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Mr. Skuller ist Frühaufsteher. Er pflegt zwar erst gegen zehn Uhr in den Büros des Verwaltungsgebäudes aufzutauchen, aber dann ist er auch schon mitten in der Arbeit, denn Mr. Skuller hat die Angewohnheit, besonders wichtige Dispositionen bereits beim Frühstück zu treffen und dazu die betreffenden Personen ohne Rücksicht auf die frühe Morgenstunde in seine Privatwohnung zu bestellen.

Heute morgen ist es ein junges Mädchen, das in dem sonnigen Frühstückszimmer der kleinen, neben dem Verwaltungsgebäude liegenden Villa Mr. Skuller gegenübersitzt. Hinter dem Stuhl des Generaldirektors steht bereits die Privatsekretärin mit Bleistift und Stenogrammblock. Aber diesmal bekommt sie vorläufig noch nichts zu tun.

„Warten Sie drüben in der Halle, Miß Laferty“, sagt Mr. Skuller kurz über die Schulter. „Werde Sie rufen, wenn ich Sie benötige.“

Miß Laferty ist eine überschlanke, etwas angejahrte Dame mit kurzgeschnittenem, schwarzem Haar und einem Lorgnon. Sie klappt ihr Stenogrammheft sofort zusammen und geht gehorsam hinaus, aber sie kann es sich nicht versagen, einen abfälligen Seitenblick auf das junge, hübsche Mädchen zu werfen, das da ungeniert am Tische, Mr. Skuller gegenüber Platz genommen und ein Bein übergeschlagen hat. Seit einiger Zeit empfängt Mr. Skuller diese unbekannte junge Dame mehrmals wöchentlich, und Miß Laferty wird dann jedesmal hinausgeschickt. Das ist verdächtig. Überhaupt, wenn ein Mann in Mr. Skullers Jahren unter so ungewohnten Umständen eine hübsche junge Dame in seine Privatwohnung bestellt, so .... Miß Laferty zieht die Mundwinkel herab und schließt die Tür hinter sich geräuschvoller als unbedingt notwendig.

Währenddessen schlürft Mr. Skuller seinen Kakao aus und wirft über den Rand der Tasse einen prüfenden Blick auf sein Gegenüber. Das junge Mädchen zeigt zwar keine Müdigkeit in seiner Haltung, aber ihre Augen sind ein wenig übernächtigt, wie nach einer ausgedehnten Ballnacht.

„Scheinen sich gut amüsiert zu haben gestern nacht“, bemerkt Mr. Skuller beiläufig. Die junge Dame lächelt ein wenig.

„Ausgezeichnet, Mr. Skuller. Das bringt das Metier so mit sich.“

„Hm. Hoffe, daß Sie dabei nie vergessen, weshalb Sie in meinem Auftrage dies merkwürdige Engagement angenommen haben, Miß Reeve. Können Sie mir heute etwas Näheres berichten über den Mann, der hier Diamanten anzukaufen versucht?“

„Natürlich, Mr. Skuller. Ich weiß sogar, wer es ist.“

Der Generaldirektor hebt erfreut den Kopf. „Das wäre großartig. Also?“

Das Übermüdete im Gesicht des jungen Mädchens ist mit einem Schlage verschwunden. Eine elastische Frische liegt plötzlich über ihrem ganzen Wesen.

„Hab mich an die rote Mabel rangemacht, meine „Kollegin“ bei Sam Wymmers drüben, und sie auf den Verdächtigen gehetzt.“

„Warum nicht Sie selbst?“

„Weil die rote Mabel zu diesem Geschäft besser taugt“, sagt Molly Reeve trocken, „ich meine, was die konsequente Durchführung anbelangt. Also, der Mann hat auf Mabel angebissen und sie gebeten, ihn in seiner Wohnung zu besuchen. Dabei hat er ihr natürlich seinen Namen verraten müssen, und Mabel hat ihn mir stolz weitererzählt. Der Gentleman heißt Charles Arby und wohnt hier in Kimberley, Tugelastreet 24.“

„Charles Arby!“ ruft Mr. Skuller erfreut. „Das kann stimmen! Der steht schon lange auf der schwarzen Liste!“

„Es stimmt, Mr. Skuller. Es ist der Mann, der vor kurzem den Versuch gemacht hat, einige Ihrer Digger zum Grubendiebstahl zu verleiten. Eine Gegenüberstellung der betreffenden Arbeiter mit ihm wird es bestätigen. Übrigens habe ich das Gefühl, daß der Mann in Verbindung steht mit einem gewissen Guy Barnes.“

„Wer ist das?“

Molly zuckt die Schultern. „Eine der vielen unübersichtlichen Existenzen, die hier herumlaufen.“

„Haben Sie Beweise gegen ihn?“

„Nein.“

Mr. Skuller denkt einen Augenblick nach. „Nun, das ist schließlich auch unwichtig. Die Hauptsache bleibt, daß wir wissen, wer der Mann ist, der sich an unsere Digger heranmacht. Ich danke Ihnen, Miß Reeve. Sie haben in diesen Wochen vorzüglich gearbeitet. Ich gestehe, daß Sie überhaupt die beste Privatsekretärin sind, die ich bisher kennengelernt habe.“

„Schön. Bitte berücksichtigen Sie das bei der nächsten Gehaltszahlung, Mr. Skuller.“

„Möchte Ihnen einen Beweis meines Vertrauens geben, Miß Reeve“, sagt der Generaldirektor, den Einwurf Mollys geflissentlich überhörend, schweigt einen Augenblick überlegend und feuert dann plötzlich eine unerwartete Frage ab.

„Wann können Sie reisen?“

„Zu jeder Stunde“, sagt Molly, erstaunt den Kopf hebend. „Wollen Sie mich denn außerhalb verwenden?“

„Werden Sie gleich hören. Es ist Ihnen also möglich, heute noch auf längere Zeit, sagen wir auf acht Wochen zu verreisen?“

„Wenn’s sein muß.“ Molly zögert ein wenig. „Aber . . .“

„Aber?“

„Im Augenblick bin ich nicht grade begeistert davon, abzureisen, Mr. Skuller. Ich möchte sogar sehr gern vorläufig in Kimberley bleiben. Wenn Sie also einem anderen den Auftrag geben können, — ich fühle mich nicht zurückgesetzt.“

„Möchte gern Sie beauftragen, Miß Reeve.“ Mr. Skuller runzelt die Stirn. „Warum wollen Sie in Kimberley bleiben?“

Eine Sekunde zögert Molly noch, dann lächelt sie entschlossen. „Weil ich mich gestern abend verlobt habe, Mr. Skuller.“

„Gestern abend?“ Skuller stutzt überrascht. „Doch nicht in der . . . in Sam Wymmers Bar?“

„Doch. Sie merken auch alles!“

Mr. Skuller ist peinlich überrascht. „So, so. Hm. Ich gratuliere, Miß Reeve. Ist Ihr Verlobter ein Hiesiger?“

„Einer Ihrer Angestellten, Mr. Skuller.“

„Ah! Sein Name?“

Molly hebt mit verzweifeltem Humor die Schultern. „Den weiß ich noch nicht, Mr. Skuller.“

„Erlauben Sie mal!“ Des Generaldirektors würdiges Antlitz verbittet sich solche Scherze. „Sie kennen den Namen Ihres Verlobten nicht?“

„Bis jetzt noch nicht. Aber ich werde ihn heute abend erfahren“, lächelte Molly unbekümmert. „Waren Sie schon mal im „Kohinoor“, Mr. Skuller? Natürlich waren Sie schon da. Dann wissen Sie doch auch, wie das manchmal zugeht, wenn die Nacht lustig ist. Man fragt nicht viel nach Nam und Art. Und wenn man — nun ja, wenn man verliebt ist, fragt man überhaupt nicht.“

Mr. Skuller scheint es für gefährlich zu halten, auf dieses Thema näher einzugehen. Er springt schnell zum Geschäftlichen zurück. „Ich hoffe ernstlich, Miß Reeve, daß diese — hm — Verlobung keinen nachteiligen Einfluß auf Ihre berufliche Tätigkeit haben wird!“

„Nicht die geringste.“

„Well, dann beweisen Sie es. Übernehmen Sie den Auftrag, den ich Ihnen zu geben gedenke.“

Molly überlegt schnell, daß es ihr immer noch möglich sein wird, den netten Hans vor ihrer Abreise zu sprechen. Er wollte ja heute Nachmittag wieder in den „Kohinoor“ kommen. Auch wird sie ja von Sam Wymmers sicher seine Wohnung erfahren können. Molly, die im Falle Charles Arby vorsichtig die rote Mabel vorgeschickt hat, um schließlich nicht gezwungen zu sein, selbst den Mann zu besuchen, ist im Falle Hans Balck ohne weiteres entschlossen, zu ihm zu gehen, falls er nicht von selber kommt.

„All right“, sagt sie sachlich. „Ich reise, wohin Sie wollen. Worum handelt es sich?“

Mr. Skuller nickt befriedigt, steht von seinem Sessel auf und geht erst einmal zur Tür. Miß Laferty hat zwar nicht die schlechte Angewohnheit, zu horchen, aber sicher ist sicher. Erst als er sich überzeugt hat, daß die Sekretärin nicht im anstoßenden Zimmer, sondern drüben im Empfangsraum ist, nimmt er wieder Platz und sieht seine Privatdetektivin ernst an.

„Also hören Sie, Miß Reeve. Es ist gestern in den Skuller Minen ein ungewöhnlich großer Diamant gefunden worden.“

„Der Stern von Südafrika“, nickt Molly. „Weiß ich natürlich. Die Jungs sprachen gestern abend bei Sam fast von nichts anderem.“

Unangenehm berührt zieht Mr. Skuller die Brauen hoch. „Es ist also schon bekannt? Well, nach den Begleitumständen des Fundes war nichts anderes zu erwarten. Um so notwendiger ist, es, die Überbringung des Steines zu sichern.“

„Aha!“

„Wir senden dieses Mal nur zwei Kuriere ab“, fährt Mr. Skuller, die Stimme dämpfend, fort. „Sie, Miß Reeve, brauchen sich natürlich nur um den einen zu kümmern, um denjenigen, der wirklich den Stern von Südafrika in seinem Päckchen hat.“

„Natürlich. Und das ist?“

Mr. Skuller lehnt sich in seinem Sessel zurück. „Ich habe diesmal meine Auswahl besonders vorsichtig getroffen. Der eine der beiden Kuriere ist ein ziemlich unscheinbarer junger Mensch, so unscheinbar, daß geriebene Gauner grade auf ihn schließen werden.“

„Aber er hat den Stein nicht?“

Mr. Skuller schüttelt den Kopf und lacht in sich hinein. Offenbar stimmt ihn eine Erinnerung heiter. „Ich habe dem besagten jungen Mann allerdings so deutlich zu verstehen gegeben, daß er der Kurier sei, daß er selber felsenfest davon überzeugt ist, den Stein zu haben. Er bat mich sogar schließlich händeringend, einen anderen als Kurier zu wählen. Well, ich sagte ihm: „Nein, mein Lieber, grade Sie sind der Mann, den Stein sicher nach Amsterdam zu bringen.“ Er wird die tollsten Vorsichtsmaßregeln treffen, um seinen Schatz zu sichern, und grade diese Vorsicht wird die Aufmerksamkeit eventueller „Interessenten“ auf sich lenken.“

Molly nickt ernsthaft. „Logisch, Mr. Skuller. Und der andere?“

Der Generaldirektor schweigt eine Sekunde und sieht Molly durchdringend an. „Ich lege ein verantwortungsvolles Amt in Ihre Hände und gebe Ihnen den höchsten Beweis meines Vertrauens, Miß Reeve, indem ich Ihnen den Namen des wirklichen Kuriers nenne. Er heißt Mr. Balck.“

„Mr. Balck.“ Molly notiert den Namen fest in ihrem Gehirn. „Kenn ich nicht.“

„Es ist auch keiner unserer bisherigen Kuriere“, fährt der Generaldirektor fort. „Einer unserer Clerks, der bis jetzt nicht im Verwaltungsgebäude gearbeitet hat, aber ein tadelloser, vertrauenswürdiger Bursche. Er hat den Stern von Südafrika.“

„Wem ist das bekannt?“

„Außer mir und meinem ersten Sekretär nur noch Ihnen, Miß Reeve.“

„Gut. Meine Aufgabe ist Überwachung?“

Mr. Skuller nickt. „Ihre Arbeit im „Kohinoor“ ist ja sowieso beendigt, nachdem Sie Ihre Aufgabe dort so schnell und vorzüglich gelöst haben. Mr. Balck reist mit dem Dampfer „Köln“ von Port Elizabeth. Sie werden mit dem gleichen Schiff fahren und unterwegs den Mann unauffällig überwachen, vor allem Ihr Augenmerk darauf richten, ob verdächtige Personen sich an ihn heranmachen oder ob er von anderer Seite aus beschattet wird, ob ....“

„Brauchen Sie mir nicht auseinanderzusetzen, Mr. Skuller. Die Walze kenn ich.“

Der Generaldirektor zuckt wieder einmal ein wenig zusammen. Manchmal ist diese kleine Miß Reeve von einer märchenhaften Frechheit und Überheblichkeit. Aber tüchtig ist sie und vor allem grundehrlich. Da darf man es mit der Form nicht allzu genau nehmen. Er räuspert sich.

„Sie sind bereit, den Auftrag zu übernehmen?“

„In Ordnung, Mr. Skuller.“

„Well. Ihren Paß haben Sie doch in Ordnung? Die Schiffskarte können Sie beim Passagebüro in Port Elizabeth lösen. Falls Komplikationen eintreten sollten, drahten Sie an mich persönlich, Code B. Ihre Aufgabe endet mit dem Augenblick, in dem der Stein an seinem Bestimmungsort in Amsterdam abgegeben wird.“

„Mein Honorar beträgt?“

„Das Doppelte Ihres bisherigen Gehalts. Außerdem ein Monatsgehalt Prämie nach glücklicher Beendigung.“

„Und die Spesen?“

„Sie erhalten ein Pauschale, das reichlich bemessen ist. Sollten darüber hinaus besondere Ausgaben erforderlich werden, können Sie diese telegraphisch anfordern. Übrigens, es ist besser, wenn Sie das Geld nicht an der Kasse erheben oder einen Check von mir an der Bank präsentieren. Das erregt nur unnötiges Aufsehen und bringt eventuelle Beobachter auf Ihre Spur. Ich werde Ihnen das Geld gleich persönlich geben.“

Etwas schwerfällig erhebt sich Mr. Skuller aus seinem Frühstückssessel, um an sein Privatsafe im Arbeitszimmer zu gehen. Molly Reeve aber denkt währenddessen viel weniger an ihre neue Aufgabe als daran, wie es ihr am besten möglich sein wird, ihren Verlobten zu verständigen und von ihm Abschied zu nehmen. Keine Ahnung sagt ihr, daß der nette Hans und der Kurier Mr. Balck ein und dieselbe Person sind.

Der Stern von Südafrika

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