Читать книгу Ich schaffs! - Бен Фурман, Haim Omer - Страница 7
ОглавлениеWas ist das »Ich schaffs«-Programm?
Alle Kinder stehen im Laufe ihrer Entwicklung immer wieder einmal vor Herausforderungen. Bei manchen Kindern ist das mit Schwierigkeiten verbunden, sie entwickeln Ängste, Wutanfälle oder Lernschwierigkeiten auf bestimmten Gebieten. Im Normalfall kommen und gehen solche Schwierigkeiten auch wieder. Manchmal aber scheint es so, als würden sie sich festsetzen – und dann fangen die Erwachsenen, die für das Kind sorgen, an, nach Lösungen zu suchen. Und dafür brauchen sie Ideen.
Das »Ich schaffs«-Programm bietet solche Ideen. Es ist eine Methode, mit der Kinder Schwierigkeiten positiv und konstruktiv überwinden können, indem sie neue Fähigkeiten erlernen.
»Ich schaffs« wurde ursprünglich im finnischen Tageszentrum Keula für Kinder zwischen vier und sieben Jahren entwickelt. Es zeigte sich aber sehr schnell, dass dieser Ansatz auch für ältere Kinder geeignet ist. Die Prinzipien von »Ich schaffs« haben in der Tat wenig mit dem Alter zu tun. Der Ansatz kann leicht modifiziert ebenso verwendet werden, um Teenagern oder selbst aufgeschlossenen Erwachsenen zu helfen, ihre Schwierigkeiten zu bewältigen.
Das »Ich schaffs«-Programm besteht aus 15 aufeinander folgenden Schritten. Beim Lesen des Buchs werden Sie sich vielleicht fragen, wie eng Sie sich an das Programm halten sollten, wenn Sie mit Kindern arbeiten. Vielleicht fragen Sie sich auch, ob es entscheidend ist, alle Schritte in den Prozess mit einzubeziehen, oder ob Sie alle Schritte genau in der beschriebenen Reihenfolge durchführen sollten.
Wenn jemand Tanzstunden nimmt, wird er vielleicht seinen Lehrer fragen, ob es besser sei, auf der Tanzfläche zu improvisieren, oder ob er bei den Schritten bleiben sollte, die er gelernt hat. Der Tanzlehrer wird dem Schüler üblicherweise raten, mit den Schritten anzufangen, die er gelernt hat und erst dann mit dem Improvisieren zu beginnen, wenn er sich beim Tanzen locker und sicher fühlt. Mit anderen Worten, wenn er sich im Einklang mit dem Rhythmus des Tanzes fühlt. Erst dann sollte der Tänzer anfangen zu experimentieren, die Schrittfolge verändern, ein paar Schritte auslassen oder sogar neue Schritte dem Tanz hinzufügen.
Dieses Prinzip gilt auch für »Ich schaffs«. Wenn Sie mit den einzelnen Schritten vertraut sind und ein Gefühl für das Programm entwickelt haben, können Sie anfangen zu improvisieren, um Ihre eigene Art, die Ideen anzuwenden, herauszufinden – sei es bei Ihren eigenen Kindern oder den Kindern und den Familien, mit denen Sie arbeiten. Denken Sie dabei daran, dass es sich bei »Ich schaffs« nicht um eine weitere neue Erziehungsmethode handelt, die Ihnen vorschreibt, was Sie mit Ihren Kindern tun oder lassen sollen. Im Gegenteil: »Ich schaffs« ist wie ein Floß, auf dem Sie zum anderen Ufer des Flusses übersetzen können, dorthin, wo Sie Ihre Kreativität ausschöpfen und wieder Spaß haben können – also diese zwei so entscheidenden Faktoren für Menschen, die Kindern bei der Bewältigung von Herausforderungen bzw. bei den damit verbundenen Schwierigkeiten helfen.
Probleme in Fähigkeiten verwandeln
Daniel, ein sechsjähriger Junge, fiel durch sein problematisches Verhalten auf. Er weigerte sich, wie alle anderen auf die Toilette zu gehen, und machte stattdessen in die Hose. Seine Eltern hatten alles Mögliche versucht, um ihm zu helfen, aber vergebens. Daniel litt selbst unter dieser Entwicklungsverzögerung. Die anderen Kinder mieden ihn, und er wurde nur selten eingeladen, bei seinen Freunden zu spielen. Auch die Möglichkeit, in eine Ferienfreizeit zu fahren, kam erst gar nicht in Frage.
Nichtsdestotrotz fing Daniel im Sommer kurz vor seinem siebten Geburtstag an, wie alle anderen auf die Toilette zu gehen. Eines Tages sprach seine Mutter ihn darauf an.
»Du weißt ja gar nicht, wie froh ich bin, dass du jetzt gelernt hast, regelmäßig auf die Toilette zu gehen«, sagte sie. »Ist das nicht auch für dich schön?«
»Ja, klar«, sagte Daniel und fuhr fort: »Es hat eine ganze Weile gedauert, aber zum Schluss habe ich es dann gelernt.«
Diese Geschichte illustriert die Grundidee von »Ich schaffs«. Wenn Kinder sich weigern, auf die Toilette zu gehen, und stattdessen in die Hose machen, denken Erwachsene üblicherweise, dass dies ein Symptom einer tiefer liegenden Störung ist. Aber Daniel war da anderer Meinung. Seine Worte »Zum Schluss habe ich es dann gelernt« zeigen, dass es für ihn einfach eine Fähigkeit war, die alle Kinder erlernen müssen, mit dem einzigen Unterschied, dass er dazu eben länger brauchte als die anderen.
»Ich schaffs« basiert auf dem Gedanken, dass Kinder eigentlich keine Probleme haben. Probleme werden definiert als Fähigkeiten, die sie noch nicht erlernt haben. Anders ausgedrückt, die meisten Schwierigkeiten, mit denen Kinder zu tun haben – Ängste, schlechte Angewohnheiten, Schlaf- und Essstörungen, Probleme beim Urinieren und beim Stuhlgang eingeschlossen – werden als noch nicht ausgebildete Fähigkeiten angesehen. Kinder können diese Schwierigkeiten überwinden, indem sie die damit korrespondierende Fähigkeit erlernen.
Im »Ich schaffs«-Programm beginnen wir den Prozess der Problemlösung damit, dass wir die Probleme in Fähigkeiten »verwandeln« – das heißt, dass wir uns von der Wahrnehmung eines »Problems« wegbewegen hin zu einem Bewusstsein der Fähigkeit, die erforderlich ist, um das Problem zu überwinden. Diesen Schritt nennen wir »verfähigen«. Wenn wir eine Fähigkeit identifiziert haben, die das Kind erlernen muss, damit sich das Problem auflöst, können wir anfangen, über Fähigkeiten zu sprechen anstatt über Probleme. Schließlich ist der Gedanke, eine Fähigkeit zu entwickeln, für Kinder viel attraktiver und motivierender als die Vorstellung, Schwierigkeiten überwinden zu müssen.
Die Motivation aufbauen
Wenn man sich mit einem Kind darüber geeinigt hat, welche bestimmte Fähigkeit es entwickeln sollte, heißt das aber noch lange nicht, dass das Kind auch motiviert ist, diese Fähigkeit zu erlernen. Es kann sein, dass noch das ein oder andere getan werden muss, um die Motivation des Kindes aufzubauen. Wir können beispielsweise das Kind auffordern, der zu entwickelnden Fähigkeit einen Namen zu geben, oder dem Kind helfen, die Vorteile des Erlernens zu erkennen, oder mit ihm frühzeitig Pläne schmieden, wie es feiern kann, wenn es die Fähigkeit erlangt hat. Zusätzlich können wir noch sicherstellen, dass es mehrere Menschen in seinem Umfeld gibt, die willens sind, das Kind zu unterstützen und ihm beim Erlernen der Fähigkeit zu helfen.
Die Fähigkeit üben
Wenn wir das Kind erfolgreich motiviert haben, die Fähigkeit zu erlernen, dann ermutigen wir es, die Fähigkeit zu üben. Wir zeigen ihm auch einen geeigneten Weg, die Fähigkeit zu üben, und stellen sicher, dass es viel positives Feedback bekommt, wann immer es übt und die Fähigkeit zeigt.
Lernen geschieht selten linear, und daher müssen wir auch auf Rückschläge gefasst sein – das heißt Zeiten, in denen das Kind die erlernte Fähigkeit vorübergehend verliert und das problematische Verhalten zurückkehrt.
Das Lernen verstärken
Wenn das Kind seine Fähigkeit erlernt hat, geben wir ihm zu Ehren ein Fest. Vorher schlagen wir ihm noch vor, allen Menschen, die es unterstützt haben oder die ihm geholfen haben, zu danken. Als ein weiterer wichtiger Schritt des Prozesses versuchen wir auch, dem Kind eine Gelegenheit zu verschaffen, die neu erlernte Fähigkeit an jemand anderes weiterzugeben. Zum Schluss einigen wir uns dann gemeinsam mit dem Kind auf die nächste Fähigkeit, die es erlernen möchte.