Читать книгу Mycrofts Auftrag - Beate Baum - Страница 8
Оглавление4. Kapitel
»Das ist Dave Taylor.« Sherlock wies auf John und schaffte es, in seinen Tonfall und die nur angedeutete Bewegung Herablassung und so etwas wie Besitzerstolz zu legen.
John ergriff die Hand des etwa 50-jährigen, athletischen Mannes, der aussah, als wollte er jedes Klischee über Südländer bestätigen. Die dunklen Haare mit Gel nach hinten gestrichen, das helle Leinenhemd mindestens einen Knopf zu weit geöffnet, auf der behaarten Brust ein großer Kruzifixanhänger. »Angenehm«, sagte er, besann sich dann darauf, dass er schlichter sprechen sollte. »Hallo, wie geht’s?«
Dabei fand er es schwer vorstellbar, dass dieser Mann irgendwelche Feinheiten der englischen Sprache mitbekam. Sherlock hatte ihm berichtet, dass der Reeder sein Vermögen gleich zu Beginn der Finanzkrise aus Griechenland abgezogen hatte, um es in England in Immobilien anzulegen und zu vermehren. Parkside – schräg gegenüber von Harrod’s, in Laufdistanz zum Buckingham Palace – stellte den Gipfel dieser Geschäftskarriere dar. Eine Wohnung hier kostete zwischen 30 und 80 Millionen Pfund. Der Grieche selbst war mittlerweile Milliardär.
»Gut, gut. Sehr erfreut. Adrianós Morakis. Mir gehören diese bescheidenen Häuschen.« Er sprach mit starkem Akzent.
»Ich freue mich, dass Sie so kurzfristig auf meinen Terminvorschlag eingehen konnten«, wandte er sich an Sherlock; ein Geschäftsmann, der sich durchaus seiner besonderen Position bewusst war. »Ich wusste selbst heute Morgen noch nicht, dass ich jetzt hier sein würde.«
»Nicht das geringste Problem.« Sherlock hatte seine Eton-Cambridge-Queens-English-Aussprache noch verstärkt. »Aber nun, bitte: Überraschen sie mich!« Er schien mit seinen langen, feingliedrigen Fingern Übungen in der Luft zu machen.
John vermutete, dass der Freund ein Ventil für die zwangsläufig stärker werdende Unruhe brauchte. Es war gut, dass seine erdachte Vita ihn als exzentrisch auswies. Eine Vita, die dank Mycroft bis hin zum Eintrag in die elektronische Version des aktuellen Adelsregisters – »Morakis hat garantiert keine gebundene Ausgabe«, war Sherlock sich sicher – überprüfbar war.
Der Milliardär lächelte verbindlich. »Nur zu gern.«
Noch standen sie im Eingangsbereich des rechten der drei hoch aufragenden Gebäude, deren bodentiefe Fenster in der Nachmittagssonne golden schimmerten. In einer Loge saßen drei Portiers, die eher wie perfekt ausgebildete Bodyguards wirkten. John war davon ausgegangen, dass sie sich mit einem Makler treffen würden, aber Sherlock hatte ihm klargemacht, dass Lord William Michael Escott sich ebenso wenig wie russische Oligarchen und arabische Scheichs mit einem Mittelsmann abgeben würde.
Sie wurden in eine Halle eingelassen und betraten den bereitstehenden Aufzug. Im Innern der gläsernen Kabine berührte der Grieche das Feld mit der Acht, schaute dann auf ein matt glänzendes Feld neben den Bedienelementen. »Irisscanner«, gab er an. »Sie können davon ausgehen, hier ebenso sicher zu sein wie im Buckingham Palast nebenan, Lord Escott. Vielleicht sogar sicherer.« Er lachte kehlig.
Schon jetzt war der Mann John so unsympathisch wie der schlimmste Verbrecher, mit dem sie es je zu tun gehabt hatten.
Der Aufzug entließ sie direkt in die Wohnung. »Fünf Schlafräume, sechs Badezimmer, drei Empfangszimmer sowie eine Lounge. Küche, Anrichteküche mit einem Dienstbotenbereich«, nannte Morakis wie gelangweilt Stichworte. »Sie haben die Ausdehnung über die gesamte Etage. Nach vorn blicken Sie auf Knightsbridge, seitlich auf Mayfair und ein wenig auf den Hyde Park, nach hinten sehen sie nichts als Grün. Die Ausstattung ist natürlich nur ein Beispiel. Wir würden alles komplett nach Ihren Wünschen gestalten.«
John musste sich keine Mühe geben, seine Rolle zu spielen: Er war beeindruckt. Mehr als beeindruckt. Im ersten Zimmer – vermutlich einer der Empfangsräume – stand ein weißes Ledersofa auf einem Teppich, den er kaum zu betreten wagte, während Sherlock mit ausholenden Schritten darüberging, beifällig nickte und dem nächsten Zimmer zustrebte. Die Badezimmer – alle sechs Badezimmer! – waren ein Traum aus Marmor und einem Material, das nach Ausschluss aller anderen Möglichkeiten nichts anderes als Platin sein konnte.
Im zum »Herrschaftsschlafraum« gehörigen Bad, das in grandiosem Royalblau ausgestattet war, blieb Sherlock vor einem in den Fußboden eingelassenen Whirlpool mit Blick auf das Grün des Parks stehen, legte seinem Freund die Hand auf den Arm und machte eine anzügliche Bemerkung. Der Hausbesitzer gab wieder sein tiefes Lachen von sich. John hatte Mühe, nicht verlegen zu reagieren; als er sich Sherlock zuwandte, registrierte er jedoch besorgt, dass ihm übel zu sein schien.
»Billy-Boy, Billy-Boy, wir sind doch nicht alleine«, ging er auf den Tonfall ein und wandte sich an Morakis, rang sich ein breites Grinsen ab. »Aber es wär schön, wenn wir’s wären. Würden Sie vielleicht …?«
Der Grieche gab sich sehr gelassen und verließ mit dem Hinweis, er würde sie in der Lounge erwarten, den Raum. Vermutlich hatte er von seinen reichen Klienten schon Schlimmeres erlebt.
John schloss schnell die Tür hinter ihm. »Musst du dich übergeben?«
Sherlock zog eine Grimasse. »Wenn es hilft.«
John schüttelte den Kopf. »Kaum. Du hast ja nichts im Magen. Komm, wir brechen das hier ab. Lord Escott fühlt sich nicht wohl, tut uns leid, Ende, aus. Bitte einen neuen Termin.«
Sherlock presste bloß ein kaum verständliches »Nein« hervor. Er stützte sich auf den Rand eines der fein gemaserten Handwaschbecken, wobei die Venen auf seinen Händen stark heraustraten, und starrte in den Spiegel. John hatte nicht den Eindruck, dass er sein eigenes schmales Gesicht sah. Vielmehr schien es, als blicke er nach innen und bündele dabei seine Energie.
John verfluchte sich selbst, dass er den Detektiv nicht daran gehindert hatte, diesen Termin wahrzunehmen. Mycroft hatte recht gehabt. Natürlich. Vermutlich hatte der distinguierte Schattenmann der britischen Regierung mehr Erfahrung in dieser Hinsicht als er. Der Gedanke brachte ihn fast zum Lachen, als Sherlock auch schon hörbar aufseufzte und sich langsam wieder aufrichtete. »Okay, weiter geht’s.«
Ohne eine Antwort abzuwarten schritt er voran in die Lounge, die den Höhepunkt der Wohnung darstellte. Eine bestimmt zehn Meter breite Wand bestand komplett aus Fenstern, die auf den Hyde Park blickten, ihnen gegenüber befand sich ein riesiger Kamin aus rötlichem Marmor, darüber hing ein Gemälde jenes hoch gehandelten deutschen Malers, dessen Motive stets auf dem Kopf standen. Drei Sofas mit terrakottafarbenen Stoffbezügen bildeten eine einladende Sitzecke auf dem honigfarbenen Parkett.
Morakis saß auf dem mittleren und blätterte in einem Hochglanzmagazin. Sherlock ließ sich auf das im 90-Grad-Winkel dazu stehende fallen, streckte sich so weit aus, dass er fast lag. »Entschuldigung, alter Knabe, aber beim Anblick eines solchen Whirlpools braucht man schon mal ein bisschen Privatsphäre, nicht wahr?«
»Kein Problem. Ich nehme es als Kompliment.«
»Das sollten Sie, das sollten Sie.«
John grinste, an der Fensterfront stehend, in den sonnigen Nachmittag hinaus, wurde jedoch schnell wieder ernst. Er fragte sich, worauf Sherlock hinauswollte. Hatte er überhaupt einen Plan oder war er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt?
»Können Sie uns denn noch ein wenig über unsere potentiellen Nachbarn erzählen?«, hörte er den Freund hinter sich. »Man weiß ja doch ganz gern, mit wem man es so zu tun hat.«
»Bedaure, wir sichern all unseren Käufern absolute Anonymität zu. Aber Sie können davon ausgehen, dass Sie unter Ihresgleichen sind, Lord Escott.«
»Also ein First-Class-Schwulenclub?« Sherlock lachte exaltiert auf.
Morakis stimmte in das Lachen ein. »Nein, das habe ich damit nicht gemeint. Allererste Klasse unbedingt, was jedoch die sexuellen Vorlieben angeht, bin ich nicht im Bilde.«
»Verstehe. Wir wollen nur sicher sein, dass es keinerlei Vorbehalte gibt. Wissen Sie, kürzlich traf ich Alex Holder, der, wenn ich das richtig verstanden habe, im vierten Stock des angrenzenden Gebäudes eine Wohnung gekauft hat.«
John drehte sich um und studierte Morakis’ Mimik. Er wusste, dass die Namen der Eigentümer als großes Geheimnis gehandelt wurden und hatte nicht erwartet, auf Sherlocks Nachfrage eine Antwort zu hören. Ebenso wenig hätte er gedacht, dass der Freund bereits einen Namen kannte.
»Er hat ganz begeistert davon erzählt, wie gern er mit Ihnen Geschäfte macht. Aber ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren«, fuhr der Detektiv gespreizt fort, »dass er in Bezug auf Orientierungen in Liebesdingen nicht ganz und gar offen ist.«
John setzte sich auf das dritte Sofa. Der Milliardär erschien ihm ein wenig verunsichert. Auf den Punkt, dass Sherlock zufälligerweise in der Millionenstadt London einen jener knapp 90 Parkside-Wohnungsbesitzer getroffen haben wollte, ging er nicht ein, beeilte sich stattdessen zu versichern, er könne sich nicht vorstellen, dass Alexander Holder nicht ein absolut toleranter Mensch sei.
»Aber ich sollte Ihnen erst einmal etwas zu trinken anbieten!« Behände erhob er sich. »Die Bar wurde vom großen Alessandro Palazzi von Dukes Bar persönlich ausgestattet.« Er ging in die rechte Ecke des Raums und trat hinter eine Abtrennung aus rötlichem Holz. »Was darf ich Ihnen bereiten? Zeit für einen trockenen Martini, meinen Sie nicht?«
»Für mich nur eine Cola, danke«, sagte Sherlock, der nun fast entspannt wirkte.
John, dem mittlerweile fast schlecht vor Hunger war – außer einem Stück kalter Pie, bevor Gilbert und Charlene bei ihnen in Hounslow eingetroffen waren, hatte er ebenfalls den ganzen Tag noch nichts gegessen –, und der einen klaren Kopf behalten wollte, schloss sich an. Vielleicht half das Getränk gegen Sherlocks Übelkeit. Aber dazu müsste es eigentlich zimmerwarm sein.
»Meine Lieben, Sie verpassen etwas!« Der Grieche hantierte an der Bar. »Ich will nicht behaupten, dass ich die Martinis hinbekomme wie Alessandro, aber jedenfalls sind sie geschüttelt und nicht gerührt.«
»Jedem das Kampfmittel seiner Wahl, sage ich immer«, entgegnete Sherlock.
Der Reeder lachte zu laut.
*
»Taxi!« Mit ausgestrecktem Arm winkte Sherlock den Wagen heran und ließ sich in den Fond fallen. »Richtung Piccadilly, dann wenden Sie und fahren über Grosvenor Place nach Chelsea.«
»Aber zuallererst halten Sie bitte beim nächsten Boots kurz an«, machte John geltend.
Sherlock murmelte mit geschlossenen Augen, er solle sich beeilen, als John vor dem Drogerie-Supermarkt aus dem Taxi sprang. Im Eingangsbereich griff er nach einer Flasche Mineralwasser, verfluchte den Laden, dass sämtliche Getränke eisgekühlt waren, suchte und fand in der Abteilung für Babybedarf Zwieback, erhielt am Apothekenschalter Tabletten gegen Übelkeit und lief zurück zu dem wartenden Taxi, riss die Zwiebacktüte auf.
»Hier. Erst essen, dann zwei Pillen. Sei vorsichtig mit dem kaltem Wasser.« Er legte seine Einkäufe auf die Rückbank zwischen ihnen. »Das ist Wahnsinn, was wir hier machen, das ist dir schon klar, ja?« Hungrig zog er selbst einen Zwieback aus der Packung.
Sherlock begann langsam und vorsichtig zu kauen. »Ist es nicht das, was du vermisst hast?«, fragte er zurück.
Der Fahrer hatte sich wieder in den Verkehr eingefädelt.
John schlang den Rest des Zwiebacks herunter. »Wenn ich nicht die ganze Zeit befürchten müsste, dass du gleich zusammenbrichst, könntest du recht haben.«
»Wird nicht passieren.« Sherlock hatte die Hälfte seines Backwerks gegessen und schluckte die Tabletten, signalisierte dem Fahrer, dass er wenden sollte, und lehnte sich in die Polster zurück, schloss wieder erschöpft die Augen.
John ließ ihn in Ruhe, während der Wagen sich durch den dichten Verkehr an der Hyde Park Corner schob, verfolgte die halsbrecherischen Manöver eines Fahrradkuriers, räusperte sich schließlich: »Sherlock?«
»Ich esse gleich noch etwas.«
»Gut. Aber da ist noch was.«
Der Freund öffnete die Augen und sah ihn fragend an.
»Ich muss wissen, was wir hier tun. Du bist nicht in der Verfassung …«, falscher Angang, dachte er und setzte neu an. »Wenn wir schnell reagieren müssen, will ich Bescheid wissen.«
Sherlock hatte sich den Rest des Zwiebacks in den Mund geschoben. Wieder kaute und schluckte er in Zeitlupe. John aß ebenfalls noch etwas und dachte, dass er allein an diesem Tag garantiert zwei Pfund loswurde. »Wir fahren zu Alexander Holders Haus«, informierte der Detektiv ihn endlich.
»Dieser Holder hat eine Wohnung in Parkside und ein Haus in Chelsea?«
Sherlock versuchte ein Grinsen. »Nicht wirklich. Das Parkside-Appartement gehört ihm nur auf dem Papier.«
Darauf hatte der Freund also im Gespräch mit dem Reeder angespielt!
»Er ist Morakis’ Strohmann und sollte sich sehr viel bedeckter halten, als er es tut – weshalb vermutlich auch bereits ein oder zwei Schläger zu ihm unterwegs sind.«
*
»Der gute alte Alex hat ein paar schlechte Angewohnheiten. Eine davon ist das weiße Marschierpulver.«
»Kokain?«, fragte John nach. Sherlock deutete lediglich ein Nicken an. Es schien ihm unbegreiflich, dass jemand sich nicht so gut im Drogen-Jargon auskannte wie er.
Sie standen in einer der letzten verbliebenen roten Telefonzellen der Hauptstadt gegenüber dem Haus des Mannes, den der Detektiv verdächtigte, für Morakis Schwarzgeld zu waschen. Im Taxi hatte er John berichtet, dass Mycroft ihm eine Liste der bisherigen Parkside-Wohnungskäufer besorgt hatte und er schnell auf Holder als einen Kandidaten für die vermutete Transaktion gekommen war.
Die vielen Längs- und Querverstrebungen der Telefonzelle verbargen sie vermutlich ein wenig für die Hausbewohner, allerdings waren sie – obwohl Markham Square eine winzige Wohngebietsstraße war, die nirgendwohin führte, sondern nach einem Bogen wieder in die King’s Road mündete – bereits zweimal von Touristen fotografiert worden. Das ehemalige Swinging-London-Viertel Chelsea war bei Besuchern sehr beliebt. Die zweite Gruppe hatte sogar eine Weile gewartet, ob sie die Zelle freigeben würden, jedoch nach einigen Minuten, in denen Sherlock angelegentlich in die Muschel gesprochen hatte, aufgegeben.
»Praktischerweise hatte ich Holder kurz zuvor kennengelernt – bei meiner Arbeit an dem anderen Fall. Wenn er high ist, wird er zur Plaudertasche. Der Dummkopf hat mir erst von Parkside vorgeschwärmt und dann damit geprahlt, dass er Geld mit seinem guten Namen gemacht hätte.«
Langsam wurde es unerträglich stickig in der kleinen Zelle und John öffnete die Tür einen Spalt weit. »Und du meinst, dass Morakis nach deiner Andeutung nun weiß, dass die Sache aufgeflogen ist.«
»Nicht nur das. Ihm ist auch klar, dass ich weiß, woher das Schwarzgeld kommt.«
Während John sich noch zu erinnern versuchte, was die andere Botschaft Sherlocks gewesen sein könnte, drängte der Freund sich an ihm vorbei. »Da stimmt was nicht. Das dauert zu lange.«
In dem Moment klingelte sein Handy; während er bereits mit ausholenden Schritten auf das Haus zuging, zog er es aus der Hosentasche und drückte den Anrufer nach einem Blick aufs Display weg.
Warum war er so sicher, dass Morakis sofort aktiv werden würde?, fragte John sich, während er dem Detektiv auf den breiten Treppenabsatz vor der Haustür des drei Stockwerke aufragenden eleganten Stadthauses folgte. Was hatte er gesagt in diesem Milliardären-Palast, das den Reeder alarmiert haben konnte?
Sherlock betätigte den Klopfer und suchte mit seinem Blick Tür und Rahmen ab. Soweit John das beurteilen konnte, gab es da nichts Ungewöhnliches zu sehen.
»Komm!« Mit einem Satz sprang Sherlock die drei Steinstufen wieder hinunter und lief nach rechts. Vier Häuser weiter gab es eine Lücke in der Bebauung, eine Villa verfügte über einen seitlichen Grünstreifen. Der Detektiv umrundete darauf ohne zu zögern das Haus. Dahinter befand sich eine durchgehende Gartenfläche.
Die Rückseiten der Gebäude waren sehr viel schlichter als die der Straße zugewandten. Schwarze Regenrohre führten an den Wänden hinunter, es gab keinerlei Ornamente, sondern nur einfache Steinsimse, keine herrschaftlichen Portale, sondern ebenerdig eingelassene Holztüren.
»Waffen!«, platzte John atemlos heraus, als er neben Sherlock vor der Hintertür von Holders Haus stand. »Dein seltsamer Spruch, als er seinen Cocktail gemixt hat. Ich dachte, das sollte einfach nur spleenig klingen, aber du hast auf Waffenhandel angespielt.«
»Natürlich.« Mit einer Handbewegung schob der Jüngere ihn zur Seite, machte einen Schritt nach hinten und platzierte einen Tritt direkt neben den schmalen Metallriegel, mit dem die Tür verschlossen war. Mit einem Knirschen gab das Holz berstend nach. Sherlock hastete durch eine Waschküche in einen düsteren Flur und eine Treppe hoch in das Eingangsfoyer, John gleich hinter ihm.
»Und du bist dir sicher, dass Morakis diese Andeutungen verstanden hat und gleich reagiert?«, stieß er hervor.
»Du bist auf seine Pose als Playboy hereingefallen.« Sherlock verharrte kurz, um sich zu orientieren. Sie befanden sich in einem jener herrschaftlichen Stadthäuser, die heutzutage fast sämtlich in mehrere Wohnungen aufgeteilt waren. Dieses war noch im ursprünglichen Zustand; Die erste Etage, zu der Sherlock nun hochstürmte, war nicht durch eine eingezogene Wand abgetrennt, sondern lud Besucher mit weit offenstehenden Flügeltüren förmlich ein. »Morakis ist schlau. Und gefährlich.«
John schluckte. Wenn Sherlock Holmes so etwas über einen Mann sagte, dann hatten sie es wirklich mit einem ernstzunehmenden Gegner zu tun.
Das Handy des Detektivs signalisierte eine eingegangene SMS, wieder zeigte er kein Interesse für das Display, während er durch das erste Zimmer lief.
Der Mann lag in einem Wohnraum – vermutlich nannte man auch das hier wieder Empfangszimmer, drängte sich ein unwichtiger Gedanke in Johns Kopf – auf einer Chaiselongue. Als er ihn sah, wurde der Arzt vom Gefühl eines Déjà-vus überwältigt: In der linken Armbeuge steckte eine Spritze.
»Verdammt!« Sherlock, der sein Handy noch in der Hand hatte, gab die Nummer des Notrufs ein und forderte einen Krankenwagen, rief gleich danach eine weitere Verbindung auf. »Lestrade? Ein Mordfall.«