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Eine Telefonzelle.

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Eine Telefonzelle. Die junge Frau sieht von weitem, da drinnen redet jemand. Und es steht noch eine Frau davor.

Die junge Frau stellt sich hinter die andere, die sehr groß ist mit einem gewaltigen Rücken, die blondierten Haare zu einem Schwänzchen gebunden, der dunkle Mantel eng, etwas zu eng, auch zu kurz, das sieht sie nun. Es bliebt viel festes Fleisch zwischen Mantel und Stiefel.

Kalt ist es. Der Atemhauch bleibt stehen. Und der Himmel ist, wie die junge Frau ihn am Sonnabendabend braucht, wenn die Menschen sich von der Straße in ihre Wohnungen zurückziehen und sie draußen allein rumläuft und auf niemanden trifft: rauchblau. So ein Himmel kann trösten.

Die junge Frau sieht in die Telefonzelle, die vor ihr auch. Sie sieht: Drinnen wird gestikuliert. Das Gespräch ist keines, das man jederzeit beenden kann. Die junge Frau hat Erfahrungen mit Telefonzellen-Gesprächen.

Die junge Frau denkt: Die Frau vor mir soll nicht ungeduldig werden. Meinetwegen nicht. Nicht, weil wir jetzt zwei sind gegen eine. Ich habe Zeit. Die Frau vor mir soll nicht denken, ich habe es eilig. Ich habe es kein bisschen eilig. Ich bin froh, wenn ich ein bisschen Gesellschaft habe. Und die da drin hat ein dringendes Gespräch, das sieht man doch.

Die Frau vor ihr wird nicht ungeduldig. Steht einfach da, groß, dick, beeindruckend. Aber die junge Frau kennt ihr Gesicht nicht.

Dann dreht die Frau vor ihr sich um. Sie sieht freundlich aus, derb, kräftige Backenknochen, kurze Nase. Aber vormachen lässt die sich nichts, denkt die junge Frau. Das dauert, sagt die andere und lächelt breit.

Das Lächeln trifft die junge Frau, die auch nicht mehr so jung ist, Anfang Dreißig. Fünfzehn Jahre hat sie in der Stadt gelebt. Und vor einiger Zeit begann sie, Geschichten zu schreiben. Die wurden auch gedruckt. Man sagte, es seien Stadtgeschichten. Das erstaunte sie, denn sie war auf einem Dorf aufgewachsen und fand sich in der Stadt nicht zurecht, auf dem Dorf auch nicht mehr. Und wie die Frau, die große mit dem lächerlichen Haarschwänzchen, ihr zulächelt, da denkt sie: Das ist doch meine Erna aus dem Gemüseladen. Obwohl es nicht Erna aus dem Gemüseladen ist, die auch nur in ihrer Geschichte Erna heißt. Aber sie könnte es sein. Und da merkt sie auf einmal: Sie wird als eine von hier gehalten. Und vielleicht ist sie auch eine von hier.

1979

Ausm leben mittenmang

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