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1. Einleitung

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„Wäre die Sprache nicht unstreitig das Höchste, was wir haben, so würde ich Musik noch höher als Sprache und als ganz zuoberst setzen.“

(Schriften zur Natur- und Wissenschaftslehre – Physikalische Wirkungen)

Johann Wolfgang von Goethe: der Dichterfürst, der Naturwissenschaftler, der „Augenmensch“, der Ästhet, das Sturm-und-Drang-Genie. Wachen Blickes, wissensdurstig und hochproduktiv durchlebt er drei Epochen, vom Spätbarock über die Weimarer Klassik bis zur Frühromantik. Immer wieder begleitet ihn dabei die Musik. Als Forschungsgegenstand, als berufliches Beiwerk, als Lebenselixier. Kein deutscher Dichter wird so oft vertont wie Goethe, und vielleicht wünscht sich auch kein anderer eine derart intensive Verbindung von Wort und Ton. Sein Talent in den musischen Fächern offenbart sich jedoch weniger in der praktischen Ausübung – wenn er auch wohl ein passabler Musiker und Sänger für den Hausgebrauch ist –, sondern vor allem in seiner Empfänglichkeit für die verborgene und offene Wirkung der Musik. In Goethes breit gefächertem Denken bildet sie so etwas wie den Bereich des „Wunderbaren“, und er beschäftigt sich zeitlebens mit der Frage, was das innere Wesen der Musik ausmacht. Er fühlt sich dabei in seinem Tun oft missverstanden. Gerade das Denken in die Struktur einer Sache hinein erscheint seinen Zeitgenossen schwer nachvollziehbar, und manchmal steht der Dichter auf verlorenem Posten. „Nachdenken“ heißt bei ihm immer „Aneignen“. Da ihm jedoch sowohl die musikalisch-kompositorischen als auch musiktheoretischen Voraussetzungen fehlen, um (in Analogie zu seiner bekannten Farbenlehre) ein Konstrukt für die Musik zu entwerfen, sucht er zeitlebens engen, fruchtbaren Kontakt zu Musikern und jenen, die er als „Kenner“ empfindet, allen voran zu den Komponisten Johann Friedrich Reichardt und Carl Friedrich Zelter. Er forscht als Erster, angeregt durch Johann Gottfried Herder, deutschen Volksliedern nach, von denen er einige in seinem Schaffen poetisch verarbeitet. Wer kennt nicht das „Heideröslein“ und den „Erlkönig“ in Franz Schuberts Vertonung oder „Das Veilchen“ von Mozart? Goethes Lyrik ist in hohem Grade „Sprachmusik“, kaum eines seiner Gedichte wäre nicht zur Vertonung geeignet gewesen.

Weniger bekannt sind seine Bemühungen um das deutsche Singspiel und eine deutsche Oper, obschon seine langjährige Tätigkeit am Weimarer Hoftheater natürlich nicht nur den praktischen Theaterbetrieb, sondern auch und gerade die Beschäftigung mit der Oper als solche impliziert. In einem fast 30 Jahre andauernden Briefwechsel mit Zelter offenbart sich der Literat zudem in besonderer Weise und erlaubt einen Blick auf seine Erkenntnisse, Erlebnisse und immer wieder auf sein Gefühlsleben. So führt ein musikalischer Lebenslauf unweigerlich durch Goethes im wahrsten Sinne „wunder-bare“ Lebensgeschichte, in der das „Wunder Musik“ in vielerlei Facetten beleuchtet wird.

Was Orthografie und Interpunktion betrifft, so ist bekannt, dass Goethe hierin ziemlich sorglos verfuhr und dass von einer konsequenten Befolgung eines bestimmten Systems bei ihm kaum die Rede sein kann. So sei an dieser Stelle angemerkt, dass Goethe im vorliegenden Buch stets so originalgetreu wie möglich bzw. bekannt zitiert wird.

Goethe und die Musik

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