Читать книгу Lache Bajazzo - Artur Landsberger - Страница 4

Erstes Buch
Erster Teil
Viertes Kapitel

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Mein lieber, guter und besorgter Carli, deine Briefe und Telegramme sind sämtlich bei mir angekommen und wir haben uns sehr damit gefreut, indem nämlich auch Lori immer eine große Freude hat mit dem, was du schreibst, als sie damit dann bei Werner, weil der nicht so viel sich um sie kümmern kann, Vergleiche macht, wo du dann immer besonders gut abschneidest. Gestern war ich mit Lori nach dem Pferderennen, wofür uns Werner eine Loge gegeben und auch sein Auto überlassen hat. Die Pferde interessieren mich sehr – du! weißt du, der Duden is ne feine Sache! das Briefschreiben dauert zwar dadurch verflucht lange, aber man macht keine Fehler, lernt was und wird nicht ausgelacht – also die Pferde! ja, siehst du, da war unter den Offizieren, die Lori kannte, Mensch, kennt die eine Masse Männer! ein Graf Hech, nu denke dir, der will mir das reiten beibringen, du das kost nichts, nur so, weißt du, weils ihm Freude macht, sagt er. Morgen gehts an. Die Pforten ist tücksch auf mich, aber ich tu als wenn ichs garnicht merke, weil die Leute abends mehr zu mir als zu ihr hinsehen und dann habe ich gestern den reichen Peter, na du weißt doch, Werners Freund, der sie aushält und der das mit seinen Vater hat, wovon er in eine Tour reden tut, ich kenne das nun schon so auswendig wie als deine »Helena«, die ich schon souflieren könnte – also nicht wahr, wegen dem Reiten, ach nein, das war ja schon, also den reichen Peter habe ich doch so aus’m Handgelenk die Helena in der dritten Szene des zweiten Aktes vorgemacht, der Geheimrat war auch da, der ist überhaupt meist da, weil er sagt, daß ihn die Entwicklung einer jungen Künstlerin als Mäcen interessiert, dabei sieht er mehr auf meine Beine als er achtet, was ich sage, also der reiche Peter fand, daß bei geschlossenen Augen man nicht unterscheiden könne, ob die Estella oder ich das sei, das hat sie gefuchst, na, der hat nachher bekommen als ich mit dem alten Geheimrat auf der Treppe war, da hat’s was gesetzt. Wir haben natürlich auf der Flurtür gestanden und gehorcht: »die dumme Gans«, hat sie auf mir gescholten, »morgen setz ich sie an die Luft« – Aber sie braucht mich für ihre Toiletten, da ich dafür was weg habe, wie sie meint, so daß gestern beim Tee ins Esplanade von dem, der die Elegante Welt heraus gibt, einer zu uns an den Tisch kam und den Grafen bat, mich in dem neuen Frühjahrskostüm bei sich aufzunehmen, in dem Blatt natürlich, wozu der Graf denn auch ja gesagt hat. Wegen des Tanzabends in dem Beethovensaal zankt sich der alte Brand mit der Sello, und er sagt, daß sie mich nur um Reklame für ihre Schule jetzt schon herausstellen will, das wäre aber ein Fehler, da das noch nicht so weit sei! Weil du doch willst, daß ich dir über alles berichte, so mußt du die langen Seiten über dich ergehen lassen. Wegen Reitkleid und Massage und den Büchern für die deutsche Stunde und der Pariserin – also so ein Schwindel, denn die is übrigens garnicht aus Paris, was ich per Zufall rausgekriegt habe, sondern vielmehr aus einem Neste stammt, das Wimmereux heißt und ein Bad sein soll, wo am Meere ist, mußt du mir wieder was schicken, was du ja gern tust. Schreibe immer so zärtlich auch schon um Werner und Lori, ich bins dann auch. Aber denn mußt du kommen, ich hab immer so fieles vor und kann nicht so viel Zeit an dich denken. Du fragst, ob ich auch tue was du tust und die Tage bis daß du hier bist, zähle – ach Carl! das dumme zählen, ich kenne mich doch garnicht aus. Wenn ich nun schon Bühne und tanze und Reiten und das viele Sprechen und schreiben lerne und mich doch auch noch anziehen muß, dann laß mich doch noch erst nicht zählen. Aber darum komme, es ist ja bald und zähle du nur darum auch ruhig weiter, ich freue mich auch auf das reiten und viele Küsse, wie du so schön schreibst, daß ich nämlich immer lebendig oder so ähnlich – Lori hat den Brief von wegen Werner – vor deinem geistigen Auge stehe und daß du mit allen deinen Gefühlen bei mir bist; das wünscht dir auch von Herzen dein kleines Vögelchen.

*

Mein Lieber! Nun, wo ich mit Werner bei dem Otto war, mag ich dich noch viel mehr leiden, da du mich da hast rausgezogen. Das ist doch nichts, wenn es auch bequemer ist und man nicht immer braucht bei allem zu überlegen, ob es so auch ist, wie es sein muß, womit zum Beispiel die Frau Geheimrat aufsteht und schlafen geht. Aber erst mal von Otto! Na, das war ’n Theater! erst ist er aufgebraust und dann nachher war er so klein und hat gesagt, wenns denn nicht anders is, denn sollten wir doch wenigstens gute Freunde sein, dazwischen aber, bis es dazu hin kam, krachte es man immer so mit gemeinen Redensarten, von denen du auch nicht verschont bliebst. Gewaltsmensch! hat die Geheimrätin immerzu gesagt, da ich nämlich bei ihr war nachher und ihr alles erzählt habe. Aber sie liebt Gewaltsmenschen, sagt sie und will den Otto kennen lernen. Du, am Ende macht der auch noch sein Glück, denn sie scheint sehr reich zu sein. Also der Otto war ordinär, sag ich dir! aber glaube janich, daß du seinetwegen brauchst in Unruhe zu geraten. Otto war Otto, heute ist Otto Carl. Wenn du aber nicht willst, daß ich deine Briefe weitergebe, so laß ich’s. Ich dachte nur, warum soll man dem andern keine Freude machen, wenns nichts kostet. Da fällt mir ein, schick doch dem Geheimrat 500 Mark. Er hat’s auf der Wäscheausstattung für mich bezahlt. Weißt du, daß der was wek hat! Also Hemden haben wir ausgesucht, du, die zerfließen einem zwischen den Fingern. Er wollte sie mir zum Geschenk machen. Aber Estella, die mit dem reichen Peter mit uns war, sagte, das ginge nicht, weil es doch Hemden sein und wegen dir. Na, denn nich. Obschon ich nicht begreife, was da soll bei sein, wenn ich für dich spare; der hat’s ja. Du, weißt du, was ich möchte, daß Estella mal recht krank wäre und ich die Helena für sie spiele; du, ich könnts! Mit dem Grafen is nichts; was soll denn sein? Also du schenkst mir das Pferd. Am meisten Mühe gebe ich mir ja bei Estella, wenn ich doch auch erst so weit wäre! Aber amüsieren tue ich mich doch mehr bei der Frau Geheimrat. Du, seit Ihr komisch! Wenn Otton mal einer zuwider war, denn ging er ihm ausn Weg oder er suchte Streit mit ihm zu bekommen und dann gings drauf wie Blücher, und hinterher da war ihm noch mal so leicht, auch wenns Brüschen gab. Und Ihr ladet euch sone Leute extra ein und macht mit ihnen, wenn sie da sind, großen Schmus und setzt ihnen das beste Essen und die teuersten Weine vor; und wenn sie dann mit ihren vollen Bäuchen gehen wollen, bittet Ihr sie womöglich noch, zu bleiben. Sind sie dann aber endlich fort, dann schimpft ihr hinter ihnen her. Wenn ihr noch was von ihnen wolltet. Ich würde alle Abende bei dem glotzäugigen Direktor sitzen, so eklich er ist, wenn er mich einmal die Helena spielen ließe. Aber nur, weil jemand, wie die alte Geheimrat sagt, gesellschaftlich ne erste Nummer is? – ne, dazu wär ich nich zu haben. Nimms nich krum Carli, aber ich geh nu nich mehr alle Abende in die Helena, die kotzt mich nachgrade an, ich meine die Estella, das weiß ich ja nu, wie die’s macht! die schmeiß ich glatt, wenn ich mal für sie raus komme. Aber die Routine kuck ich ihr ab, da kannst du dich drauf verlassen. Na und denn is das auch kein Publikum mehr, das jetzt rein geht. Das mit den Blumen alle Tage ist lieb von dir. Erst hatte ich den Geheimrat in Verdacht. Du, der will mir ein Ballet schreiben lassen, er war bei Lori und ich mußte ihm vortanzen, und er meinte, das wäre für ihn sehr leicht, da er das könnte, mich berühmt zu machen. Aber ich will doch zur Bühne. Das ist doch klar, daß wenn du kommst, ich mich freue, du mußt mir doch helfen, und ich muß weiter, denn immer nur lernen, dazu tut mans doch nicht. Also denn komm nur, du warst ja nun auch lange genug fort. Und überrasche mich (hier führte der Brief auf die nächste Seite) mit der Stola aber kein Bruch, sondern Zobel, weißt du, so mit weißen Fädchen, wie ’n Estella vom reichen Peter hat. Dann bin ich auch immer dein Vögelchen.

*

Als Carl die Briefe las, sagte er sich zwar, daß er ja nie auf Agnes’ Worte geachtet hatte, daß es vielmehr ausschließlich der Zauber ihrer Person gewesen war, der ihn gefangen hatte. Und doch suchte er jetzt einen Zusammenhang zwischen diesen Briefen mit dem Menschen herzustellen. Denn gerade weil jedes Wort, das in diesen Briefen stand, echt und ursprünglich und ohne jede Rücksicht auf die Wirkung geschrieben war, so glaubte er, danach den Menschen werten zu können. Und da geschah’s dann, daß das Bild für Augenblicke an Glanz verlor, nüchterner Ueberlegung wich und ihn Cläre beipflichten ließ, die seine Leidenschaft einen Rausch nannte, der das Bewußtsein ausschloß. Dann war ihm, als wenn er es körperlich fühlte, wie die Glut nachließ und sein Gemüt allmählich wieder zur Ruhe kam. Und doch wußte er nicht, ob er sich dies Nachlassen eines Gefühls, das ihn beglückte, wünschen sollte, so stark auch in ihm der Wille war, Cläre nicht zu kränken. Aber das erkannte er aus der Unsicherheit seines Gefühls, daß die Leidenschaft zu Agnes nicht unerschütterlich und der Gesinnung, die ihn zu Cläre zog, zum mindesten nicht überlegen war. Und so war es denn auch ehrlich, wenn er jetzt, im Begriffe, nach Berlin zu fahren, zu Cläre beim Abschied sagte:

»Ich glaube, es wird bald vorüber sein.«

Cläre sah ihn freundlich an und nickte.

»Schieb die Reise noch acht Tage hinaus, Carl! dann hast du’s hinter dir.«

Carl stutzte.

»Meinst du?« fragte er fast ängstlich – und erwog. Und gerade weil er die Ansicht Cläres teilte, so schüttelte er den Kopf und sagte:

»Es geht nicht!«

Cläre stand noch lange und sah dem Zuge nach. Dann holte sie tief Atem, sagte:

»Schade!« schüttelte den Kopf und trat den Heimweg an.

*

»Also, liebes Kind,« sagte Frau Geheimrat, »Sie sind ein entzückendes Geschöpf, ich sage es Ihnen alle Tage, aber worauf es letzten Endes ankommt, das haben Sie noch immer nicht erfaßt.«

»Möglich,« erwiderte Agnes, »aber schließlich ist das auch gar nicht nötig, und es geht auch ohne das.«

»Aber nein, Kind! Sie haben nicht nur die Aussicht, eine berühmte Künstlerin zu werden, sondern sind auch prädestiniert, in der Gesellschaft zu glänzen.«

»Worauf ich pfeife!«

Die Frau Geheimrat schüttelte den Kopf.

»Unverbesserlich!« sagte sie.

»Möglich! wenigstens in der Beziehung! Ich bin, wie ich bin! Da läßt sich nichts machen. Ich kann nur tun, was mir Spaß macht. Herrschen will ich und eine Rolle spielen; die Gesellschaft, das ist für mich so, was für euch das Theater is.«

»Und wenn man Ihnen dieses Theater eines Tages verbietet, dann wird’s Ihnen fehlen.«

»Pah!« rief Agnes. »Soviel hab ich raus: is man erst ’ne Nummer, dann kann man sich manches erlauben.«

»Gewiß! Aber immer nur, wenn man bei allem, was man tut, den Takt wahrt.«

»Was is das?«

Die Frau Geheimrat zog die Schultern hoch:

»Das läßt sich schwer sagen. Takt ist, was man hat.«

»Ne,« sagte Agnes und schüttelte den Kopf, »das versteh ich nicht.«

»Also zum Beispiel, daß man keine Geschmacklosigkeiten begeht, nicht anstößt.«

»Hm, hm,« sagte Agnes. »Ich beginne zu begreifen,« und führte den Zeigefinger an die Stirn.

»Was meinen Sie?« fragte Frau Geheimrat.

»Na – zum Beispiel: Otto.«

Die Frau Geheimrat erschrak und sah zur Tür.

»Allerdings!« sagte sie empört. »Es ist taktlos und geschmacklos, den Namen hier im Salon, wo einen jeder hören kann, so laut zu nennen.«

»Hm,« sagte Agnes. »Aber sonst . . . nicht wahr?« und zog eine Schnute.

»Sonst geht’s niemanden was an! Hauptsache, daß niemand dabei kompromittiert wird.«

»Kompromittieren, das heißt ja wohl lächerlich machen?«

»Sehr richtig!« bestätigte die Frau Geheimrat. »Die Rücksicht hat man vor allem auf seine Nächsten zu nehmen.«

»Dann hätten also in erster Linie Sie auf den Geheimrat . . .«

»Selbstverständlich.«

»Na – und e— er?«

»Er ebenso auf mich! Das versteht sich.«

Agnes überlegte:

»Ja, und die Gesellschaft?«

»Auf die natürlich auch. Sie hat ein Recht darauf, zu verlangen, daß alles, was geschieht, in einer Form geschieht, die keinen Skandal verursacht.«

»Also kommt’s mehr auf das Wie als auf das Was an?« fragte Agnes.

»Bravo, Kind!« rief die Frau Geheimrat. »Sie beginnen zu begreifen.«

»Ich bin doch nich auf den Kopf gefallen.«

»So wissen Sie’s nun also?«

»Natürlich: Takt is nicht, wie Sie sagen, was man hat; das versteht kein Schw . . .« Sie hielt sich schnell die Hand vor den Mund und sagte: »O Gott, das durfte nicht kommen.«

»Also was ist Takt?« fragte die Alte.

»Takt is, raffiniert sein und sich nicht erwischen lassen.«

»Wenn man Sie so sieht, Agnes, glaubt man, eine kleine Prinzessin vor sich zu haben.«

»Das ist doch schön.«

»Gewiß! Wenn man aber hinhört, was Sie sagen, dann läuft’s einem kalt über den Rücken.«

»Auf deutsch: Gänsehaut! Im übrigen, wir haben doch eben festgestellt: was ist Nebensache; das wie entscheidet.«

»Eben die Art, in der Sie die unmöglichsten Dinge, die jeden anderen gesellschaftlich unmöglich machen würden, vorbringen, ist so reizend, daß man es Ihnen durchgehen läßt.«

»Das ist doch fein,« sagte Agnes. »Bin ich froh! Da brauch’ ich mich also gar nicht so in acht zu nehmen.«

»Doch! doch!« widersprach die Alte eifrig. »Vergessen Sie nicht, daß Sie eigentlich überhaupt gesellschaftlich gar nicht qualifiziert sind . . .«

»Was heißt denn das nu wieder?« fragte Agnes.

»Da Sie weder eine verheiratete Frau noch ein junges Mädchen sind.«

»Nanu!« rief Agnes und besah sich von oben bis unten, sprang auf und trat vor den Spiegel. »Wie nennen Sie denn das?«

»Außenseiter!« sagte Frau Geheimrat und betrachtete Agnes durch die Lorgnette. »Klassifiziert lediglich durch die Ausnahmestellung des Besitzers.«

»Na,« erwiderte Agnes, »bisher hat man sich auf Gesellschaften mehr um mich gekümmert als mir lieb war.«

»Verdientermaßen!« sagte Frau Geheimrat.

»Also!«

Die Alte nahm ihre Hand:

»Kind! ich mein’s ja gut mit Ihnen! Darum sind Sie der einzige Mensch, dem ich die Wahrheit sage. Sie müssen eins wissen: die Position haben Sie nur durch Ihr Verhältnis zu Holten. Zieht der sich von Ihnen zurück, so sind Sie erledigt. Selbst ich kann Sie dann nicht halten.«

»Und meine Karriere?« fragte Agnes ängstlich.

»Kein Mensch wird sich mehr für Sie interessieren.«

»Großer Gott!« rief sie, »dann hätte ich ihm ja öfters schreiben müssen!« Sie zog die Stirn in Falten und dachte nach. »Und anders vor allem.«

»Was haben Sie ihm geschrieben? Etwa die Wahrheit? Was Sie alles mitmachen und erleben?«

»Ja!« platzte Agnes laut heraus. »Buchstäblich – ohne jeden Schmus.«

»Sehr dumm!« sagte die Alte. »Aber hoffentlich doch zärtlich und verliebt.«

Agnes verzog den Mund und schüttelte den Kopf.

»Das ist fatal! Nun, hoffentlich hat sich seine Liebe noch nicht abgekühlt. Seien Sie doppelt zärtlich, wenn er jetzt kommt, und vor allem: Kein Brief mehr ohne mich! Das will verstanden sein!« Sie reichte ihr die Hand. Agnes schlug ein. »Wir beide wollen zusammenhalten!«

Agnes machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Hätte ich daran nur früher gedacht!« sagte sie vor sich hin. »Wenn’s nur nicht schon zu spät ist.«

»Noch eins!« sagte die Frau Geheimrat, »und zwar was sehr Wichtiges. Wenn Sie mit Carl heut abend bei uns sind, darf kein Mensch merken, daß ihr zusammengehört.«

Agnes stutzte und sah sie an, als wenn sie überlegte, wer von ihnen beiden nicht ganz bei Sinnen war.

»Wie? Was?« fragte sie und suchte sich das Gespräch der letzten Minuten ins Gedächtnis zu rufen: Meine Position beruht auf meinem Verhältnis zu Carl; endet das, so ist sie erschüttert. Also – was sagte die Frau Geheimrat doch eben? Kein Mensch darf merken, daß ihr zusammengehört!

»Brrrr!« sagte sie und schlug sich mit der Faust vor die Stirn.

»Natürlich! natürlich!« rief die Alte. »Im übrigen: es weiß ja so ein jeder.«

»Na, dann schadt’s doch gewiß nichts!«

»Kind! Kind! Sie lernen es nie!«

»Das scheint mir auch,« sagte Agnes.

»Und ich prophezeie Ihnen: wenn Sie noch so hoch steigen und das nicht lernen, dann kommt eines Tages die große Katastrophe.«

Der Geheimrat trat ins Zimmer.

Agnes lehnte sich, obschon sie mit ihren Gedanken wo anders schien und sich ihr alles im Kopfe drehte, in den Sessel zurück und schlug die Beine übereinander.

Der Geheimrat begrüßte sie und setzte sich ihr gegenüber.

»Dann bleibt mir am Ende nichts anderes übrig, als ihn zu heiraten,« sagte Agnes und verzog den Mund.

»Wenn Sie das fertig brächten!« sagte die Frau Geheimrat strahlend. »Hören Sie, das wäre das große Los!«

»Und eine große Last,« erwiderte Agnes. »Wenn ich denke, immer um ihn – und immer dasselbe – und dann, ich weiß kaum mehr: wie sieht er denn aus?« Sie senkte den Kopf und dachte nach. »Grau! grau! grau! Das weiß ich bestimmt. Und dann so bombastisch! Wißt ihr, so feierlich! Aber das gewöhn’ ich ihm ab! Das ertrag’ ich nicht.«

Die Frau Geheimrat stand auf und trat vor sie hin.

»Vor allem, Agnes, versprechen Sie mir eins: reden Sie mit niemandem darüber, bevor die Verlobung perfekt ist. Glauben Sie mir, die Menschen sind zu schlecht. Man darf heutzutage niemand trauen. Das muß einschlagen wie eine Bombe! Und wissen Sie wo? Hier bei mir! Ich lade Sie ein wie immer. Ganz ahnungslos müssen alle sein, und dann – ich denke mir so zwischen dem eingeschobenen Gang und dem Geflügel – muß mein Mann aufstehen, ans Glas klopfen und die Verlobung verkünden. Das gibt eine Sensation; das war noch nicht da! – Nicht wahr, Leo?« wandte sie sich an ihren Mann, der dasaß und kein Auge von Agnes ließ.

»Gewiß!« erwiderte der Geheimrat und hob langsam den Kopf. »Nur gibt’s da noch ein kleines Hindernis zu überwinden.«

»Wieso?« fragten beide.

»Nun, Carl Holten ist, so viel ich weiß, seit zwanzig Jahren verheiratet – und führt, wie man sagt, eine sehr glückliche Ehe.«

Da der Gesichtsausdruck beider Frauen unverändert blieb, so wußte man nicht, ob sie diesen, nach des Geheimrats Ansicht erschwerenden Umstand bereits kannten oder eben zum ersten Male davon erfuhren.

»Dann, liebe Agnes,« sagte die Alte, »erfordert die Durchführung Takt und Delikatesse, um die Moral auf unserer Seite zu haben.«

»Ich verlasse mich dabei ganz auf Sie,« erwiderte Agnes.

Der Diener trat ein und meldete:

»Herr Doktor Carl Holten.«

»Allmächtiger!« fuhr Agnes entsetzt auf, »daran habe ich ja ganz vergessen!«

»Sehr peinlich!« sagte Frau Geheimrat.

»Ich sollte ihn ja um sechs Uhr von der Bahn abholen.«

»Das erscheint mir allerdings auch nicht als der Weg zur Ehe,« sagte der Geheimrat und erhob sich.

»Und dabei wollte ich so zärtlich zu ihm sein!«

»Was macht man da?« fragte die Alte ganz nervös und hielt sich die Stirn.

»Ich weiß schon!« sagte Agnes und warf sich Carl, der ernst ins Zimmer trat, an den Hals:

»Mein Carli! Liebster! Ist das eine Ueberraschung!« Carl sah fragend und erstaunt die Frau Geheimrat an

»Gott sei Dank! Gut daß Sie da sind, lieber Holten!« rief die. »Die Agnes hat uns mit ihrer Sehnsucht schon alle mit krank gemacht. – Komm Leo!« Und sie nahm ihren Mann bei der Hand und ging mit ihm aus dem Zimmer.

Lache Bajazzo

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