Читать книгу Ich schaffs! - Бен Фурман, Haim Omer - Страница 15

Schritt 2: Sich auf eine zu erlernende Fähigkeit einigen

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Besprechen Sie sich mit dem Kind und einigen Sie sich mit ihm darauf, welche Fähigkeit es zuerst erlernen möchte.


An unseren Kindern ist nichts falsch – sie müssen nur manchmal die eine oder andere Fähigkeit weiterentwickeln.

Kevin war zehn Jahre alt. Sein problematisches Verhalten war, dass er log. Zusammen mit seinen Eltern und seinem Lehrer suchte er Andrew Duggan auf, einen britischen Therapeuten, der »Ich schaffs« in seiner Arbeit mit Kindern anwendet. Nachdem Andrew sich informiert hatte und verstanden hatte, worum es ging, wandte er sich an Kevin und sagte:

»Dein Vater, deine Mutter und dein Lehrer scheinen zu glauben, dass es gut für dich wäre, wenn du lernen würdest, die Wahrheit zu sagen, anstatt zu lügen. Meinst du das auch? Glaubst du, dass es eine gute Idee wäre, wenn du lernen würdest, nicht zu lügen, sondern stattdessen die Wahrheit zu sagen?«

»Ja, das wäre eine gute Idee«, sagte Kevin.

»Bist du dir sicher? Willst du wirklich lernen, die Wahrheit zu sagen?«

»Ja, da bin ich mir sicher«, bestätigte Kevin.

Kevins Bereitschaft, die von seinen Eltern und dem Lehrer gewünschte Fähigkeit zu erlernen, ist nicht ungewöhnlich. Die meisten Kinder sind gerne bereit, die Fähigkeiten zu erlernen, die ihre Eltern oder Betreuer sich von ihnen wünschen. Wenn wir Kinder nicht für ihr unerwünschtes Verhalten schimpfen, sondern mit ihnen über das Verhalten sprechen, das sie lernen sollen, reagieren sie meist positiv darauf.

Hier sind einige Beispiele:

»Meinst du nicht, Jessica, dass es gut wäre, wenn du lernen würdest, etwas mehr Geduld zu haben, so dass du warten könntest, bis du dran bist?«

»Ich habe mit deinem Vater gesprochen, und wir hätten es gerne, dass du lernst, netter zu deiner Schwester zu sein. Wir wissen, dass das nicht leicht ist, aber ich denke, wenn du das einmal gelernt hast, dann werden wir alle mehr Spaß miteinander haben, du natürlich auch. Na, wie wäre es, wenn du jetzt damit anfangen würdest zu lernen, netter zu ihr zu sein? Möchtest du lernen, wie das geht?«

»Alle Kinder in dieser Klasse haben Fähigkeiten, die sie verbessern können. Ich habe über dich nachgedacht, Zoe, und ich glaube, dass die Fähigkeit, die du verbessern könntest, ist, pünktlich zu sein. Du könntest doch lernen, im Klassenzimmer zu sein, wenn die Stunde anfängt. Was meinst du, Zoe? Wäre es o.k. für dich, diese Fähigkeit zu erlernen?«

Einem Kind auf respektvolle Art eine Fähigkeit vorzuschlagen, macht es ihm einfacher zuzustimmen. Das heißt aber nicht, dass Kinder nie den Vorschlag eines Erwachsenen, eine Fähigkeit zu erlernen, ablehnen. Es passiert schon von Zeit zu Zeit, egal wie respektvoll wir unsere Bitte formulieren. Hier sind ein paar Tipps, wie man es Kindern noch leichter machen kann, positiv auf den Vorschlag, eine bestimmte Fähigkeit zu erlernen, zu reagieren:

Tipp 1: »Ich schaffs« in einer Gruppe von Kindern anwenden

Als wir im Tageszentrum Keula für Kinder mit speziellem Förderungsbedarf anfingen, mit »Ich schaffs« zu arbeiten, einigten wir uns darauf, dass alle Kinder in der Gruppe eine zu erlernende Fähigkeit genannt bekommen sollten. Die Tatsache, dass alle Kinder (und nicht nur die Kinder mit bestimmten Schwierigkeiten) eine Fähigkeit erlernten, bedeutet, dass niemand als anders oder abnormal abgestempelt wurde.

Wenn man »Ich schaffs« in einer Gruppe von Kindern anwendet, z. B. auch in Familien mit mehreren Kindern, ist es besser, gleich alle Kinder miteinzubeziehen. Vielleicht hat nicht jedes Kind in der Gruppe oder Familie eine Schwierigkeit, aber alle Kinder können an einer Fähigkeit arbeiten, um sie zu verbessern. Es ist für ein Kind leichter zu akzeptieren, dass es eine Fähigkeit erlernen soll, wenn die anderen Kinder in der Familie oder Gruppe auch Fähigkeiten erlernen.

Tipp 2: Reden Sie von »wir« anstatt von »ich«, wenn Sie die Fähigkeit vorschlagen!

Kinder finden es leichter, einen Vorschlag oder eine Bitte, etwas zu lernen, anzunehmen, wenn der Vorschlag von mehreren Leuten kommt und nicht nur von einer Person. Sie reagieren positiver, wenn wir sagen »Wir möchten, dass du lernst … «, anstatt »Ich möchte, dass du lernst … «.

Hier sind ein paar Beispiele dafür:

»Gestern habe ich mit deinem Vater telefoniert, und wir waren uns darüber einig, dass du lernen solltest, beim Spielen auch mal zu verlieren. Es macht dir dann sicher viel mehr Spaß, Kartenspiele oder andere Spiele zu spielen, wenn du lernst, damit umzugehen, wenn du mal verlierst.«

»Ich habe gestern mit deinen Eltern gesprochen, und auch sie meinen, dass es für dich wichtig wäre zu lernen, das Gleiche zu essen wie die anderen Kinder. Ich weiß, dass das nicht leicht ist, aber ich bin überzeugt davon, dass du, wenn du erst einmal anfängst, diese Fähigkeit mit uns zu üben, das lernen wirst.«

»Du hast wahrscheinlich schon von deinen Eltern gehört, dass wir uns hier in der Schule getroffen haben und dass wir zu dem Schluss gekommen sind, dass du die Fähigkeit erlernen solltest, im Unterricht etwas ruhiger zu sein.«

Tipp 3: Verhandeln Sie mit dem Kind!

Wenn wir mit kleineren Kindern sprechen, können wir ihnen geradeheraus sagen, dass wir möchten, dass sie diese oder jene Fähigkeit erlernen. Je älter das Kind aber ist, desto wichtiger ist es, mit ihm über die zu erlernende Fähigkeit zu sprechen. Dabei wird uns wahrscheinlich überraschen, wie bewusst die Kinder sich darüber sind, welche Fähigkeiten sie entwickeln müssen.

»Welche Fähigkeit möchtest du erlernen, Andreas?«

»Ich möchte lernen, mit einer Lokomotive zu fahren.«

»Wow, das ist eine tolle Fähigkeit, die du erlernen möchtest! Ich wette, du kannst das lernen, wenn du erwachsen bist, aber welche Fähigkeit möchtest du denn jetzt erlernen? Worin solltest du besser werden, damit du dich hier in der Schule wohler fühlen kannst?«

»Ich möchte lernen, mit den anderen Kindern zu spielen.«

»Das ist ein wunderbarer Vorschlag. Wenn du lernst, mit den anderen Kindern zu spielen, und du dich nicht mit ihnen prügelst, dann, davon bin ich überzeugt, wirst du dich hier auch wohler fühlen, meinst du nicht auch?«

Tipp 4: Lassen Sie die Kinder sich gegenseitig dabei helfen, die Fähigkeiten herauszufinden, die sie erlernen sollten!

In Familien mit mehreren Kindern, in Schulen und anderen Institutionen kennen sich die Kinder untereinander normalerweise sehr gut, und sie können uns oft sagen, welche Fähigkeiten die anderen Kinder in der Gruppe erlernen oder verbessern sollten.

Ein Lehrer wandte »Ich schaffs« in einer Klasse an, die aus 28 Schülern bestand. Zunächst informierte er alle Eltern über das »Ich schaffs«-Projekt. Ziel war nicht nur, das Einverständnis der Eltern für das Projekt einzuholen, sondern auch, sie dazu zu bringen, ihre Kinder zu unterstützen, während sie ihre Fähigkeiten erlernten. Der nächste Schritt im Prozess war, für jedes Kind eine Fähigkeit herauszufinden, die es erlernen sollte. Der Lehrer realisierte, dass es sehr lange dauern würde, mit jedem einzelnen Kind die zu erlernende Fähigkeit zu besprechen. Deshalb teilte er die Klasse in Vierergruppen auf und bat die Gruppen, für jedes Mitglied der Gruppe eine Fähigkeit herauszufinden, die es entwickeln sollte.

Um den Kindern zu helfen, die Art von Fähigkeiten zu verstehen, die sie erlernen sollten, verwickelte er die ganze Klasse in ein Gespräch über Fähigkeiten. Während dieses Gespräches befestigte er eine Landkarte an der Tafel, auf der vier »Fähigkeitsländer« markiert waren.

Das erste Land hieß Land der Schulfähigkeiten. Die Fähigkeiten in diesem Land waren solche, die Kinder brauchen, um in der Schule Erfolg zu haben, wie zum Beispiel ihre Hausaufgaben zu machen, sich zu melden, wenn sie etwas sagen wollen, und allgemein sich im Unterricht gut zu benehmen.

Das zweite Land hieß Land der Freundschaftsfähigkeiten. Hier ging es um Fähigkeiten, die Kinder benötigen, um sich mit ihren Freunden gut zu verstehen, wie zum Beispiel die Fähigkeit, mit anderen Kindern zu spielen, die Fähigkeit einzugreifen, wenn ein Kind ein anderes ärgert, und die Fähigkeit, anderen Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen.

Das dritte Land hieß Land der Erwachsenenfähigkeiten. Die Fähigkeiten dieses Landes waren die verschiedenen Fähigkeiten, die Kinder brauchen, wenn sie mit Lehrern und anderen Erwachsenen zu tun haben. Fähigkeiten hier waren zum Beispiel die Fähigkeit, Erwachsene mit Respekt zu begrüßen, die Fähigkeit, Erwachsenen zuzuhören und die Fähigkeit, mit Erwachsenen zu sprechen, ohne Schimpfwörter zu benutzen.

Das vierte Land hieß Land des Mutes. Die Fähigkeiten dieses Landes bestanden aus verschiedenen Formen des Muts, den Kinder brauchen, um zu vermeiden, schüchtern und ängstlich zu sein – wie zum Beispiel den Mut, etwas zu sagen, den Mut, sich zu weigern, etwas Verbotenes zu tun, den Mut, einen kleinen Vortrag zu halten, und den Mut, sich nicht zu schämen, wenn sie irgendwie anders sind als die anderen Kinder.

Durch dieses Gespräch und die Fähigkeiten-Landkarte konnten die Kinder ein Verständnis dafür entwickeln, welche Art von Fähigkeiten sie mit Hilfe von »Ich schaffs« erlernen sollten. Nun war es leicht für sie, die relevanten Fähigkeiten füreinander herauszufinden.

Selbst wenn wir uns mit dem Kind darüber einigen, welche Fähigkeit es anfangen sollte zu erlernen, heißt das noch lange nicht, dass das Kind dann automatisch motiviert ist, diese Fähigkeit auch zu entwickeln. Das Erlernen einer Fähigkeit ist anstrengend, und deswegen ist es als Nächstes unsere Aufgabe sicherzustellen, dass das Kind wirklich motiviert ist und begeistert darüber, die Fähigkeit zu erlernen. Die nächsten paar Schritte von »Ich schaffs« haben das Ziel, die Motivation des Kindes zu stärken. Der erste Schritt besteht darin, dem Kind klarzumachen, welche Vorteile das Erlernen der Fähigkeit hat, nicht nur für das Kind, sondern auch für die Menschen in seinem Umfeld.

Ich schaffs!

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