Читать книгу Titaneion Titanenschlacht - Episoda 1: Bestienborn - Bastian Brinkmann - Страница 7
VIERTER GESANG - Die Befreiung des Daedalus
ОглавлениеKerker in Euböa.
DAEDALUS in Ketten. Sein wahnsinniges Lachen hallt durch die finsteren Gänge.
DAEDALUS. Was schlagen sie in Ketten mich?
Mich, der stets nur fromm gedient.
So glaubt das Volk Euböas wirklich,
dass ehern Kette mich könnt halten?
(Er holt einen Dietrich hervor.)
Hihihi, der Schlossesprenger soll
sie Besseres belehren.
So knacke ich das Schloss sogleich,
dem Autolykos zumindest ebenbürtig.
(Die Ketten fallen mit einem Klacken zu Boden.)
WACHE (aus der Ferne).
Halt!
Wer ist da?
Was hörte ich dort in der Finsternis?
(Schritte hallen durch die Dunkelheit.)
DAEDALUS (kichernd).
Huch, den hab ich wohl vergessen.
So sei es drum,
was solln sie mir schon tuen?
WACHE (vor dem Gitter zu seiner Zelle).
Zurück!
Ich will mich selber vergewissern,
was Kettenrasseln ich vernommen.
(Er schließt die Tür auf.)
DAEDALUS. Nur Mut, was soll ein alter Kauz wie ich
an Schlimmem schon verrichten?
Nicht erst Ketten brachen mich,
selbst nicht das Exil im Loch.
So lieg ich hier seit tausend Tag
und moder langsam vor mich hin.
Ach, wenn die Götter Gnade kennten,
sie mich längst hätten sterben sehn.
WACHE (die Ketten am Boden erblickend).
Nun ist's genug der Bastelei,
ich will die Eisen gleich verschließen.
So reiche er mir beide Händ.
DAEDALUS. Die Kraft allein, die hab ich kaum.
Was fürchtet er?
Dass ich könnt türmen?
So haben meine Füße lange schon
nicht mehr gespürt die Last des Leibes.
Die Kerkertür könnt offen stehn,
ich würd es nicht versuchen.
Wenn dies der Plan,
dass ich mehr tot als mehr lebendig,
so ist er wirklich aufgegangen.
WACHE (die Hände des Daedalus fassend).
Halt still und lass mich schließen!
HADES und BESTIEN-IKAS erscheinen. Der eine ist unsichtbar, der andere in der Dunkelheit nicht zu erkennen.
DAEDALUS. Hast wirklich Angst,
dass fliehn ich könnt,
oh großer starker Mann?
So schließ die Fessel nicht so eng,
dass nicht die Händ ich noch verliere.
WACHE. In diesem Leben du sie nicht mehr brauchst,
den Eid kann ich dir leisten.
BESTIEN-IKAS (aus der Finsternis).
Ach nein?
(Er schlägt die Wache von hinten nieder.)
DAEDALUS (zusammenzuckend).
Wie grob!
Er liegt darnieder.
Lieg ich schon im Delirium,
dass finstre Stimm ich schwätzen hör
und niemand seh?
So zeige dich,
der du den Wachmann hast erschlagen!
BESTIEN-IKAS. Würd ich mich zeigen,
Ihr würdet mich ja doch nicht sehn.
(Das Zischen der Nattern ertönt.)
DAEDALUS (erschaudernd).
Was bringt er zischend mit sich?
Es klingt, als würd Medusa wüten.
BESTIEN-IKAS. Nattern nur, fürwahr,
doch muss er sich nicht fürchten.
Gekommen, dich zu retten, bin ich,
so sag mir nur, auf welcher Seit er steht.
DAEDALUS. Auf welcher Seit?
Die Frage macht mich grübeln.
Auf vieler Männer Seit ich stand
und oft hab sie gewechselt.
Nach all den Jahren, ich erkennen musst,
dass jede Seit so gut wie jede andre.
Welch bittere Erkenntnis nach dem Streben,
Gutes in der Welt nur zu verrichten,
als wie's die Götter uns empfehlen.
BESTIEN-IKAS. Götter? Pah! Ich spuck auf sie.
Sind sie die größten Trüger doch,
die diese Welt je hat gesehn.
DAEDALUS. Oh, er zürnt den Göttern?
Da ist er nicht allein.
BESTIEN-IKAS. So frönt er den Titanen?
Wohl besser ich dich schmachten lass
in dieses Kerkers dunklen Mauern.
(Er wendet sich zum Gehen.)
DAEDALUS. Oh nein, er missverstehet mich.
Den Titanen ich genauso abgeschworen
wie einst den großen Göttern hab.
Es ist kein Gutes in der Welt,
wo große Wesen mächtig hausen
und sich hoch stellen
über Menschen.
BESTIEN-IKAS. So höre ich vertrautes Wort.
Die Rede weckt die Neugier mir,
wobei, ich muss gestehn,
ich bin nicht ohne Hintersinn
in grässliches Verließ gedrungen.
DAEDALUS (kichernd).
Was er nicht sagt, hihi.
Der Tag, an dem man selbstlos den befreit,
der tief vergessen modernd darbt,
in Ketten liegt,
vom Leben und vom Tode längst vergessen,
der Tag muss erst noch kommen.
So spreche er, doch fass dich kurz,
was kann ich ihm für Werk verrichten?
BESTIEN-IKAS. Nur so viel: Es geht gegen Titanen.
DAEDALUS. Titanen? Jetzt verspott' er mich.
Was soll ich richten gegen Racker, allgewaltig,
und kann mich selbst kaum rührn?
Du siehst doch selbst:
Als Krüppel ich darniederlieg,
gebeugt von Ewigkeit in klammen Mauern.
Er wird mich tragen müssen,
will er mich hier entführen.
BESTIEN-IKAS. Nichts leichter als das.
Nur auf den Kopfe kommt's mir an,
in ihm steckt, was ich brauche.
DAEDALUS. Vergesse er die Hände nicht,
die feinstes Werk stets gut verrichtet.
Der Kopf erdenkt's, die Hände müssen's werken.
BESTIEN-IKAS. So sind wir uns letztendlich einig?
Ich rette dich und du wirst schaffen,
was immer ich dir auferlege?
DAEDALUS. Wenn's in meiner Macht steht
und dem Guten dient.
Dann, nur dann, ist Daedalus dein Mann.
BESTIEN-IKAS. So kommt,
ich schaff uns von hier fort.
(Er hebt den Daedalus vom Boden auf, nickt dem Hades zu. Alle ab.)
Geheimes Labor des Daedalus irgendwo in Attika.
DAEDALUS. BESTIEN-IKAS setzt ihn auf den Boden. HADES noch immer unsichtbar.
DAEDALUS. Wie macht er das?
Grad noch lieg ich in Finsternis
und schon find ich mich in neuer Dunkelheit.
(Wind pfeift in seltsamem Doppelton durch die Ritzen.)
Doch halt! Was hör ich?
Fast kommt's bekannt mir vor,
das Pfeifen, das so seltsam tönet.
So reich er mir ein Licht.
HADES (für Daedalus nicht zu hören).
Ob dies eine gute Idee ist?
Dein Anblick könnt ihn schrecken.
BESTIEN-IKAS (hinter vorgehaltener Hand).
Je eher er den Schreck hat hinter sich,
umso besser.
Ich kann nicht ewiglich verbergen
das grausam Antlitz,
welches Uranus' Blut mir einst verschaffte.
(Er sucht die Räumlichkeiten nach einer Kerze ab.)
DAEDALUS. Mit wem spricht er?
Ich sehe niemanden, der noch hier ist.
BESTIEN-IKAS. Ich sprach nur niedren Fluch
mir selbst.
Ich finde keine Lampe nicht.
Heureka!
Hier hab ich's gefunden.
(Er bückt sich und hebt etwas vom Boden auf. Kurz darauf wird es Licht.)
DAEDALUS (erstaunend).
Mein Labor!
So hab ich es doch gleich gewusst,
als ich Attikas Winde hörte.
Wie kann es sein, dass ich zurückgekehrt
an den Ort, an dem mein Weg einstmals begann
vor unerträglich langer Zeit?
Mehr als mein Leben scheint es her zu sein.
(Er erblickt die Schreckensfratze des Ikas im Kerzenschein.)
Oh Götter!
Was hab ich mir ins Haus geholt?
(Er versucht davonzukrabbeln.)
BESTIEN-IKAS (die Hand nach dem Daedalus ausstreckend).
So halt er ein und hör mich an!
Was glaubt er wohl, was Ursach ist,
für meines schrecklich Rachedurst?
Titane war's, der mich entstellt
und meinen Hass mir weckte.
Ganz oben dort, in großer Höh'
geschah, was mich nun zu dir brachte.
(Er dreht sich um, zeigt dem Daedalus die Schwingenstümpfe.)
So sieh nur an, was Kronos mir so grob entriss.
Die edlen Lederschwingen sind's,
die ich von dir zurückverlang.
DAEDALUS. Wenn dein Hass nur halb so schlimm
wie schrecklich dein Gesicht,
in Titanens Haut ich möcht nicht stecken.
Wer immer dir das angetan,
kann gar nicht schlimm genug für büßen.
Doch warum kommt er grad zu mir,
wenn's um ein Flügelpaar sich handelt?
Kennt er den Namen Ikarus nicht,
den Sohn, den ich verlorn durch Flügel,
die ich einst selbst geschaffen?
Ich wär ein schlechter Ingenieur,
den gleichen Fehler zu begehn.
BESTIEN-IKAS. So lerne er aus dem Vergangnen.
Bau mir ein neues Flügelpaar,
viel besser als die ersten.
Ikarus soll nicht umsonst gestorben sein.
(Eine Feder sinkt von der Decke herunter. Daedalus fängt sie.)
DAEDALUS (die Feder betrachtend).
Allein der Grimm ist noch zu groß,
ich kann kaum klar Gedanken fassen.
Oh, Ikarus, vermiss ich dich,
wär ich doch deiner statt zerschellt
auf dem Ikarischen Gewässer.
Ob modernd Mauern Klamme an mir nagt,
ob Trauer mich von innen her zerfrisst,
so ist's doch einerlei:
Ich finde keinen Frieden.
HADES (an Ikas gewandt).
Der Tod scheint ihn mehr mitzunehmen,
als wie ich hätt gedacht.
Wir müssen ihn erheitern,
seinen Zorn verdrängen,
doch wie?
Mir will kein gutes Ding gelingen,
solange ich auch weiter harre.
BESTIEN-IKAS (hinter vorgehaltener Hand).
Erheitern?
Ihn?
Dem hilft nur eins:
Den Hass will ich ihm schüren.
DAEDALUS. Was spricht er wieder,
als wär's für ihn allein bestimmt?
BESTIEN-IKAS. Ach nichts,
ich gedachte deines Sohnes.
In stiller Trauer leiser Spruch
auch kann das Herz gut trösten.
Doch siehst du in der Sache nicht,
warum du mir gut helfen solltest?
DAEDALUS. So verrat er es, ich komm nicht drauf.
BESTIEN-IKAS. War es nicht des Helios Wagen,
der Ikarusschwingen hat verbrannt?
War es nicht auch hier ein höher Wesen,
das schrecklich dir zu schaffen machte
und dir dein Leben arg verrückte?
DAEDALUS (die Feder zerquetschend).
Der Sohn hat einfach nicht auf mich gehört.
Hätt er's getan, Ikarus wär noch unter uns.
Wie immer strebt der Mensch nach Höherem.
BESTIEN-IKAS. Und Götter vorenthalten's ihm.
Kein Wunder,
seit Prometheus mit der Leber büßte,
ständig kleinzuhalten sie versuchen
die Menschen, ihr eigen Fleisch und Blut.
Es ist der Mensch zu Höherem berufen,
als Götter fraglos anzubeten.
Was gaben sie den Gripse dir,
so Wunderwerke zu erschaffen
als wie das Labyrinth des Minotaurus?
Und Flügel gut genug die Flucht zu wagen
vor der Verfolgung König Minos'.
So sag, was halten Götter klein,
was selbst sie einst geschaffen?
DAEDALUS. Sie haben's in die Wiege g'legt
und wussten nicht, welch Höllenhund
sie mit erweckten.
Wer konnt schon ahnen,
wie sich's entwickeln würd,
das simple Ding,
schlicht Mensch genannt?
BESTIEN-IKAS. So sieht er nicht den Widerspruch,
den Gottes Schaffen in sich trägt?
Ich sage dir: Werfen wir die Götter nieder,
nichts andres haben sie verdient!
HADES (an den Ikas gewandt).
Er spielt die Rolle fast zu gut.
Fast nehm ich ihm nicht ab,
nur Possenspiel zu treiben,
den alten Kauze zu betörn.
Fast klingt's, als hörte ich tief drunten
den Zorn des Ikas selber sprechen.
BESTIEN-IKAS (den Hades ignorierend).
Nun sag mir: Sind wir im Geschäft?
Der beste Weg zu rächen deinen Sohn,
ein bessres Flügelpaar zu schaffen ist.
So steige ich hinauf zum Himmel
und stürze mich auf Götter und Titanen nieder.
DAEDALUS. Was soll ich ihm nur sagen?
Mein Leben ist verwirkt.
Ob ich in finstren Kerkern schmolle
oder den Kampf des Mannes unterstütz,
des Namen ich noch nicht mal weiß.
BESTIEN-IKAS. Ikas ist's, wie mich genannt
die Mutter in der Nacht meiner Geburt.
Die Abanter selber fürchten mich,
weil viele Söhne ich erschlug,
bevor der Tartaruswahnsinn tobte
und ich mich als dies Scheusal wiederfand.
DAEDALUS. Nun denn, oh Ikas,
auf auf, ein frisches Maß genommen.
Vermessen wir ihm bald das Kreuz,
auf dass er kann zur Schlacht bald fliegen.
Nur sage mir: Wie willst du siegen, ganz allein?
Wo sind die Reste deines Heeres?
BESTIEN-IKAS. Dies lass er meine Sache sein,
auf dass ich ihn sein Werk verrichten lasse.
Mit Waffen oder schrecklich Kriegen,
den Weg ich erst noch finden muss.
(Sie verteilen sich in der Werkstatt. Beide ab.)
HADES (für sich allein).
Ich weiß nicht,
kann ich ihm noch trauen?
Die Sprache mich betroffen macht.
Wenn er erst wieder trägt die Schwingen,
ein furchtbar Gegner er wird sein.
Allein zu hoffen, dass er sich nicht
am Ende gegen diese wendet,
die ihm so weit geholfen,
will ich lieber gar nicht wagen.
Ich kehre zurück zum Tartarus,
der Mutter Gaia zu berichten.
Dann wollen wir Beratung halten,
wie mit dem Ikas wir verfahren.
(Er verschwindet. Hades ab.)