Читать книгу Der Schutzgeist - August von Kotzebue - Страница 7
ОглавлениеZweite Szene.
Adelheid., Azzo.
Adelheid.
Herr Markgraf, wie? auch Ihr wollt mich verlassen?
Hier, wo mein Fuß den Rand des Abgrunds streift,
Muss ich den letzten Freund mit Angst umfassen!
Den letzten — fühlt, wie mich das Wort ergreift!
Azzo.
Ja, Euer Freund, ich bin's und werd' es bleiben;
Weiß Gott ich bleib's! Nah oder fern, gleichviel.
Adelheid.
Was kann Euch plötzlich aus Pavia treiben?
Azzo.
Frau Königin, die Luft ist mir zu schwül.
Ich könnte Vorwand in Geschäften suchen,
Doch hab ich nie Verstellungskunst erborgt;
Ich möchte unbelauscht dem Schicksal fluchen —
Wer darf das hier, wo jede Mauer horcht?
Ich bin ein freier, stolzer Mann geboren.
Darin ist Freiheit der Gesundheit gleich:
Erkannt wird erst ihr Wert, wenn sie verloren,
Und arm ist nur, der glücklich war und reich.
Seit Herrschgier uns den milden König raubte,
Ist Sklaverei uns auf die Stirn geprägt,
Da Berengar auf fluchbelad'nem Haupte
Die alte Krone der Lombarden trägt.
Ich mag nicht länger sehen, wie geschändet
Ihn das Geschmeiß umkriecht, den Fuß ihm leckt,
Und, wenn er die geraubten Schätze spendet,
Wie Jeder dann die Hände gierig streckt.
Ich mag nicht länger hören laut gepriesen
Verhöhntes Recht und Missbrauch der Gewalt;
Ich will mich fest in meine Burg verschließen
Auf dass mein eigner Seufzer dort verhallt.
Wenn in der Brust die letzte Kraft verglommen,
Entwichen ist der Freiheit Genius,
Dann gute Nacht! dann ist die Zeit gekommen,
Wo sich der Redliche verbergen muss.
Adelheid.
Ihr geht — ich tadl' es nicht — doch ich, der Frauen
Unglücklichste! ich bleib allein zurück!
Mir öffnet sich kein Busen mit Vertrauen,
Kein Auge schenkt mir einen nassen Blick!
Wo darf hinfort des Jammers Träne rinnen,
Wenn mir der letzte Freund Lothars entwich?
Denn wisst, auch meine treuen Dienerinnen,
Mir aus Burgund gefolgt, verlassen mich!
Noch heute, noch in dieser bangen Stunde,
Trennt des Tyrannen Wille sie von mir,
Und ich mit meiner tiefen Herzens-Wunde
Steh' unter Fremden eine Fremde hier!
Azzo.
Ha! wie? er wagt — ?
Adelheid.
Was darf der Mann nicht wagen,
Der mit des Glückes bunter Wimpel schifft?
Er hat das Grässlichste gewagt! — muss ich noch sagen,
Wie mein Gemahl — ?
Azzo.
Ich weiß — er starb an Gift.
Adelheid.
An Gift! in seines Lebens Jugendfülle!
Man log, er sei durch Zauberei verdorrt;
Allein die Flecken der entseelten Hülle
Verrieten deutlich den verfluchten Mord.
Der Undankbare! dem mein edler Gatte
Ein warnender Freund, ein rettender Engel war,
Als König Hugo schon beschlossen hatte,
Sich zu befrei'n von diesem Berengar;
Der ihm den Pass gezeigt in den Gebirgen,
Dass er nach Deutschland unverfolgt entwich;
Den konnt' er nun mit kaltem Blute würgen!
Und täglich mordet seine Hand auch mich!
Azzo.
So flieht und suchet Schutz im Vaterlande,
Wo Euch die Mutter-Arme offen stehn?
Adelheid.
Gewahrt Ihr nicht, dass mich zum Unterpfande
Von seiner Macht der Wüterich ausersehn?
Mich liebt das Volk, das weiß er — meine Güter —
Sie haben schnöde Habsucht angefacht —
Darum bewachen tausend feile Hüter
Den kleinsten meiner Schritte Tag und Nacht.
Wenn ich die Schwelle des Palasts betrete,
Steht schon bereit ein lauernder Trabant;
Wenn ich am Grabe meines Gatten bete,
Wird mir der Seufzer von der Lipp' entwandt;
Wenn ich der Armut stille Hilfe bringe,
Schleicht bis zur Hütte mir ein Lauscher nach,
Und horcht, und zahlt genau die Silberlinge,
Und wiegt die Worte, die ich tröstend sprach.
In stiller Nacht hör' ich den Fußtritt knistern,
Der an die Tür des Lauschers Ohr mir trägt;
Zu meinem Gott darf ich nur leise flüstern,
Ich bebe, wenn zu laut mein Herz mir schlägt.
Azzo.
Ha! es soll anders werden! los und ledig
Sind wir des Schwurs, den er von uns erzwang;
Wir stehn bereit — so wahr ein Gott uns gnädig! — —
Mit Gut und Blut zu seinem Untergang!
Schon gärt es überall in den Gemütern
Und Gottes Rache-Schwert ist schon gezückt!
Vergriffen hat er sich an Kirchengütern
Und Mailands frommen Erzbischof gedrückt;
Und der von Como seufzt — und Wehe rufen
Die Edlen, die gebeugt am Joche stehn;
Und an des deutschen Kaiserthrones Stufen
Beschlossen alle, Rettung zu erflehn.
Wenn Einer nur von Allen, die sich rüsten,
Nur einen günst'gen Augenblick ersah,
Des Wüterichs Wachsamkeit zu überlisten.
Vertrauet mir, dann ist die Hilfe nah,
Dann sind gezählt die Tränen, die hier fließen,
Denn Deutschlands mächt'ger Kaiser schwingt den Speer.
Adelheid.
So hat auch mir ein Traumbild jüngst verhießen
Ich nenn es Traum — es war wohl mehr.
Ich lag ermattet durch Wachen und Weinen,
Am Grabe Lothars — ich schlummerte nicht —
In halber Ohnmacht lag ich auf den Steinen,
Die Grabes-Lampe warf ein düstres Licht
Hinab in die Halle, wo die Marmor-Säulen
Wie schwarze Riesen standen im Schattenreich;
Es flatterten im hohen Dom die Eulen
Mit dumpfem Gekreisch, der Geister Ächzen gleich:
Da sah ich Nebel aus den Grüften steigen,
Der seine Streifen nach und nach geballt,
Sah ihn herab in Wellenform sich neigen
Bis er geworden eine Luftgestalt.
Die Lampe flackerte — hin starrt' ich bebend —
Und schmiegte mich verhüllt ins Trauergewand —
Es war Lothar — mir langsam naher schwebend,
Er trug die Kaiser-Kron' in seiner Hand —
Und sie allein umfloss ein milder Schimmer —
Mit düsterem Lächeln wandt' er seinen Blick
Auf sie und mich — doch nur ein leises Gewimmer
Schwamm in der Luft — er schwieg — er wich zurück —
Und die Gestalt zerfloss im Säulengange
Und schwand allmählig mir aus dem Gesicht,
Nur sah ich durch den Nebelstreif noch lange
Die Krone schimmern wie ein weißes Licht.
Azzo.
Vertraut dem Winke. Ehe noch die Blätter
Sich färben in des Herbstes kühler Nacht,
Erscheinet uns und Euch der Held als Retter,
Dem schon die halbe Welt Tribut gebracht.
Doch wenn ein neuer Sturm Euch hier umbrauset,
Eh' Eurem Henker Gottes Rache blitzt,
So denkt, dass in Canossa Einer hauset,
Der fröhlich dann sein Blut für Euch verspritzt.
(ab.)
Adelheid.
Gott sei mit ihm! — Oh, dass er von mir scheidet,
Der letzte, der mir unverwandelt blieb!
An ihm hat sich Erinnerung geweidet;
Des Gatten Freund wird auch der Gattin lieb.