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DIE KUTTER DER REEDEREI AAEN

Die DAGMAR AAEN war der dritte Kutter in Folge, den Mouritz Aaen 1931 bauen ließ. Gefertigt wurden alle seine Kutter auf der N. P. Jensen Werft in Esbjerg, die als eine der renommiertesten und besten Werften galt. 1914 durch den Schiffbaumeister N. P. Jensen gegründet, liefen in den folgenden 64 Jahren durchschnittlich zwei Nordseekutter pro Jahr vom Stapel. Erst 1978 wurde der Betrieb geschlossen.


Dagmar und Mouritz Aaen mit einer ihrer Töchter. Die Aaens bildeten eine Dynastie in Esbjerg und waren weit über die Stadtgrenzen hinweg bekannt.


Die DAGMAR AAEN kurz vor dem Stapellauf. Sie erhielt die Fischereinummer E für Esbjerg und die Nummer 510. Diese behielt sie bis zum Schluss bei. Hier ist sie auf einer ihrer ersten Fangreisen.

Mouritz Aaen galt in Esbjerger Kreisen als geschäftstüchtiger und erfolgreicher Unternehmer. Ein Mann wie ein Baum, durchsetzungsfähig, ruppig im Umgang, kompromisslos – ein Sklaventreiber einerseits, aber auch der Patriarch, der sich um seine Fischer kümmerte, wenn sie in Not gerieten. Seine Kutter wurden ausschließlich aus den besten Materialien gebaut, für die damalige Zeit nach modernsten Richtlinien ausgestattet und galten demzufolge als herausragend, außerordentlich robust und seetüchtig. Ein Umstand, der sich bis zum heutigen Tag bewahrheitet hat. Nun, der Mann konnte sich das leisten. Wenn andere schon längst den Hafen ansteuerten, konnten seine Kutter noch auf See bleiben. Entsprechend hoch waren die Erträge; Quotenregelungen und Fangbegrenzungen waren in jener Zeit noch Fremdworte. Man fing so viel und so lange wie man konnte und kehrte erst in den Hafen zurück, wenn keine Makrele oder Scholle mehr in den Laderaum passte. Von diesen Kuttern ließ Mouritz Aaen nacheinander vier Stück bauen. Die ersten zwei Kutter benannte er nach seinen Töchtern Gudrun und Ebba, den dritten Kutter taufte er auf den Namen seiner Frau: Dagmar. Nur den letzten und größten Kutter taufte er ein wenig zurückhaltend, aber doch stolz auf M. AAEN. Zeitgleich besaß er noch die etwa baugleichen Kutter AJAX, LUNA und AMI OYPE. Von der Größe her lag die DAGMAR AAEN im Vergleich zu anderen Kuttern im oberen Bereich. Einige Kutter waren noch ein wenig größer, aber insgesamt entsprach diese Schiffsgröße dem Paradebeispiel eines hochseetüchtigen Fischkutters. Die stürmische Nordsee erforderte eine gewisse Schiffsgröße.


Da Mouritz ein erfolgreicher Unternehmer war, verfügte er über das nötige Kleingeld, um sich ausgesuchte und qualitativ hochwertige Materialien zu leisten. An seinen Kuttern wurde niemals gespart. Mouritz Aaen wachte persönlich über den Bau und die Wartung seiner Kutterflotte, diskutierte mit den Bootsbauern anhand von Halbmodellen Spantformen und ahndete jede noch so kleine Schlamperei oder Nachlässigkeit mit unvergleichlichen Wutausbrüchen. In gewisser Weise war Mouritz Aaen seelenverwandt mit dem deutschen Segelschiffreeder Ferdinand Laeisz, der in die Dienstanweisungen seiner Kapitäne geschrieben hatte: »Meine Schiffe können und sollen schnelle Reisen machen …« Damit drückte er aus, dass seine Flotte bezüglich Seetüchtigkeit und die Qualität der Ausrüstung über jeden Zweifel erhaben war. Jetzt kam es auf die Besatzung an, mit dem anvertrauten Schiff das Beste daraus zu machen. Ähnlich verhielt sich Mouritz Aaen. Er übergab seinen Besatzungen einen optimal gewarteten und ausgerüsteten Kutter – und erwartete im Gegenzug, dass jeder einzelne aus der Mannschaft ein Höchstmaß an Einsatz und Arbeitswillen an den Tag legte. War dieses Verhältnis in der Balance, zeigte Mouritz Aaen sich als gutmütiger Patriarch, der sich um die Belange seiner Mannschaften kümmerte. Scherte einer aus, so hatte er ein für alle Mal verspielt. Eine zweite Chance räumte der Reeder dem Betreffenden nicht ein.

Am 16. April 1931 wurde die Bauurkunde der DAGMAR AAEN ausgestellt, was als Übergabetermin und als Geburtsstunde des Kutters verstanden wird. Am 20. April erfolgte die Schiffsbesichtigung und Abnahme durch das Statens Skibstilsyn, sozusagen den dänischen Schiffs-TÜV. Die DAGMAR AAEN verfügte von Anfang an über einen Motor, einen Einzylinder Glühkopfdiesel der Marke Lysekil mit ca. 60 PS. Zudem besaß sie ein Ruderhaus sowie eine kleine Ketschtakelung, also zwei in diesem Fall sehr kurze Masten. Dafür gab es zwei Gründe: Einerseits wurden durch die Segel die Rollbewegungen des Kutters in den Wellen gedämpft, andererseits waren die Schiffsantriebe damals noch nicht so zuverlässig, als dass man auf die Möglichkeit, Segel einzusetzen, gänzlich verzichten wollte. Das Ruderhaus stand auf dem sogenannten Ruff«, dem Maschinenraumaufbau, worunter sich wiederum der Maschinenraum befand. Mittschiffs, durch wasserdichte Schotten abgetrennt, war der Fischraum. Über ihm befanden sich Eisdeckel im Deck, durch die das für die Konservierung der Fische benötigte Eis geschaufelt wurde. Ganz vorn befand sich das Logis mit Pantry und vier Kojen. Diese Anordnung war auf allen dänischen Kuttern gleich. Die Navigationsausrüstung bestand aus Kompass, Seekarten, Parallellineal, Zirkel, zwei Wachuhren und einem Handlot. Das war’s! Funkgeräte, Seenotsignale oder Navigationshilfen gab es für die Kutter damals nicht. Auch deshalb wurde so viel Wert auf die Seetüchtigkeit der Kutter gelegt. Die Nordsee vergibt keine Nachlässigkeiten. Stets waren es die schwachen und schlecht gewarteten Kutter, die nach einem schweren Sturm auf See blieben. Die bisweilen heftigen Stürme generieren eine steile und hohe, teilweise brechende See, der die Kutter gewachsen sein mussten. Wie Niels Bach schreibt:

»Allein im Oktober 1936 sind 40 Esbjerger Fischer mit ihren Kuttern auf See geblieben. Durch die Stürme fand eine unerbittliche Sortierung statt: Es waren die alten, schwachen Fahrzeuge, die nicht mehr den Hafen erreichten. Die Aaen-Kutter gehörten kraft ihrer hohen baulichen Qualität, ihres geringen Alters und der makellosen Instandhaltung zu den Elite-Kuttern.«


Ein frühes Foto der DAGMAR, noch mit dem ersten, kleinen Ruderhaus. Selbst Eisgang hielt die Fischer nicht davon ab, auf Fangreise in die Nordsee zu fahren.



Die N. P. Jensen Werft, auf der die meisten Aaen-Kutter gebaut wurden. In späteren Jahren brannte sie leider ab.

Das Tilsynsbog, sozusagen das Checkheft der DAGMAR AAEN, gibt Auskunft über die sorgfältige Instandhaltung. Bis zu dreimal pro Jahr wurde sie geslippt und neu gemalt. 1937, 1943 und 1955 wurde das Deck neu verlegt. 1942 erhielt sie einen neuen Motor der Marke Tuxham mit 75 PS. Dieser Motor hat sogar noch seinen Dienst versehen, als ich das Schiff 1988 von Niels Bach übernommen habe.

Die Entstehungsgeschichte der Haikutter finde ich deshalb wichtig und interessant, da sie vor Augen führt, wie viel empirische Werte und Know-how in den Bau dieser Kutter geflossen sind. Es sind keine sterilen und ausgereizten Reißbrettkonstruktionen, sondern gelebte Konstruktionen. In die Entwicklung waren die Schicksale sowie die Erfahrungen unzähliger Fischer und Bootsbauer eingeflossen. Nichts wurde hier dem Zufall überlassen – das wäre viel zu gefährlich und existenzbedrohend gewesen.

Diese Historie und die Umstände, unter denen die DAGMAR AAEN entstanden ist, hatten mich Ende der 80er-Jahre zusammen mit einigen Gleichgesinnten bewogen, nach eben einem solchen Schiff Ausschau zu halten. Mein Herz schlug schon immer für diese robusten Holzschiffe. Aber als ich ein Schiff für meine geplanten Polarexpeditionen suchte, durfte ich mich nicht von nostalgischen oder emotionalen Empfindungen lenken lassen. Ich brauchte ein robustes, seetüchtiges, eisgängiges und gutmütiges Schiff. Auf Schnelligkeit und Wendigkeit, auf optimale Am-Wind-Segeleigenschaften wollte ich gern verzichten. Wir hatten uns in England Schiffe angeschaut, in Holland und natürlich in deutschen Häfen. Es war nichts Geeignetes dabei. Entweder waren die angebotenen Schiffe für uns unerschwinglich, oder aber sie befanden sich in einem »kompostierbaren«, weil weitgehend verrotteten Zustand. Als ich die DAGMAR AAEN das erste Mal in Flensburg in Augenschein nahm, wusste ich intuitiv, dass ich genau das gefunden hatte, was ich suchte – auch wenn es noch ein langer Weg war, bis sie zu dem Schiff wurde, das mir damals vor meinem geistigen Auge vorschwebte.

Ein Schiff, das lang gehegte Träume in Reichweite rücken ließ, das mich aber auch so sehr in seinen Bann gezogen hatte, dass ich wie ein verliebter Gockel auf der Pier auf und ab lief, um ja jeden Blickwinkel auf die formschöne Diva zu erhaschen. Die DAGMAR AAEN hatte mich längst in ihren Besitz genommen – lange bevor ich sie von Niels formell übernommen hatte. Ich hatte es zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht bemerkt.

Die Hoffnungen und Erwartungen aber, die ich in das Schiff gesteckt habe, hat es in den zurückliegenden 33 Jahren mehr als erfüllt. Die Haikutter sind – wenn sie gut gewartet werden – wirklich so gut wie ihr Ruf. Die DAGMAR AAEN ist der Beweis dafür.

„AAEN“ - Hajkutter

Heute existieren nur noch die EBBA AAEN und eben die DAGMAR AAEN. Die GUDRUN AAEN ist vor Bornholm gesunken, das Schicksal der anderen Schiffe ist unbekannt.


E 278 AJAX NBFT-OYLF


E 507 LUNA NHQC-OWQQ


E508 GUDRUN AAEN NHTF-OWKI


E509 EBBA AAEN NJGT-OWEY


E510 DAGMAR AAEN NJKC-OWEB


E520 AMI OYPE

Hajkutter-Flåde ejet af entreprnør Christian Mourits Jensen Aaen, Esbjerg (1884-1975)

Hajkutter-Flotte im Besitz von Entrepreneur Christian Mourits Jensen Aaen, Esbjerg (1884-1975)


E524 M AAEN OYSJ

Die Aaen-Flotte. Die Schiffe waren stets bestens gepflegt und ausgerüstet.

Durch Sturm und Eis

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