Читать книгу Adelaide - Augusta von Goldstein - Страница 6

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Alexis Graf von Wallersee glaubte mit seinen erprobten Eigenschaften und Fähigkeiten, die ihn zum Feldherrn stempelten, auf den Rang und die Wichtigkeit eines zweiten Marschalls von Sachsen in irgend einer der größten Armeen Anspruch machen zu dürfen. Im Besitz ansehnlicher Reichthümer, die durch Erbfälle sich noch immer vermehrten, als Kommandör einer der größten Komthureien des Johanniter-Maltheser-Ordens, bot er seine uneigennützigen Dienste — während eines für Europa’s Gleichgewicht sehr bedeutenden Krieges, einem Monarchen an, dem es in ökonomischer Hinsicht, so wohl durch Nothwendigkeit gedrängt, als auch aus angebornem Trieb zur Sparsamkeit sehr willkommen seyn mußte, in dem Grafen den Chef eines dem Feinde furchtbaren Corps — welches dieser aus eigenen Kosten errichtet, mondirt und für die Königlichen Fahnen angeworben hatte — nun seinen Obersten zu begrüßen. Ruhm und die Aussicht, früher, als es sonst nach den gewöhnlichen Fortschritten auf der militärischen Bahn zu erfolgen pflegt, noch in den kräftigsten Lebensjahren des raschen feurigen Mannes, als Feldmarschall sagen zu können: In den entscheidendsten Momenten gab ich mit dem Schwerd in der Faust nicht selten den Ausschlag; hier machte ich die schon verlohren geglaubte Schlacht gewonnen — Dies sollte sein Lohn seyn. Seine stolzen Entwürfe zielten auf nichts geringeres, als der unentbehrliche und zugleich unabhängige Alliirte eines großen Europens Aufmerksamkeit erregenden Königs, den aber das Schicksal jetzt seinen Launen preiß geben zu wollen schien — zu werden. Der Monarch berechnete zu richtig den ihm daraus erwachsenden Vortheil, um nicht Graf Wallersee die Perspektive seiner ehrgeitzigen Hoffnungen mit den freundschaftlichsten Versprechungen zu erweitern, und seine Erwartungen zu entflammen.

Doch — zwei Sonnen an einem Horizont gehören ja in die Reihe unmöglicher Existenzen; und eben so wenig konnten Arnulph und Alexis in harmonischer Gemeinschaft den Pfad des Ruhmes verfolgen. Beide sich ihrer energischen Kraft, ihres allumfassenden Feuergeistes bewußt, Beide eifersüchtig auf des andern Ansprüche, einzig seyn zu wollen — Beide, wenn sie diese Ansprüche gekränkt fühlten, ohne Rücksicht des Nachtheils für ihren Zweck rachsüchtig — zerrissen bald die Freundschaftsbande, welche Mars um sie geschlungen. Arnulph behauptete nicht allein ein großer Held, sondern auch ein schöner Geist zu seyn, und selbst seine Feinde gestanden unpartheiisch, daß er es war. — Auch Alexis zeichnete sich unter tausend seiner Zeitgenossen in dieser Hinsicht aus. — Nur der solide nicht nach Kapricen geordnete Ertrag seiner Geistesgaben, seine Vertraulichkeit mit den alten Griechen und Römern, seine Vorliebe für die Letztern, gaben freilich seiner Schöngeisterei eine andere und imponirendere Tendenz, als die seines großen Nebenbuhlers war. — Leichter französischer Spott — wiewohl nicht selten empfindlich verwundend, inconsequentes Absprechen fremden Werthes, Geringschätzung derber deutscher Redlichkeit, und Forderungen an diesen Werth, an diese Tugenden — kurz, mancherlei und mehrere Widersprüche dieser Art, gaben Arnulphs Geist zwar einen auffallend blendenden Anspruch, besonders da derselbe durch ein Bonmot würdigen oder herabwürdigen durfte, ohne daß ein Opponent es gewagt hätte, ihn zu widerlegen, welches freilich einem andern gegenüber oft kinderleicht gewesen wäre. —

Aber Alexis glaubte zwischen einem Mark Aurel und Arnulph einen so gewaltigen Unterschied zu finden, den der Letztere vielleicht selbst fand — jedoch nicht aus dem Gesichtspunkt betrachtete, wie der Freund der Römer — daß er unmöglich so ganz unbedingt der Huldigung beitreten konnte, die Arnulphs wahre oder scheinbare Bewunderer, der nach Alexis Meinung so falsch geleiteten Schöngeisterei zollten.

Nur zu bald hinterbrachte man Arnulphen des Obersten Wallersee’s Bemerkungen, welche dieser in vertraulichen Zirkeln hin und wieder über dessen Meinungen geäußert hatte — ja selbst den Tadel der Pläne, die auf die kriegerischen Operationen sich bezogen, und die Arnulph nach seinem Kopf exekutirt haben wollte. — Alexis war nicht der Mann, der seine Grundsätze durch Verläugnen oder Entschuldigungen, im Fall er sie verantworten sollte, anders scheinen ließ, als sie waren und er sich einmal darüber erklärt hatte. Als ihm daher Arnulph sein Raisonniren, wie derselbe es zu nennen geruhete, mit ernster Miene und durchdringendem Adlerblick vorhielt, war dies der Moment, in welchem Graf Wallersee nicht nur seine Meinung nochmals klar und deutlich wiederholte — und unter dem Bedauern, daß er das Vertrauen, so wie das Wohlwollen Sr. M. wohl schwerlich zu erwerben im Stande seyn würde, auch auf alle künftige Ehrenstellen in dessen Armee Verzicht that, und sich mit seinem Corps, unter dem Versprechen, nicht gegen ihn zu fechten, zurückzog.

„Es ist mir lieb,“ sagte Arnulph — „diesen Querkopf los zu seyn. Der Polisson wollte alles besser wissen. Ist die Kriegskunst der alten Römer auf unsere heutige Taktik anwendbar? — haben wir das Terrain, haben wir dieselben Menschen, dieselben Waffen gegen uns?“ —

„Und sind wir Römer?“ — hätte er noch hinzusetzen sollen. Doch war die Beschuldigung ungegründet; denn Alexis wußte diese Unterscheidung eben so gut zu machen, als Arnulph. Eine Kriegesscene nach Römer Art in neuern Zeiten anderswo zu sehen, als in der großen Oper zu ***, war ihm nie in der Sinn gekommen; und öfters auch hier nur, um die erbärmliche Marionetten-Repräsentation mitleidig zu belächeln.

Gern hätte die feindliche Macht den aus seiner Verbindung getretenen Obrist Wallersee an sich gezogen; allein sein dem Arnulph gegebenes Ehrenwort ließen ihn selbst die blendendsten Anerbietungen ausschlagen. Er nahm an diesem Feldzug keinen weitern Antheil, denn jede Macht, bei deren Armee zu streiten, ihm ehrenvoll gedünkt hatte, war gegen Arnulph im Bunde. —

„Soll das Treiben meines Wollens, die erregte Reizbarkeit, ein höheres Ziel meiner Bestimmung zu umfassen, als zu dem der gewöhnliche Instinkt eines wohl genährten und ausstaffirten Schooskind’s des Glücks in behaglichem Seelenschlummer führen dürfte. — Soll die Sehnsucht nach jenem noch unerreichten Zweck nicht zum nagenden mich selbst verzehrenden Geyer werden, so nehmt mich noch einmal auf, ihr lieblichen Gegenden! Vaterland eines Mucius Scävola, du gabst der Spiralfeder des reifenden Jünglings den mächtigen Druck, daß sie die Bande entnervender träger Unentschlossenheit sprengte, und die Thatkraft des sich nun Enträthselten fesselfrei machte. Gieb mir Ersatz für die verschwendeten Erstlinge des Dranges, wirken und fern von kleinlichem Eigennutz schaffen zu wollen! — Läutere die Selbstständigkeit des Mannes zur Ausdauer, indem der Geist deiner edelsten Söhne mich umschwebt. — Kraftvoll, aber nicht stürmisch will ich mich dann in einen Wirkungskreis schwingen, der mir genügt. — Leben, lebendiges Weben und Seyn, wo Herz und Körper balsamischer Nahrung genießt, werde mir jetzt unter italischem Himmel. Sein milder Einfluß zügele die wilde Begehrlichkeit der aus Mangel an höhern Interesse erregten Sinnlichkeit, und gebe mir die zarte Empfänglichkeit, für die mich erwartenden Freuden des glücklichen Gatten in den Armen meiner Ludmilla!“ so dachte und beschloß Graf Wallersee; nichts stand der raschen Ausführung seiner spekulativen Philosophie entgegen; und Alexis drückte den Abschiedskuß auf die ihn nur mit sittsamer Blödigkeit erwiedernden Lippen seiner Verlobten — nachdem er das entzückendste Bild des Wiedersehns und der unauflöslichen Vereinigung zu einstweiligen Beschäftigung ihrer Phantasie, dem arglosen Glauben frommer unschuldiger Liebe aufgestellt hatte — und verließ Deutschland auf zwei Jahr, nach deren Verlauf ihn die Vollziehung seiner Vermählung mit Ludmilla Gräfin von St. dahin wieder zurück rief.

Familienbündnisse verlobten ihm schon das reiche schöne Mädchen im zartesten Kindesalter, mit Vollendung des siebzehnten Jahres sollte sie seine Gemahlin werden.

Ludmillas Geburt kostete ihrer Mutter das Leben. Die mutterlose Waise ward in einem Stift erzogen; ihrem Herzen blieb jede Leidenschaft fremd, es kannte nur den frommen keuschen Wunsch: Graf Alexis möge wohlbehalten aus allen Gefahren des Krieges oder aus andern fremden Ländern zurückkehren, und liebevoll sie dann zum Altar führen! — Dieser Wunsch ward erfüllt, und der Geliebte ihr liebreicher freundlicher Gatte. — Der Mangel feuriger Liebe des Gemahls fiel der sanften nur an ruhige Seelenstimmung gewöhnten Ludmilla nicht auf. Zwar gewann ihre Liebe mit jedem Tage neue Stärke und Innigkeit für ihren Alexis, aber weil sich diese immer nur in dem Sonnenlicht lieblicher Heiterkeit zuvorkommender Freundlichkeit äußerte, so überzeugte sie ihres Gemahls dem ihrigen ähnliches Betragen, daß sie nicht minder geliebt würde. — Wohlthätig hatte das Schicksal für ihre Ruhe gesorgt, indem weder Romanenlektüre noch Frequenz sentimentaler Schauspiele ihre Bildung vollendeten.

Mit ächt pastoralischem Eifer verhütete die Aebtissin des Stifts — in welchem die junge Gräfin erzogen worden — die Einführung solches üppigen Thun und Wesens, wie die hochwürdige Frau es nannte, welches den jungen Gemüthern, die da rein und ohne Makel unter ihrer Aufsicht gedeihen und verbleiben sollten, nur das werden könnte, was der Wolf der unbefangnen leicht zu berückenden Heerde; eben so sorgfältig verhinderten die strengen Gesetze dieses Vestalischen Ordens jeden traulichen Verein mit dem andern Geschlecht. Folglich waren alle die aus den Ersteren entstehenden und auf das Andere laufenden Leidenschaften in diesen heiligen Hallen dermaßen verpönt und geächtet, daß man sie kaum dem Nahmen nach kannte — wenigstens sie schon dem Nahmen nach verabscheute. — Und so war auch die unerfahrne Ludmilla weit entfernt, einen Unterschied zwischen der zwar freundlichen aber sehr gemäßigten Zärtlichkeit ihres Gemahls, und der glühenden Leidenschaft, dessen sein Herz — vielleicht für einen andern Gegenstand wohl fähig war — zu ahnden, und sich dadurch ihr Glück, ihre Ruhe zu stören.

Sie gebar ihm einen Sohn, und inniger wohlwollend ward das Band der Ehe, das sich nun auch um sein Vaterherz schlang.

Adelaide

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