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5 Fahrräder

Margaret machte noch ein überraschendes Geschenk, diesmal für beide von ihnen. Sie kaufte den beiden neue, schwarze Fahrräder – ein Mädchenfahrrad mit einem kleinen Korb an der Lenkstange für Sophie, und ein etwas größeres Jungenrad für Alex. Beide Räder hatten sogar Vorder- und Rücklicht, wenn man den surrenden Dynamo an das Vorderrad klappte. „Der Sommer ist so schön, und die Gegend ist auch viel flacher als da, wo wir zuletzt gewohnt haben“, sagte sie. „Hier macht das Fahrradfahren Spaß. Und so könnt ihr auch das Umland besser erkunden.“

Die Fahrräder waren zum Haus geliefert worden. Ein kleiner Lieferwagen vom Einkaufsmarkt in der Stadt war vorgefahren, und ein freundlicher Mann mit pechschwarzen Haaren und einem dicken Schnurrbart hatte sie in den Hof gestellt. Weil er noch die letzten Teile montieren musste – die braunen Sattel aus Leder, die Pedale und auch den Dynamo – war er eine Weile geblieben. Dabei hatte er sich fröhlich mit Alexander unterhalten, der dabeistand und sich jeden Handgriff merkte. „Das sind teure Fahrräder“, sagte der Mann, „solche verkaufen wir nicht häufig. Ihr müsst Eurer Mutter versprechen, gut darauf aufzupassen.“

Der Junge korrigierte ihn nicht; sowohl er als auch Sophie waren daran gewöhnt, dass alle glaubten, Margaret sei ihre Mutter. Er wies auf den kleinen Schraubenschlüssel, den der Mechaniker benutzte, und sagte – „So einen habe ich noch nie gesehen. Wie praktisch; und immer passt er genau.“ Der Mann sagte, „Das Ding heißt Knochen, weil es die gleiche Form hat. Ich lasse ihn dir da. Sicherlich musst du mal den Sattel verstellen oder die Schauben nachziehen. Und hier ist noch etwas anderes Werkzeug.“ Er gab Alex eine kleine Blechschachtel, auf der der Name der Fahrrad-Marke abgedruckt war.

Als der Mann wieder abgefahren war und Alex und Sophie ihren neuen Besitz bewunderten, kam Margaret in den Hof. „Vielen Dank“, sagte Alex. „Das ist das schönste Geschenk, das ich mir vorstellen kann.“ Für ihn bedeutete ein Fahrrad Freiheit; die Möglichkeit, weiter hinaus fahren zu können und nicht nur auf das Dorf beschränkt zu sein. Auch Sophie war glücklich. Schon träumte sie davon, einmal mit Tiger in ihrem Korb durch das Dorf zu fahren. „Damit werden wir schöne Ausflüge unternehmen können“, sagte sie.

Margaret aber meinte – „Alexander, du bist derjenige, der sich um die Fahrräder kümmert. Wenn sie immer sauber und gepflegt sind, werden sie lange in so gutem Zustand bleiben. Für die kalte Jahreszeit sehen wir mal, wo wir sie unterstellen können. Vielleicht bauen wir sogar einen zweiten Schuppen irgendwo. Bis dahin aber könnt ihr sie an der Seite des Hauses abstellen.“

Zwar war es eine ganze Weile her, seit sie auf einem Fahrrad gesessen hatten. In dem Haus an der Küste aber hatte es ein altes Rad gegeben, und sie hatten sich das Fahren selbst beigebracht. Es konnte wohl eine Weile dauern, bis Alex sich erneut trauen würde, freihändig zu fahren. Und auch Sophie war zuerst recht unsicher. Aber beide schafften es bald wieder, die Balance zu halten – und zur Übung fuhren sie einige Male die Sackgasse auf und ab. Margaret sah zu und freute sich. „Fahrradfahren verlernt man nicht“, sagte sie.

Am nächsten Tag fuhren Alexander und Sophie zum ersten Mal zum Schwimmbad. Sie hatten sich bereits die Badekleidung unter die Shorts angezogen und Handtücher in Sophies Korb gepackt. Mit den neuen Rädern waren sie in wenigen Minuten durch das Dorf gefahren und hinter der Neubausiedlung angekommen.

Diesmal allerdings war das Schwimmbad nicht so leer wie an dem Tag, als sie es entdeckt hatten. Ein paar andere Fahrräder waren bereits am Zaun angelehnt, und eine Gruppe von Jungen und Mädchen schwammen im Wasser, lagen auf der Wiese oder sprangen an der tiefen Seite in das Becken.

Nachdem Alex und Sophie ihre Räder abgestellt hatten und durch den Eingang kamen, drehten sich zwei Jungen zu ihnen um. Beide hatten blonde Haare, und sie sahen aus wie Brüder. Langsam kamen sie ihnen entgegen.

„Wer seid denn ihr“, fragte der größere von beiden. Es klang nicht besonders freundlich. Trotzdem bemühte sich Alexander um ein Lächeln. „Hallo“, sagte er. „Ich bin Alex, und das ist meine Schwester Sophie.“ Sophie winkte der Gruppe bei dem Schwimmbecken zu und sagte, „Wir sind erst kürzlich in das Dorf gezogen; wir sind nicht von hier.“

„Das wissen wir selber, dass ihr nicht von hier seid“, sagte der größere Junge und lachte höhnisch. „Schließlich haben wir euch noch nie gesehen.“ Der kleinere fügte hinzu, „Ihr seid nicht in das Dorf gezogen, ihr seid in unser Dorf gezogen. Und das ist unser Schwimmbad.“ Er betonte das „unser“. Ein paar andere Kinder waren dazu gekommen.

Alex aber sah die beiden Jungen kühl an. „Na gut. Nachdem das geklärt ist, lasst ihr uns bitte in Ruhe.“ Bevor der Junge etwas erwidern konnte, trat Sophie einen Schritt vor. „Wir wollen keinen Streit, und nur hier schwimmen“, meinte sie. „Das Becken ist doch groß genug für alle, und wir haben auch das Recht, hier zu sein.“ Der Junge schien überrascht, dass ein Mädchen so mit ihm sprach – zumal sie kleiner war als er. Nachgeben aber wollte er vor seinen Freunden nicht mehr. „Jetzt sind wir hier. Wir sagen euch, wenn ihr an der Reihe seid“, sagte er und stellte sich in den Weg.

Alex und Sophie sahen sich an. „Was soll denn das“, fragte Alexander. Er war müde und wurde langsam sehr ärgerlich. Der andere Junge drehte sich zu ihm um und sagte, „Vielleicht wollen wir euch hier einfach nicht.“ Dann stieß er Alex mit der rechten Hand vor die Brust.

Es war kein harter Schlag, und Alexander spürte kaum etwas. Dennoch hatte er genug. Ohne ein weiteres Wort holte er aus und versetzte seinem Gegenüber eine knallende Ohrfeige – so heftig, dass der sich auf den Boden setzte. Bevor er wieder hochkam, hatte sich Alex neben ihn gekniet und hielt ihn im Schwitzkasten.

Sophie stellte sich schnell vor die beiden und starrte die anderen Kinder böse an. „Ich habe gesagt, dass wir keinen Streit wollen. Wir lassen euch jetzt hier schwimmen, und gehen wieder nach Hause. Aber wenn ihr das nächste Mal hierherkommt und wir waren zuerst da, dann lasst ihr uns in Ruhe.“ Sie behielt den kleineren Jungen im Auge, der sich vielleicht am Ehesten einmischen wollte. „Ich hoffe, das ist klar“, sagte sie etwas lauter und so streng, wie Margaret immer sprach. Der Junge wich einen halben Schritt zurück.

Alex löste sich von seinem Gegner und trat zur Seite. Er ließ den Jungen nicht aus den Augen und war bereit, sich noch einmal zu verteidigen. Glücklicherweise aber war der andere zu schlau, um die Prügelei fortzuführen. Dazu fehlte ihm wohl auch die Luft. Er stand hustend auf und schwankte ein wenig. Da drehten sich Sophie und Alexander um und gingen zu ihren Fahrrädern zurück.

Erst als sie schon wieder nebenher auf der Dorfstraße fuhren, fingen sie an, miteinander zu sprechen. „Wir wollten einfach nur schwimmen“, sagte Sophie. „Er hat angefangen“, rechtfertigte sich Alex. „Nein, du hast keine Schuld“, antwortete sie, „Du hast nur getan, was Margaret immer sagt – dass wir uns wehren dürfen, wenn wir im Recht sind. Und das Schwimmbad ist doch für alle da.“

Alex fühlte sich trotzdem nicht ganz wohl. „Ich fürchte, wir müssen Margaret erzählen, was passiert ist – aber den Teil mit der Schlägerei lassen wir besser aus.“ Er sah zu Sophie. „Erinnerst du dich, wie ich mich immer mit den zwei Brüdern gestritten habe, damals in der Stadt? Wenn Margaret mitbekommen hat, dass wir uns geprügelt haben, gab es jedes Mal ein Riesentheater. Und bei ihr kann ich mich doch nicht so wehren.“

Sophie überlegte. „Ich glaube das war mehr, weil du dann dreckig warst und dir die Kleider kaputt gemacht hast. Außerdem ging es da um Fußball und dumme Sachen; und manchmal einfach darum, wer stärker ist. Heute, das war etwas anderes.“ Trotzdem versprach sie ihm, von sich aus nichts zu erwähnen.

Margaret aber war wie immer schlauer, und bekam sowieso heraus, was passiert war. Sie saß mit einem Buch und einer Tasse Tee auf der Terrasse, als die beiden ihre Fahrräder wieder am Haus anlehnten. „Ihr seid ja schon wieder zurück“, meinte sie und blickte überrascht auf. „Und schwimmen wart ihr auch nicht. Deine Haare sind ganz trocken“, sagte sie zu Sophie. „Was ist passiert?“

„Naja“, Sophie wusste nicht recht, wo sie beginnen sollte. Alex sagte, „Einige Kinder aus dem Dorf waren im Schwimmbad, und sie wollten nicht, dass wir dann auch noch schwimmen.“ Margaret legte das Buch zur Seite. „Und dann seid ihr einfach so wieder gegangen?“

Alexander sagte schnell, „Wir wollten keinen Streit.“ – „Manchmal sind Menschen leider dumm“, sagte Margaret langsam, „und Fremde oder Dinge, die sie nicht kennen, sind für sie verdächtig und gefährlich.“ Sie sah ihn prüfend an. „Hast du dich geschlagen?“ Sophie mischte sich ein. „Einer der Jungen hat geschubst, und Alex hat sich gewehrt. Aber es war wirklich nichts. Und wir sind nicht diejenigen, die angefangen haben.“

Margaret blickte auf den Tisch, und es war schwer zu raten, was sie dachte. Sie wollte wohl streng sein. Aber sie sagte nur, „Ich will nicht, dass ihr in irgendwelche Händel im Dorf verwickelt werdet. Solange ich aber keinen Besuch von wütenden Eltern bekomme, oder du jemandem die Nase gebrochen hast – seid ihr sicher, dass ihr richtig gehandelt habt?“ Bevor der Junge antworten konnte, sagte Sophie schon bestimmt, „Ja. Alexander hat sich nur vor mich gestellt. Er war derjenige, der ruhig geblieben ist. Aber er war auch der Stärkere, und er hat mich beschützt.“

„Na gut. Und was jetzt? Wo geht ihr dann schwimmen?“, fragte Margaret. Alex fand seine Stimme wieder. „Die werden ja nicht immer und an jedem Tag dort sein. Wir gehen dann halt schon morgens oder später am Abend dahin.“ Er schüttelte den Kopf. „Im Moment habe ich sowieso keine Lust auf das Schwimmbad mehr. Ich hole mir lieber auch ein Buch.“

Windmar

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