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Das Ziel verleiht die Kraft

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Valentina hatte keine beste Freundin, wenn man darunter ein etwa gleichaltriges Mädchen verstehen will, das man beinahe täglich trifft, mit dem man über alles lachen und weinen und der man seine innigsten Gedanken anvertrauen kann. Wohl kam sie mit ihren Mitschülerinnen gut aus, doch beschränkte sich dieser Kontakt auf die Stunden des Unterrichts. Valentina kam sich deshalb merkwürdig vor, doch nur so lange, als sie sich mit anderen verglich. Wohl fühlte sie sich alleine mit den Büchern, wobei sie alles las, was ihr in die Hände kam; sogar Vaters Militärbände waren darunter, die sie nur ob ihrer Bilder mochte. Bei Uniformen und Dienstgraden kannte sie sich sogar schon aus. In Rudolphs Bibliothek hatte sie auch das voluminöse „Jahrhundert der Chirurgen“ gefunden, das sie innerhalb einer Woche gelesen hatte und nun stolz in das Arbeitszimmer zurückbrachte. Valentina verschlang Lektüre, so wie andere Leute sich heißhungrig ein üppiges Mittagessen einverleibten. An Geburtstagen und Weihnachten schenkten ihr die Eltern immer ein Buch; doch nur Tante Paulina wusste, was Valentina interessierte.

Wenn Valentina nicht gerade Hausübungen zu erledigen hatte oder zum Klavier- und Malunterricht ging, leistete sie Anna Gesellschaft. In der stets warmen Küche fühlte sie sich geborgen, vorausgesetzt, sie war gerade gut gelüftet worden.

„Weißt du, Anna? Wenn ich volljährig bin, studiere ich Medizin!“ Valentina saß am wuchtigen langen Küchentisch und knackte Walnüsse, die sie flink von der Schale befreite und der Köchin zuschob. Diese saß am anderen Ende des Tisches mit einer irdenen Schüssel zwischen wallendem Busen und Bauch gepresst und schlug den Kuchenteig mit einem Kochlöffel.

„Fräulein machen erst die Matura“, böhmakelte sie und dachte nach. „Alles Weitere wird sich schon finden. Vielleicht auch gleich a fesches Mannsbild.“

„Ich brauche doch keine bessere Hälfte, die mit 40 uralt ist und sich behutsam den Bart streicht“, erwiderte Valentina, die diese bei Mädchen ihres Alters übliche Strategie schon längst erwogen hatte.

„Ist schon wahr. In dem Alter setzen die meisten Männer plötzlich ganz schnell Bauchfett an“, schmunzelte Anna und dachte an ihren Gatten, der sie eigentlich nur wegen ihrer Kochkünste geheiratet hatte.

„Und richten sich in einem windstillen Leben ein“, fuhr Valentina empört fort. „Abenteuer, Aufregung und Phantasie kennen die nur aus der Zeitung!“

Anna ließ vom Kuchenteig ab und suchte Valentinas Augen. „Aber Fräulein! Denken sie nicht an süße Kinder, die das Herz erwärmen, vor allem wenn es das eigene Fleisch und Blut ist?“

Valentina verzog das Gesicht. „Ich denke dabei mehr an den dicken Bauch, der mich zu Boden zieht. Womöglich jedes Jahr. Allein die Vorstellung ist mir widerlich!“

„Jessas, Maria und Josef! Versündigen sie sich nicht, mein Fräulein. Leben schenken ist doch die schönste Aufgabe.“

Valentina senkte die Stirn, als sie merkte, dass sie Anna vor den Kopf gestoßen hatte. „Das mag ja sein. Ich fühle mich einer derartigen Verpflichtung jedenfalls nicht gewachsen“, resümierte Valentina ihre ehelichen Ansichten und überließ der Köchin bereitwillig das letzte Wort, das auch prompt kam.

„Warten wir ab. Sie sind noch so jung. Und abgesehen davon, müssen Fräulein erst meinen Gugelhupf probieren, mit acht Eiern, viel Butter und Rosinen!“

Valentina seufzte und strich mit einer Hand die Nussschalen in den Korb. Valentina liebte den warmen Geruch der frischen Mehlspeisen, von denen sie allenfalls kostete. Der zarte Duft und der böhmische Klang durchzogen noch viele Jahre später ihre Erinnerungen. Dass Anna ihre einzige Vertraute und somit auch beste Freundin war, erkannte sie erst, als sie ihr Elternhaus verlassen hatte.

Das himmlische Banquet

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