Читать книгу Heilige und Gesegnete - Aurelia Dukay - Страница 7
3. Wilder Wind
ОглавлениеDurch die offene Balkontür in Caterinas Wohnzimmer strömte milde Luft, die nach zartem Jasmin roch. Eine Eule rief heulend in die Nacht. Auf ihrem Sofa vor dem kalten Kamin lang ausgestreckt, das schwarze Notizbuch in der einen, ein Glas Zitronenlimonade in der anderen Hand, machte sich Caterina an die abendliche Lektüre.
Sonntag, 3 Uhr am Morgen
Wieder eine schlaflose Nacht. Seit Wochen schlafe ich nicht. Im Schatten der stummen Nacht kann ich am besten zu dir sprechen. Wahrhaftig, ich habe gar keine Lust diese Notizen zu machen , glitte der Stift nicht wie von alleine über seine Seiten.
Zwei Monate waren seit dem Abendessen bei Stella vergangen. Nichts wirklich Erwähnenswertes war seitdem passiert. Die Tage verstriechen hier langsam, ohne eine Ordnung, ohne ein Ergebnis.
Ich versuchte mich einzuleben, dem trägen Rhythmus des lokalen Lebens anzupassen, traf Menschen, trank Caffé, knüpfte Kontakte. Und noch mehr Aperitivi, Dinner, Feste, etc.
Ich gewöhnte mich schnell an diese Lebensart, auch wenn es mir wie Zeitverschwendung vorkam. Das süße Nichtstun maskiert als frenetisches Dasein. Ich verschickte Lebensläufe, sprach in allen Redaktionen vor, vergeblich.
Nur in der Nacht, da strömen die tiefsten Gedanken in meinem Kopf und ich habe einen meiner wenigen klaren Momente. Die ersten Zweifel kommen auf: War es richtig, alles in Dänemark aufzugeben und nach Italien zurückzukehren? Meinen sicheren Job als Assistentin bei einem großen Verlag kündigen und mich dafür als freiberufliche Journalistin in einem von Instabilität gezeichneten Land zu behaupten? Ich fühle mich konfus und verloren. War dies wirklich der geeignete Ort, um wieder von vorne anzufangen? Ich wünschte jemand würde mir helfen. Ein Schutzengel, der mir den Weg weist.
Um diese Gedanken zu verdrängen, gehe ich abends oft aus, feiere ausgelassen auf Partys in der wunderschönen Villa von Stellas Vater, dem Thunfischfabrikanten. Die Feste sind berühmt in der Stadt, die ausschweifendsten, gigantischsten und schillerndsten Feste Italiens, nein, der ganzen Welt! Alle strömen sie dorthin, Künstler, Adlige und solche die sich zur High Society zählen, die goldene Jugend der Region versammelt sich hier, angezogen von der erregenden Atmosphäre einer großzügigen Exklusivität.
Oft komme ich nach Hause, wenn mein Vater bereits zur Arbeit aufbricht, einer unwürdigen Arbeit, zu der er nach dem Konkurs unserer Firma gezwungen ist.
Verhält sich so ein braves Mädchen?
Ein unermüdlicher Südostwind rüttelt an meinen Jalousien in dieser milden Novembernacht. Wenn ich mich so in meinem Zimmer umsehe, wird mir klar, wie dumpf und traurig es ist. Die Möbel erinnern an eine Klosterzelle, minimalistisch, essenziell, traurig. Ich gestehe, auf einen besseren Anfang gehofft zu haben, hier in der Stadt der Brunnen, aber hier sitze ich mit leeren Händen. Keine Bewerbungsgespräche, keine Perspektive. Hier gelten andere Regeln, oder besser gar keine.
Leise schleiche ich zum Kühlschrank, um Papá nicht zu wecken, und gieße eisiges Wasser in ein Glas, um meine innere Unruhe zu lindern. Ich lehne mich an das geöffnete Küchenfenster und spüre die Ruhe der Nacht, allein gestört vom wilden, staubigen Wind der friedlos durch die kargen Bäume bläst.
Auch der Wind folgt seinem Weg, den nur er selbst bestimmt und mit einer Kraft, die einem keine andere Wahl lässt, als sich ihm zu beugen. Die Natur folgt ihren eigenen Gesetzen. Aber vielleicht kündigt gerade diese stürmische Nacht den Tag an, an dem sich alles ändert. So schlafe ich ein, als mein Vater bereits zur Arbeit geht.
Etwas Unerwartetes passierte. Aus dem Mondschein griffen Morpheus Arme nach der wehrlosen Caterina, und als sie sich aus der Umarmung des drakonischen Gottes befreien konnte, war es bereits Morgen. Und wieder fielen zahlreiche Heilige vom Himmel.