Читать книгу Der Schutzgeist - August von Kotzebue - Страница 5
ОглавлениеDas Vorspiel.
(Die Straße nach Pavia, an derselben ein Grabmal. Auf einer Bahre liegt der tote Guido. Der alte Vater steht vor ihm mit gefalteten Händen, wehmütig den Leichnam betrachtend.)
Astulf.
Gehab dich wohl mein schöner Traum!
Die herrliche Blüte — sie ist gefallen!
Entwurzelt steht der alte Baum —
Mir soll kein Kind den Vaternahmen lallen!
Sind es doch fünfzehn Jahre kaum,
Noch tönt der Ruf in meine Ohren:
Astulf! dir ist ein Knabe geboren!
Da fühlt' ich plötzlich in Mark und Bein
Die Glut der Freude strömend ergossen —
Ich sah der Mutter Haupt umflossen
Von einem milden Heilgenschein —
Ich sah vertilgt auf blassen Wangen
Die Schmerzens-Spur — mit Himmels-Lust
Hielt sie den Knaben lächelnd umfangen,
Und drückt' ihn lächelnd an ihre Brust!
Und als er sich lebendig regte,
Und als im rötenden Morgenstrahl,
Die Mutter das Kind zum ersten Mal
Auf meine Vaterarme legte —
Da wurde mir das Herz so groß!
Da lebt' ich stolz in diesem Sohne!
Und nicht um eine Königskrone
Vertauscht' ich meiner Armut Los!
Die Erdennot sie war verschwunden,
Verschwunden die enge Gegenwart
Und alle des Lebens Feierstunden
Mir für die Zukunft aufgespart — —
Sie ist gekommen im schwülen Gewitter —
Ein Blitz durchzuckte den jungen Baum —
Mein Kelch ist leer — die Hefe bitter! —
Gehab dich wohl mein schöner Traum!
Die Mutter (wankt heran mit einem Korbe voll Blumen.)
Hier bring ich Blumen zur letzten Weihe,
Gepflückt von bebender Mutterhand —
Betaut mit Tränen — Nimm sie und streue
Sie auf der Lieb' entseeltes Pfand!
Astulf. (den Leichnam mit Blumen bestreuend.)
Mir bricht das Herz indem ich scheide
Von meines Alters Hoffnungsstab!
Eugenia.
Mit ists gebrochen! jede Freude —
Fällt mit den Blumen in dies Grab?
Astulf.
Noch gestern in schöner Jugendfülle,
Der Eltern Hoffnung — Freude — Trost—
Eugenia.
Und heute nur eine kalte Hülle,
Erstarrt in ew'gem Todesfrost!
Astulf.
Du wirst nicht mehr die Stirn mir kühlen
Am heißen Tag auf lechzender Flur!
Eugenia.
Wirst nicht mehr um die Mutter spielen,
Du Kind der Unschuld und Natur!
Astulf.
Genug! — wir segnen den schlummernden Knaben,
Wir scheiden von ihm mit nassem Blick —
Lass unsern Toten uns begraben —
Dem Staube geben wir Staub zurück.
Eugenia.
O lass, eh mich die Tränen ersticken,
Nur einmal noch der Trennung Kuss
Auf die erblassten Lippen drücken!
O gönne mir den letzten Genuss!
(sie wirft sich auf den Leichnam.)
Astulf.
Was auch ein trauernd Vaterherz empfinde,
Die ihn geboren nagt ein and'rer Schmerz;
Denn von dem heißgeliebten Kinde
Reißt auch der Tod kein Mutterherz!
Eugenia (auffahrend und zurückbebend.)
Er lebt!
Astulf.
Verwirrt der Gram ihre Sinne?
Eugenia.
Des Lebens Wärme hab' ich verspürt —
Astulf.
Hinweg du quälende Täuschung! zerrinne!
Eugenia.
Dein Atem hat mich sanft berührt —
Astulf.
Lass dein Gebet den eitlen Wahn zerstreuen.
Eugenia.
Woher der Schauder, der mich durchbebt?
Ists nicht mein Kind? was darf ich scheuen?
Ich bin seine Mutter! er lebt! er lebt!
(sie wirft sich wieder auf ihn.)
Astulf. (hinzutretend und bittend)
Eugenia! — — Ihr himmlischen Mächte!
Täuscht mich die gaukelnde Hoffnung nicht?
Gott! Gott! du gehest mit deinem Knechte
In ein erbarmendes Gericht!
Eugenia.
Aus dem erstarrten Busen windet
Ein leiser Atem sich herauf —
Astulf.
Des Todes bleiche Farbe schwindet —
Eugenia.
Er lächelt —
Astulf.
Er seufzt —
Eugenia.
Er schlägt die Augen auf;
Beide stürzen auf ihre Knie.
Wir beugen uns vor dir im Staube!
Wir jauchzen und preisen dich für und für!
Beschämt empfängt der schwache Glaube
Der Allmache Wunder-Geschenk von Dir!
Guido (die Arme gen Himmel breitend)
Gott! ich gehorche.
Eugenia.
Wir haben dich wieder?
Astulf.
An jener Eiche traf dich ein Blitz.
Guido (ohne auf sie zu achten)
Auf Strahlen deines Lichts schwebt' ich hernieder
Und nahm von diesem Leichnam still Besitz.
Astulf.
Guido besinne dich, du bist genesen.
Eugenia.
Warum entziehst du dich der Mutter Kuss?
Guido.
Ihr seid auf Erden Guidos Eltern gewesen,
Ich kenn' Euch wohl. Empfangt des Sohnes Gruß.
Astulf.
Du lebst! wir leben im erwachten Sohne!
Eugenia.
Durch dich so plötzlich arm, und wieder reich!
Guido.
Ja, Euer Guido lebt vor Gottes Throne,
Doch ich — was hab' ich zu schaffen mit Euch?
Astulf.
Seltsame Rede —
Eugenia.
Heimlich Grauen
Befällt mich dieser Schmuck — so fremd —
Das Silber mit dem Ätherblaue
So flimmernd gemischt, war nicht sein Totenhemd
Astulf.
Und diese Gestalt — wie so erhaben —
In seinem Auge ein strahlend Licht!
Eugenia.
Sind das die Blicke des scheuen Knaben?
Nein das ist Guidos fromme Einfalt nicht!
Guido.
Wo sich der Allmacht Wunder offenbaren,
Die keines Sterblichen Zunge lallt;
Wo ew'ger Lobgesang der Engelscharen
Aus einem Lichtmeer wiederhallt,
Stand ich vor Gott, als Eurem Erdenstaube
Die Seele Guidos sich entwand.
Und keiner Unschuld kindlich frommer Glaube
Am Thron des Richters Gnade fand.
Doch kaum ist ihm das Urteil zugewogen.
Als fernes Stöhnen die Wolken zerreißt —
Und sieh' es schwebt herauf am Sternenbogen
Ein bleicher, Wehe rufender Geist!
Es ist Lothar, der Lombardei Gebieter,
Den weder Tugend, seiner Krone Zier,
Noch die gezückten Waffen treuer Hüter
Geschützt vor Mord und Herrschbegier.
Auf Erden blüht ihm eine schöne Blume,
Ein Weib, hienieden schon verklärt,
In dem die Nachwelt einst zu Gottes Ruhme
Die heil'ge Adelheid verehrt.
Doch jeder Willkür, jeder Schmach zum Raube
Erbebt sie jetzt im Lasterschlund!
In Geyers Krallen eine weiße Taube,
Die edle Königstochter von Burgund.
Und ihre Seufzer stiegen aus der matten,
Von Angst gequälten Brust empor,
Und schmiegten sich an das Gebet des Gatten,
Und drangen zu des Richters Ohr.
Da winkte Gott — ich lauschte seinem Winke,
Vernahm in Demut das Gebot:
„Hinab zu der entweihten Erde sinke,
„Wo Unschuld weint, Gewalt ihr droht;
„Beseele dort den Körper dieses Knaben,
„Den noch der Eltern Schmerz umgibt;
„Sie mögen an dem Himmels-Trost sich laben:
„Er ist nun mein, den sie geliebt.
„Du aber, zu der edlen Fürstin eilend
„Sei du ihr Schutzgeist in der kalten Welt,
„Bis einem höherem Geist', auf Erden weilend,
„Sie mein Verhängnis zugesellt.
„Nur mit beschränkter Macht sollst du vollziehen,
„Gleich Sterblichen, was Hilfe schafft;
„Doch sei der Täuschung Gabe dir verliehen
„Und des Gebetes Wunderkraft,
„Bis du bekämpft des Lasters freche Hyder, —
„Dann löse sich das lockre Erdenband,
„Und schwinge dich mit luftigem Gefieder
„Herauf zu mir!” — Er sprachs — ich schwand.
Im Nu durchflattert' ich die Himmelsräume
Mich senkend in die Erden-Nacht
Hinab ins düstre Land der schwülen Träume —
Und Euer Guido ist erwacht.
Astulf und Eugenia (die ihm staunend zugehört, jetzt scheu zurückweichend.)
Nicht unser Guido —
Guido.
Doch! denn keine Schranke
Trennt Geister — wo ist hoch? wo tief?
Was lebt und webt ist doch nur Ein Gedanke
Der Allmacht, die das Werde rief.
Schaut über Euch auf zahllos funkelnde Sterne,
Aus ihrem Kreis scheint ihr gebannt,
Und doch, in unermesslich weiter Ferne
Sind durch das Licht sie Euch verwandt.
Im All nichts fremdes wo das Licht erscheinet,
Von ihm umflossen, nichts getrennt;
Im ew'gen Lichte wir Alle vereinet,
Licht ist der Geister Element!
Drum nenne mich Sohn, ich will dich Mutter nennen;
(zu Astulf.)
Dich Vater begrüßen nach Erdenbrauch,
Bis wir uns dort am Thron des Lichts erkennen
Als Eines Geistes einz'gen Hauch.
Eugenia.
O Guido! sei mir Sohn — nicht Engel!
Sei wieder in kindlicher Einfalt mein!
Was kümmern die Mutter des Kindes Mängel?
Sie will nur lieben — geliebt nur sein!
Astulf.
Lass ihn! wer mag ins Dunkel dringen,
Wenn die geweihte Lippe spricht? —
Berufen ist er zu hohen Dingen,
Mög' er mit Gott das Göttliche vollbringen!
Wir scheiden von ihm und murren nicht.
Wächst doch leicht wieder die Weidenrute,
Vom Stamme gelöst, für sich allein;
Und ob des Stammes Wunde blute,
Wird es dem Däumchen kümmernd sein? —
So lösen sich auch vom Vaterherzen,
Vom Mutterbusen die Kinder ab.
Das Schicksal spart der Trennung Schmerzen
Den Eltern nicht bis an das Grab!
In der Erinnerung kaltem Lohne
Ruft eng beschränkt des Alters Glück;
Der Eltern Blicke folgen dem Sohne,
Doch vorwärts nur schweift Sohnes Blick. —
Drum ziehe hin! das ist die Straße,
Die nach Pavia führt — Leb wohl!
Bald ruhen die Herzen unter dem Grase,
Die jetzt noch seufzen: Lebe wohl!
Guido.
Ja, nach Pavia fühl' ich mich gezogen!
Es trotzt mein freier Geist des Körpers Haft,
Und in des Erdenlebens blutige Wogen
Stürz' ich hinab mit rettender Himmelskraft!
Dort fordert einst, hoch über dem Sternenbogen,
Der mich gesandt die hohe Rechenschaft!
Dann werf' ich von mir die entlehnte Hülle
Und stammle: Herr! es ist vollbracht dein Wille!
(Er eilt fort. Astulf und Eugenia mit ausgebreiteten Armen ihm nach, doch als sie den Fliehenden nicht erreichen können, sinken beide auf ihre Knie und heben ihre Hände segnend empor!)
Der Vorhang fällt.