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3. Kapitel

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Trolls

Courtney

Ehe die Ampel zurück auf Rot springt, eile ich mit den übrigen Passanten über die Straße, nur um mit meinem Schuh in einem Riss im Asphalt hängenzubleiben. Ich sehe mich schon auf die Nase fallen, erlange mein Gleichgewicht aber im letzten Moment wieder. Doch ein unglückbringendes Knacken später stehe ich erneut auf wackeligen Beinen, als mein Absatz abbricht.

»Mist.« Ich halte nicht an, denn die hupenden Autos um mich herum lassen mir keine Gelegenheit dafür. Stattdessen stolpere ich zum nächsten Bürgersteig. Dort angekommen, betrachte ich den Schaden. Mit einer Hand Balance an einer Laterne suchend, ziehe ich mit der anderen meinen Stöckelschuh aus, um diesen zu inspizieren.

Man möchte glauben, dass Heels, die beinahe tausend Dollar gekostet haben, weniger schnell kaputtgehen als solche aus billigem Kunststoff. Da sie ein Geschenk von Tom waren, sollte es mich nicht überraschen, dass sie auseinanderfallen.

Seufzend sehe ich mich um, in der Hoffnung, einen Laden zu sichten, in dem ich schleunigst ein neues Paar ergattern kann. Himmel, ich würde sogar Plastik-Flip-Flops nehmen. Als ich kein passendes Geschäft entdecken kann, werfe ich einen Blick auf meine Uhr. Mir bleiben zehn Minuten, um zu dem Meeting mit meinem Innenarchitekten zu gelangen. Bisher bin ich Mr Fremont noch nicht persönlich begegnet, sondern hatte hauptsächlich mit seiner Assistentin zu tun. Er wurde mir allerdings wärmstens empfohlen, weshalb ich große Erwartungen hege, dass mir seine Gestaltungspläne für mein Haus gefallen werden. Insbesondere da ich, wenn ich ganz ehrlich bin, nicht die Vorstellungskraft besitze, um mir auch nur eine Idee aus den Fingern zu saugen. Zumindest keine, die ich umsetzen möchte.

Aus Ermangelung anderer Möglichkeiten, ziehe ich meinen Schuh wieder an. Unter gar keinen Umständen werde ich barfuß über eine dreckige Straße in New York City laufen. Ich ernte mehr als nur ein paar seltsame Blicke, als ich unbeholfen den Gehweg entlangstakse; diese ignorierend, konzentriere ich mich darauf, irgendwie heile an mein Ziel zu gelangen. Sobald ich das Bürogebäude erreiche, in dem Impeccable Designs seinen Sitz hat, eile ich durch die Sicherheitskontrolle und betrete den Fahrstuhl. Im neunundvierzigsten Stock angekommen, betrachte ich die dunkelblauen Wände und die gerahmten Blaupausen. An einem kleinen Sitzbereich mit einem gläsernen Kaffeetisch, zwei niedrigen Ledersesseln und einem schwarzen Ledersofa vorbeistolpernd, stehe ich schließlich vor einem Empfangstresen. Eine wunderschöne blonde Frau sitzt dahinter und mustert mich mit besorgtem Gesichtsausdruck.

»Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigt sie sich.

Vorsichtig stütze ich mich mit meinem Gewicht auf den Schuh, dessen Absatz nicht abgebrochen ist. »Ich habe ein Meeting mit Mr Fremont.«

Sie schaut auf ihren Computer und tippt etwas in ihre Tastatur ein. »Courtney Williams?« Sie sieht mich wieder an, und ich nicke. »Ich lasse ihn wissen, dass Sie hier sind. Sie können dort drüben Platz nehmen, während Sie warten. Darf ich Ihnen etwas bringen? Einen Kaffee oder ein Wasser?«

»Haben Sie zufälligerweise ein extra Paar Schuhe?«, scherze ich halbherzig, und sie lächelt mitfühlend.

»Zufällig, ja.« Sie kramt unter ihrem Schreibtisch herum, ehe sie mir einen kleinen Umhängebeutel hinhält. »Sie können diese haben. In meiner Schublade habe ich noch welche.«

»Ist das Ihr Ernst?«, frage ich ungläubig und werfe einen Blick in den Beutel. Darin befinden sich schwarze, weiche Ballerinas mit Gummisohle.

»Wir Frauen müssen zusammenhalten.« Sie zuckt mit den Schultern, während ich am liebsten über den Schreibtisch springen und sie umarmen würde.

»Vielen lieben Dank. Ich werde mich revanchieren.«

»Alles gut, machen Sie sich keine Gedanken.«

Blinzelnd sehe ich sie an. Sie könnte ein Model sein, und meiner Erfahrung nach denken solche Frauen nur an sich selbst. In der Regel helfen sie einer anderen nicht aus, wenn diese in Schuhnöten ist. Selbst wenn, müsste man für einen solchen Gefallen sein Erstgeborenes hergeben. Okay, zumindest waren die meisten Ehefrauen von Toms Kollegen so drauf.

»Danke.« Gedanklich mache ich mir eine Notiz, ihr den größten Blumenstrauß zu schicken, den ich bestellen kann. Dann schlüpfe ich aus meinen High Heels und in das flache Paar, ehe ich meine in meiner Handtasche verstaue.

»Gern geschehen.« Wir lächeln einander an; sobald jedoch jemand mit rauer Stimme von der anderen Seite des minimalistisch, aber elegant eingerichteten Empfangsraumes meinen Namen sagt, schaue ich zu ihm hinüber. Sofort gerät meine gesamte Welt ins Wanken.

Umwerfend ist das Wort, das mir in den Sinn kommt, während ich Mr Lucas Fremont betrachte. Er trägt eine schwarze Krawatte, ein blütenweißes Hemd und eine schwarze Hose. Seine Kleidung schmiegt sich wie eine zweite Haut an seinen schlanken, muskulösen Körper. Ich lasse meinen Blick an ihm hinaufwandern und mir wird klar, dass er ein Mann ist, der um sein gutes Aussehen weiß, aber sich keine großen Gedanken um sein Erscheinungsbild macht. Seine Haare sind ein bisschen zu lang, dunkelblond und scheinen von Natur aus hier und da ein paar hellere Akzente zu haben. Seine Haut ist von der Sonne gebräunt und nicht von einem regelmäßigen Besuch im Solarium, wie es bei Männern heutzutage im Trend liegt. Er hat ein markantes Gesicht, das nicht gänzlich frei von Bartstoppeln ist, als hätte er heute Morgen vergessen, sich zu rasieren. Seine Augen ... Sie sind hellblau und umgeben von dunklen Wimpern, die sie noch mehr zum Leuchten bringen.

»Courtney.« Seine tiefe Stimme reißt mich aus meiner Starre und erst jetzt merke ich, dass er nähergekommen ist. Nah genug, dass ich meinen Fehler sofort erkenne. Denn seine Augen sind nicht blau, sondern eher von einem weichen Grau mit einem dunkelblauen Ring um die Iris.

»Ähm. Ja.« Ich schlucke, mache einen Schritt auf ihn zu und strecke ihm die Hand entgegen.

»Schön, Sie kennenzulernen.« In dem Moment, in dem er seine Finger um meine schließt und sich unsere Blicke treffen, steht meine Welt ein weiteres Mal Kopf. Glühende Hitze jagt durch meine Adern und plötzlich scheint sämtlicher Sauerstoff im Raum verschwunden zu sein. Atemlos stehe ich vor ihm. Noch nie in meinem Leben habe ich in dieser Weise auf einen Mann reagiert. Noch nie hat mich eine Berührung derart verletzlich gemacht.

Was zur Hölle stimmt nicht mit mir? Vielleicht habe ich irgendetwas Falsches gegessen. Ja, das muss es sein.

»Wenn Sie mir folgen würden.« Er lässt meine Hand los, und ich beiße mir auf die Lippe, um mich davon abzuhalten, wieder danach zu greifen. Wir gehen einen hell erleuchteten Flur entlang, an dessen Wände Dutzende gerahmte Bilder von Häusern hängen. Als wir Mr Fremonts Büro erreichen, betrete ich hinter ihm den Raum und bleibe stehen, sobald er die Tür schließt.

Bei dem Klickgeräusch der Klinke zucke ich zusammen. Ich lasse meinen Blick wieder über seinen Körper wandern. An seiner Krawatte halte ich inne – oder vielmehr an einem glitzernden Trollsticker, der daran klebt.

Irritiert schaue ich auf, als sich mein Gegenüber vor mir aufbaut. Ich schlucke. »Trolls«, platzt es aus mir heraus.

»Was?«

Ich strecke meine Hand aus, kann mich aber gerade noch davon abhalten, den Sticker zu berühren. »Trolls.«

»Meine Tochter.« Er zieht das Kleidungsstück ein Stück von sich weg und lächelt, während er mit seinem Daumen über den glitzernden Aufkleber streicht. »Sie denkt, es sei witzig.«

Tochter. Mein Magen zieht sich vor Enttäuschung zusammen. Natürlich ist er verheiratet und hat ein Kind. Ein attraktiver Mann wie er ist selbstverständlich verheiratet und Vater. Der Dad eines kleinen Mädchens, das wahrscheinlich genauso aussieht wie die Mutter, in die er wahnsinnig verliebt ist.

»Nun ... Sie haben Pläne für mich, oder?« Ich reiße die Augen auf. »Ich meine Pläne, die ich mir ansehen soll.«

»Ja.« Seine Lippen zucken, als würde er ein Lächeln unterdrücken. Er räuspert sich, tritt einen Schritt zurück und geht zu seinem Schreibtisch.

Ich senke für einen Moment die Lider, als er mir den Rücken zuwendet. Im Stillen zwinge ich mich dazu, mich zusammenzureißen und mich nicht wie eine Idiotin anzustellen. Gedanklich mache ich mir eine Notiz, um später zu überprüfen, was ich gegessen habe, um Was-auch-immer nie wieder anzurühren.

»John sagte, dass Sie nicht genau wüssten, wonach Sie suchen oder welche Art von Design Ihnen vorschwebt, daher habe ich ein paar Modelle erstellt. Wenn Sie etwas sehen, dass Ihnen oder Ihrem Ehemann gefallen würde, können wir dort ansetzen.« Er dreht sich um und kommt mit einem Laptop in der Hand zu mir.

»Ich bin nicht verheiratet.« Ich schwöre, dass sich seine Schultern bei diesen Worten entspannen, aber mir ist klar, dass das reines Wunschdenken ist.

»Setzen wir uns auf das Sofa dort. Dann können Sie sich die Entwürfe ein wenig besser anschauen.«

»Okay«, willige ich ein und folge ihm zu einem einfachen grauen Sofa und einem schwarzen Kaffeetisch, die schräg gegenüber von seinem Schreibtisch stehen. Ich setze mich neben ihn – nicht zu nah natürlich – und stelle meine Handtasche auf dem Boden ab. »Wie alt ist Ihre Tochter?«

»Sie ist sechs, beinahe sieben«, antwortet er, ohne aufzusehen. »Sie ist ein richtiges Girlie und eine echte Herausforderung, aber ich würde sie gegen nichts in der Welt eintauschen.«

Süß und heiß. Gott, warum sind Männer wie er immer vergeben?

»Ist sie das?«, frage ich und betrachte ein Foto, das in einem roten Rahmen auf seinem Schreibtisch steht. Ein kleines Mädchen ist darauf abgebildet; es hat die gleiche Haarfarbe wie er. Auf ihrer offenen Handfläche sitzt ein Schmetterling, und sie strahlt bis über beide Ohren.

»Ja.« Seine Miene wird so sanft, dass mir förmlich das Herz schmilzt. »Das Bild ist letzten Sommer entstanden, als ich mit ihr im Schmetterlingspark war.«

»Sie ist zuckersüß. Sie und Ihre Frau haben ein wirklich hübsches Mädchen.«

»Ich bin nicht verheiratet.« Er sieht mich an, und plötzlich ist die Luft zum Zerreißen gespannt.

»Oh.«

Er senkt den Blick auf meinen Mund und der Ausdruck in seinen Augen scheint sich zu verdunkeln, ehe er ganz plötzlich den Laptop zu mir herumdreht. »Das ist das erste Design.«

Ehrfürchtig starre ich auf den Bildschirm. Darauf zu sehen, ist die Außenseite des Backsteinhauses, das ich kürzlich gekauft habe. Unter jedem Fenster steht ein schwarzer Kasten, der mit bunten Blumen bestückt ist, und die Haustür ist in einem gelbgoldenen Farbton gehalten, der sich vom Dunkelrot der Fassade abhebt.

Als er mit dem Finger über das Display streicht, erblicke ich mehrere Schaubilder der Inneneinrichtung. Der vordere Eingangsbereich ist sehr freundlich und offen gestaltet, hat einen hellen Holzboden und graue Wände mit einer weißen Zierleiste. Das Wohnzimmer wird von einem ausladenden Kamin dominiert, umgeben von gemütlichen Sofas, und die Küche hat weiße Schränke, Küchengeräte aus Edelstahl und eine große Kochinsel.

Er klickt weiter, zeigt mir eine Perspektive nach der anderen, und entführt mich auf eine virtuelle Tour durch die gesamten knapp zweihundertachtzig Quadratmeter des Wohnraumes. Das Ganze endet im Hauptschlafzimmer mit seinen riesigen bodentiefen Fenstern und dem angrenzenden Bad, das durch eine alte Klauenfußwanne und ein Standwaschbecken besticht.

Vielleicht konnte ich mir bisher nicht vorstellen, wie mein neues Zuhause aussehen soll. Aber nach diesen Entwürfen weiß ich, dass ich genau das will. An seinem Design würde ich nichts ändern. »Es ist perfekt«, sage ich und blicke zu ihm auf.

»Mir ist bewusst, dass ein paar der Elemente rustikaler sind, als es die meisten New Yorker mögen, aber diese lassen sich leicht gegen etwas Modernes austauschen. Ich habe noch ein paar andere Pläne erstellt, die wir uns anschauen können.«

»Ich liebe alles an diesem Vorschlag. Wirklich alles. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, das Haus in einem anderen Zustand zu sehen, aber das ist Ihnen gelungen. Ich liebe Ihre Ideen. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendetwas daran zu ändern. Wirklich, ich würde am liebsten gleich morgen einziehen.«

»Sie würden nichts an dem Entwurf ändern? Gar nichts?«, fragt er und mustert mich.

»Absolut nicht, nein.« Ich schüttle den Kopf und betrachte noch einmal das Bild des Hauptbadezimmers. »Wie gesagt, ich liebe es.«

»Ich habe noch keine Frau kennengelernt, die so einfach zu haben ist wie Sie.« Seine Augen weiten sich und eine leichte Röte überzieht seine Wangen. »Ich meine ...«

»Schon gut.« Ich stoße ein unbeholfenes Kichern aus. »Ich weiß, was Sie meinten. Was glauben Sie, wie lange die Umsetzung Ihrer Pläne dauern wird?« Ich deute auf den Laptop, den er noch immer in der Hand hält.

»Ich schätze, ungefähr acht Monate. Vielleicht auch ein bisschen länger, falls das Bauunternehmen etwas findet, das repariert werden muss, ehe die Mitarbeiter die Wände einsetzen können.«

»Acht Monate.« Ich seufze enttäuscht, auch wenn mir natürlich klar ist, dass ein solches Werk unmöglich über Nacht zu schaffen ist. Dennoch wünschte ich, dass es machbar wäre. »Da Rom auch nicht an einem Tag erbaut wurde, sollte ich nicht annehmen, dass es bei meinem Haus anders wäre.«

»Wenn es erst einmal fertig ist, wird sich das Warten gelohnt haben.«

»Sie haben recht«, stimme ich zu. »Also, wie geht es weiter?«

»Sie müssen nur den Vertrag für die Änderungsvorschläge unterzeichnen. Dann nehme ich Kontakt mit den Bauunternehmern auf und lasse ihnen meine Pläne zukommen. Sobald das erledigt ist, werden wir uns auf die Suche nach passenden Geräten und Oberflächenausführungen machen. Erfahrungstechnisch ist es am besten, wenn Klienten die Möglichkeit bekommen, die Dinge vor dem Kauf anzufassen.«

»Cool.« Lächelnd versuche ich, meine Freude darüber, ihn wiederzusehen, im Zaum zu halten.

»John meinte, Sie seien neu in der Stadt?«

»Ja, ich lebe seit etwa vier Monaten hier«, antworte ich und beobachte, wie er aufsteht und zu seinem Schreibtisch zurückgeht.

»Wo haben Sie vorher gewohnt?«

»In Boston, ein kleines Stück außerhalb der Stadt.«

»Was hat Sie hierhergeführt?«, fragt er und macht irgendetwas an seinem Computer, was dafür sorgt, dass ein Drucker daneben in rascher Abfolge mehrere Dokumente ausspuckt.

»Ich habe einen Job in einer Anwaltskanzlei in der Stadt bekommen ... und ich brauchte eine Veränderung.«

»Sie sind Anwältin?«

»Nein, ich arbeite als Rechtsanwaltsgehilfin.«

Er nimmt den Stapel Papiere aus dem Drucker.

»Ich glaube, John hat erwähnt, dass Sie ebenfalls erst seit Kurzem in der Stadt leben.«

»Tja, ich nehme an, man betrachtet mich noch immer als Neuling, auch wenn ich schon eine Weile hier wohne.«

»Gefällt es Ihnen?«

»Es hat ein wenig gedauert, bis ich mich eingewöhnt hatte, aber mittlerweile, ja. Dass mein Bruder und seine Frau auch hier sind, hilft natürlich, weil ich einen Teil meiner Familie nah bei mir habe. Wie sieht es bei Ihnen aus, haben Sie Familie hier?«

»Nein, ich bin auf mich allein gestellt«, entgegne ich.

Er nickt, schnappt sich einen Stift und setzt sich wieder neben mich – direkt neben mich – so nah, dass sein muskulöser Oberschenkel gegen meinen drückt. Nur durch den dünnen Stoff meiner weit geschnittenen schicken Hose voneinander getrennt. Ich kann sogar den dezenten Duft seines Aftershaves riechen.

»Das hier sind die Bilder, die wir uns angesehen haben. Sie müssen nur jede Seite unterzeichnen, genauso wie die Blaupause.«

Ich nehme ihm die Papiere und den Stift ab, lehne mich vor und lege den Stapel auf dem Kaffeetisch ab, um seiner Bitte nachzukommen. Kurz darauf bin ich fast fertig, aber kann mir nicht noch mehr Zeit nehmen, weil es wirken würde, als würde ich das Ganze in die Länge ziehen. Ich erinnere mich daran, dass ich erst vor Kurzem geschieden wurde und dass der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte, mich ziemlich heftig hintergangen hat. Woraufhin ich meinen Namen ein wenig schneller auf die Blätter kritzle. Sobald alles unterschrieben ist, gebe ich ihm die Papiere zurück und greife nach meiner Handtasche.

»Vielen Dank. Ich finde Ihre Entwürfe großartig«, sage ich und vermeide es, ihm dabei in die Augen zu sehen. Stattdessen fixiere ich einen Punkt knapp über seinem Ohr. »Ich freue mich darauf, wieder von Ihnen zu hören.«

Ich gehe zur Tür, und als ich die Hitze seines Körpers in meinem Rücken spüre, stockt mir der Atem. Mit der Hand streift er meinen Arm, als er an mir vorbei nach der Klinke greift.

»Hat Sam Ihre Nummer?«

Ich drehe mich um und schaue ihn an. »Ich glaube schon.«

»Lassen Sie mich diese notieren, nur zur Sicherheit.«

Ich beiße mir auf die Lippe, als er sein Handy rausholt. Nachdem ich rasch meine Nummer eingetippt habe, bedenke ich ihn mit einem unbeholfenen Lächeln und eile aus seinem Büro. Ich schwöre, ich kann fühlen, wie sich sein Blick in meinen Rücken brennt.

»Lief alles gut?«, erkundigt sich die Rezeptionistin, als ich an ihrem Schreibtisch vorbeikomme.

»Großartig. Alles lief super. Nochmals vielen Dank für die Schuhe.«

»Kein Problem. Ihnen noch einen schönen Tag.« Sie lächelt und winkt mir zu.

»Gleichfalls«, erwidere ich und gehe schnurstracks zum Fahrstuhl, wo ich mehrmals die Ruftaste drücke. Gott sei Dank dauert es nicht lange, bis er kommt. Nachdem ich eingestiegen bin und die Türen zugleiten, atme ich das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder auf. Mein Herz hämmert heftig gegen meinen Brustkorb, als wäre ich kilometerweit gerannt.

Weil es so ist – vielleicht nicht physisch, aber insgeheim flüchte ich vor Mr Fremont. Einem gutaussehenden Mann, dessen Augen leuchten, wenn er über seine Tochter spricht. Dessen Wangen sich vor Verlegenheit rot färben, wenn er einen vermeintlich unangemessenen Kommentar macht.

Ja, vor einem Mann wie ihm nehme ich Reißaus. Denn früher habe ich auch geglaubt, dass Tom zu gut wäre, um wahr zu sein – und ich weiß, wohin mich das geführt hat.


»Wie fühlst du dich?«, erkundigt sich Abby während unseres gemeinsamen Abendessens. Für eine Anwältin ist sie jung. Oder zumindest für eine, die so erfolgreich ist. Auch wenn Abby nur ein wenig jünger ist als ich mit meinen vierunddreißig Jahren, sieht sie maximal aus wie fünfundzwanzig. Ihr dunkles Haar ist zu einem eleganten Bob geschnitten, der perfekt zu ihrem elfengleichen Gesicht passt. Die Leute, gegen die sie bei Gericht vorgeht, wissen erst, was ihnen blüht, wenn sie ihren inneren Pitbull von der Leine lässt.

Ich nehme einen Schluck Wein. »Gut, sehr gut sogar. Ich fühle mich frei, um ehrlich zu sein«, antworte ich und sehe, wie ein verständnisvoller Ausdruck auf ihr Gesicht tritt.

Ich hätte nie gedacht, dass wir so mühelos zu unserer alten Freundschaft zurückfinden würden, aber genau das ist passiert. Seit ich sie anrief und bat, mich rechtlich zu vertreten, sind wir wieder wie früher. Mit der Ausnahme, dass die Rollen vertauscht sind: Abby ist diejenige, die sich in letzter Zeit um mich gekümmert hat.

»Gut.« Sie nimmt ihr eigenes Glas und nippt daran. »Hast du jemanden kennengelernt, seit du hier bist? Wenn nicht, würde ich dir gern ein paar Männer vorstellen.«

»Ich glaube, so weit bin ich noch nicht.« Ich lächle. »Keine Ahnung, wann ich wieder dazu bereit bin, mich in den Sattel der Dating-Welt zu schwingen. Worüber ich allerdings wirklich nachdenke, ist, mir einen Hund anzuschaffen, der mir Gesellschaft leistet.«

»Welchen denn?«, fragt sie, beugt sich vor und wirkt aufgeregt angesichts meiner Idee. Wahrscheinlich, weil sie selbst drei Hunde hat.

»Einen kleinen, der kein Problem damit hat, in meiner aktuellen Wohnung zu leben.« Ich lache.

Sie verzieht das Gesicht. Schließlich weiß sie alles über meine Untermieter-Situation. »Wie läuft es mit der Renovierung?«

Ein Flattern geht durch meine Magengegend. Das Meeting mit Mr Fremont – der darauf bestand, dass ich ihn Lucas nenne – ist kaum sieben Tage her, dennoch hat er mich schon einige Male kontaktiert. In seinen Nachrichten ging es vor allem um Updates zu den Bauunternehmen, damit ich auf dem Laufenden bin. Eine einzige drehte sich darum, ein Treffen für nächste Woche zu vereinbaren. Er möchte mir ein paar Sachen zeigen, die er ausgesucht hat.

»Es läuft, aber es wird einige Zeit in Anspruch nehmen.«

»Ich kann es kaum erwarten, das Endergebnis zu sehen.«

»Geht mir genauso. Ich denke, ich werde mich angekommener fühlen, sobald ich eingezogen bin. Dann kann ich wirklich anfangen, mich hier in der Stadt häuslich einzurichten.«

»Das ist verständlich«, erwidert sie sanft. »Hast du noch irgendetwas von Tom gehört?«

»Er hat ein paarmal angerufen, aber ich bin nicht rangegangen. Ich möchte nicht mit ihm reden. Allerdings habe ich mit seiner Mutter gesprochen.«

»Wie war das?« Abby weiß von meiner Beziehung zu Toms Familie, insbesondere zu seiner Mom.

Ich stoße ein Seufzen aus. »Sie ist weiterhin enttäuscht, weil ich gegangen bin. Sie versucht, mich davon zu überzeugen, dass Tom alles wieder in Ordnung bringt, wenn ich ihm nur eine zweite Chance gebe.« Ich trinke einen weiteren Schluck Wein, ehe ich fortfahre. »Sie ist die einzige Mutterfigur, die ich je gekannt habe. Von daher ist es ätzend, dass sich meine Trennung von Tom belastend auf meine Beziehung zu ihr auswirkt.«

»Sie versteht bestimmt, dass die Dinge nicht mehr so sind, wie sie einmal waren«, sagt Abby leise, und ich zucke mit den Schultern, weil ich mir nicht sicher bin, ob sie recht hat.

»Keine Ahnung. Mir ist klar, dass sie hin- und hergerissen ist und das Gefühl hat, zwischen mir und ihrem Sohn wählen zu müssen. Letzten Endes wird sie sich aber immer auf Toms Seite schlagen. Als ich von seiner Affäre erfuhr und deswegen zu ihr gegangen bin, hat sie mir geraten, am besten die Augen davor zu verschließen, was ihr Sohn treibt.«

»Ja, ich erinnere mich.« Sie verdreht die Augen. »Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, dass viele wegsehen. Das kommt zu oft vor. Aber mal ehrlich, welche Frau fände es okay, dass ihr Mann mit einer anderen schläft, nachdem er sich ihr, und zwar nur ihr, versprochen hat?«

»Ich auf jeden Fall nicht.«

»Ich ebenso wenig, Süße.« Sie hebt ihr Glas, ich folge ihrem Beispiel und wir stoßen an. »Ich weiß, dass ich das nicht laut sagen sollte, aber wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre ... Ich hätte ihm mehr abgeknöpft als ein bisschen Geld. Ich würde ihm seine Männlichkeit abschneiden, sie mit Bronze überziehen und als Trophäe an meinen Rückspiegel hängen. Als Warnung für jeden Typen, der glaubt, mir Unrecht tun zu können.«

Bei dieser Vorstellung muss ich lachen. »Es muss doch ein paar gute Kerle da draußen geben, oder?«

»Gott, ich hoffe es. Ich bin äußerst vorsichtig, was das andere Geschlecht angeht. Kein Wunder nach allem, was ich im Zuge meiner Arbeit gesehen und gehört habe.«

»Ich weiß nicht, ob ich einem Mann je wieder vertrauen kann«, gebe ich traurig zu.

Keine Ahnung, ob ich es noch einmal glauben würde, wenn mir einer erzählt, dass er nur mich will.

»Das kann ich dir nicht verübeln. Aber wie meine Mutter mir immer sagt: Wenn man tief genug im Dreck wühlt, findet man immer etwas Wertvolles.«

»Ich denke nicht, dass ich so bald damit anfangen werde«, entgegne ich und ignoriere das Bild von Lucas, das mir in den Sinn kommt. Seit unserer Begegnung schwirrt er mir zu oft im Kopf herum.

»Na dann, darauf, dass wir Single in dieser Stadt sind.« Sie grinst, und wir stoßen lachend an.

Drawn Into Love

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