Читать книгу JAGD NACH DEN DRACHENMEDAILLONS - Barbara Muschl - Страница 5
– KAPITEL 4: DIE ANDERE DIMENSION –
ОглавлениеAls ich die Augen aufschlug, wusste ich diesmal sofort, was passiert war. Doch ich fand mich nicht an der Steinsäule, an der ich eingeschlafen war, sondern in einem steinernen Kerker wieder. Es war dunkel und feucht und die Gitterstäbe waren aus schwarzem Stahl. Ich raffte mich auf und spähte durch das Gitter. Kreisförmig angeordnet befanden sich noch ein paar andere Zellen um einen kleinen steinernen Platz herum, von dem eine Treppe wegführte.
„Kimmy?“, vernahm ich Mareks Stimme aus der Zelle neben mir. „Marek!“ „Gott sei Dank, dir geht’s gut.“ „Jetzt übertreib mal nicht gleich… Wo sind wir hier?“ Er seufzte. „Ich hätte es dir früher sagen sollen. Wenn ich gewusst hätte, dass Marco involviert ist, hätte ich das vermutlich auch getan…“ „Was sagen? Was ist hier los?“
Doch Marek kam nicht zum Antworten. Schritte näherten sich rasch über die Steintreppe und ein Junge betrat den Raum. Er war groß, schwarzhaarig, muskulös und hatte leuchtend violette Augen. Ich schluckte. Ihm folgten Marco, Flo und Luca. Die vier kamen direkt auf meine Zelle zu und der fremde Junge grinste. „In der Tat… Sehr beeindruckend. Sie ist wirklich bildhübsch. Sie ist genau das, was ich wollte. Und euch drei“, er wandte sich zu Marco und seinen Jungs um. „könnte ich durchaus einen Job bei mir anbieten – ihr werdet natürlich angemessen entlohnt.“
In Marcos Gesicht zeichnete sich sein Lächeln ab. „Sehr gerne, Chef!“ Der Junge grinste. „Ausgezeichnet. Dann bringt mir das Goldstück hier in meine privaten Räume – etwas wie sie hat hier in diesem schäbigen Kerker nichts verloren.“ „NEIN!“, warf Marek ein. „Ray, du dreckiger Mistkerl, dass deine schmutzigen Finger von ihr!“
Der Junge lachte. „Marek, dich hätte ich ja fast vergessen! Es tut mir ja wirklich leid, dir das Herz brechen zu müssen, aber die Kleine gehört jetzt mir.“ Er wandte sich an Marco: „Lasst dieses Stück Dreck hier verrotten, bis er Manieren gelernt hat!“ Marco nickte. Ray verließ den Raum und Marco wandte sich an seine Jungs: „Ihr habt ihn gehört – bringt die Kleine rauf!“ „Aber…“, protestierte Flo. „Pech gehabt, Flo, sie gehört ihm.“
Flo seufzte und Marco schloss meine Zelle auf. Flo und Luca kamen drohend auf mich zu.
Nach einem fünfminütigen, erbitterten Schlagabtausch, bei dem Flo ein blaues Auge und Luca einige Kratzer eingesteckt hatte, fand ich mich in Handschellen wieder und die beiden bugsierten mich unsanft die Treppen hinauf aus dem Kerker.
Es ging alles viel zu schnell, um irgendetwas deutlich wahrnehmen zu können. Die beiden Jungs führten mich durch unzählige Gänge, Türen und über steile Wendeltreppen hinauf und langsam stieg in mir der Verdacht auf, dass wir uns in einer Burg befanden. Die Gänge waren mit rot-goldenen Teppichen ausgelegt und an den grauen Steinmauern hingen große, in goldene Rahmen gefasste Bilder. Die Türen waren allesamt aus dunklem Holz und sehr groß.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir endlich an unserem Ziel an und ich war mir sicher, dass wir uns nun im höchsten Turm der Burg befinden mussten. Flo und Marco schlossen eine große, schwere Eisentür auf, die mit goldenen Drachen verziert war, nahmen mir die Handschellen ab und stießen mich in den Raum, ehe die Tür wieder ins Schloss fiel und ich hörte, wie ein Schlüssel zweimal umgedreht wurde.
Ich sah mich um. Ich stand in einem riesigen Raum, etwa so groß wie ein halbes Fußballfeld.
Der gesamte Boden war mit rotem Stoff ausgelegt, in den goldene Fäden eingewebt waren. An den Wänden hingen goldene Drachenstatuen, verschiedene Banner und goldgerahmte Bilder. Auf einer Art Podest stand, an die Wand geschoben, ein riesiges, rundes Himmelbett. Es war mit rotem Samt bezogen und die Vorhänge – ebenfalls aus rotem Samt – waren mit goldenen Fäden gesäumt.
Neben dem Bett befand sich ein großer Kasten aus dunklem Mahagoni-Holz, ebenfalls mit goldenen Linien in Drachenform verziert. An einer anderen Wand entdeckte ich einen großen Schreibtisch, ebenfalls aus Mahagoni, und einen Mahagoni-Stuhl, bezogen mit rotem Samt und verziert mit Gold.
Daneben stand eine – ebenfalls überdurchschnittlich große – Couch. Wie alles hier war auch sie aus Mahagoni, rotem Samt und Goldgewebe. An der gegenüberliegenden Wand war ein großer, steinerner Torbogen, der offenbar auf einen Balkon führte. Der Bogen wurde verziert von Drachen und umweht von einem transparent roten und mit Goldfäden durchzogenen Vorhang. Ich schob den Vorhang beiseite und betrat den Balkon.
Er war nicht besonders groß, doch die Aussicht raubte mir den Atem.
Das Turmzimmer, in dem ich festsaß, musste bestimmt in fünfzig Metern Höhe liegen. Weit unter mir zogen sich riesige Wälder und Wiesen um die Burg, dahinter war das Meer zu erkennen und am Horizont erhoben sich majestätisch schneebedeckte Berge. Ich überlegte fieberhaft, wo ich hier wohl war, wenn man sogar das Meer sehen konnte und weit und breit war kein anderes Gebäude in Sicht.
Ich ging zurück ins Turmzimmer und nahm mir das Einzige vor, das ich noch nicht begutachtet hatte: Eine Tür am anderen Ende des Raumes. Auch sie war aus Mahagoni und verziert mit goldenen Drachen und als ich sie öffnete, fand ich mich in einem Badezimmer wieder. Ebenso riesenhaft wie alles hier, baute sich auf einem Podest vor mir eine Badewanne aus Marmor mit goldenen Wasserhähnen auf; an der Wand dahinter zwei Waschbecken, ebenfalls aus Marmor und mit goldenen Armaturen, und in Gold gerahmte Spiegel darüber.
An einer weiteren Wand stand ein Sofa aus rotem Samt und mit den üblichen goldenen Verzierungen. Das Prunkstück des Raumes war jedoch ganz offenbar ein Spiegel, der fast eine ganze Wand für sich beanspruchte. Riesenhaft und mit Gold umrahmt wirkte er unglaublich prachtvoll und gekrönt wurde der Anblick des Raumes von goldenen Drachenstatuen, die in den Ecken standen.
Die weißen Marmorwände – passend zum Boden – verliehen dem Raum eine unfassbar edle Note.
Ich ging zurück in das Schlafzimmer, wo ich mich auf die Couch fallen ließ. Wo zum Teufel war ich da hineingeraten? Wo war ich und wer war dieser Ray? Doch die Frage, die mich am Meisten beschäftigte war: Was hatte Marek gemeint, als er gesagt hatte, er hätte „es mir früher sagen sollen“ und wie ging es Marek? Was hatten sie mit ihm vor?
Die Verzweiflung überkam mich wie eine Flutwelle, doch ich schaffte es, mich zusammenzureißen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ich musste mir etwas einfallen lassen, wie ich hier rauskam. Ich stand auf und ging zur Tür und gerade, als ich nach der Klinke greifen wollte – obwohl mir klar war, dass es hoffnungslos gewesen wäre – ging das schwere Eisentor auf und ich sprang vor Schreck einen halben Meter zurück. Vor mir stand Ray – der Junge aus dem Kerker.
Ich wich rücklings vor ihm davon. Er schloss die Tür hinter sich ab und hängte sich den Schlüssel, den er an einer Kette um den Hals getragen hatte, wieder um, ehe er auf mich zukam.
„Du bist also Kimmy?“, meinte er und musterte mich von oben bis unten mit einem Lächeln. Ich wich weiter zurück, bis ich gegen eine Wand stieß. „Ja… Und du bist…?“ „Ray.“ Er grinste und deutete mit ausgebreiteten Armen um sich in den Raum. „Der uneingeschränkte Herrscher dieser Dimension“.
Ich sah ihn verwirrt an. „Herrscher? Welche Dimension? Und was willst du von mir?“ Meine Verwirrung schien ihn immer mehr zu amüsieren. „Für eine Sklavin stellst du ziemlich viele Fragen. Eigentlich hast du nur zu reden, wenn ich es dir erlaube – aber ich mag temperamentvolle Frauen.“ „SKLAVIN? Moment mal, ich glaub du verwechselst hier was!“ Wieder lachte er.
„Nein. Du hast nur absolut keinen Plan, wo du hier bist. Aber ich will es dir erklären: Meine braven Jungs – Marco, Flo und Luca – haben dich für mich hergebracht. Du musst wissen, dass wir hier nicht mehr in deiner Dimension sind. Damit meine ich nicht in einem anderen Land, oder auf einem anderen Kontinent – nein, es ist nicht einmal ein anderer Planet. Es ist eine Paralleldimension zu eurer. Du hast sozusagen eine Reise durch ein Raum-Zeit-Kontinuum gemacht.“ „Ein Wurmloch? Du verarschst mich doch. Wenn das eine Rache für die Aktion neulich im Wald sein soll…“ „Ich mache keine Scherze.“, unterbrach er mich.
„Sehr bald wirst du feststellen, dass ich die Wahrheit sage. Vielleicht ist dir an diesem Loser Marek schon aufgefallen, dass er etwas anders ist, als die Leute, die du von zu Hause kennst.“ Ich schwieg. Es stimmte, es hatte schon mehrere Situationen gegeben, in denen mir Marek suspekt gewesen war. Wie hatte er beispielsweise im Bus so schnell und millimetergenau reagieren und mich festhalten können? Wieso hatte er sich überhaupt nie angestrengt, um mich in Schach zu halten? Wieso war er so unfassbar stark und die größte aller Fragen: Wieso wechselten seine Augen die Farbe?
„Also hab ich Recht…“ Ray lachte. „Es ist wirklich faszinierend. Die Männer hier haben viele Fähigkeiten, die euch neu sind. Wir haben zehnmal schnellere Reflexe, sind um ein Vielfaches stärker und unsere Augen verraten unsere Stimmung. Außerdem sind wir in der Lage, die Gedanken von ‚gewöhnlichen‘ Menschen zu lesen – nur eigenartigerweise gelingt es mir bei dir nicht. Daran muss Marek gemerkt haben, dass du anders bist und vermutlich hat er deswegen versucht, dich zu beschützen. Er muss gewusst haben, dass ich es auf dich abgesehen habe, sobald mir Marco von dir berichtet hat.“
„Das ist doch alles ein riesen Komplott um mich zu verarschen…“, meinte ich kopfschüttelnd. „Warum solltest du gerade mich wollen? Warum solltest du dir die Mühe machen, jemanden aus einer anderen Dimension zu entführen?“ Ray grinste nun von einem Ohr bis zum anderen.
„Ganz einfach: Weil es in unserer Dimension nahezu keine Frauen gibt – ihr seid hier Mangelware und du bist – wie schon erwähnt – etwas ganz Besonderes in jeder Hinsicht.“ Ich war nun endgültig verwirrt. „Wie… keine Frauen?“ „Ganz wenige.“, korrigierte er mich. „Eine Sklavin zu haben können sich nur die Reichsten und Stärksten leisten und leider sind selbst die hübschesten Frauen hier hässlich wie die Nacht.“ Er kam nun ganz nahe und seine Hand strich über meine Wange.
„Aber du… Du bist bildhübsch. Jeder hier würde sein gesamtes Hab und Gut für dich bieten, aber sieh dich um – ich brauche kein Geld. Was ich will, ist uneingeschränktes Ansehen und mit dir wird es niemals wieder jemand wagen, meine Macht in Frage zu stellen.“
„Warte mal, damit ich das richtig verstehe. Du willst mich hier in diesem Zimmer gefangen halten, wie einen Vogel in einem goldenen Käfig, mich als Ausstellungsstück missbrauchen und herumzeigen?“ „Du hast es verstanden.“, lachte er. Ich stieß ihn weg. „Und du denkst ernsthaft, da mach ich mit?“ „Schätzchen, ich fürchte, du hast keine andere Wahl. Ihr Frauen seid hier nichts weiter als Objekte und ich war schon viel zu großzügig zu dir. Ab jetzt sprichst du nur, wenn du gefragt wirst.“
„Jetzt hör mir mal gut zu, du arroganter…“ Wumm. Ein überraschender, heftiger Schlag in die Magengrube ließ mich in die Knie sinken und nach Luft schnappen. Ray packte mich am Shirt, zog mich hoch und drückte mich mit einer Hand gegen die Wand. Ich konnte mich wehren, soviel ich wollte, sein Griff saß bombenfest.
„Leg dich nicht mit mir an!“, zischte er drohend. Just in diesem Moment klopfte es an der Tür. Ray wandte den Blick nicht eine Sekunde von mir ab und meinte: „Wer ist da?“ „Ich bin es, Marco.“ „Verzieh dich, ich bin beschäftigt.“ „Chef… Ich glaube, das interessiert dich aber…“ Ray stöhnte. „Also gut, komm rein.“ Die Tür ging auf und Marco trat ein, gefolgt von Luca und Flo, alle drei kreidebleich im Gesicht.
Ray lockerte seinen Griff kein bisschen, aber er schenkte seine Aufmerksamkeit nun Marco. „Ihr drei solltet beten, dass es wichtig ist.“ „Nun ja… Ich weiß nicht, wie ich sagen soll…“ Rays Augen blitzten auf. „Ihr habt Marek entkommen lassen?! Ihr nutzlosen Idioten!“ „Woher…?“ „Du vergisst, dass ich deine Gedanken lesen kann.“, knurrte Ray. „Wie konnte das passieren?“ „Ich… Ich weiß es nicht… Wir haben den Kerker verlassen und als wir zurückgekommen sind war er weg und die Tür stand offen…“
„Und warum steht ihr dann noch hier rum?“, knurrte Ray drohend. „Ich will, dass jeder verfügbare Mann nach ihm sucht – durchkämmt die Burg, den Hof, den Wald, einfach alles!“ „Jawohl, Chef! Sofort!“ Und die drei stürmten aus dem Raum. „Dass es nicht die beste Idee war, Marco zu vertrauen, hätte ich dir sagen können.“, lachte ich. „Halt den Mund, oder du fängst dir noch eine!“, knurrte Ray.
„Also gut.“, meinte er und warf einen Blick durch den Steinbogen, der auf den Balkon führte. Draußen tauchte die untergehende Sonne die Landschaft bereits in ein leuchtendes Rot.
Er wandte seinen Blick wieder mir zu. „Wir werden jetzt schlafen gehen, denn morgen ist ein langer Tag.“ Er lachte. „Morgen Abend steigt hier ein Maskenball – der größte und prunkvollste Ball, den es jemals gegeben hat. Alles, was Rang und Namen hat, wird erscheinen. Und natürlich wirst du auch erscheinen – an meiner Seite.“ Er grinste.
„Oh, fast hätte ich es vergessen…“ Ray löste seinen Griff von meinem Hals, packte mich am Handgelenk und zog mich zu einer Kommode, die ich zuvor nicht bemerkt hatte. Er öffnete eine Lade und zog ein metallenes, rotes Halsband mit goldenem Rand heraus, verziert mit goldenen Drachen und funkelnden Diamanten.
Ehe ich reagieren konnte, hatte er es mir um den Hals gelegt und den Verschluss zuschnappen lassen. „Was soll das?“, protestierte ich und versuchte, mich loszureißen, doch er griff erneut in die Lade und legte mir Armbänder passend zum Halsband an. An dem Klappverschluss entdeckte ich jeweils ein kleines, goldenes Schlüsselloch – vermutlich hatte das Halsband denselben Mechanismus…
Dann zog Ray eine dünne, goldene Kette aus der Kommode und befestigte sie mit einem Karabiner am Halsband. Er zog mich ans andere Ende des Raumes, warf mich aufs Bett und harkte den zweiten Karabiner der Kette an einer goldenen Öse in der Wand ein. Als er meinen Blick bemerkte, meinte er lächelnd: „Diese Kette ist an mich angepasst. Die Karabiner reagieren auf meinen Körper und niemand anderer kann sie öffnen.“ Ich versuchte es natürlich sofort und musste feststellen, dass er Recht hatte.
Es klopfte erneut an der Tür und diesmal schien Ray sofort zu wissen, wer es war. „Komm rein!“, meinte er. Die Tür öffnete sich und herein kam eine Frau – ziemlich groß mit einer Statur, die aussah, als hätte sie innerhalb kürzester Zeit sehr viel abgenommen. Hautfalten hingen schlaff von ihren Oberarmen und dem Kinn, sie hatte einen Buckel, zwei auffallend verschieden große Augen, eine schiefe Nase, schiefe, verfaulte Zähne und überall am Körper Pickel. In der Hand trug sie ein großes Tablett mit mehreren Tellern, auf denen sich ein köstlich aussehendes Abendessen befand.
„Stell es aufs Bett!“, befahl ihr Ray und die Frau tat unter dutzenden Verbeugungen, was er verlangt hatte, ehe sie den Raum verließ und die Tür schloss. Ich saß da, sah das Essen an und spürte, wie sich mein Magen vor Hunger schmerzhaft verkrampfte und mir das Wasser im Mund zusammenlief.
„Bedien dich ruhig.“, meinte Ray. Nein. Niemals würde ich etwas von diesem Verbrecher annehmen. Eher würde ich verhungern, als meinen Stolz zu brechen und davon abgesehen – wer sagte mir denn, dass es nicht vergiftet war?
Als Ray bemerkte, dass ich keinen Finger rührte, lachte er und meinte: „Das hab ich mir schon gedacht. Wie du willst – früher oder später wird dein Wille schon noch brechen.“ Ray setzte sich neben mich aufs Bett und verdrückte das Essen in Rekordzeit, ehe er das Tablett mit den leeren Tellern auf die Kommode stellte und sich neben mich ins Bett legte.
„Schlaf gut.“, lachte er und wenige Minuten später hörte ich ihn schnarchen.
Ich saß nach wie vor aufrecht im Bett, angekettet wie ein räudiger Köter und sah keinen Ausweg für meine Situation. Sollte ich mein restliches Leben hier verbringen und so enden wie die Frau, die uns das Essen gebracht hatte? Das durfte nicht passieren… Niemals würde jemand wie Ray meinen Willen brechen. Ich ließ mich nicht unterwerfen und mich jeglicher Würde berauben. Was war mit Marek? Suchte er nach mir? Würde er mich retten? Nein – das durfte er nicht. Ich wollte nicht, dass er sich meinetwegen in Gefahr begab. Er hatte es geschafft, zu fliehen und wenn es wenigstens einer von uns beiden schaffte, frei zu sein, nahm ich die Gefangenschaft in Kauf. Ich würde jede Sekunde wachsam sein und irgendwann würde sich eine Gelegenheit bieten, zu fliehen – wenn Marek sich doch bloß nicht in Gefahr brachte!
Ich ließ mich rücklings auf die Matratze fallen. Das Mondlicht schien mittlerweile durch den roten Vorhang und tauchte die Drachenstatuen in gespenstisch wirkendes Licht. Ich spürte, wie mir eine Träne über die Wange lief. Marek… Auch wenn er manchmal unausstehlich arrogant wirkte und extrem nerven konnte, hätte ich ihn in diesem Moment gerne bei mir gehabt. Ich drehte mich zur Seite und immer mehr Tränen fielen auf den roten Samtstoff des Bettes.
Ich wusste nicht, wie lange ich wach gelegen hatte, doch irgendwann in tiefster Nacht überkam mich die Erschöpfung und ich fiel in einen unruhigen Schlaf, durchwachsen von Albträumen, in denen ich bucklig zur Tür hereinwankte und Ray unter unzähligen Verbeugungen die Schuhe leckte...