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Die Jahrhundertfrauen

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Das explodierende „Hatschi“, das der Oberst nicht zu unterdrücken suchte, vermochte die gewohnte Stille am Frühstückstisch nur kurz aufzuscheuchen. Schon widmete sich Lily wieder ihrer Semmel, die sie dick mit Butter und Marillen-Marmelade bestrich. Rudolphs Heuschnupfen, der sich alljährlich im Frühjahr einzustellen pflegte, zählte sie zu den absichtlichen Grobheiten ihres Gatten. Vertieft in seine großblättrige Zeitung, hinter der er in regelmäßigen Abständen sein Taschentuch aus der Hosentasche zog, schien der Oberst seine Familie vergessen zu haben. Erst als die dicke Anna, die Gute, mit frischem Kaffee kam, ließ er die Presse sinken. Dabei war ihm nicht entgangen, wie Valentina lustlos an einem halben Butterkipferl kaute, das ihr im Mund aufzuquellen schien. Zittrig rührte sie im schwarzen Kaffee, obwohl sie niemals Zucker nahm. Anna durfte ihr nochmals einschenken.

Die böhmische Köchin hatte die Fünfzig hinter sich. Ihre treuen grauen Augen waren stets auf das Wohl der Familie Bienen gerichtet, in deren Dienst sie getreten war, als ihr Mann vor zehn Jahren starb. Sie verrichtete ihren Dienst zu aller Zufriedenheit und wurde von Rudolph zum Inventar gezählt, als das er sie auch behandelte. Doch Anna schien sich nichts daraus zu machen. Sie werkte von früh bis spät in der Küche, wo sie täglich drei größere Mahlzeiten und eine Nachmittagsjause zuzubereiten hatte. Dazwischen putzte sie Zimmer und kümmerte sich penibel um die Garderobe der Herrschaften; Aufgaben also, die in guten Häusern die Dienstmädchen verrichteten. Nicht dass der Oberst dazu gezwungen war, am Personal zu sparen. Nein. Er wollte nur nicht noch mehr Frauen um sich haben, und so fiel die gesamte Last auf Anna. Lily vertraute ihr und ließ sie gerne die wichtigsten Einkäufe erledigen. An den vier großen Putztagen im Jahr ließ sie die erwachsene Tochter der Köchin als Verstärkung kommen, um selbst möglichst wenig Hand anlegen zu müssen. Wenn Anna schlechte Tage hatte, was doch regelmäßig vorkam, dann stellte sie sich vor, dass ihr die Villa selbst gehörte, und das half, ihr Engagement zu erneuern. Und so ließ sie weiterhin die Töpfe scheppern, die Gläser klirren, das Besteck beim Silberputzen rasseln. Wenn sie die Teppiche im Garten mit kräftigen Hieben klopfte, flogen die Vögel kreischend aus den Hecken; ansonsten führte Anna eine geräuschlose Existenz.

An diesem Morgen schenkte sie auch dem Hausherrn Kaffee nach und schielte auf die Zeitung, um etwas von dem Inhalt zu erhaschen, für den sich Oberst Bienen so sehr zu interessieren schien.

„Das ist der Untergang des Abendlandes!“ Rudolphs Stimme überschlug sich und ließ Anna erschrocken zurückweichen, Lily alarmiert aufblicken und Valentina ihre Tasse absetzen. „Hier steht doch tatsächlich, dass es Frauen in der Monarchie ab sofort gestattet ist, Medizin zu studieren.“ Rudolph faltete die Zeitung und sah dabei seine Frau an. „Was bilden die sich eigentlich ein?“

„Also ich würde mich bei weitem lieber von einer Frau Doktor untersuchen lassen“, erwiderte Lily, die große Lust verspürte, ihr Geschlecht zu verteidigen.

„Nur gut, dass du die Wahl nicht hast“, fuhr ihr Rudolf über den Mund und setzte zu einem seiner Monologe an, die in der Familie gefürchtet waren. „Frauen gehören ins Haus, und damit ist der Seziersaal tabu. Ebenso wie Billard- und Raucherzimmer. Heiraten und Kinder, das ist die gott- und kaisergewollte Ordnung, unter der jede Frau am besten gedeiht!“ Das „kaisergewollt“ unterstrich er mit einem energischen Handschlag auf die Tischkante, der das Frühstücksservice erzittern ließ.

Valentina, die regungslos zugehört hatte, zuckte zusammen, blieb aber nicht versunken, wie es sonst ihre Art bei Tisch war. „Für Waffen sollen sich Damen aber schon interessieren!?“ Mit erhobenem Kopf sah sie ihrem Vater in die Augen, zur Provokation entschlossen. Lily warf ihr einen erstaunten Blick zu, in dem sich Überraschung mischte, als sie in Valentina – wenn auch nur kurz – eine Komplizin sah. Da Anna, der die Szene willkommene Unterhaltung bot, im Zimmer war, begnügte sich Rudolph damit, seine Tochter mit einer seiner düstersten Mienen abzustrafen.

Das himmlische Banquet

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