Читать книгу Wirksame österreichische Wirtschafts- und Standortpolitik - Axel Kassegger - Страница 8
DER ZUSTAND ÖSTERREICHS ALS WIRTSCHAFTSSTANDORT VOR CORONA Zwei Jahrzehnte mangelhafte Standortpolitik bis 2019
ОглавлениеÖsterreich ging leider in den letzten beiden Jahrzehnten wirtschafts- und standortpolitisch die meiste Zeit den falschen Weg. Es wurde über die Jahre ein Staat geschaffen, der in seinen Kernaufgaben schwach ist, diese nur völlig unzureichend erfüllt, in manchen Bereichen sogar gänzlich versagt. Andererseits wurde über die Jahre auch ein „Moloch-Staat geschaffen, der sich überall dort einmischt, wo er eigentlich nicht tätig sein sollte, und höchst ineffektiv und ineffizient agiert.
Wirksame Wirtschafts- und Standortpolitik heißt auch, diese Entwicklung zu stoppen und umzukehren. Dabei kann in der Betrachtung des Zeithorizonts von 2000 bis 2019 grob zwischen drei „Phasen“ unterschieden werden:
Erstens der Phase der ÖVP/FPÖ-Regierungen zwischen 2000 und 2006, wo es Österreich gelang, den großen Bruder Deutschland in vielen Bereichen zu überholen und in manchen Bereichen zum „besseren Deutschland“1 zu werden.
Zweitens der Phase der SPÖ/ÖVP-Regierungen zwischen 2006 und 2017, in der Österreich kontinuierlich zurückfiel2 und von vielen Ländern, mit denen wir uns vergleichen sollten, überholt wurde. Dies vor allem deshalb, weil diese Länder Maßnahmen gesetzt hatten, die in einem „rot-schwarzen“ Dauerstillstand in Österreich eben nicht gesetzt wurden.
Drittens der Phase der ÖVP/FPÖ-Regierung zwischen 2017 und 2019 mit einer sehr guten Entwicklung hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Zahlen. Diese gute Entwicklung ist einerseits durch manch vernünftige wirtschaftspolitische Initiative begünstigt worden. Andererseits muss man doch sagen, dass wohl eher die sehr gute allgemeine Wirtschaftsentwicklung in diesen beiden Jahren der Hauptgrund für deutliche Senkungen etwa der Staatsschuldenquote war. Notwendige, tiefgreifende strukturelle Reformen sind auch dieser Regierung nicht gelungen, sodass sich der Wirtschaftsstandort Österreich Ende 2019, also bereits vor der „Corona-Krise“, in keinem guten Zustand befand.
Eine kurze Analyse der Entwicklung ausgewählter volkswirtschaftlicher Steuerungskennzahlen aus dem Zeitraum 2000 bis 2019 soll dies verdeutlichen. Neben den Zahlen für unsere Republik Österreich sind dabei insbesondere Vergleiche mit anderen Ländern, und zwar solchen, mit denen wir uns vergleichen sollten und müssen, von Interesse. Methodisch werden dabei die Entwicklungen bis zum Zeitpunkt vor dem Ausbruch der Corona-Krise, also im Wesentlichen die Entwicklungen relativ „normaler“ Wirtschaftsjahre bis Ende 2019, betrachtet.
Staatsausgaben und Staatseinnahmen – schlechte Budgetdisziplin
Quelle: Statistik Austria
Nachhaltig verantwortungsvolle Budgetpolitik heißt, dass die Staatsausgaben über einen bestimmten Zeithorizont betrachtet die Staatseinnahmen nicht übersteigen sollten. Kurzfristig höhere Staatsausgaben als Staatseinnahmen sind daher durchaus zulässig, die entscheidende Frage ist aber, wofür man diese kurzfristigen Ausgabenüberschüsse, also Budgetdefizite, in Kauf nimmt. Auch hier soll ein Vergleich mit Deutschland und der Schweiz die Beurteilung der Qualität der österreichischen Budgetpolitik erhellen.
Während es in Österreich erst in den Jahren 2018 und 2019 erstmalig seit über 60 Jahren gelungen ist, tatsächlich geringfügige Budgetüberschüsse zu erzielen, gelang dies Deutschland, die grundsätzlich gute Entwicklung der Wirtschaft nach der Finanzkrise 2012 offenbar besser nutzend, schon sehr viel früher. Deutschland gelang es bereits seit dem Jahr 2012 bis einschließlich 2019, Budgetüberschüsse zu machen. Auch der Schweiz gelang es bereits seit 2003, ihre Budgets ausgeglichen zu gestalten, wobei in diesen vergangenen 16 Jahren teilweise deutliche Budgetüberschüsse verzeichnet werden konnten.
Wenn man sich diese Vergleiche vor Augen führt, ist die Behauptung mancher ÖVP-Politiker, das Land könne sich jetzt die ausschließlich auf Schulden finanzierten Milliardensubventionen der Jahre 2020 und 2021 leisten, weil man in den Jahren zuvor „so gut gewirtschaftet hätte“, schlichtweg falsch.
Hohe Staatsverschuldung
Quelle: Statistik Austria, Staatsquoten 1995–2020
Betrugen Österreichs Staatschulden im Jahr 2000 noch 140,4 Mrd. Euro (65,9 % des BIP) und war damals die Erreichung der 60 %-Marke nach den Maastricht-Konvergenzkriterien noch möglich, konnte in der Zeit bis 2007 durch verantwortungsvolle Haushaltspolitik der Schuldenstand in Relation zum BIP sogar leicht gesenkt werden. Im Jahr 2007 betrugen die Staatschulden 183,8 Mrd. Euro oder 65,1 % des BIP. Unter den dann seit 2007 folgenden SPÖ/ÖVP-Regierungen explodierten die Staatsschulden geradezu und betrugen im Jahr 2016 fast 300 Mrd. Euro oder 83,7 % des BIP. Auch in den Jahren 2017 bis 2019 stiegen die Staatsausgaben. Durch die gute gesamtwirtschaftliche Entwicklung konnte die Staatsschuldenquote im Jahr 2017 allein durch die Tatsache, dass das Budgetdefizit kleiner als das Wirtschaftswachstum war, auf 78,5 % des BIP gesenkt werden. In den Jahren 2018 und 2019 konnten in Österreich erstmals seit über 60 Jahren Budgetüberschüsse erwirtschaftet werden, was bei gleichzeitig guten Wachstumsraten des BIP zu einer Senkung der Staatsschuldenquote auf 70,5 % des BIP zu Ende des Jahres 2019 führte. Das klingt aufs Erste betrachtet ganz gut, wenn man allerdings Vergleiche mit Ländern zieht, mit denen wir uns vergleichen sollten,3 schaut die Welt ganz anders aus.
Im Jahr 2003 hatte die Schweiz mit einer Staatsverschuldung von 47,9 % des BIP eine nur unwesentlich geringere Staatsverschuldung als Österreich mit rund 65 %. Im Gegensatz zu Österreich, das seine Staatsverschuldung ab 2007 deutlich vergrößerte, hat die Schweiz im Jahr 2003 eine Schuldenbremse im Verfassungsrang beschlossen und diese Politik in den letzten Jahren auch konsequent verfolgt. Daher hatte die Schweiz im Jahr 2018 eine Schuldenquote von nur mehr 28,0 % des BIP4.
Auch die Entwicklung in Deutschland ist seit 2010 deutlich besser als in Österreich. Ausgehend von einer Staatsverschuldung von 78,4 % des BIP im Jahr 2010 sank diese kontinuierlich über die Jahre und betrug im Jahr 2019 nur mehr erstaunliche 55,1 % des BIP. Dies auch deshalb, weil es Deutschland gelang, seit dem Jahr 2012 bis einschließlich 2019 Budgetüberschüsse zu machen.
Auch Schweden hatte im Jahr 1996 noch eine Staatsverschuldung von fast 70 % des BIP, schlug aber dann einen konsequenten Konsolidierungskurs ein und hat seit über 10 Jahren eine Staatsverschuldung von nur rund 40 % des BIP. Auch Dänemark verfolgte über die Jahre eine ähnliche Schuldenpolitik und hatte Ende des Jahres 2019 eine erstaunlich niedrige Staatsverschuldung von lediglich 29,4 % des BIP.
Abgabenquote – drückende Steuer- und Abgabenbelastung
Sieht man sich die sehr schlechte Entwicklung der Staatsschulden in Österreich an, so müsste man in einem nächsten Schritt prüfen, ob dann nicht wenigstens die Belastung der Bevölkerung mit Steuern und Abgaben vergleichsweise gering ist, der Staat gleichsam höhere Verschuldungen in Kauf nimmt, dafür die Bürger aber mit weniger Steuern und Abgaben belastet. Die Abgabenquote (auch Steuer- und Abgabenquote) gibt dabei den Anteil an Steuern und Sozialabgaben am BIP in Prozent an. Leider ist in Österreich das Gegenteil der Fall.
Quelle: eurostat pressemitteilung 160/2020 vom 29.10.2020
Die Abgabenquote (auch Steuer- und Abgabenquote) gibt den Anteil an Steuern und Sozialabgaben am BIP in Prozent an. Österreich hat im Jahr 2019 mit 43,1 % eine viel zu hohe Abgabenquote, die in Europa nur mehr von Dänemark, Frankreich, Schweden und Belgien übertroffen wird. Dänemark und Schweden haben allerdings signifikant geringere Staatschuldenquoten als Österreich. Belgien und Frankreich haben zusätzlich auch noch sehr hohe Staatsschuldenquoten, diese beiden Länder sind jedoch wirtschaftspolitisch alles andere als Vorbilder für Österreich.
In Absolutzahlen ausgedrückt heißt dies, dass der Staat über Steuern und Sozialversicherungsabgaben dem Steuerzahler bei einem BIP für 2019 von 397,58 Mrd. Euro den Betrag von 171,36 Mrd. Euro abnimmt. Das ist viel zu hoch und inakzeptabel. Deutschland hatte dazu im Vergleich 2019 eine Abgabenquote von 40,6 %. Das heißt, Deutschland hatte eine um 2,4 % niedrigere Abgabenquote.
Bei einem österreichischen BIP für 2019 von 397,58 Mrd. Euro entsprechen 1,4 % einem Betrag von 5,57 Mrd. Euro, den der Staat mehr über Sozialabgaben und Steuern einnimmt als in Deutschland. Da stellt sich die Frage: Wohin verdampfen diese 5,57 Mrd. Euro jedes Jahr in Österreich? Noch dramatischer fällt der Vergleich zu anderen erfolgreichen Industrienationen außerhalb der EU aus. Die Schweiz (27,4 %), die USA (26,7 %) und Japan (33,1 %) hatten 2019 eklatant niedrigere Abgabenquoten als Österreich.
Conclusio für die Zeit 2000 bis 2019
Betrachtet man die Kombination der beiden Kennzahlen Staatsverschuldung in % des BIP und Abgabenquote über den Zeitraum 2000–2019, so ist festzustellen, dass Österreich sich leider in den Kreis der Länder eingliedert, in denen es zu einer Erhöhung beider Werte über die Jahre gekommen ist. Nur Länder wie Frankreich und Italien haben hier ähnlich schlechte Entwicklungen, freilich in noch viel dramatischerem Ausmaß, aufzuweisen. Es ist zu befürchten oder besser gesagt fast davon auszugehen, dass genau diese Länder, insbesondere auch durch die zusätzlichen negativen Auswirkungen der dort ergriffenen Maßnahmen aus Anlass der Corona-Krise ab 2020, in den nächsten Jahren zu einem massiven Problem im Euro-Raum und damit der gesamten Europäischen Union werden.
Es lag also, mit wenigen Ausnahmen von 2000 bis 2005 und von 2017 bis 2019, schon vor der Corona-Krise in Österreich über die letzten zwei Jahrzehnte alles andere als eine wirksame, erfolgreiche Steuer-, Abgaben- und Haushaltspolitik der jeweiligen Bundesregierungen vor. Trotz einer sehr hoher Abgabenquote und damit riesigen Einnahmen für den Staat wurden dennoch teils erhebliche Budgetdefizite produziert. Der Staat kam und kommt also offensichtlich selbst mit dem vielen Geld, dass er den Steuerzahlern abnimmt, nicht aus und macht dennoch jedes Jahr neue Schulden.