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Einführung

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Mit Fragen zur Entstehung des Christentums habe ich mich schon seit meiner katholischen Jugend abgeplagt. Ich fand vieles fragwürdig, und noch als Studentin habe ich mir Fragen gestellt wie

- Welches sind die echten Herrenworte?

oder auch

- War Josef von Arimathea bereits aufgebahrt, als die Erben sein trauerfestlich hergerichtetes Grab für eine Nacht zum Preis von 30 Silberdenar an einen gewissen Judas vermieteten, der im Auftrag seines Herrn den Hohen Priester auf perfide Weise um die benötigte stattliche Summe erleichtert hatte?,

die ich erst später, im Nachhinein, als geradezu absurd und abwegig erkannte. Anfang der 70er Jahre entdeckte ich Deschner, was sich zu einer Art Urknall auswuchs. Dieser erste Lehrer führte mich zu weiteren kritischen Geistern, nicht zuletzt zum großen Bauer von Rixdorf. Später kamen andere wie Ranke-Heinemann und Lüdemann hinzu. Es bildete sich das Grundproblem heraus: Wenn das, was in den Evangelien stand, nicht weiterhalf, wie war das Christentum tatsächlich entstanden? Ein »Sprung in den Glauben« (S. 123), wie mir im Kierkegaardseminar vom Dänen nahegelegt wurde, war jedenfalls nicht mehr möglich.

Die Basistheorie, die im Buch vorgestellt wird, besagt recht schlicht und einfach: Es gab in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts im östlichen, vornehmlich griechisch geprägten/besiedelten Reich eine breite, gesellschaftliche Suchbewegung (vielleicht auch der Jugend), die zu einem erheblichen Anteil von jüdischen Gemeinden als Kondensationskerne angezogen wurde. Das herausgearbeitet zu haben, ist das Verdienst französischer Theologen. Diesen »Metuentes«-Anteil der allgemeinen Bewegung hat der rein literarische Markustext (S. 305) ab ca. 70 parasitär infiltriert, und im Folgenden den Wirtskörper erfolgreich durchdrungen. Ein Vorgang, der im übrigen historisch gesehen nicht außergewöhnlich oder unwahrscheinlich genannt werden muss. Das Szenario nun, das im Buch auf der Grundlage dieser Theorie entworfen wird, ruht bei den wesentlichen, tragenden Teilen auf gesichertem Grund, obwohl es in der konkreten Ausgestaltung naturgemäß hochspekulativ ist und in seiner Anlage zum Verfilmen animieren soll.

Um ein Grundverständnis für das Handeln des Protagonisten zu gewinnen, wird im ersten Kapitel auf eine der beiden für Josephus bedeutsamen Literaturen, die Weisheitsbücher, Bezug genommen (die anderen sind bestimmte Propheten), die gleich auf S. 26 benannt werden. Der »ground zero« der philosophischen Haltung dieser Bücher, die zu Josefs Zeiten auch weitergeschrieben und fleißig gelesen wurden, wird durch die Versgruppe markiert: Das Beste, nie geboren zu sein, und das Zweitbeste, auf der Stelle zu sterben. Entsprechend wird das Verhalten des Menschen angesichts seiner ungeheuerlichen, chaotischen und sinnfreien Wirklichkeiten als unangemessen und kindisch eingeschätzt (deshalb Josefs pädagogisches Lernmittel des »Reifealters«, S. 143). Die Naherfahrung von Krieg und Tod, die Josef für sein unverhofftes Weiterleben nachweisbar geprägt hat, führt ihn zwangsweise zu den so genannten letzten Fragen.

Es war also erforderlich, einen radikalen Ansatz zu wählen, um den Weisheitsbüchern in ihrer erkenntnistheoretischen Strenge gerecht zu werden. Damit unmittelbar zusammenhängend bedurfte Josefs zentraler, philosophischer Schlüsselbegriff »Theokratie« einer Begründung und Ableitung, die das Verhältnis von Herrschaft Gottes – Freiheit des Geschöpfes an den Anfang setzt und, mit Hinblick auf Moses und dessen philosophische Grundausbildung, kosmologisch verankert werden musste (da habe ich dem Physiker John Barrow viel zu verdanken, S. 122).

Auf dem vier Jahrzehnte langen Weg zum vorliegenden Text brachten holländische Theologen einen ersten Durchbruch, weil sich herausstellte, dass es eine Reihe von vernünftigen Gründen gab, die Paulusbriefe in das zweite Jahrhundert zu verschieben und das Briefwesen insgesamt als Phänomen der zweiten und dritten Generation des Christentums einzuordnen, wobei lediglich die Spitze des Briefeisbergs auf uns gekommen ist. Damit war die christlich-literarische Wüste vor dem Jahr 70 endlich auch von ihrer anachronistischen Paulusoase befreit und viele Probleme, auf die ich nicht näher einzugehen brauche, hatten sich in Luft aufgelöst. Trotzdem musste die Person des Paulus eine wichtige Rolle gespielt haben.

Exkursiv anmerken möchte ich, dass die verblüffenden Kongruenzen zwischen der Vita Josefs und der des Paulus’ sich gut als Forschungsansatz eignen. Die kleineren wie Sturz vom Pferd und Schiffbruch geben nicht viel her, die größeren jedoch einiges: Die Verbindung nach Kreta und Gortis mit einem seiner beiden Häfen (wobei Luthers »Guthafen«, den ich eigenfüßig erwandert habe, lediglich ein Notankerplatz ist, so dass die griechische Bezeichnung »kali limenes« eher mit »schöne Bescherung« übersetzt werden sollte.) Dann das/die Gespräche zwischen Josef, Berenike und Festus (S. 240) und ihre spiegelbildliche Entsprechung in der Apostelgeschichte mit Paulus. Am fruchtbarsten aber ist die Betrachtung der beiden parallelen dreijährigen schwarzen Löcher in den Biographien.

Paulus verschwindet wie Josef plötzlich und unvermittelt Richtung Osten, und die Geschehnisse hinter diesem Ereignishorizont entziehen sich bis heute dem forschenden Blick. Die Paulus-Forschung zuckt betreten mit den Schultern und spekuliert auf ein Ziel wie Petra. Josephus erzählt, er habe drei Jahre in der Wüste mit einem Lehrer namens »Bannus« verbracht. Hier ist das schwarze Loch vom Textumfang etwas größter als bei Paulus, aber immer noch imponierend klein. Nur merkwürdige Details betreffend Nahrung (Feigen und Nüsse), Körperpflege (Badeliebe) und Kleidung (Baumrinde) werden genannt.

Nun will zunächst die spezielle Textform dieses kurzen Abschnitts bedacht sein. Für das Bildnis eines römischen Bürgers, der im öffentlichen politischen Leben eine bedeutsame Rolle gespielt hat, gehört es zum guten Ton, vor der Übernahme seines ersten Amtes oder Debuts auf der gesellschaftlichen Bühne eine Art generale Grundausbildung absolviert zu haben. Caesar etwa hatte sich an der führenden Akademie von Rhodos eingeschrieben, die auch für das Buch eine wichtige Rolle spielt und an der die Grundlagen für den Zahnradcomputer von Antikythera geschaffen wurden. Insoweit wird dabei von erfahrenen und meist günstig gestimmten Lesern eine gewisse biographische Kosmetik und die formvollendete Vorführung eines Tableaus literarischer Gesten erwartet, hingenommen oder begrüßt.

Was Josephus allerdings zeichnet, ist die Skizze einer Karikatur. Nirgends stellt er sich unverhohlener dar als hier: Frech bis zur Unverschämtheit, von gleißender Satire und in tiefster Sorglosigkeit. Da schreibt jemand, der nichts und niemanden fürchten muss, der eine enge persönliche Bindung zum Kaiser selbst besitzt und dem es ob seines Einflusses als Hofjude an Selbstbewusstsein nicht mangelt.

Es scheint Josephus anscheinend tunlich, nicht zu verraten, was er als junger Mann nach seinem Jahr bei den Essenern tatsächlich getan hat. Die Bedeutung des Namens »Bannus« zu knacken, ist noch nicht gelungen und in der Forschung wird darüber gern spekuliert. Auch meine Lehrer wussten keine Lösung. Im Buch beruht der Name daher auf einer Art zurück durch die Zukunft, indem ich den Stamm »ban« im späteren Arabisch aufgesucht, das passende Wort »mubanni«, was »stämmig« bedeutet, ausgewählt habe und damit einen Namen für das satirisch beschriebene weise Maultier gewonnen hatte (S. 299).

Es waren Jahre vagabundierender Suche, und Ende der 80er konnte ich ein Sabbatjahr freischaufeln, so dass mein Mann und ich in unserem Audi 50 die überlieferten Routen des Paulus rund um die Ägäis abfuhren und auch erwanderten. Josephus, bis dahin eher eine Randfigur für mich, brachte mir mein zweiter Lehrer Steve Mason nahe, der klare Verbindungen zwischen diesem Juden und dem frühen Christentum aufzeigte, und überhaupt als nahezu Erster dessen Texte auf angemessene, wissenschaftliche Weise ernst nahm.

Beim Lesen in der Josephus-Forschung standen mir oft genug die Haare zu Berge und ich ergrimme noch im Nachhinein. Meist wurde er als Renegat, Konjunkturritter oder bewusstlos vor sich hin schreibender Kompilator hingestellt. Das Schlimmste aber war, dass man seine Texte oberflächlich, arrogant und summarisch behandelte. Man rückte dem Text nicht mit den literaturkritischen Handwerkszeugen zu Leibe, wie es für andere antike Texte längst selbstverständlich ist, was umso eigenartiger dünkt, wenn man bedenkt, dass diese Bücher durch ihre wahrscheinlich recht getreue und vollständige Überlieferung (durch die Christen!) aus dem antiken Schrifttum herausgehoben werden.

Ehe ich mich weiter fortreißen lasse, will ich zwei Beispiele geben. In keinem einzigen Artikel wurde der Frage nachgegangen, wieso ein verheirateter jüdischer Priester, dessen Frau im belagerten Jerusalem weilt, zusätzlich ausgerechnet eine Kriegsgefangene heiraten kann, die wenig später in Alexandria ausbüxt. Und wie kann dieser Priester vor den Mauern seine »erste« Frau erwähnen, wenn er fürchten muss, dass sie daraufhin umgehend ermordet wird? Als ich deswegen eine, wie ich fand, recht gut begründete Anfrage an die Fachleute von der Uni Münster richtete, bekam ich lediglich eine ebenso knappe wie lachhafte Auskunft, die in dem Verweis auf eine kleine, mir durchaus bekannte Fußnote bestand. Dabei läuft am Delitzschianum seit Längerem sogar ein Josephus-Projekt, dessen Veröffentlichungen zwar für das Umfeld wichtig und aufschlussreich waren, für Josephus selbst jedoch jedes Mal tief enttäuschend.

Oder die singulären Bemerkungen und Einzelsätze, mit denen Josephus die Beleuchtung wichtiger Sachverhalte quasi herunterdimmt. Seinen Mitüberlebenden in der Zisterne von Jotapata erwähnt er so karg als möglich, man spürt, gewisse Dinge kann er unmöglich verschweigen, muss sie wenigstens erwähnen, wenn auch in einer Form, die ihre wahre Bedeutung umgekehrt proportional vermindert. Solche Einzelsätze sind wie kleine, unscheinbare Türchen am Fuße der glatten Stadtmauer und sie werden bislang übersehen. Dass das Kriegsbuch zunächst einmal in mehrfacher Hinsicht Hofberichterstattung ist, wird kaum beachtet. Dazu gehört auch das Flunkern, und wenn ein Autor sich augenzwinkernd seiner Schläue und Durchtriebenheit rühmt, so sollte man sich ihm nicht so naiv nähern und alles für bare Münze nehmen, wie das gewöhnlich geschieht. Was er über die Ereignisse in der Zisterne schreibt, ist offensichtlich Blödsinn (S. 55), und es ist ulkig, wenn ein General a. D. im Fernsehen ganz ernsthaft diesen »militärischen« Teil des Josephus erklärt. Ich habe versucht, durch die Figur des Jakobus dem Mitüberlebenden und seiner Bedeutung gerecht zu werden, den Namen deshalb, weil Josef zuvor von einem »Leibwächter Jakobus« spricht.

Ende der 90er hatten sich so viele Forschungsansätze eingefunden, dass ich vor der Alternative stand, entweder das Ganze weiterhin als Hobby zu betreiben oder der Sache ernsthaft auf den Grund zu gehen mit dem Ziel, zu einem befriedigenden Abschluss zu kommen. Mit Zustimmung meines Mannes provozierte ich meine Entlassung als Direktorin einer VHS. Das war ganz einfach, ich forderte im Beirat einen Eigenbetrieb wie die Müllabfuhr, damals der letzte Schrei. Die Politiker waren richtig begeistert, der Leitende Beamte ganz und gar nicht. Ich bekam eine Abfindung von 210000 DM und deren behutsamer Verzehr ermöglichte es in den folgenden Jahren, sich ganz auf Josephus zu konzentrieren. Die Idee mit der Habilitation und einer Stelle als akademische Rätin stammt aus dem ersten Jahr fröhlicher Phantasien in der neu gewonnenen Freiheit. Als mir jedoch das wahre Ausmaß der Arbeit vor Augen trat, wurde mir klar, dass ich zu wenig Lebenszeit dafür besaß und für mindestens ein halbes Dutzend Assistenten das Geld fehlte.

Deshalb kam es zu einem grundlegenden Kurswechsel, weg von der üblichen wissenschaftlichen Form. Das »Ich« war eine längere, schwere Geburt. Aber schließlich besann ich mich darauf, dass ich in meiner Dissertation die Kompetenz des Einzelnen als Experte für sich selbst gepriesen hatte. Nun konnte ich mich meinem Hauptlehrer zuwenden, Robert Eisenman, den ich zufällig via Qumran kennengelernt hatte (die wenigen Sätze im 2. Kapitel, die sich indirekt auf Qumran beziehen, verdanke ich Norman Golb.) Sein Text über Jakobus den Gerechten, in dem er Josephus bei jeder Gelegenheit scharf abkanzelt, ist der größte, steinigste, schwierigste, aber eben auch fruchtbarste Acker, den ich je zu Gesicht bekommen habe. Er lehrte mich, die Apostelgeschichte als Satire zu verstehen. Ich konnte mir jetzt vorstellen, wie köstlich sich der Autor amüsiert hatte, als er einen philosophischen Plausch zwischen dem römischen Chef und Blutsäufer, einer jüdischen Prinzessin und einem gesellschaftlichen Nichts wie Paulus schilderte. Das Unjüdische am Neuen Testament trat immer deutlicher hervor, und Steve Mason zeigte lockende Perspektiven auf. Die Autoren als zwar rechtschaffene, aber durchtriebene und abgefeimte Leute zu sehen, brachte den Erfolg.

Als hilfreichste strategische Methode, welche die Arbeit enorm erleichtert hat, erwies es sich, einen graphischen Baum zu zeichnen, bei dem ausschließlich Texte in Erscheinung treten und alle menschlichen Akteure ausgeblendet werden. Der christliche Baum beginnt ca. 70 mit dem Markus-Evanglium, etwa 20 Jahre später folgen, zeitnah beieinander, Lukas und Matthäus. Um 100 tauchen in Antiochia erste Briefe auf und es kommt zur Ausbuschung bei der Textverzweigung. In diesem Baumbusch müssen alle Sorten christlicher, kollateraler und außenständiger Texte mit christlichem Bezug erfasst werden, auch die, von denen wir nur wissen. Allein aus dem sichtbar werdenden Geflecht von Abhängigkeiten wird u.a. eine gute Einsicht in die zeitlichen Abläufe ermöglicht.

Das Johannes-Evanglium scheint sehr spät zu kommen, französische Forscher gehen bis 150. In der dritten Generation des Christentums kommt es zur Rivalität zwischen den jungen Gemeinden um Ansehen und Einfluss. Ephesos scheint die führende Rolle gewonnen zu haben, so dass nicht nur ein neues Evangelium, sondern auch im Windschatten dessen die Apokalypse kanonisch werden konnte, eventuell beides vom selbem Autor, allerdings durch Jahrzehnte Lebenszeit getrennt. Auch die Paulusbriefe bringen den Wettstreit um Autorität und Deutungshoheit zum Ausdruck, und die Briefe »an« die Korinther, um die ältesten zu nennen, verstehen sich als Briefe »von« den Korinthern an die anderen Gemeinden. (Dadurch lässt sich z. B. in Thessaloniki eine spannende Phase theologischer Entwicklung rekonstruieren.) Die Frage der »unechten« und »echten« Paulusbriefe muss wohl im Zusammenhang mit Marcion geklärt werden.

Wenn man den graphischen Baumbusch anschließend in eine Synopse mit dem gesellschaftlichen, religiösen und wirtschaftlichen Umfeld einbettet, für dessen unterschiedliche Aspekte es eine Vielzahl von profunden Studien gibt, so entsteht das schlüssige Bild einer neuen sozialen Bewegung, die nach 70 als Epiphyt einer schon länger bestehenden, vitalen Struktur eine rasche Verbreitung finden konnte. Ursprungsort ist vermutlich Antiochia (S. 312), für das eine Reihe wichtiger Indizien sprechen, sowie seine ethnische und religiöse Mischung, die ein wenig an das heutige Syrien erinnert. Antiochia war die Drehtür zwischen Erdteilen und Kulturen, von dort expandierte die Mitras-Verehrung ins Reich, und die kleineren religiösen Gemeinschaften waren keineswegs an Verfolgungen der Juden interessiert, wie sie weiter südlich in Damaskus und anderswo stattfanden.

In der berühmtesten Stelle des Josephus, dem »Testimonium«, von dem selbst Laien mitunter gehört haben, wird vom Idol der Christen Zeugnis gegeben. Der mainstream der Forschung sieht eine späte Einfügung von Josephus’ eigener Hand, die geraume Zeit danach um erklärende Hinweise ergänzt wurde. Gleichwohl bleibt die Diktion auch der gereinigten Fassung (S. 379) rätselhaft und wird erst verständlich, wenn man sie als die zitierte Antwort eines jüdischen Untertanen auf eine herrische, ja herrschaftliche römische Befragung auffasst. Dass bei der ersten, höchst selektiven Christenverfolgung unter Domitian auch die rabbinische Führung angehört wurde, wird viel zu wenig beachtet, wie überhaupt die religionspolitischen Maßnahmen dieses Kaisers noch einer detaillierten Aufklärung harren. Unabhängig davon soll aber das Testimonium das Motiv für die Christen gewesen sein, alle Schriften des Josephus treu zu bewahren. Diese Erklärung ist jedoch nicht tief genug verankert, denn der Textabschnitt konnte erst in einer viel späteren Phase Zeugniskraft entfalten, als Gegner wie Celsus unangenehme Fragen zu stellen begannen. Für die ersten beiden Generationen des Christentums bedarf es einer anderen und starken Verbindung zwischen den frühen Gemeinden und Josephus’ Werken.

Hinter jedem Satz des Buches stecken viele Jahre des Sinnens und Lesens, und ich habe, frei nach Bertrand Russell, einem anderen wichtigen Lehrer, mich zu keiner Annahme verstanden, wenn nicht vernünftige Gründe dafür vorlagen, sie für wahr zu halten (ein Gruß an Russell steht auf S. 107, Frage 5). Wer sich weiter wissenschaftlich mit der Sache beschäftigen will, könnte zunächst das dargestellte Szenario auf sein hinreichendes Maß zurückstutzen, um sich aufs Neue und vielleicht andere Weise der nach wie vor offenen Frage zu widmen, wie groß die Nähe des Josephus zu den frühen christlichen Gemeinden und wie stark sein Einfluss tatsächlich gewesen sind.

Ich für meinen Teil habe nach Abschluss der Arbeit alle meine Sachbücher entsorgt, sämtliche Unterlagen weggeschmissen, selbst das handschriftliche Urmanuskript, und alle Zeitschriftenabos nicht erneuert, und ich habe meinem geduldigen Mann hoch und heilig versprochen, dass nun endgültig Schluss mit Josephus ist.

Seitdem lasse ich die Erinnerungen an die Einzelheiten der Arbeit willig verblassen und bessere meinen Ruhestand halbtags als Texterin für die Kreuzschifffahrt auf. Zum Abschluss dieser Einführung möchte ich betonen, dass ich ein paar Jahrzehnte lang nichts weiter gemacht habe als Texte zu sichten und ein paar davon am Ende des Tages zu einem zusammenfassenden Text zu arrangieren. Die eigentliche Arbeit haben andere gemacht. Das Buch besteht von vorne bis hinten aus sinngemäßen und wörtlichen Zitaten, und es wäre interessant, wie viele ein plug-Programm identifizieren könnte. Nur der Brief der Mirjam am Schluss ist von mir. Zu wünschen bleibt, dass die Schriften des Josephus nicht nur neu übersetzt, sondern auch ganz neu erforscht werden.

Dr. Beate Braumann 21. Dezember 2012

Von der Entstehung des Christentums

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