die Kräfte des Himmels erschüttert werden. Dann erst erscheint das Zeichen des Menschensohnes am Himmel. Das alles ist bis jetzt nicht eingetroffen. Ich habe mich völlig verrechnen! Es ist noch viel zu früh dafür! Wir haben nicht mal das Neue Jerusalem eingerichtet – das ist aber die Voraussetzung für die Wiederkunft. Die Belagerung der Stadt durch die Bischofstruppen verhindert den Zulauf der Gläubigen aus Holland.
(Matthys reißt den Bühnenvorhang auf, schreit in die Menge) Wir sind viel zu wenig. Die Zahl der Auserwählten – die Gemeinde der Rechtgläubigen zum Neuen Jerusalem am Tag der Wiederkunft Christi ist festgelegt: 144 Tausend. Wie viele sind wir?
DIVARA
1400.
MATTHYS
Schluss jetzt! Meine Geduld ist am Ende! Hinweg mit den Kindern Esaus, das Erbe gehört den Söhnen Jakobs! Hinweg mit den Gottlosen, welche sich der Taufe verweigern! Sie sollen aus der Stadt hinausgejagt werden! Damit durch den Verkehr mit ihnen das Volk Gottes nicht bemäkelt werde! (Matthys zieht den Vorhang wieder zu.)
DIVARA
Du warst jetzt wirklich rasend.
MATTHYS
Ich überlasse es dir. Entweder du bekehrst sie, oder sie werden gnadenlos vertrieben. Ohne Hab und Gut. Samt Weibern und Kindern. Die Häuser der Gottlosen kriegen die Zugezogenen. Wir müssen uns rasch vermehren, damit die Wiederkunft Christi für nächstes Ostern vorbereitet ist. Sonst stehen wir wie völlige Vollpfosten da.
DIVARA
Wie soll ich die Gottlosen bekehren?
MATTHYS
Lass deine Reize spielen, was weiß ich! Ich nehme ein paar Männer mit und reite zum Bischofslager. Ich werde seine Landsknechte bekehren und der Belagerung der Stadt endlich ein Ende setzen!
DIVARA
Wie willst du das schaffen!
MATTHYS
Bereite den Heldenempfang! (Matthys ab. Kurz vorm Abgehen, Blick nach oben gerichtet) O, lieber Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst. (Matthys dreht sich zu Divara.) Gottes Friede sei mit euch allen! (Matthys ab.)