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4 Tiger

Margaret besaß ein Auto. Es war hellblau und hatte nur zwei Türen. Es war ein besonderer Wagen; er hatte runde Scheinwerfer, und der Kofferraum befand sich vorne – da, wo bei anderen Automobilen normalerweise die Motorhaube war. Hier aber saß der kleine Motor am Heck. Das Armaturenbrett bestand aus Holz und hatte nur die nötigsten Instrumente. Die Polster waren mit schwarzem Leder bezogen, und man konnte den Beifahrersitz nach vorne umlegen, um auf die sehr enge Rückbank zu klettern. Das Auto war alt, aber gut gepflegt. Und es funktionierte einwandfrei – sie waren damit auch von ihrem alten Haus nach Windmar gefahren. Die Fahrt hatte fast zehn Stunden gedauert.

Neben der Bäckerei hatte Windmar einen kleinen Gemischtwarenladen mit Lebensmitteln und allerhand Haushaltsbedarf – betrieben von einer älteren, sehr dicken Dame, die die meiste Zeit auf einem Stuhl vor der Eingangstür saß, während sie auf Kunden wartete. Den wöchentlichen Einkauf aber erledigte Margaret in der nächsten Stadt. Dort gab es eine Art Einkaufsmarkt oder Kaufhaus mit billigeren Preisen, und neben Essen und Getränken konnte man dort auch Seife, Zahnpasta und Reinigungsmittel kaufen. Sogar Kleidung, Gartenbedarf und Küchengeräte hatte das Geschäft im Angebot.

Es wurde zur Routine, dass das alte Auto jeden Mittwoch von der Plane befreit wurde. Margaret fuhr morgens früh los und kam nach zwei oder drei Stunden wieder zurück, den Kofferraum und manchmal auch die Rücksitze beladen mit Lebensmitteln und allem, was man bis zur nächsten Fahrt brauchen würde. Ansonsten aber stand der Wagen die meiste Zeit auf der rechten Seite des Hofes geparkt. Immer von einer alten Persenning bedeckt, die am Boden mit Steinen beschwert war, aber vollgetankt und in Fahrtrichtung die Straße hinunter.

Die Einkaufsliste wurde am Dienstagabend geschrieben. Während Alexander und Sophie nach dem Abendessen den Abwasch erledigten, saß Margaret am Küchentisch. „Sophie – haben wir noch Seife“, wollte sie wissen. „Ja; einen ganzen Karton. Ich habe ihn unter der Treppe.“ Alex wollte einen Wunsch anmelden. „Ob der Markt wohl auch Limonade hat?“, meinte er. „Und es wäre schön, mal Kekse zu haben.“ Margaret wusste, dass die im Dorfladen ziemlich teuer waren. „Von mir aus“, sagte sie. „Ich schaue, was ich mitbringen kann.“ Für sich selbst schrieb sie eine Flasche Wein auf.

An diesem Mittwoch gab es eine große Überraschung. Ohne besonderen Anlass nämlich bekam Sophie genau das Geschenk, das sie sich so lange schon sehnlichst zu jedem Geburtstag und Weihnachtsfest gewünscht hatte – ihre eigene Katze!

Auf dem Rückweg vom Einkaufen hielt Margaret bei einem Bauernhof. Dort suchte sie eines der vier kleinen Kätzchen aus, die die Hofkatze kürzlich geworfen hatte. Es war ein kleiner Kater, grau-schwarz getigert. Er hatte einen weißen Bauch und weiße Pfoten, und seine Augen waren noch blau, wie bei allen ganz jungen Katzen.

Margaret nahm sich Zeit, um das richtige Tier auszuwählen. Zusammen mit der Bäuerin stand sie in der warmen, halbdunklen Scheune und beobachtete die kleinen Kätzchen eine Weile. Der getigerte Kater schien sowohl schlauer, abenteuerlustiger und auch stärker als die anderen zu sein.

Die Katzenmutter war auf einen Tisch gesprungen, und alle Katzenkinder versuchten, ihr hinterher zu klettern – der Tisch jedoch war zu hoch. Nachdem der Getigerte aber wie die anderen ein paar Mal vom Tischbein abgerutscht war, suchte er sich einen anderen Weg. Und während die Geschwister noch immer laut miauend auf dem gestampften Erdboden saßen, war er schon über einen umgedrehten Eimer und eine Kiste nach oben gesprungen. Von dort aus sah er Margaret stolz an.

„Den da nehme ich, der passt zu uns“, entschied sie. Ohne Furcht ließ sich das Tier am Nacken hochheben, und krallte sich gleich in ihrem Kleid fest. „Ich suche mir immer die schlauesten aus“, sagte Margaret zu der Bäuerin und lächelte. „Wer mit mir lebt, muss stark sein und sich zu helfen wissen.“ Sie strich durch das Fell des Katers und sah ihn liebevoll an. Die Frau war froh, eines der Tiere losgeworden zu sein, und es war ihr egal, welches. Uber den Geldschein, den Margaret ihr gab, freute sie sich aber trotzdem.

Im Einkaufsmarkt hatte Margaret bereits einen flachen, billigen Korb gekauft – und eine leichte, bunte Wolldecke, die eigentlich für ein Kinderbett gedacht war. Beides lag auf der Rückbank des Autos bereit, und sie setzte das Tier hinein. „Da bleibst Du, bis wir daheim sind. Dass du mir nicht im Auto herumkletterst, während ich fahre!“, befahl sie. Der Kater aber war sowieso zu klein, um das Fenster zu erreichen, und das Fahrtgeräusch ließ ihn schnell einschlafen.

Zuhause trug sie den Korb in die Küche und rief nach den Kindern. Sophie konnte nicht an sich halten und weinte vor Freude, als sie den Korb mit dem Kater sah. Margaret wurde normalerweise böse, wenn sie das tat – sie mochte kein mädchenhaftes Getue, und war auch hart zu sich selbst. Heute aber war es ihr egal. Die Kinder konnten sehen, wie sehr sich Margaret selbst freute, dass sie nun ein Tier hatten. Sie kniete sogar neben Sophie auf den Boden. Gemeinsam kraulten sie den Kater und kicherten, wenn er sie in die Finger biss.

„Wie heißt der Kater?“, fragte Sophie. „Das darfst du bestimmen“, sagte Margaret. Sophie überlegte und schaute nach Alex. „Wie wäre es mit Tiger?“, meinte sie etwas unsicher, während ihre Hand durch das weiche, weiße Fell auf seinem Bauch kraulte. „Das passt“, sagten die anderen. Das Tier selbst ließ ein lautes Schnurren hören, als ob es zustimmen würde – und sogar Margaret musste lachen. Und nun hieß der kleine Kater Tiger.

Tiger wurde schnell der Mittelpunkt der kleinen Familie, und ständig von allen umsorgt. Sophie konnte stundenlang mit ihm spielen, während Alex damit zufrieden war, daneben mit einem Buch auf dem Bett zu liegen. Margaret sprach leise und mit sanfter Stimme mit dem Kater, und die Kinder sahen nun eine andere Seite von ihr. Wenn sie auch sehr streng zu ihnen war, Tiger schien nichts falsch machen zu können. Selbst als er auf den Küchentisch kletterte und ein Glas zu Boden stieß, das zu tausend Scherben zersprang, gab es keinen richtigen Ärger. Alexander oder Sophie hätten sich für die Ungeschicklichkeit mindestens eine Kopfnuss eingefangen, aber Tiger wurde nicht bestraft. Margaret schimpfte zwar mit ihm – aber es war nicht laut und sie kraulte seine Ohren dabei.

Nur in einem war sie streng. Denn Tiger machte es sich zur Gewohnheit, beim Essen neben Sophies Stuhl zu sitzen, so dass auch er davon abbekam. Und manchmal konnte er so etwas auffangen, das wie zufällig vom Tisch fiel, wenn Margaret woanders hinsah. Wenn Sophie und Tiger aber dabei erwischt wurden, gab es Ärger. An einem Abend verbannte Margaret den Kater sogar aus der Küche und nahm Sophie den Teller weg. „Das ist kein Essen für Katzen“, entschied sie. „Ich will nicht, dass Tiger krank wird. Aber du scheinst es auch nicht zu wollen, und dann gehst du eben hungrig ins Bett.“ Glücklicherweise hatte Alex noch zwei Äpfel in seinem Zimmer, die Sophie später in ihrem Zimmer essen konnte.

Windmar

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