Читать книгу Die kühne Fahrt der "Deutschland" - Artur Brehmer - Страница 7
Das Handels-U-Boot.
ОглавлениеIdeen liegen immer in der Luft. Und so war es kein Wunder, dass dem und dass jenem der Gedanke durch den Kopf gegangen war:
Wie wäre es, wenn . . . Wie wäre es, wenn mal ein Unterseeboot die Blockade der Engländer nicht in seiner Eigenschaft als Kriegsschiff bräche, sondern als Handelsboot mit Waren, und uns Nahrungsmittel und Gott weiß was alles mitbrächte.
Denn bei Ideen ist es immer das Merkwürdige, das sie ganz unklar sind.
So konnte man wirklich diesen Gedanken in Tausenden von Gesprächen begegnen. Aber die Idee wurde verlacht und als absurd erklärt.
Nicht nur von Laien, sondern auch von Fachleuten, die sich einbildeten, etwas davon zu verstehen.
Und doch war die Idee keineswegs neu.
Schon John Holland, der berühmte Erbauer der amerikanischen Unterseeboote, hatte daraufhin gewiesen, dass der Wert des U-Bootes keineswegs nur auf seinem Kriegswerte beruhe. Im Gegenteil. „Ich bin fest überzeugt“, schrieb er 1898, „dass ich es erleben werde, dass wir sehr bald neue Unterseeboots-Schiffahrtslinien haben werden, die ausschließlich dem Handel und dem Verkehr dienen werden. In zehn Jahren, wenn nicht schon eher, werden wir als erste sicherlich die U-Boots-Linie haben, die über den Kanal führt. Sie ist kurz, aber wichtig. Kein Nebel und keine Stürme werden die Schiffahrt mehr behindern, und die Passagiere werden den großen Schrecken der See die Seekrankheit, nicht mehr kennen lernen. Die Tauchschiffe werden besonders luxuriös ausgestattet sein und tausend Annehmlichkeiten bieten. Die Frachträume werden mit Waren beladen sein, und der Verkehr wird sich ohne jede Kollisionsgefahr abspielen. Die Schiffe auf der Linie von Dover nach Calais werden eben die bestimmte Tiefe von 20 Metern und die auf der Linie Calais—Dover die von 40 Metern einhalten.“
Und auch auf die sich von selbst ergebende Frage, ob er auch an das Zustandekommen und die Rentabilität längerer Linien glaube, gab er eine bejahende Antwort.
„Ja, ganz gewiss. In England werden die Unterseeboote von Hafen zu Hafen fahren. Mit Norwegen wird England unter dem Meere verbunden sein, und mit den nordfranzösischen Häfen wird sich ein reger Verkehr anbahnen. Ebenso werden wir holländisch englische Unterseebootslinien haben. Am bedeutendsten aber wird sich der intraamerikanische Unterseebootsverkehr als Handelsverkehr entwickeln, weil die absolute Sicherheit für ihn sprechen wird. Nur einen regelmäßigen subozeanischen halte ich für ausgeschlossen, obwohl ich fest überzeugt bin, dass einzelne Schiffe sehr bald den Weg unter dem Meere auch über den Ozean finden werden.“
In fast allem hat Holland sich geirrt. Trotzdem aber hatten auch seine Worte einen prophetischen Wert, denn — wenn auch nicht nach zehn Jahren — so ist das Handels-U-Boot doch da, und sein Dasein ist eine Großtat ohnegleichen.
Deutschland hat da bahnbrechend gewirkt und den Beginn einer neuen Schiffahrtsepoche durch eine der kühnsten Leistungen, die die Geschichte der Welt bisher kennt, glanz- und wundervoll eingeleitet.
„Not macht erfinderisch“, sagt das gute, alte Sprichwort, das sich auch diesmal bewährt hat, denn nur die große Not, in die England das Deutsche Reich hatte stürzen wollen, war die Gebärerin des großen Gedankens, die große, durch den Krieg tausendfach abenteuerliche und gefahrreiche Fahrt nach dem 4000 Seemeilen weiten amerikanischen Gestade zu wagen!
Merkwürdigerweise zeigte sich auch hier das Doppelauftreten der Ereignisse und Gedanken. Denn während in Bremen Männer wie Lohmann, Heineken, Stapelfeldt und andere beisammensaßen und über die Ausführbarkeit des Gedankens, der eine geschäftliche Notwendigkeit war, nachsannen und das Für und Wider in Zahlen kleideten, saßen auch in Essen bei Krupp die maßgebenden Faktoren und zeichneten, entwarfen, verwarfen und zeichneten wieder und — berechneten auch. Aber sie mehr die Maße, Gewicht, Länge, Tiefgang, Breite, Wasserverdrängung, Tragfähigkeit und was alles dazu gehört. Und dann kam der denkwürdige Tag, an dem Alfred Lohmann, der bekannte Bremer Großkaufmann und wohl der großzügigste unter allen, mit seinem Projekte, das fix und fertig war und dessen Zahlen nach Ausführung schrien, nach Essen fuhr und Herrn von Krupp-Halbach seinen Plan auseinander setzte.
Da lächelte dieser und drückte auf einen elektrischen Knopf und sagte: „Ach, bringen Sie mir doch die Pläne zu unserem Ozean-Tauchboot, Herr Lohmann interessiert sich dafür.“
Das war am 14. Oktober 1915!
Auch der Kaiser wurde natürlich von dem grandiosen Plane, der jetzt aus dem Stadium der Pläne in das der Wirklichkeit trat, verständigt, und zeigte sich hier die große Begeisterungsfähigkeit, die ihn für alles Neue, was Deutschlands Ruhm gilt, von jeher erfüllt hat.
Die Kieler Werft „Germania“, die den U-Boot-Bau zu der erstaunlichen Höhe gebracht hat, die der Schrecken der Feinde geworden ist, übernahm auch den Bau des neuen großen Handels-U-Bootes, des ersten Untersee-Handels-Bootes der Welt!
Bald ging das Boot auf den Stapel und der Nimbus eines großen Geheimnisses umgab diesen Bau, Nichts sickerte durch. Nur die feindlichen Blätter meldeten von einem neuen Unterseebootstyp, den Deutschland jetzt baue, und fabelten von ungeheuren Größen und ungeheuren Geschwindigkeiten und einem ganzen Arsenal von Lancierrohren und Torpedos, die die neuen Ungetüme in ihrem Schiffsbauche bargen. Denn an ein friedliches U-Boot dachte dort niemand. Wer hat denn Zeit und Sinn, mitten im Kriege an Werke und Träume des Friedens zu denken?!
Und indessen wurde auf der Werft gehämmert, gebaut und genietet, und das herrliche Boot nahm Gestalt an und wurde vom köstlichen Traume zur stolzen, eisernen Tat.
65 Fuß lang lag’s auf dem Stapel, in seiner breitesten Breite nicht ganz 9 Meter. Und 800 Tonnen Tragfähigkeit
Sechs Monate dauerte die Arbeit, an der nur Männer teilnahmen, die des Mannes größte Eigenschaft ihr Eigen nannten: das Schweigen können. Vor wenigen Eingeweihten, die leuchtenden Auges und klopfenden Herzens dastanden, fand der Stapellauf statt. Mutig glitt das Schiff in die Flut . . . das große Werk war gelungen und stumm schüttelten sich die Männer, diese großen Verschworenen des Geistes, die Hände, und manch eine schwielige Hand bekam auch ihren Händedruck mit.
Im Wasser machte dann das Schiff seine große Toilette und wartete dem Tage entgegen, an dem es seine Jungfernfahrt machen konnte, an deren Gelingen niemand mehr zweifelte.
Das Geheimnis aber blieb noch immer gewahrt und blieb es noch lange, und als holländische Blätter Mitte April 1916 meldeten, Deutschland baue eine Handelsflotte von Booten, die unter der See fahren, da erntete diese Presse nur Spott.
„Am 5. Juli soll das erste Boot fahren“, hieß es.
Die Holländer und Skandinavier finden die Sache sehr möglich. Die Amerikaner erklärten sie sogar für wahrscheinlich und studierten selbst das Problem, das ihnen vom geschäftlichen Standpunkte imponierte. Ja, die Folge davon war, dass Hunderte von Patenten angemeldet wurden, die sich auf den Bau von Handels-Tauchbooten bezogen. In jedem Falle befreundeten sich die drüben mit dem Gedanken, und das Für und das Wider wurde auch in der Fachpresse ernsthaft besprochen. Die Möglichkeit bestritt keiner, denn der Amerikaner kennt das Wort Unmöglichkeit nicht.
Die englischen Blätter aber fielen darüber her und wunderten sich, dass ernste Menschen so etwas Glauben schenken und so was verbreiten konnten. Das war ja der platteste Unsinn, den man seinen Lesern auftischen konnte, und die Fachleute von hüben und drüben, die Engländer und Franzosen und Amerikaner, rechneten aus, wie unmöglich die Sache sei, die „Daily Mail“ aber erklärte: „Den Deutschen ist alles zuzutrauen, und wenn sie Selbstmord begehen wollen, warum sollen wir sie daran hindern?, und wenn sie sich mit dem Fluche der Lächerlichkeit behaften wollen, warum sollten wir uns ins Mittel legen? Lasst sie doch, sie wissen ja nie, was sie tun!“ Und mit einem Male war es von dem Handels-U-Boote still. Kein Mensch sprach davon. Kein Mensch glaubte daran. Wozu auch? Man hatte mit dem Kriege, weiß Gott, gerade genug zu tun.