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III

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Es wird eine lange Nacht in der „Kohinoor-Bar.“ Sam Wymmers schmunzelt zufrieden, legt aber vorsorglich auch seinen Gummiknüppel unter dem Schanktisch zurecht, denn so übermütige Gelage haben schon oft genug mit einer tüchtigen Rauferei geendet. Die Tanzbegeisterung ist langsam abgeflaut. Dafür haben die Gäste selber das Vergnügungsprogramm in die Hand genommen. Ein Paar deutsche Digger sind auf das Podium geklettert und haben die Musiker verdrängt. Sie singen zu einer Zupfgeige „german - songs“, Heimatlieder, alte Wanderlieder. Ihre Stimmen sind ungeschult und rauh, aber man lauscht ihnen doch gern, denn die Melodien klingen so ganz anders als die gewohnten Schlager. Piet Keulen, der in seinem Kummer fleißig dem Whisky zugesprochen hat, bekommt darüber sogar den Schluckauf und wird elegisch. Er will unter allen Umständen das Lied von „Piet Heim“ zum Besten geben, dessen Namen klein, aber dessen Taten so groß waren. Gesang ist Piet Keulen nicht gegeben. Er wird nach den ersten schüchternen Tönen unter lautem Halloh wieder vom Podium heruntergezerrt.

An der Bar ist es ziemlich leer geworden. Die einzelnen Gruppen haben sich an den Tischen festgesetzt und trinken dort weiter. Molly Reeve verschmäht es heute, von Tisch zu Tisch zu flattern. Sie hängt wie eine Klette an dem blonden Hans Balck und hat sich mit ihm und Piet Keulen an einen Tisch gesetzt.

„Ach, du bist Deutscher?“ Molly schmiegt sich zutraulich an Balck, als er schallend den Heimatliedern applaudiert. „Meine Mutter war auch aus Deutschland.“

„So?“ Hans äugt über die Schulter scharf auf das Mädchen an seiner Seite. „Vorhin hast du dem Digger Dubois an der Bar erzählt, du wärst in Paris geboren.“

„Nun ja — bin ich auch. Darum kann meine Mutter doch eine ....“

„Ich will dir mal was sagen, Mädel?“ Hans faßt die Kleine unter das runde Kinn und hebt ihren Kopf zu sich in die Höhe. „Das Schmusen und Schwindeln kannst du dir für andere aufheben. Bei mir — ist nicht! Haste auch gar nicht nötig. Du bist ein liebes Mädel, und ich will den ganzen Camp drüben umschaufeln, wenn du nicht viel zu schade bist, um hier beim ollen Sam als Animiermamsell herumzutanzen!“

„Ich danke dir, Hans!“ sagt Molly Reeve ganz ernst. Ihre Augen haben alle Lustigkeit verloren und sind plötzlich ganz weich und verschämt geworden. Balck sieht sie mit einem langen Blick an und fühlt einen warmen Strom zum Herzen steigen. Ganz unmotiviert haut er die Faust auf den Tisch, daß Piet Keulen erschrocken aus seinem Brüten auffährt, und springt hoch:

„Kinder, das Geschäft flaut ab! Ich werd mal wieder Leben in die Klabauterkiste hier bringen! Alles herhören!

Ladies and gentlemen, ich habe die Ehre, Ihnen meine Verlobung mit Miß Molly Reeve anzuzeigen!“

In den schmetternden Tusch der Musik mischt sich das lachende Halloh der Gäste. Mollys überraschter Ausruf geht verloren in dem Lärm der andrängenden Stimmen. Lachende Gesichter stehen vor dem Tisch, Whiskygläser strecken sich dem blonden Hans entgegen.

„Mensch, gibst du heute an!“

„Nimm’s nicht zu leicht mit der Molly! Die kratzt!“

„Drei Hurras für das junge Paar!“

Hans Balck hat eines der ihm dargebrachten Whiskygläser ausgetrunken und sieht plötzlich ärgerlich in die vor Lachen rot angelaufenen Männergesichter ringsum.

„Ach, ihr meint, das wäre Spaß, Jungs? Geschnitten! Ich werde doch nicht eine Dame, wie die Molly hier ....“

Neues Lachen unterbricht ihn. „Mensch, du wirst doch nicht im Ernst behaupten wollen ....?“

„Shut up, Jonny!“ Hans Balck hat sich hoch aufgereckt und gebietet Ruhe. „Ich erkläre nochmals, daß ich heute abend Verlobung feiere mit Miß Molly Reeve! Hat jemand etwas dagegen einzuwenden? Der trete vor! Aber mit numerierten Knochen!“

Einen Augenblick ist es ganz still im Saal. Dann brüllt einer der Digger plötzlich laut auf: „Hol mich der Satan, Boys, die Molly sagt keinen Ton dazu! Da muß es wohl stimmen, denn das Mädel ist sonst nicht um Antwort verlegen!“

„Wirklich Ihr Ernst, Mr. Balck?“ Sam Wymmers drängt sich vor und streckt Hans etwas zögernd seine breite Hand hin. „Darf man gratulieren?“

„Immerzu, alter Junge! Und wenn Sie ’n geschäftstüchtiger Budiker sind, dann sorgen Sie dafür, daß binnen zehn Minuten ein anständiger Blumenstrauß hier auf dem Tisch steht. Für die dazugehörigen Pullen sorgen wir schon selber!“

Das Lachen erstirbt in der Sensation. Eine Menge Hände strecken sich jetzt ernsthaft den beiden entgegen, dem blonden Hans Balck und Molly, die ungläubig, selig, über und über errötet sich an seine Seite schmiegt. Einen Augenblick ist es fast, als wolle eine direkt feierliche Stimmung aufkommen, aber als Hans kurzerhand seine Molly beim Kopf nimmt und ihr vor aller Öffentlichkeit einen herzhaften Verlobungskuß gibt, bricht wieder tosender Jubel los.

Tusch! Musik! Hurrarufe! Hans und Molly tanzen nur eine kurze Ehrenrunde, dann ist der ganze Saal wieder voll von lustig umherwirbelnden Paaren. Der mächtige Blumenstrauß, den Sam Wymmers persönlich herbeischleppt und Molly überreicht, löst neues Halloh aus. Sam Wymmers zieht sich verständnisvoll lächelnd zurück. Das mit der Verlobung ist natürlich Nonsens. Mr. Balck als respektabler Gentleman und wohlbestallter Clerk der Skuller Mine Co. wird im Ernst nicht daran denken, sich mit so einer kleinen, hergelaufenen Krabbe zu verloben. Aber das ist ja auch egal. Der Zweck ist erreicht. Die schon abgeflaute Stimmung brandet wieder auf. Mr. Balck ist wirklich ein Hauptkerl. Wo er ist, da ist immer etwas los. Sam Wymmers beschließt dankbar, heute abend Mr. Balck wirklich keinen einzigen Whisky mehr auf die Rechnung zu setzen, als er tatsächlich bestellt und getrunken hat.

Als Hans und Molly, heiß und erregt vom Tanz an den Tisch zurückkehren, faßt der kleine Piet den Freund vorwurfsvoll am Arm. „Hans, du willst doch nicht im Ernst diese . . diese . .

„Na? Diese . .?“ Hans sieht einen Augenblick den jäh verstummenden Piet mit einem stählernen Blick an. „Sehr vernünftig, daß du schweigst, mein Junge, denn meine Braut laß ich auch vom besten Freund nicht beleidigen. Verstanden?“

„Aber ....!“

„Über das Aber sprechen wir morgen.“ Hans drückt den besorgten Kollegen auf seinen Platz zurück und rückt für Molly und sich selbst Stühle herbei. „Heut gibts kein Aber. Heut wird gefeiert, Junge! Und die Molly ist der Mittelpunkt!“

„Prost, Mr. Balck! Wenn Sie noch können!“

„Können! Ich?“ Hans Balcks Kopf fährt mit einem Ruck herum zu Guy Barnes, der ihm vom Nebentisch aus Bescheid tut. „Euch Grünhörner trink ich noch alle miteinander unter den Tisch!“

Lachen und kräftiger Widerspruch schallt ihm vom Nebentisch entgegen. Die drei Digger, die dort mit Guy Barnes gezecht haben, trumpfen auf. Guy ist sofort bereit, den Handschuh aufzunehmen: „Wetten, daß Sie das nicht können, Mr. Balck!“

„Geht in Ordnung! Wer übrig bleibt, zahlt nicht! Immer ran, meine Herren! Aufschließen! Der Tisch hier ist groß genug.“

Immer neue Flaschen muß Sam Wymmers anfahren lassen. Selbst Piet trinkt mit Begeisterung. Er ist der Erste, der müde den Kopf auf die Tischplatte sinken läßt und in selige Gefilde entschwebt. Aber auch die Digger müssen allmählich aufgeben. Nach einer Stunde verschwindet der eine torkelnden Ganges und kehrt nicht mehr zurück. Der Zweite leistet bereits Piet Gesellschaft, und nach einer weiteren halben Stunde rutscht auch der Dritte sanft unter den Tisch.

Guy Barnes kann einen Stiefel vertragen. Er trinkt Hans Balck immer wieder von Neuem zu. Seine Augen haben zwar auch schon einen wässerigen Glanz, aber seine Gedanken funktionieren noch. Guy weiß, was er will. Dieser Hans Balck ist unzweifelhaft der Kurier und ein leichtsinniger Bursche dazu. Wer weiß, ob er nicht den „Stern von Südafrika“ bei sich trägt. Man pflegt nicht kneipen zu gehen, wenn man so ein Wertstück unbewacht zu Hause hat, denn ein Safe hat Mr. Balck in seiner Junggesellenbude schwerlich. Guy ist entschlossen, festzustellen, ob seine Kalkulation richtig ist.

Ganz so leicht, wie er sich das gedacht hat, ist die Sache allerdings nicht. Hans hat zwar auch schon die rote Fahne aufgezogen, aber er denkt nicht daran, zu kapitulieren. Nicht einmal Molly Reeve gibt auf. Sie ist natürlich nicht verpflichtet, jedes Glas mitzutrinken, das die beiden Duellanten vertilgen, aber Guy tut ihr sehr häufig Bescheid, und Molly trinkt dann natürlich als wohlerzogene „Artistin mit Konsum-Verpflichtung“ jedesmal mit. Daß sie dabei einen kleinen Berufstrick anwendet und den Inhalt ihres Glases immer blitzschnell im Spucknapf verschwinden läßt, wenn Guy sein eigenes Glas herunterkippt, das merken weder Guy noch Hans.

Hans Balck trinkt nur der Wette halber. Seine Aufmerksamkeit gehört viel mehr dem hübschen Mädel, das sich so zutraulich und froh an seine Seite schmiegt, als dem Alkohol oder seinem Gegner. Um so aufmerksamer sind dafür Mollys Augen. Grade als Hans sich wieder einmal über sie beugt, um den schweren Duft ihres Haares einzuziehen, sieht Molly unter halbgeschlossenen Lidern, daß Guy Barnes heimlich und blitzschnell etwas in Hans Balcks Glas schüttet, aus einer kleinen Phiole, die er in seiner Hand verborgen hält.

„Da! Da brennts ja!“

Mollys ausgestreckter Arm weist plötzlich in eine Ecke des Saales. Die Köpfe der Männer fahren unwillkürlich herum. Es ist nur eine Sekunde, aber sie genügt für Molly, um mit fabelhafter Fixigkeit und Geschicklichkeit Guys und Hans Balcks Gläser zu vertauschen.

„Wo denn?“

„Siehst wohl weiße Mäuse, Molly?“

„Ach, ich dachte nur . . . dort drüben . . . der Rauch . . .“

„Wird Zeit, daß du ins Heiabettchen kommst“, lacht Hans gutmütig, „wenn du schon den Tabakqualm für ein Schadenfeuer ansiehst!“

„Keine Unterbrechung!“ mahnt Guy, eifrig das Glas ergreifend. „Der nächste Schuß, Mr. Balck!“

Es bleibt kein Tropfen in den beiden Gläsern, aber als Guy sein Glas wieder auf den Tisch setzt, bekommen seine Augen plötzlich einen sonderbar starren Ausdruck.

„Was zum Teufel . . .?“ Guy bricht ab und macht einen unwillkürlichen Versuch, aufzustehen. Seine Beine fallen ihm förmlich unter dem Körper weg. Die Augendeckel klappen noch ein paarmal, seine Hand tastet ziellos über den Tisch, — dann sinkt Guy Barnes besinnungslos von seinem Stuhl auf den Fußboden.

„. . . acht, neun — zehn!“ Hans zählt den geschlagenen Gegner ordnungsgemäß aus und schiebt dann seinen eigenen Stuhl zurück. Breitbeinig, etwas schwankend, mit rotem Gesicht steht er da, aber als Sieger. Sein Blick fliegt triumphierend über die zu Boden Getrunkenen.

„Das hätten wir wieder mal gepinselt!“ Als Sam dienstbeflissen eine neue Flasche Whisky bringen will, schiebt Hans sie kopfschüttelnd zurück. „Genug für heute. Ruf den Kindergarten an, Sam, und laß die Babies da abholen. Meinen Freund Piet bring ich selber nach Hause.“

Es kostet Hans doch einige Mühe, sich niederzubeugen und den schlafenden Piet aufzulesen. Als er ihn hoch bekommen hat und den Kleinen mit einem Schwung über die Schulter wirft, drängt sich Molly mit bettelnden Augen an ihn.

„Hans! Du kommst doch morgen abend wieder? Bestimmt?“

„Selbstverständlich, Molly!“ sagte Hans im Brustton der Überzeugung, ohne im Augenblick daran zu denken, daß er morgen abend, wenn Sam seinen Laden aufmacht und die kleine Molly ihr Liedlein singt, schon auf dem Weg nach Port Elizabeth ist.

Ohne Hut, den immer noch fest schlafenden Piet über der Schulter, schreitet Hans Balck wohlgemut in die Nacht hinaus. Zwei große, nachdenkliche Mädchenaugen sehen ihm nach.

Der Stern von Südafrika

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