Читать книгу Das Model und der Walflüsterer - Ava Lennart - Страница 16

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DUSCHE


ALEXANDER

„Heute also keine, Grauwale?“ Geschickt fängt Bobby das Tau auf.

Ich schüttle den Kopf und ziehe die Gangway in Position. Die heutigen Passagiere tröpfeln mit den üblichen Dankesbekundungen von Bord. Bobby verteilt an jeden von ihnen einen Flyer, der nochmals über das Forschungsprojekt informiert und um großzügige Spenden bittet. Ich genieße die Windstille im Hafen. Es ist ein warmer Tag. Kaum kann ich es erwarten, die windabweisenden Schichten meiner Seemannskluft von mir zu reißen und eine kühle Dusche zu nehmen. Heute wäre genug Zeit dafür, weil ich keine Handys bergen muss.

Kurz blitzen Elles grüne, wutgesprenkelte Augen in meiner Erinnerung auf.

Nachdem alles verstaut ist, erreiche ich mit wenigen Schritten die kleine Walstation in der Hafenzeile. Bobby folgt mir.

„Dekan Hunter hat übrigens angerufen. Er bittet um Rückruf und fragt, ob du auf der diesjährigen Jahresabschlussfeier eine Rede halten könntest. Es sollten Forschungsergebnisse enthalten sein.“ Bobby grinst und ich hebe fragend die Brauen.

„Forschungsergebnisse in der Abschlussrede? Der will doch nur checken, ob sein Geld gut angelegt ist. Aber wenn es sein muss. Ruf ihn bitte morgen zurück und sag zu.“ Ich beginne, mich aus meiner Kluft zu schälen. Als ich meinen nackten Oberkörper vor ihr entblöße, mich hinabbeuge und die Schuhe aufbinde, wendet Bobby sich verlegen ab. Verstohlen schielt sie zu mir hin, während sie so tut, als suche sie etwas auf dem Schreibtisch. Zeit, den Striptease im hinteren Zimmer fortzusetzen. Ich ärgere mich über mich selbst. Wie konnte ich nur so gedankenlos sein?

„Wenn es sonst nichts gibt, spring ich schnell unter die Dusche.“

„Äh .... nein.“ Bobbys Gesicht nimmt die Farbe einer Tomate an, als ich mit dem Handtuch um die Hüfte an ihr vorbei Richtung Bad haste.

In dem winzigen Badezimmer dauert es eine Ewigkeit, bis ich die richtige Temperatur geregelt habe. Als ich mich endlich unter dem heißen Strahl entspanne, suche ich vergeblich nach dem Duschgel. Mist. Das hatte ich heute Morgen mit ins Gym genommen.

„Bobby?“ Gedämpft ertönt ein „Ja?“

„Tust du mir einen Gefallen und bringst mir das Duschgel. Das ist in meiner Sporttasche. Die liegt auf dem Stuhl neben der Tür.“ Ich hinterlasse eine Wasserpfütze auf dem Fußboden, als ich die Dusche verlasse. Notdürftig lege ich mir das Handtuch um die Hüften und öffne die Badezimmertür einen Spalt. Bobby steht davor und schaut mich mit kreisrunden Augen an. Das heißt, sie starrt auf das Rinnsal an Wassertropfen, das meinen Bauch hinabkullert und sich in der schmalen Spur dunkler Locken sammelt, die aus dem Handtuchbund lugt. Sofort ziehe ich den Stoff höher, entreiße ihr das Duschgel und schließe die Tür. Verdammt!

Wieder unter der heißen Dusche schüttle ich über mich selbst den Kopf. Was für ein kompletter Vollidiot ich bin!

Dass Bobby mehr für mich empfindet, als ich ihr geben kann, ist wohl offensichtlich. Sonst hätte mich Neil bei unserem Surftrip heute morgen bei Sonnenaufgang am Jericho Beach nicht darauf angesprochen.

„Du merkst schon, der kleine Salma Hayek-Verschnitt fährt voll auf dich ab?“ Wir treiben mit den Boards im Wasser und warten auf die nächste Welle.

„Bobby? Unsinn, wir sind nur gute Freunde.“ Neil bricht in haltloses Lachen aus.

„Freunde? Sag mal, du musst schon sehr blind sein, nicht zu bemerken, wie sie dich anstrahlt. Die Kleine wird jedes Mal rot wenn du sie zufällig berührst. Außerdem ist sie heiß.“ Beunruhigt schaue ich ihn an und fahre verwirrt durch mein Haar. Je länger ich darüber nachdenke, desto merkwürdiger kommt mir Bobbys Verhalten in den letzten Wochen vor. Ich stöhne, als mir die Erkenntnis kommt.

„Jetzt wo du es sagst... aber das darf nicht sein!“

„Warum denn nicht? Die Kleine ist scharf und hat Temperament. Also, ich würde sie nicht von der Bettkante stoßen.“

„Sprich nicht so von Bobby. Wir arbeiten schon so lange zusammen an diesem Forschungsprojekt. Sie ist wie eine kleine Schwester für mich.“

„Also, du bist definitiv kein Bruder für sie, Alexander. Zum Beispiel heute morgen, als ich dich in der Station abgeholt habe und sie überraschend reinkam. Hast du da nicht bemerkt, wie hektisch sie wurde, als du mit nacktem Oberkörper und dem Neoprenanzug um die Hüften an ihr vorbeigelaufen bist. Ihr ist der Stapel Flyer aus der Hand geglitten. Ich dachte, die springt dich gleich an und leckt deine Brustmuskeln ab.“ Neil imitiert ein Hecheln und tut so, als liefe ihm Sabber aus dem Mundwinkel. Entnervt rolle ich die Augen.

„Neil! Ich hab gesagt, hör auf. Bobby ist nicht nur wie meine Schwester, sondern auch meine Geschäftspartnerin. Ihre Kohle steckt, genau wie meine, in der Walstation. Es wäre tödlich fürs Geschäft, mich auf sie einzulassen. Nicht auszudenken, wenn etwas schiefliefe.“

Wir nehmen die nächste Welle und haben eine Weile Spaß. Später, beim Ausruhen am Strand, greift Neil das Thema wieder auf.

„Angenommen, sie wäre nicht deine Geschäftspartnerin. Würdest du dich auf sie einlassen?“

„Auf Bobby?“ Ich starre auf die Brandung, während ich überlege. Dann schüttle ich den Kopf.

„Nein, sie ist einfach nicht mein Typ.“ Neil verdreht die Augen.

„Ach, und wie ist dein Typ, wenn nicht Latina-Sexbombe mit Wahnsinnsbrüsten?“

„Neil, Bobby hat einen Doktortitel in Ozeanologie. Reduziere sie nicht auf ihr Äußeres.“

„Wenn sie aber doch so heiß ist...“ Ich werfe mein Handtuch nach ihm.

„Wenn du sie heiß findest, fang du doch was mit ihr an.“

„Geht nicht, mein Herz ist derzeit belegt.“ Ich mustere meinen Freund mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Seit wann ist dein Herz und nicht nur dein Schwanz in deine Dates involviert?“ Neil grinst.

„Seit ich meine Jugendliebe wiedergetroffen habe.“ Ich runzle die Stirn. Dann erinnere ich mich.

„Du meinst nicht etwa die Anzugtussi vom Boot? Was war denn daran Jugendliebe? Ich denke, ihr habt nur einmal geknutscht.“ Neil seufzt theatralisch.

„Das eine Mal habe ich aber nie vergessen. Die Frau ist der Wahnsinn. Genau mein Typ. Apropos Typ. Nenn mir einen Grund, warum Bobby nicht dein Typ ist?“ Er kratzt sich seine rötlichen Bartstoppeln. „Ich kann mich an eine Latina vor drei Jahren erinnern. Und an eine Blondine wenig später. War da nicht auch eine Rothaarige? Ja, auf der Party von diesem Dings, wie heißt der noch? Dem die Bar in Yaletown gehört.“

„Du meinst Terry?“ Ich werde nur ungern an die wilden Zeiten erinnert und hoffe, Neil lässt es jetzt gut sein.

„Ja, genau. Der könnte mal wieder eine Party veranstalten. Da waren immer Wahnsinnsbräute. Zurück zum Thema: Hast du überhaupt einen Typ?“ Neils freches Grinsen ist so ansteckend, dass ich ihm sein Gelaber verzeihe.

„Frag mich was Leichteres. Ich bin mir nicht sicher, welches mein Typ ist. Aber Bobby ist es jedenfalls nicht“, sage ich, nachdem ich einen Moment grübelnd den Sand fixiert habe. Irgendetwas hat mir die Stimmung verschlagen und nagt an mir. Ich versuche zu ergründen, was genau es gewesen ist. Wieder sehe ich diese grünen Augen der Anzugfrau vor mir, die mich herausfordernd fixieren. Die Erinnerung daran, wie sich ihr Spitzen-BH durch die feuchte cremefarbene Bluse abzeichnet, lässt mich trocken schlucken. Neil wird ungeduldig.

„Was ist eigentlich los mit dir? Wann hattest du das letzte Mal Sex, Bro.“ Genervt stoße ich die Luft aus und werfe den Kieselstein, mit dem ich die letzten Minuten gespielt habe, in den Sand. Wo ist Neils angenehme Oberflächlichkeit hin?

„Neil, was soll das jetzt werden? Bist du meine Mutter?“ Neil lacht schon wieder.

„Du redest mit Christiane über dein Sex-Life. Ist ja hochinteressant! Nein, im Ernst. Entweder, du bist sehr diskret oder aber bei dir herrscht Flaute.“ Er kneift die Augen zusammen. „Du hast doch früher nichts anbrennen lassen? Und als wir vor zwei Monaten aus dieser Cocktail-Bar in Downtown gewankt sind, wäre die kleine Brünette sicherlich mit dir mitgegangen. Ich dachte, ich höre nicht richtig, als du dankend abgelehnt hast.“

„Das geht dich nichts an.“

„Jetzt sag doch mal. Zwei Monate, vier Monate?“ Mir wird es zu bunt. Nach dem Bord greifend, erhebe ich mich und klopfe den Sand vom Neoprenanzug.

„Ich geh wieder ins Wasser.“

Während ich unter der Dusche meinen Körper einseife, kommt mir das Gespräch mit Neil wieder in den Sinn. Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich seit fast einem Jahr keine Frau mehr gehabt habe. Seit einem fucking Jahr! Ich habe schlicht nicht das Bedürfnis nach Frauen gehabt. Neil hätte es mir ohnehin nicht geglaubt. Er ist wahrscheinlich der festen Überzeugung, ein Mann platzt bei so langer Abstinenz an Samenstau.

Ich denke an die großen braunen Augen von Bobby, die sich hinter der Badezimmertür in greifbarer Nähe befinden. Es wäre so leicht, meinem Einsiedlerdasein ein Ende zu setzen: das Handtuch fallen lassen, Bobby in meine Arme ziehen und sie gleich auf dem Schreibtisch nehmen. Aber, abgesehen davon, dass Bobby das nicht verdient hat, regt sich selbst bei dieser Vorstellung nichts bei mir. Es lässt meine Libido kalt, wenn sie bei mir ist oder wenn ich an sie denke. Eben wie bei einer Schwester. Es gibt keinen Grund, die Freundschaft mit Bobby komplett zu verbocken, ihr vielleicht auch noch wehtzutun und darüber hinaus meinen Traum, die Walforschungsstation, zu gefährden. Warum Bobby plötzlich mehr zu wollen scheint, will ich nicht vertiefen. An meinem Verhalten liegt es bestimmt nicht. Es gibt zu viele zeitraubende Themen in meinem Leben. Da brauche ich nicht noch eine unglücklich verknallte Frau. Vielleicht gibt sich die Schwärmerei von selbst, wenn ich sie ignoriere.

Mein Körper scheint praktischerweise mit meinem Verstand einig. Wahrscheinlich habe ich es schlicht eine Zeitlang mit den Frauen übertrieben und bin jetzt satt. Ich verziehe den Mund, wenn ich an die Zeit vor etwa vier Jahren zurückdenke. Kurz nachdem meine Schwester Mira abgetaucht ist und unser Vater sich einigermaßen erholt hat, bin ich exzessiv mit Neil um die Häuser gezogen. Blind habe ich mir genommen, was mir angeboten wurde. Und das war nicht wenig. Es schien der beste Weg, alles zu vergessen. Sie auszumerzen. Warum auch nicht?

Ich wurde immer wahlloser. Lange habe ich mir eingebildet, mich so an Laura rächen zu können. Wie dumm von mir. Als ob sie mich beobachtet hätte...

Dann habe ich fast eine goldene Regel gebrochen. Das Mädchen ist sicherlich noch Jungfrau gewesen. Kurz bevor es zum Äußersten gekommen ist, ging mir zum Glück auf, dass ich im Begriff war, eine meiner Studentinnen, von der ich noch nicht mal den Namen wusste, im Kopierraum der Uni zu vögeln. Angeekelt von mir selbst, kam ich schlagartig zur Besinnung und kappte meine Triebhaftigkeit. Es fiel mir nicht schwer. Im Gegenteil. Wenn ich ehrlich bin, ließ mich fast jede Frau kalt, die ich im letzten Jahr getroffen habe.

Ich schamponiere meine Kopfhaut und denke an die heutige Tour. Das erste Mal seit Gründung der Station habe ich mich auf meinem Boot gelangweilt. Wie lange noch plane ich, diese zeitraubenden täglichen Ausfahrten selbst zu machen. Es gibt eine Menge fähiger Studenten in meinem Fachbereich, die das ohne Bezahlung gerne übernähmen. Bislang habe ich mir eingebildet, den Seewind und die freudige Erregung, wenn wir auf Wale treffen, zu brauchen. Kann ich darauf verzichten?

Während ich heute die gesichteten Wale ansteuerte, habe ich an die gestrige Fahrt denken müssen. Unverständlich, wo ich gestern diese telefonierende Anzugtussi und deswegen die Tour doch nur nervig fand. Ein Bild von ihr kommt mir in den Sinn. Wie sie mich wütend angefunkelte, die Brüste durch die verschränkten Arme hochgepusht, ihre gelöste Haarsträhne flatternd im Wind. Und später im Heidelberg ihr Lächeln ... Die Bewegung meiner Hände im Haar stoppt und ich sehe verblüfft an mir hinunter. Kaum glaube ich, was mein Körper mir mitteilt:

Meine enorme Erektion wippt herausfordernd inmitten der meinen Bauch hinablaufenden Schaumspuren.

Das Model und der Walflüsterer

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