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2 Das Dorf

Das Dorf hieß Windmar und hatte bestimmt weniger als fünfzig Häuser, von denen die ältesten um einen kleinen Dorfplatz herum angeordnet waren. Einige der Wege hatten keinen festen Belag. Nur im Dorfkern bestanden die meisten Gassen aus Kopfsteinpflaster, und die Hauptstraße und der Rundweg um den Dorfplatz waren asphaltiert.

Es gab eine alte Kirche, bei der die Tür abgeschlossen war. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes standen ein kleines Gasthaus mit ein paar Fremdenzimmern und eine Bäckerei. Außerdem zwei andere Ladengeschäfte mit Schaufenstern, von denen eines leer zu stehen schien. Das andere war wohl eine Art Gemischtwarenladen. Auf dem großen Metallschild des Gasthauses war ein Löwe abgebildet, der eine Krone auf dem Kopf trug und einen Krug schäumendes Bier in der Pfote hielt. Im ganzen Dorf gab es nur eine einzige, rote Telefonzelle mit einem Münzfernsprecher. Sie stand neben der Kirche.

Die meisten Häuser waren alt und hatten manchmal nur ein einziges Stockwerk. Bei vielen der Gebäude konnte man von außen das Fachwerk sehen, und einige der Dächer sahen aus, als ob sie demnächst einstürzen würden. Dabei hielten sie wahrscheinlich schon seit vielen Jahren so. Nur in einem neueren Gebiet an der Ausfallstraße standen ein paar Reihen einförmiger Reihenhäuser, die aus rotem Backstein gebaut waren.

Und noch ein Haus im Dorf war anders; es stand genau da, wo die Sackgasse auf die Hauptstraße des Dorfes einmündete, und war in einem auffälligen lila gestrichen. Im Garten waren allerhand Figuren und Steinzeug zu sehen, und in den Beeten lagen bunte Glaskugeln in allen Farben. Sophie fand, dass eine sehr seltsame Person dort leben musste. „Wahrscheinlich eine Hexe“, sagte sie. „Wir haben Glück gehabt. Margaret ist auch nicht normal, aber wenigstens müssen wir für sie keine magischen Tränke kochen oder einen Zauberstab schnitzen.“ Alex lachte. „Aber einen Drachen“, sagte er, „den haben wir auch im Haus.“

Ein altertümlicher Hufschmied hatte das Tor offenstehen, und als die Kinder in das halbdunkle Innere spähten, sahen sie ein Pferd. Es hatte eines der hinteren Hufe in einer Schlinge hängen, und das heiße Eisen lag schon im Feuer. Ein Mann hämmerte darauf herum. Funken sprühten, und es roch nach verbranntem Horn. Das Pferd stand still.

„Der arme Gaul“, meinte Alex. Über Tiere aber wusste Sophie besser Bescheid. „Im Gegenteil. Das Eisen schützt die Hufe. Und angeblich tut es denen auch gar nicht weh.“ Der Junge war nicht überzeugt. „Ich jedenfalls trage lieber Turnschuhe“, sagte er.

An der Ausfallstraße bei den neuen Häusern gab es eine Autoreparaturwerkstatt mit Tankstelle. Das flache Gebäude hatte breite Rolltore, die bis zur Decke reichten und offen waren. Drinnen schraubte ein älterer Mechaniker in einem grauen Overall an einem grünen Familienauto herum. Es roch nach Benzin, und ein kleines Radio spielte leise Schlagermusik. Zwischen den beiden Zapfsäulen vor der Werkstatt lag ein zotteliger Hund und schlief in der Sonne.

Auf den Straßen war kaum Verkehr. Nur ein Mann, der aussah wie der Pfarrer, kam auf einem Fahrrad die Straße heruntergefahren; sein schwarzer Umhang wehte hinter ihm her. Einmal fuhr ein gelber Kastenwagen an ihnen vorbei. Er trug den Schriftzug einer Brauerei, und hielt vor dem Gasthaus. Zwei Männer mit langen braunen Lederschürzen stiegen aus und öffneten die Hecktüren. Wahrscheinlich wurde frisches Bier für den Löwen geliefert.

Alexander und Sophie waren bald durch alle Straßen des Dorfes gelaufen. Es war ein schöner Ort, aber viele Menschen konnten hier nicht leben. Egal, in welche Richtung man sich wandte – es dauerte nie lange, bis man wieder die Felder erreichte, die rings um das Dorf herum lagen. Eine Straßenbeleuchtung gab es anscheinend nur an der Ausfallstraße und um den Dorfplatz herum.

Die beiden setzten sich auf eine Bank im Schatten vor der Kirche und ließen die Beine baumeln. „Was für ein verschlafenes Nest“, meinte Sophie. „Warum wir wohl ausgerechnet hier hingezogen sind? Und warum eigentlich können wir nicht einmal irgendwo leben, wo es Läden gibt, bei denen man in die Schaufenster gucken kann? Oder wo es vielleicht sogar eine Eisdiele gibt?“

Tatsächlich schien in dem Ort nicht viel zu passieren, und Alex sah eine ziemlich trübe Zeit auf sie zukommen. Er gähnte. „Das wird langweilig hier. Mal sehen, wann wir wieder umziehen – aber hoffentlich bald.“

Das Beste an Windmar war ein Schwimmbad. So etwas hatten sie in ihrem letzten Dorf nicht gehabt. Die Anlage war nicht groß und lag ein wenig außerhalb, hinter dem neueren Teil des Dorfes bei der Autowerkstatt. Es bestand aus einem rechteckigen, grünen Becken mit einer Leiter an der einen Seite, und einem niedrigen Sprungbrett am anderen Ende. Es war eingezäunt, und es gab sogar einen kleinen Schuppen, in dem man sich umziehen konnte. Anscheinend kostete es keinen Eintritt. Niemand war zu sehen, und das Tor ließ sich ohne weiteres öffnen.

„Leider sieht das Wasser nicht besonders sauber aus“, meinte Sophie und verzog ihr Gesicht. „Erinnerst du dich daran, wie schön das Haus an der Steilküste war? Im Meer zu baden, das hat Spaß gemacht.“

Tatsächlich konnte man teilweise nicht einmal den Grund sehen, und Blätter schwammen an der Oberfläche. Aber Alexander hatte weniger Bedenken. „Ach was“, sagte er, „Das ist besser als im letzten Jahr, wo wir nirgendwo schwimmen konnten. Wenigstens vergessen wir so nicht noch alles, was Margaret uns beigebracht hat – und wir können uns in der Hitze abkühlen.“

Auf einer Tafel waren Öffnungszeiten angeschrieben. „Das heißt, demnächst wird hier abgeschlossen“, sagte Alex und sah auf seine Armbanduhr. Sie hatte sogar Leuchtziffern, und Margaret hatte sie ihm letztes Jahr zum Geburtstag gekauft. „Es ist gleich fünf Uhr.“

„Wirklich?“, fragte Sophie. „Oh weh. Jetzt aber schnell!“ Sie zog Alexander am Arm. „Die Stunde ist fast um. Ich habe keine Lust, gleich am ersten Tag im neuen Haus Ärger zu bekommen. Und Margaret ist sowieso schon böse wegen dem Umzug – das wird nicht lustig. Wir müssen rennen.“ Alex ärgerte sich über sich selbst. „Verdammt! Das stimmt. Los geht’s.“ Und schon rannten die beiden los, die Straße zurück, durch die Gassen mit dem Kopfsteinpflaster und an dem lilafarbenen Haus vorbei. Endlich waren sie wieder in der Sackgasse, die zum Haus führte.

Als sie völlig außer Atem im Hof anlangten, stand die Tür offen – von Margaret aber war nichts zu sehen. Sie musste in ihrem Zimmer sein. Alle Möbel waren bereits an ihrem Platz. Margaret hatte sogar die meisten ihrer Bücher schon wieder in die beiden Regale gestellt. Das tat sie immer als erstes, und sie hatte ihre eigene Methode. Je nach Sachgebiet wurden die Bücher alphabetisch nach Autoren sortiert. Das Haus sah fast schon bewohnt aus.

„Glück gehabt“, wisperte Alex. Sophie hielt sich die Seite, und versuchte zu lächeln. Sie konnte nicht so schnell rennen wie er, aber trotzdem hatten sie es noch rechtzeitig nach Hause geschafft.

Windmar

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