Читать книгу Der ermutigte Mensch - Arnold Mettnitzer - Страница 9
Der Mensch als Resonanzwesen
ОглавлениеMit dem Wort Resonanz ist auch die Beziehungsfähigkeit des Menschen zur Welt vom ersten Augenblick seiner Zeugung im Mutterleib bis zu seinem letzten Atemzug gemeint. Der Mensch als „Resonanzwesen par excellence“ könnte auf sich alleingestellt nicht leben. Sein Dasein hat im Resonanzraum mit seiner Mutter im Mutterleib begonnen. Dort hat er ihren Pulsschlag gehört und gefühlt, wurde von ihrem Blutkreislauf durchströmt und konnte gar nicht anders als im gegenseitigen Reagieren die Wärme und das Strömen spüren, den Austausch, der ihm gezeigt hat, dass zu seinem Wesen, zu seiner Existenz das „Umschwebtsein“ gehört. Deshalb ist der Mensch von seiner Urerfahrung her gesehen nicht bloß Lebewesen, sondern vielmehr zunächst einmal im Urozean des Mutterleibes ein „Schwebewesen“10, dort getragen, beschützt und geborgen.
Seither hat er diese Erfahrung unauslöschlich in sich gespeichert und kann nicht vergessen, wie gut es tut, geschützt und geborgen zu sein, sich fallen zu lassen, getragen zu werden. Das Besondere an dieser ersten Weise des In-der-Welt-Seins ist sein In-der-Mutter-Sein, wo das Resonanzverhältnis zwischen Mutter und Kind zunächst in einer untrennbaren, bipolaren Einheit existiert. Diese erste und damit konstitutive Resonanzerfahrung hat im unaufhörlichen plazentavermittelten Blutaustausch zwischen Mutter und Kind stattgefunden. Von dieser untrennbaren Einheit von Mutter und Kind heißt es im jüdischen Mythos, dass der Embryo im Mutterleib noch um das All Bescheid wüsste, in der Geburt es dann vergesse.11 Eine innigere Art und Weise des Miteinanders ist nicht vorstellbar, auch nicht, dass sich im Lauf der Zeit daraus zwei getrennt voneinander lebende Individuen entwickeln werden.
Die zweite konstitutive Resonanzerfahrung betrifft die psychoakustische Initiation des Fötus in die mutterleibliche Klangwelt. Alles, was die Mutter hört und bewegt, hört und bewegt auch den Fötus. Das erste im Mutterleib voll ausgebildete Sinnesorgan des Embryos ist das Ohr, aber schon vor dessen Ausbildung ist ihm das Hören als ein In-Mitschwingung-versetzt-Werden im Mutterleib gegeben.12