Читать книгу "Ich schaffs!" in Aktion - Бен Фурман, Haim Omer - Страница 17
Milton Erickson
ОглавлениеMilton H. Erickson (1901–1980) war ein legendärer amerikanischer Psychiater, der als Pionier der Kurzzeittherapie gilt. Er war ein kreativer Therapeut, der eine ungeheure Vielfalt an Techniken angewandt hat, um seinen Patienten zu helfen – darunter Hypnose, Hausaufgabenerteilung und das Erzählen von metaphorischen Geschichten. Erickson arbeitete sowohl mit Erwachsenen als auch mit Kindern, und seine Berichte darüber, wie er Kindern bei unterschiedlichsten Problemen – z. B. Daumenlutschen, Bettnässen oder Phobien – geholfen hat, gehörten für uns zu den wichtigsten Inspirationsquellen. Der folgende von Sidney Rosen (2009) nacherzählte Fall vermittelt Ihnen einen Eindruck von Ericksons Kreativität und seiner Fähigkeit, sich mit Kindern zu verständigen.
Die Eltern eines 6-jährigen Mädchens kamen in Ericksons Sprechstunde. Das Mädchen klaute in Geschäften, von ihren Eltern und von anderen Leuten und erfand dann Lügen, wie sie an die Dinge gekommen war. »Was kann man mit einer Ladendiebin und Lügnerin tun, die erst sechs Jahre alt ist?«, hatten die aufgebrachten Eltern gefragt.
Nachdem Erickson mit den Eltern gesprochen hatte, entschloss er sich, dem Mädchen einen Brief zu schreiben. Dieser begann mit der Erklärung, dass das Mädchen eine Größerwerde-Fee für 6-Jährige habe und diese die Absenderin des Briefes sei. Alle Kinder, so der Brief, hätten Feen für das Größerwerden, auch wenn sie sie noch nie gesehen hätten. Nun folgte eine detaillierte Beschreibung, wie die Fee für das Größerwerden aussah, wie viele Augen, Ohren und Beine sie hatte, wie sie sich fortbewegte und wie sie alles, was das Mädchen tat, sehen und hören konnte. Nach dieser Einleitung erklärte die Größerwerde-Fee für 6-Jährige, dass sie das Mädchen genau beobachtet habe und beeindruckt sei, wie viele Fähigkeiten es sich bereits mit 6 Jahren angeeignet habe. Dann erläuterte sie, dass einige Fähigkeiten einfach zu erlernen seien, während das Aneignen anderer sehr schwierig sei.
Laut Erickson war der Brief ein voller Erfolg. Die Eltern berichteten, dass das Mädchen aufgehört hatte zu stehlen. Bald danach bekam die Fee für das Größerwerden einen Brief von dem Mädchen mit einer Einladung zu ihrem 7. Geburtstag. Erickson schrieb dem Mädchen einen zweiten Brief und bedauerte, dass er nicht kommen könne, denn er sei ihre Größerwerde-Fee für 6-Jährige und nicht die für 7-Jährige.
An dieser Geschichte finde ich besonders aufschlussreich, dass sich Erickson auf das Kind statt auf seine Eltern konzentrierte. Er schien nicht in den für Therapeuten üblichen Mustern zu denken und hatte offensichtlich nicht die Haltung, dass man erst die Eltern ändern müsse, um das Kind verändern zu können. Er nahm das Problem ganz wörtlich und konzentrierte sich scheinbar ausschließlich auf das Mädchen. Aber auch wenn der Eindruck entsteht, dass er sich nur mit dem Kind beschäftigte, hatte seine Vorgehensweise wahrscheinlich auch einen Einfluss auf die Eltern.
»Ich schaffs« folgt einer ähnlichen Logik. Der Fokus liegt darauf, Kindern beim Überwinden ihrer Probleme zu helfen, aber die Art der Intervention hat auch Auswirkungen auf die Eltern und auf andere Beteiligte.
Das Konzept, Fähigkeiten zu erlernen, ist ein zentraler Aspekt in Ericksons gesamter Arbeit. Im Kommentar zu diesem Fall schrieb Sidney Rosen: »Erickson vermeidet vor allem Verbote, Maßregeln und Worte wie ›Du solltest‹. Er betont wie immer den Wert des Lernens. Als Erzieher ist er nicht böse, sondern lehrt auf anregende Weise. In all seinen Geschichten ist Erickson zwar sehr bestimmt, bestraft aber nicht. Seine Absicht ist es, Kindern dabei zu helfen, ihr eigenes Gefühl für Willen und Autonomie zu entwickeln« (Rosen 2009, S. 284 f.).
Der Einsatz der »Größerwerde-Fee für 6-Jährige« ist ein essenzielles Element in dieser Geschichte. Kinder lassen sich durch Fantasiegestalten bezaubern, und es macht ihnen Spaß, mit solchen Wesen zu kommunizieren. Die Idee von hilfreichen Wesen haben wir für das »Ich schaffs«-Programm übernommen, bei dem Kinder sich eine Kraft-Figur auswählen, die ihnen beim Erlernen der jeweiligen Fähigkeit helfen soll.