Читать книгу Original Gangstas - Ben Westhoff - Страница 11

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Mit einer selbstsicheren Ansage eröffnete Dr. Dre 1988 das bahnbrechende N.W.A-Debütalbum Straight Outta Compton und versprach darauf die detaillierte Schilderung eines jugendlichen Lebens, das geprägt war von Überlebenskampf und institutionalisierten Erniedrigungen: You are now about to witness the strength of street knowledge.

Dre, Eazy, Cube, Ren, DJ Yella und Arabian Prince waren die ultimativen Antihelden, Rockstars, die Amerika auf die Ära nach Reagan einstimmten, in der die Unterscheidung zwischen Gut und Böse nicht mehr so eindeutig sein würde. Die Zeile ist echt dope – und auch prophetisch. Nichts sollte mehr so sein wie zuvor.

Die denkwürdigsten Songs des Albums bestechen mit jeder Menge aggressiver Texturen, marschierenden Drums, Sample-Fragmenten und Breakbeats, die sich direkt zum Roadium Swap Meet zurückverfolgen ließen. Der bombastische Sound auf Straight Outta Compton nimmt es problemlos mit der Rhetorik des Albums auf. In Armut heranwachsende Kids konnten hier zustimmend nicken, während privilegiertere Bürger vor Schrecken nach Luft rangen. MC Ren hat die Tracks 3 bis 13 als Füllmaterial bezeichnet. Ich widerspreche ihm. Doch es stimmt, dass die ersten beiden Songs, „Straight Outta Compton“ und „Fuck tha Police“, am meisten Power ausstrahlen. Die selbstbezogenen Protagonisten, bei denen die Grenze zwischen Rapper und Kunstfigur verschwimmt, sind schwer bewaffnete Raubeine, die die Korruption erkennen und sich zur Wehr setzen. Am meisten schockiert dabei aber, dass sie zugleich politische Soldaten und nihilistische, mörderische Kriminelle sind.

Amerika war dafür noch nicht bereit. Aber es hatte keine andere Wahl, als sich anzupassen. Die aggressive Rhetorik des Albums ist so unbarmherzig eloquent, dass sie bis heute nicht an Wirkung eingebüßt hat: Police think they have the authority to kill a minority, rappt Ice Cube bei „Fuck tha Police“, bevor er hinzufügt:

Fucking with me ’cause I’m a teenager

With a little bit of gold and a pager

Searching my car, looking for the product

Thinking every nigga is selling narcotics.

Die Zeit für vernünftige Debatten war vorüber. Aber Cubes Feinde waren nicht nur die Cops. Jeder, der ihm in die Quere kam, musste sich in Acht nehmen. So warnte er in „Straight Outta Compton“:

Crazy motherfucker named Ice Cube

From the gang called Niggaz With Attitudes

When I’m called off, I got a sawed-off

Squeeze the trigger and bodies are hauled off.

Was machte es da schon, dass sein Gönner Eazy-E tatsächlich mit Drogen dealte? War es nicht egal, dass Ice Cube nichts mit Gangs am Hut hatte und nicht der Irre war, der er vorgab zu sein? Der Zorn und der aufgestaute Frust, die er im Namen aller Leidensgenossen zum Ausdruck brachte, war echt.

Hochlieder auf Compton anzustimmen, war damals nicht sehr angesagt. Doch N.W.A pflegten damit eine etablierte Rap-Tradition: Sie standen in einer Reihe mit Boogie Down Productions, die der South Bronx ebenso Tribut zollten wie Run-DMC ihrer engeren Heimat, dem Stadtteil Hollis in Queens. „Wir wollten alle Compton und L.A. präsentieren“, sagte MC Ren. Cube war zwar nicht aus Compton, „aber es fühlte sich komisch an ‚South Central‘ zu brüllen, wenn alle anderen ‚Compton‘ schrien“, betont er. „Und außerdem sind Compton und South Central zwei Seiten ein und derselben Medaille.“

Den größten Einfluss auf Straight Outta Compton hatten wohl Public Enemy aus Long Island, New York, deren eigenes bahnbrechendes Album It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back nicht einmal zwei Monate zuvor erschienen war und Rap-Fans wie auch hippe, politisch wache Rockfans mit seiner Message von schwarzer Einheit und seinen Aufrufen zur Revolte gegen die Strukturen der Macht in seinen Bann zog. Public Enemy brachten revolutionäres Gehabe in Mode und läuteten das goldene Hip-Hop-Zeitalter Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre ein, zu dessen Vertretern auch A Tribe Called Quest und De La Soul gehörten. Es war eine Zeit positiv gesinnter Afrozentrik und erbaulicher Reime, bevor Macho-Posen die Oberhand über das Genre gewannen. N.W.A waren ein Teil dieser Bewegung – gleichzeitig aber auch nicht. Straight Outta Compton, das mehr einer Anarchie-Erklärung als einer durchstrukturierten Abhandlung glich, hatte wenig mit Public Enemys überschäumender positiver Einstellung gemein. Ice Cube empfand ein starkes Verantwortungsgefühl, doch Dr. Dre bezeichnete die Vorstellung, die Gruppe wäre politisch, als „Nonsens“. „Die schwarzen Polizisten in Compton sind schlimmer als die weißen“, sagte Eazy-E. „Chuck D kümmert sich um all den Schwarzen-Kram. Wir nicht. Scheiß auf den ganzen Black-Power-Shit! Uns ist das scheißegal. ‚Free South Africa‘? Uns doch egal. Ich glaube nicht, dass irgendwer in Südafrika einen Button mit ‚Free Compton‘ oder ‚Free California‘ trägt.“„Straight Outta Compton“ war dreist und schwungvoll, aber auch destruktiv. „Es war der beste Song auf dem Album“, sagte DJ Yella. „Er kam gleich zur Sache. Ohne Schönfärberei. Dort kommen wir her. Und es war ein Song, der nicht viel Zeit in Anspruch nahm, um ihn zu machen. Ein paar Tage vielleicht.“ Es gab damals kaum Präzedenzfälle für solch unverschämte, anarchische, im Straßenjargon vorgetragene Polemik. Cubes schlüpft in eine wütende, arrogante Rolle und will jeden zur Strecke bringen, der ihm keine Achtung entgegenbringt. Eazy-E ist ebenso gefährlich, aber gerissener – er will den großen Coup landen. Die explosive Figur, der MC Ren seine Stimme verleiht, könnte jeder Zeit hochgehen. Gemeinsam bilden sie ein überaus potentes Trio. Umso bemerkenswerter ist, dass Cube und Ren, der Eazys Parts schrieb, gerade einmal 19 Jahre alt waren, als das Album veröffentlicht wurde. Die beiden, die an aufeinanderfolgenden Tagen im Juni 1969 zur Welt gekommen waren, erreichten als Performer bereits einen ersten Höhepunkt und pushten sich bei den Aufnahmesessions gegenseitig. Nach Mitternacht verbrachten sie den Rest der Nacht im Studio. Sogar wenn sie schon etwas abgeschlossen hatten, kam es vor, dass sie noch einmal eine Strophe veränderten, wenn der andere eine schärfere Performance hingelegt hatte.

Fuck tha Police

Der zweite Track des Albums, „Fuck tha Police“, wurde zu einem der bekanntesten Protestsongs in der Historie des Rap, wenn nicht sogar der Geschichte. „Fuck tha Police“, ein Protest gegen die Behandlung von Minderheiten durch die Polizei, diente seit den L.A. Riots 1992 bis zu den Demonstrationen in Ferguson, Missouri, die 2014 auf die Tötung des unbewaffneten 18-jährigen Michael Brown durch einen weißen Polizisten folgten, als Hymne von Protestbewegungen. Hunderte, wenn nicht tausende von Rappern, haben dem Song ihre Ehre erwiesen.

Ice Cube wird das Konzept des Songs zugeschrieben – und er wusste, wie provokativ die Message sein würde. „Wir hatten es satt, von der Polizei drangsaliert zu werden, bloß weil wir jung und schwarz waren. Daryl Gates hatte den Gangs den Krieg erklärt“, sagte Cube. „Und wenn man glaubt, dass jeder schwarze Jugendliche in einer Gang ist, dann heißt das, dass ein Krieg gegen alle schwarzen Kids geführt wird.“ Dre war anfangs nicht so begeistert. Ihm gefiel die Idee, aber er wollte seine persönliche Situation nicht noch verschärfen. Aufgrund seiner Verkehrsvergehen musste er 1988 an den Wochenenden einsitzen und wurde nur für die Werktage entlassen. „Er wollte nicht, dass der Song erscheint, während er noch ständig in den Knast einrücken musste“, erklärt Cube. „Aber als er das hinter sich gebracht hatte und ich die Idee noch mal aufbrachte, war er damit einverstanden.“

Laut Jerry Hellers Buch hingen die Mitglieder der Gruppe im Herbst 1987 vor Audio Achievements in Torrance ab, als aus dem Nichts die Polizei vorfuhr, die Musiker auf ihre Knie zwang und sie aufforderte, ihre Ausweise vorzuzeigen. Eine ähnliche Szene zeigt auch der Film Straight Outta Compton, woraufhin Cube einen Entwurf zu „Fuck tha Police“ schreibt. Alonzo Williams vermutet einen anderen Vorfall als Inspiration für den Song. Er erinnert sich an eine Spritztour von Eazy, Dre und anderen, bei der sie auf dem Harbor Freeway mit Paintball-Knarren auf andere Autos schossen. Als sie angehalten wurden, drückte man ihnen zunächst Pistolen an die Schläfen und legte ihnen Handschellen an, bevor die Cops sie wieder gehen ließen. „Sie kamen zu mir nachhause, zitterten wie Espenlaub an einem windigen Tag und waren den Tränen nahe“, schrieb Lonzo in seinen Memoiren. „Mann! ‚Fuck tha Police!‘“ Vielleicht meinte Eazy ja diesen Vorfall, als er sich gegenüber einem TV-Interviewer auf polizeiliche Schikanen bezog: „Ich wurde aus meinem Wagen gezerrt, mir wurde eine Waffe an den Schädel gehalten und ich wurde auf dem Freeway zu Boden gedrückt.“ Dre konkretisierte die Struktur des Songs und ahmte eine Aussage eines angeklagten Cops nach. In der Rolle des Richters verkündet Dre das Urteil: „Guilty of being a redneck, white bread, chickenshit motherfucker!“ D.O.C. verkörperte den verurteilten Polizisten mit besonders „weißer“ Stimme: „Fuck you, you black motherfucker!“

Reality-Rap

Die Mitglieder von N.W.A waren eigentlich eher schüchterne Zeitgenossen. Dr. Dre gibt selbst zu, an einer Sozialphobie zu leiden, und Eazy sagte während Meetings oft kein einziges Wort. Auch MC Ren war recht schweigsam. Arabian Prince war nicht allzu lange mit von der Partie. Und DJ Yella „konnte sich im Raum aufhalten, ohne das man ihn bemerkte“, schrieb Alonzo Williams. Cube war der einzige, den man nicht als introvertiert bezeichnen konnte. Aber zusammen war ihre Musik sogar noch aggressiver als die von Schoolly D oder Ice-T. „Die Mentalität dieser Typen hatte sich so stark verändert, dass ich sie gar nicht mehr richtig kannte“, ergänzte Lonzo. Überzeugt davon, dass ihr neuer Style die Aufmerksamkeit der Leute auf sich ziehen würde, blies die Gruppe mit Straight Outta Compton Gangsta-Rap zu einem ganzen Hip-Hop-Subgenre auf. Allerdings nannte es niemand Gangsta-Rap, vielmehr bevorzugten sie den Begriff „Reality-Rap“. „Wir erzählen die wahre Geschichte darüber, wie es ist, an Orten wie Compton zu leben. Wir vermitteln die Realität. Wir sind wie Reporter. Wir erzählen den Leuten die Wahrheit. Die Leute bei uns zu Hause hören so viele Lügen, dass sich die Wahrheit stark davon abhebt“, sagte Eazy. Das war nicht das retuschierte, optimistische schwarze Amerika, das die Bill Cosby Show oder DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince repräsentierten. „Was Jazzy Jeff und andere Rapper wie er aussagen, ist doch verlogen“, sagte MC Ren. „Sie berichten von Dingen, mit denen sich die weiße Welt und die weißen Kids identifizieren können. Wenn du ein schwarzer Jugendlicher von der Straße bist und jemand darüber rappt, dass dich deine Eltern nicht verstehen, dann kannst du nur lachen. Vielleicht hast du gar keine Eltern, oder sie sind auf Crack oder Prostituierte.“ Eazy behauptete weiterhin, dass es ihm nur ums Geld ging. Es war das Musikgeschäft, dem zuliebe Eazy mit dem Dealen aufgehört hatte – keine politischen Aspekte oder weil er so musikalisch begabt war wie Cube und Dre. Was Eazy an Rap-Talent fehlte, machte er mit seinem Weitblick und Marketing-Grips wett. Er bemerkte, dass im Radio nur saftlose Waschlappen gespielt wurden, und wollte diese Lücke schließen. Er machte keinen Hehl daraus, schockieren und einschüchtern zu wollen.

1993 äußerte sich Dr. Dre mehr als abfällig über Straight Outta Compton: „Ich kann das Album bis heute nicht ausstehen. Ich habe es in sechs Wochen zusammengekleistert, damit wir etwas hatten, um es aus dem Kofferraum heraus zu verkaufen.“ In einem aktuelleren Interview ergänzte er: „Damals dachte ich, dass die Refrains nur aus meinem Scratching bestehen sollten.“

Harsche Selbstkritik aus dem Mund eines Perfektionisten. Vielleicht hätte er besser sagen sollen: „Ich habe das Ding in einem obskuren Studio für weniger als 10.000 Dollar zusammengestellt und es wurde eines der besten Hip-Hop-Alben überhaupt.“ N.W.A schrieben und nahmen das Album tatsächlich in den abgelegenen Audio Achievement-Studios in Torrance auf. Dre und Yella übernahmen die Produktion, wobei ihnen Arabian Prince und der Studiobesitzer Donovan Smith assistierten. Sie orientierten sich an Public Enemys akustischem Flickwerk und deren Bombast. Das Debüt der Gruppe aus Long Island aus dem Jahr 1987, Yo! Bum Rush the Show, und dessen Nachfolger, It Takes a Nation of Millions, verließen sich auf die schwindelerregende, von abgehackten Samples geprägte Produktion der Bomb Squad, einem Public Enemy nahestehenden Produzenten-Team, das die Hip-Hop-Produktion in puncto Komplexität auf ein neues Level hievte. Allerdings setzte Dre auch auf Live-Instrumente wie Gitarren und Flöten, um Parts von anderen Platten nachzuahmen und es wie ein Sample klingen zu lassen. Auf diese Weise konnte er die jeweilige Lautstärke der Instrumente kontrollieren. „Bei einem Sample kannst du nicht die Bassgitarre oder die Gitarre hochfahren, ohne das gesamte Sample lauter zu drehen“, erklärte der Session-Gitarrist und Bassist Stan „The Guitar Man“ Jones. Dre gelang es mithilfe seines perfekten Gehörs, seiner Engelsgeduld und seines Einfühlungsvermögens unzählige Ideen miteinander zu verschmelzen. Eazy stellte zwar die Schecks für die Sessions aus, doch jeder wusste, dass Dre bei den Aufnahmen zum Album der Boss war. „Dre war so etwas wie das Über-Ohr“, sagte MC Ren. „Er gab dir Anweisungen, wie du etwas tun solltest, und sagte dann entweder ‚cool‘ oder ‚beschissen‘.“

Manche Tracks sind origineller als andere. Der Beat zu „Express Yourself“ ist nahezu identisch mit jenem des gleichnamigen Hits von Charles Wright & The Watts 103rd Rhythm Band von 1970, was Wright massiv verärgerte. (Priority Records stellte daraufhin Kontakt zwischen ihm und Ice Cube her. Cube „entschuldigte sich aufrichtig und ich erhielt meine Tantiemen“, sagte Wright.) Der Song war ein frühes wie rares Beispiel für einen schnellen Rap von Dr. Dre, der sich als geschickter Texter erweist, obwohl ihm die Anti-Drogen-Message später peinlich war: I don’t smoke weed or sess/ Cause it’s know to give a brother brain damage. Jones erzählte, dass er und Laylaw im Studio Weed rauchten und Dre einluden, sich ihnen anzuschließen. Er lachte sie jedoch aus und meinte nur, dass er „diesen Scheiß“ nicht nötig hätte.

Straight Outta Compton ist ein direktes Produkt von Eazy-Es Vision. MC Ren war für die Rauheit zuständig, während Cube für die ätzend-politische Komponente sorgte. Natürlich wäre all das umsonst gewesen, wenn Dre dem Album keine so gelungene Struktur verpasst hätte.

Und Yellas Beitrag? Obwohl er keinen der Songs schrieb, wurde er zusammen mit Dre als Produzent aufgeführt. „Ich stand am Mischpult und er bediente den Drumcomputer“, erklärte er selbst. „Ich ging dann rüber und programmierte den ganzen Kram. Wir waren wie ein Team. Keiner musste dem anderen sagen, was er zu tun hatte. Es war wie bei Batman und Robin.“

„Yella war gut, was die technischen Dinge betraf“, sagte Dre.

Laut Ren war Yella mehr ein „Assistent“ von Dre – ein Wort das auch andere gebrauchten. „Er dachte sich nicht wirklich irgendwelche Konzepte aus, aber er kümmerte sich um die nervtötenden Dinge. Das erlaubte Dre, sich darauf zu konzentrieren, den anderen zu helfen“, erörtert D.O.C.

„Yella kümmerte sich um Schneidearbeiten und heftete unterschiedliche Parts von Songs, sobald sie aufgenommen waren, aneinander“, erzählte der Studiomusiker Stan Jones, dem zufolge alle Beats von Dre stammten.

Straight Outta Compton klingt immer noch frisch – mit der Ausnahme seines letzten Tracks, „Something 2 Dance 2“, einem Rückfall in die L.A.-Techno-Zeit. Mir gefällt die Nummer zwar und sie war damals auch ein Dancefloor-Hit, doch gilt sie heute als eine Art Abgesang auf den Electro-Sound, wenn man bedenkt, dass es N.W.A waren, die ihn praktisch von der Bildfläche verschwinden ließen. Der Song bedient sich bei Sly & The Family Stone und bietet flotte Disco-Grooves, hibbelige Synthies und Ansagen wie „feel the groove, bust a move!“ Obwohl Dre und Yella als Produzenten und Eazy und Dre als Autoren des Songs angegeben werden, lassen die Electro-Texturen auf die Mitarbeit von Arabian Prince schließen, der behauptete, auch für andere Nummern keinen ordentlichen Credit erhalten zu haben, was zu seiner Entscheidung beigetragen habe, die Gruppe zu verlassen.

Es wurde darüber spekuliert, dass Arabian Prince den Schritt von Electro zu Hardcore-Rap nicht mitmachen wollte oder konnte. Mir gegenüber begründete er seien Ausstieg jedoch mit Jerry Hellers Umgang mit den Finanzen. „Wir verkauften viele Platten und bekamen nicht das Geld, das uns zustand“, sagte er. Außerdem habe er im Gegensatz zu den anderen aufgrund seiner erfolgreichen DJ-Karriere finanziell bereits auf sicheren Beinen gestanden. Obwohl er die Gruppe 1988 noch während der Arbeit an Straight Outta Compton verließ, trug er viel zu dessen Produktion bei und sein Beitrag wird seither oft unfairerweise unter den Teppich gekehrt. Im Film Straight Outta Compton kam er zum Beispiel gar nicht vor. Mir jedenfalls ist nicht klar, warum Eazy, Dre, Cube, Ren und Yella als klassische N.W.A-Besetzung gelten, wo diese fünf alleine eigentlich nie zusammen ein Album aufgenommen haben.

Denkst du, weiße Kids können damit was anfangen?

Heute gilt Straight Outta Compton als wegweisendes Werk, das nicht nur die Welt des Hip-Hop revolutioniert, sondern auch die gesamte Popmusik nachhaltig beeinflusst hat. Allerdings schlug es nach seiner Veröffentlichung keine sonderlich großen Wellen. Der Rolling Stone verzichtete auf eine Besprechung und widmete der Band erst anlässlich ihres zweiten Albums einen großen Artikel. Viele Rezensenten wussten nicht, was sie damit anfangen sollten. Im Radio wurde die Gruppe vor allem am Anfang kaum gespielt. Aber der Vertrieb des Albums war ausgezeichnet und auch die Mundpropaganda trug das ihrige zu seinem Erfolg bei.

„Je härter die Rap-Gruppe, desto mehr fuhren die weißen Kids auf sie ab“, erklärt Violet Brown von Wherehouse Records. „In all den Gegenden, die die Leute für besonders weiß hielten, verkaufte ich eine Menge Alben.“

In ihrer Heimatstadt zogen N.W.A-Autogrammstunden zuerst hunderte und schon bald tausende Fans an. Eine Show, die nach der Veröffentlichung des Albums im Skateland stattfand, war mit 2.200 Konzertbesuchern, unter denen sich Horden kreischender Groupies befanden, ausverkauft. Im Anschluss ging es in Limousinen weiter zu einer Aftershow-Party im Hotel Bonaventure. Craig Schweisinger sagte, die Show sei so laut gewesen, dass seine Ohren noch Tage später gerauscht hätten.

Aber es gab auch Hindernisse zu überwinden. So wurde ihnen an der Tür eines Clubs in Beverly Center der Zutritt zu ihrer eigenen Veröffentlichungsparty verwehrt, da sie der Türsteher für „einen Haufen Ganoven“ hielt. Als Eazy-Duz-It veröffentlicht wurde, buhte das Publikum sie im Apollo Theater in Harlem schonungslos aus und bewarf sie mit Gegenständen. Bei einem Auftritt im Celebrity Theatre in Anaheim brach auf der Bühne eine Keilerei aus und die Cops mussten eingreifen. Zeugen berichteten, dass auch Messer zum Einsatz kamen.Straight Outta Compton geriet schließlich in einen aufziehenden Mediensturm, der L.A. bereits als Zentrum einer amerikanischen Kriminalitätsepidemie ausgemacht hatte, da dort sowohl das Bandenunwesen als auch Crack zum Alltag gehörten. Anfang 1988 stellte der von Dennis Hopper in Szene gesetzte Film Colors – Farben der Gewalt zwei Polizisten der CRASH-Einheit, gespielt von Robert Duvall und Sean Penn, die sich inmitten eines Bandenkriegs in L.A. wiederfinden, in den Mittelpunkt. Das Filmplakat versprach „70.000 Gang-Mitglieder. Eine Million Knarren. Zwei Cops“ und Ice-T steuerte den Titel-Song bei, der seine Karriere so richtig in Gang brachte, wie er selbst sagt. Filmkritiker bejubelten seinerzeit den vermeintlichen Realismus des Streifens. Als ich mir den Film später noch einmal ansah, erschauderte ich jedoch angesichts der schwarzen und lateinamerikanischen Charaktere. Die Bürgerinitiative der Guardian Angels unterstellte dem Film, er würde das kriminelle Leben auf der Straße glorifizieren, und hinterließ einen Award in Form einer Kloschüssel auf dem Rasen von Sean Penn in Malibu, da er angeblich aus der Bandengewalt Profit schlug.

Ohne darauf einzugehen, ob Musik brutales Verhalten von Jugendlichen fördern kann, lässt sich mit Sicherheit sagen, dass N.W.A überall Teenager beeinflussten. Ich war elf Jahre alt, als Straight Outta Compton veröffentlicht wurde, und als ich ein paar Jahre später an die Central High School in St. Paul, Minnesota, kam, war mein Freundeskreis wie besessen von ihnen. Im Gegensatz zur restlichen Stadt war unsere Schule ethnisch mehr durchmischt. Weiße Kids wie ich wurden im Rahmen des International-Baccalaureate-Programms von außerhalb des Viertels angekarrt.

Ich konnte anfangs nichts mit N.W.A anfangen. Da ich mit Fernsehserien aufgewachsen war, in denen die Polizei als unfehlbar präsentiert wurde, erschien mir die Message von „Fuck tha Police“ nicht nur unangebracht, sondern ganz und gar falsch. Aber wie das bei Outlaw-Kunst oft der Fall ist, ließen sich meine Freunde und ich irgendwann doch darauf ein. Wir fingen nicht nur an, Autorität zu hinterfragen, sondern auch, ob es sich bei Drogendealern und Gang-Mitgliedern tatsächlich ausschließlich um schlechte Menschen handelte, wie uns eingetrichtert worden war. Von N.W.A blieben die rechtschaffenen politischen Aussagen und der Bombast hängen – vor allem ihr bombastischer Sound. Wir verarschten Cops hinter vorgehaltener Hand, imitierten Eazys schmierige Anmachsprüche, zogen unsere Turnhosen weit nach unten und beschwipsten uns mit Olde English. Ein paar von uns trugen Pager oder kauften sich Lautsprecher fürs Auto mit einem fetten Bass. Wir träumten davon, in „6-4s“ herumzufahren, obwohl ich erst später herausfand, dass damit ein 64er-Impala gemeint war. Für unsere „Gang“, die Langford Park Posse, hatten wir sogar ein eigenes Handzeichen. Obwohl fast keiner von uns Compton auf der Landkarte gefunden hätte, stellten wir uns diesen Ort als gleichzeitig beängstigend und unheimlich cool vor.

Diese Erinnerungen sind mir heute extrem peinlich und ich weiß, wie unsensibel und lächerlich es wirkt, die Coolness von Leuten nachzuahmen, deren Lebenssituation und Herkunft wir uns kaum ausmalen konnten. Aber es ist mir wichtig zu demonstrieren, wie normal dieses Verhalten im Amerika der Weißen damals war. Verzeiht mir den schrecklichen Ausdruck, aber wir waren keine „Wigger“, aber so ziemlich jeder, den wir kannten, machte einen auf Gangbanger aus L.A. Zumindest die Jungs taten das, aber auch viele Mädchen. „Es ging um das Gefühl, ein harter Typ zu sein, mich größer und stärker zu fühlen, als ich mich eigentlich selbst sah“, erklärte mir mein Freund Eric Royce Peterson die Anziehungskraft des Gangsta-Rap.

Wie sich herausstellen sollte, war die vorstädtische weiße N.W.A-Fangemeinde kein Zufallsprodukt. Dr. Dre hatte jedenfalls darauf gehofft. Ein weißer Ruthless-Angestellter, der anonym bleiben möchte, erzählte mir, dass Dre ihn in seinen Nissan Pathfinder einlud, um ihm die neueste Musik der Gruppe vorzuspielen und ihn fragte: Denkst du, weiße Kids können damit was anfangen?“

1991 begannen David Faustino, der Bud Bundy aus Eine schrecklich nette Familie, und Nic Adler, ein Sprössling der Sunset-Strip-Ikone Lou Adler, in Los Angeles unter dem Namen Balistyx eine Hip-Hop-Party zu veranstalten, die ein gemischtrassiges Publikum anzog und auch von Eazy-E besucht wurde, der völlig gleichgültig seinen BMW im Parkverbot abstellte. Xzibit und will.i.am boten Freestyle-Battles und mit Fergie tanzte ein zukünftiges Mitglied der Black Eyed Peas in einem Käfig.

Obwohl Faustino ein reicher weißer Junge war, verfügte er über die notwendige Credibility, weil seine Serienfigur das Genre aufrichtig zu lieben schien und sogar Poster von Ice Cube und Nas in ihrem Zimmer hingen. „Mein Albumcover als Poster an Buds Wand war einer der krankhaftesten Momente überhaupt“, schreibt mir Nas „Alle meine Projekte sind wie verrückt durchgestartet. Es war ein Zeichen, dass ich es in vielerlei Hinsicht geschafft hatte.“

Ein weiteres Zeichen war die Mode. Der Erfolg von Straight Outta Compton war nicht nur ein Triumph über den in L.A. vorherrschenden Hip-Hop-Style, sondern auch in Bezug auf die Hip-Hop-Mode. Eazy-E verabschiedete quasi im Alleingang jegliche Eastcost-Ästhetik samt Dookie-Ropes und gigantischen Brillen. In Anlehnung an den hiesigen Gangster-Look trug er stets ein brandneues weißes T-Shirt, meistens mehr als nur eins gleichzeitig, eine Khakihose und eine schwarze Baseballkappe. Auf einer seiner liebsten Kappen, die er sich von einem nordkoreanischen Einwanderer namens Wan Joon Kim anfertigen ließ, der auch als einer der ersten an seinem Swap-Meet-Verkaufsstand Gangsta-Rap verkaufte, stand ein „Compton“-Schriftzug. Die Farben Schwarz und Silber übernahmen N.W.A vom Footballteam der Raiders, die von 1982 bis 1994 in L.A. beheimatet waren. Dies wurde zum bevorzugten Look aller (Möchtegern-) Streetkids im ganzen Land. „Wir gingen in Kansas City in eine Filiale von Foot Locker und der ganze Chiefs-Shit war noch da, doch der Raiders-Kram war ausverkauft“, erzählte Cube.

Original Gangstas

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